gb-1841-06-24-03
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Braunschweig, 20. Mai und 24. Juni 1841
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
3 Doppelbl.: S. 1-12 Brieftext.
Eduard Otto.
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C): Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz (Hin- und Gegenbriefe) Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C) ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence (FMB-C) Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Ihren letzten lieben
hinter, als
vorden Spiegel stecken möchte, hätte ich längst beantworten sollen, schon um sie über einen unschicklichen, oder doch ungeschickten Scherz in dem meinigen keinen Augenblick länger in Sorge zu lassen. Auch würde ich mit umgehender Post geantwortet haben, wenn nicht eine musikalische Festangelegenheit, welche mit jedem Tage zum Abschlusse kommen zu wollen schien, erst gestern aber, nach mancherlei Debatten, spruch- oder vielmehr schreibreif geworden ist, auch ein confidentielles Vorschreiben an den Herrn Doctor, Musikdirector u.sw. erforderlich gemacht hätte. Dafür soll diese aber jetzt auch zuletzt an die Reihe kommen.
Kann man doch, wenn es gilt, Unrecht wieder gut zu machen, nicht früh genug damit beginnen. Das liegt mir aber gegen Sie, verehrter Herr, leider! in mehrfacher Hinsicht ab. Mendelssohn schreibe, nicht übereilen sollte. Aber die Versicherung kann ich wenigstens hinzufügen, daß, meines Wissens, außer in meinem Briefe, weder mündlich, noch schriftlich, noch gedruckt eine Vermuthung der Art irgendwo ausgesprochen ist. Wer könnte Sie, verehrter Herr, auch wohl im Ernste mit dem oft so widerlichen Treiben der Journale in Verbindung bringen wollen? In meinen Briefen soll es gewiß auch nicht einmal im Scherze wieder geschehen. Meine Hand darauf, und –
parenthesis claudatur!
Daß mein Ungeschick bei jenem vollends bei diesem zum Mißgeschick geworden ist, daß Sie
genreauch zu unerreichten Mustern für dasselbe macht, besonders deshalb so lieb geworden sind, weil durch sie die althergebrachten Theorieen, daß die Tonkunst sich auf Gefühlssprache pp. beschränken müsse, über den Haufen geworfen sind, und die Tonpoesie dadurch, der Wortpoesie gegenüber,
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clavis Mendelssohniana, der den Sinn Ihrer Claves so schlecht getroffen, ganz aus der Welt zu schaffen, wenn dieß verdientermaßen nicht bereits geschehen sein sollte. Die ersten Concepte liegen mir noch vor, und mit Hülfe dieser Rückerinnerung an die erste Auffassung Ihrer Lieder werde ich die letzte, größtentheils erst während des Schreibens an Ihrem Hefte entstandene Form leicht abstreifen können. Fällt alsdann auch dieser zweite Versuch, was die Auffassung und Einkleidung
IhrerIdeen betrifft, ebenso unglücklich aus, so müssen Sie, lieber Herr, Sich schon mit den Wortpoeten trösten, deren Werke ja auch noch bis auf den heutigen Tag auf so verschiedenartige Weise und auf verschiedenartige Weisen musikalisch übersetzt werden, daß man, was am
as d.?) zu hören bekommen haben. Mir aber verderben Sie den Spaß nicht, d.h., seien oder bleiben Sie mir, aller meiner dummen Streiche ungeachtet, ein wenig gut?
Und nun von den Abbitten zur Fürbitte!
Der Musikalienmarkt hat inzwischen diese zwar in dem Hauptpuncte überflüßig gemacht. Doch wird ihr Gegenstand immer noch einiges Interesse für Sie besonders haben, als daß ich ihn nicht schon deshalb hier erwähnen sollte.
