Inhalt und Genese des Projektes

Das Langfristprojekt ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Die Edition bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch zahlreiche Personenregister, Werkregister, Briefregister, Ortsregister, Körperschaftenregister und weitere Registere. Die Edition knüpft bei der in den Jahren 2008 bis 2016 im Bärenreiter Verlag Kassel erschienenen Druckausgabe der Briefe von Felix Mendelssohn Bartholdy an. Alle Datensätze sind XML/TEI-ausgezeichnet. Durch die Bereitstellung neu edierter Textkorpora wird die intensive Auseinandersetzung mit Mendelssohns Briefen, Biographie und Werken ermöglicht und mit der Edition der Gegenbriefe einem lange bestehenden Desiderat der Forschung abgeholfen. Die Edition erlaubt, die wesentliche Rolle Mendelssohns im deutschen wie englischen Musikbetrieb der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert noch genauer zu beleuchten. 

Der bisher bearbeitete Zeitraum umfasst drei Lebensphasen Mendelssohns: Die erste betrifft Kindheit, Jugend und Reisejahre (1816 bis Mitte 1833). Hier sind hauptsächlich Briefe von Familienmitgliedern an den jungen Komponisten erhalten, daneben Briefe von Freunden und erste Briefe von Verlagen. 

Die zweite Lebensphase (Mitte 1833 bis Ende 1838) ist geprägt durch Mendelssohns beginnende berufliche Tätigkeit. Hierzu gehören Korrespondenzen im Rahmen der Anstellungen als Städtischer Musikdirektor in Düsseldorf (ab Herbst 1833) und als Gewandhauskapellmeister in Leipzig (ab Herbst 1835), intensive Korrespondenzen mit Verlagen (darunter mit N. Simrock in Bonn zur Herausgabe des „Paulus“ op. 36 und mit Breitkopf & Härtel zum Druck weltlicher Vokal- und Instrumentalmusik). In den bearbeiteten Zeitraum fallen Briefe im Zusammenhang der von Mendelssohn geleiteten Musikfeste: der Niederrheinischen Musikfeste 1833 in Düsseldorf, 1835 in Köln, 1836 in Düsseldorf und 1838 in Köln sowie des Birmingham Triennial Music Festivals 1837. Im Privaten wird neben der in Berlin lebenden Herkunftsfamilie ab 1836 die eigene Familie Felix Mendelssohn Bartholdys beleuchtet: die Verlobung mit Cécile Jeanrenaud im September 1836, die Heirat im März 1837, das erste Kind Carl im Februar 1838 sowie generell die angeheirateten, in Frankfurt a. M., Leipzig und in England lebenden Familienzweige Jeanrenaud, Schunck und Benecke.

Die dritte Lebensphase umfasst die Hin- und Gegenbriefe des Zeitraums 1839 bis Ende 1841, gekennzeichnet u. a. durch Mendelssohns vierte bis siebente Saison als Gewandhauskapellmeister, mehrere von ihm geleitete Musikfeste (das 21. Niederrheinische Musikfest in Düsseldorf 1839, das Fest in Braunschweig 1839, das 2. Norddeutsche Musikfest in Schwerin 1840), seit April 1840 Vorüberlegungen zum Konservatorium der Musik in Leipzig (Eröffnung: 2. April 1843), die Uraufführung des Lobgesangs op. 52 während der sechsten Englandreise im Herbst 1840, die Geburt zweier Kinder, und erste Verhandlungen des Rufs nach Berlin, die im Juli 1842 zur Übersiedlung nach Berlin für ein »Probejahr« führten.

Aufgrund der großen Zahl ausländischer Korrespondenten, darunter vieler Verleger, Musiker und Musikorganisatoren, leistet die Gesamtedition nicht nur einen Beitrag zur Musik- und Kulturgeschichte Deutschlands, sondern auch anderer europäischer Länder. Darüber hinaus liefert der große Quellenbestand von ca. 14.000 Briefen und Gegenbriefen aufgrund seiner frappanten inhaltlichen Vielschichtigkeit als Momentaufnahme eines in sich geschlossenen historischen Diskurses einen für die unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen einzigartigen Wissenspool, so z. B. für die Musik-, Kultur- Sozial-, Mentalitätsgeschichte, Medizingeschichte, Ernährungswissenschaften, Wissenschafts-, Technik- und Psychogeschichte, Meteorologie, Politik- und Wirtschaftsgeschichte.