Aus den Zeitungen werden Sie ersehen haben, daß die diesjähriger
Schneider
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privatimzu wenden, was, wie der Anfang dieses Briefs zeigt, auch sofort geschehen ist. Ehe ich jedoch an die Fürbitte kam, brachte der
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alsdann anrieth: Den Schatz (das MS.) müssen Sie ja versichern lassen! |:, so läßt sich bei dem Feste selbst wohl die größte Wirkung erwarten, da selten ein ähnlicher Fall vorkommen wird, wo Fest und Composition zufällig so in einander greifen, und eins durch das andere so gehoben wird, wie hier.Wiedebein
Doch bei meinen Bitten und Erzählungen von künftigen Dingen vergesse ich ganz, daß Sie alles dieses möglicherweise erst post festum werden zu lesen bekommen. Denn der große Künstlercongreß, welchen der
Die Idealisten und die s.g.P. F. im Anfange, aus welcher er sich nur in wenigen Tacten des unisono heraus zu ringen vermag, (im zweiten Theile auf nach der Fermate auch das nur zaghaft, in canonischer Weise), ebenso gut, wie gleich darauf zu dem ff. der wildesten Verzweiflung und im Anfange des zweiten Theils zu den weichen Harfentönen der Resignation im g mol paßt, – in seiner Großartigkeit immer eine ganze Seite zur Ausführung bedarf, beim Wiedereintritt des ersten Theils der Violine noch Raum zu einer so schönen selbstständigen Melodie läßt, auch die Passage gedankenreich macht, sich, wie das gesangreiche cantabile, in die Melismen des zweiten Theils so leicht verschlingt, und, wie jenes, den Stoff zu so vielen Kunst- und affectvollen, gesteigerten Imitationen (besonders zu der drei- oder fast vierfachen der ersten 4 Tacte am Schlusse des zweiten Theils vor der coda) enthält. Daneben hatte der Violoncellspieler sich für das Thema, der Violinist für die ihm zugetheilte vermittelnde und tröstende Rolle, (wenn er z B. das cantabile, sobald es beengt und gedrückt zu werden beginnt, im pp. bis zur Passage führt, oder das Violoncell, wenn es wieder im d molandante waren besonders die Freunde Ihrer
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dimin. sich aus dem Hauptthema unversehends in das Nebenthema hinüberschlingen (wo das
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Doch mit meinem Geschwätz habe ich nur den Beweis geliefert, daß Ihr Trio wenigstens auch langweilige Briefe zu produciren vermag. Um Ihnen durch den meinigen die Laune nicht ganz zu verderben, schließe ich also für heute, – zum Dank für das Trio mit einer kleinen Caprice, indem ich den
E Otto
Braunschweig, den 20. Mai 1841. Lieber, bester Herr Doctor! Ihren letzten lieben Brief, auf welchen ich einen weit größeren Werth lege, als Sie mir vielleicht glauben werden, obschon ich ihn eher hinter, als vor den Spiegel stecken möchte, hätte ich längst beantworten sollen, schon um sie über einen unschicklichen, oder doch ungeschickten Scherz in dem meinigen keinen Augenblick länger in Sorge zu lassen. Auch würde ich mit umgehender Post geantwortet haben, wenn nicht eine musikalische Festangelegenheit, welche mit jedem Tage zum Abschlusse kommen zu wollen schien, erst gestern aber, nach mancherlei Debatten, spruch- oder vielmehr schreibreif geworden ist, auch ein confidentielles Vorschreiben an den Herrn Doctor, Musikdirector u. sw. erforderlich gemacht hätte. Dafür soll diese aber jetzt auch zuletzt an die Reihe kommen. Kann man doch, wenn es gilt, Unrecht wieder gut zu machen, nicht früh genug damit beginnen. Das liegt mir aber gegen Sie, verehrter Herr, leider! in mehrfacher Hinsicht ab. Was zunächst die drei ominösen und odiösen Buchstaben betrifft, welche zwar nur in einer Parenthese Ihres lieben Briefes vorkommen, gleichwol aber Sie fast beunruhigt zu haben scheinen, so hat es damit folgende Bewandtnis: Ich hatte immer geglaubt, Hohenzollern-Hechingische Hofrath Schilling mit seinen, oft selbst wider besseres Wissen und Gewissen abgefaßten Kritiken pp. keinen Schilling werth sei. Daß er aber doch den Schilling – versteht sich, unter den Zopf – verdient habe, ersah ich zuerst aus einer Nummer der Halleschen oder Jenaischen Litteraturzeitung, in welcher seine Plagiate aus Seidel aufgedeckt wurden. Es folgten ihr bald eine Menge ähnliche Anzeigen, welche ich jedoch, wie die gestohlenen Sachen, kaum ansah, so daß mir nur jene erste im Gedächtnisse blieb, zumal die Charaktere, mit welchen sie unterzeichnet war, P. v. B., mich gerade an einige seiner gröbsten Sünden erinnerten. Aus diesen Buchstaben jedoch im Ernste Ihren Namen herauszudeuten, daran wird wohl niemand gedacht haben, am wenigsten ich, und gerade dadurch ließ ich mich verleiten, Sie ein wenig damit zu necken. Wenn ich dabei durch die Erinnerung an das Verbot Ihres verstorbenen Herrn Vaters Ihnen wehe gethan haben sollte, so können sie das zwar der Hast, mit welcher ich nach so langer Pause zum Schreiben eilte, nicht zu Gute halten, weil ich mich, wenn ich an den Doctor Mendelssohn schreibe, nicht übereilen sollte. Aber die Versicherung kann ich wenigstens hinzufügen, daß, meines Wissens, außer in meinem Briefe, weder mündlich, noch schriftlich, noch gedruckt eine Vermuthung der Art irgendwo ausgesprochen ist. Wer könnte Sie, verehrter Herr, auch wohl im Ernste mit dem oft so widerlichen Treiben der Journale in Verbindung bringen wollen? In meinen Briefen soll es gewiß auch nicht einmal im Scherze wieder geschehen. Meine Hand darauf, und – parenthesis claudatur! Damit hätte ich aber schon das Schwerste auf die Seite gebracht, wenn anderseits die Diplomaten Recht haben mit ihrer Lehre, daß Parenthesen eine schwere Kunst seien, – eine noch schwerere also, sie zu beseitigen, – und ich darf, obgleich mit noch weniger Hoffnung, Sie dabei wieder auf meine zu bringen, vom Buchstaben auf das Lesen kommen. Daß mein Ungeschick bei jenem vollends bei diesem zum Mißgeschick geworden ist, daß Sie meine Uebersetzung Ihrer Tonlieder gelesen, als läsen Sie ein fremde Sprache, – habe ich freilich wieder selbst verschuldet, und deshalb kann mir Ihr nachsichtsvoller Dank für das „schöne“ Geschenk nicht mehr Trost gewähren, als das sauersüße „Ich danke“ dem, welcher seinem Gaste sonstige unverdauliche Sachen vorsetzt und zuzulangen nöthigt, wenn seine Collation gleichwol eine Hungercur bewirkt. Denn so viel ist mir selbst vollkommen klar, daß mein Heft zu den Büchlein gehört, von welchen geschrieben steht: Verschling’ es, und es wird dich im Bauche grimmen! – Besorgen sie deshalb aber ja nicht, daß Ihr unumwundenes Urtheil mich irgend verletzt habe. Glauben Sie mir vielmehr, lieber Herr Doctor, daß ich dasselbe nur als einen recht thatsächlichen Beweis ansehe, wie gut Sie es wirklich mit mir meinen, daß ich Sie deshalb nur um so lieber gewonnen habe, und daß mein Dank dafür nicht minder aufrichtig ist. Leid thut es mir allein, daß ich Ihnen gewiß ein Paar verdrießliche Stunden gemacht und Sie die Vaterfreude an Ihren Liedern auch einmal von der Schattenseite kennen gelehrt habe. Doch will ich nicht verhehlen, daß ich mich dabei in zweifacher Hinsicht auch ein wenig geärgert habe, – versteht sich, allein über mich selbst. Einmal, weil es mir gerade mit Ihren Liedern o. W. ergangen ist, die ich immer für einen wahren Schatz in unserer musikalischen Nationalliteratur gehalten, wie wir ihn in ähnlicher Weise bis jetzt gar nicht besessen haben, und die wir, abgesehen von Ihrem Gehalte an sich, welcher die Erstlinge dieses genre auch zu unerreichten Mustern für dasselbe macht, besonders deshalb so lieb geworden sind, weil durch sie die althergebrachten Theorieen, daß die Tonkunst sich auf Gefühlssprache pp. beschränken müsse, über den Haufen geworfen sind, und die Tonpoesie dadurch, der Wortpoesie gegenüber, dadurch ihre angeborenen Rechte, nach langer Bevormundung der Herrn Theoretiker, endlich ihre Mündigkeit erlangt hat. – Sodann, weil meine Uebersetzung gerade durch überkünstelte Formen, also auf eine Weise mißrathen ist, welche Sie auf die Vermuthung bringen könnte, daß sie ein Machwerk der Eitelkeit und Anmaßung sei, da sie doch in ihrer ursprünglichen Anlage nur aus lauter Freude und Lust an Ihren Liedern entsprungen ist und weiter nichts bemerkt, als diese vom Herzen los zu werden. – Wie ich zu der poetischen Zwangsjacke, in welcher die meisten meiner Versuche stecken, gekommen bin, ist mir selbst jetzt ziemlich klar. Sobald ich nämlich mit ihnen den Anfang gemacht und mich von der Möglichkeit einer Uebertragung überzeugt hatte, nahm ich mir vor, sie demnächst niemanden mitzutheilen, bevor ich nicht Ihr Urtheil darüber gehört haben würde, weil ich mir dachte, eine solche Mittheilung, der Versuch möge ausfallen, wie er wolle, könne Ihnen doch vielleicht doch nicht lieb sein. Dieses Geheimhalten erzeugte aber, wie ich bald fühlte, eine gewisse Hast, die Arbeit zu beendigen, um sie wenigstens Ihnen bald mittheilen zu können, und da es mit dem ersten Entwurfe schnell genug ging, und da es mir – irrthümlicherweise – nur noch auf ein Paar Tage ungestörter Muß anzukommen schien, um Ihnen denselben fertig vorzulegen, und ich deshalb bis dahin auch den Briefwechsel glaubte aufschieben zu können, so steigerte sich dadurch unmerklich meine Eilfertigkeit, so daß ich, bei den doch immer wieder eintretenden Abhaltungen und dem hinzukommenden drückenden Gefühle meiner Briefschuld, nicht mehr den guten Tag abwartete und gar oft in vita an’s Werk gegangen sein mag. Wie sich das aber allezeit unerbittlich straft, so bin auch ich, wie ich sehe, nach gerade auf den Irrweg verkünstelter Form und auf diesem, rathlos und zuletzt mit Caprice, so weit ab von meinem ersten Entwurfe gerathen, daß darüber auch die ursprünglichen Gedanken verrenkt und verschroben sind, und ich zuletzt bei dem Bemühen die allgemeine Tonsprache recht treu zu dollmetschen, ergötzlicher Weise ein neues Idiom erfunden zu haben scheine. Ich könnte mich zwar im Scherz auf Vater Voß berufen, dessen Uebersetzungen mir gewöhnlich erst durch das Original verständlich werden. Aber ich will mich auch nicht einmal von der schwachen Seite mit ihm vergleichen, weil er, als Uebersetzer, überhaupt mein Mann nicht ist, sondern, da ich nicht hoffen kann, es gut zu machen, wenigstens versuchen, es besser zu machen, als das erste Mal. Kurz, wenn Land- und sonstig Um- und Anstände mich nicht in diesem Jahre daran verhindern, so hoffe ich, Ihnen den verlangten Schlüssel zu senden. Das wird mich alsdann zu der Bitte berechtigen, den ersten Versuch einer clavis Mendelssohniana, der den Sinn Ihrer Claves so schlecht getroffen, ganz aus der Welt zu schaffen, wenn dieß verdientermaßen nicht bereits geschehen sein sollte. Die ersten Concepte liegen mir noch vor, und mit Hülfe dieser Rückerinnerung an die erste Auffassung Ihrer Lieder werde ich die letzte, größtentheils erst während des Schreibens an Ihrem Hefte entstandene Form leicht abstreifen können. Fällt alsdann auch dieser zweite Versuch, was die Auffassung und Einkleidung Ihrer Ideen betrifft, ebenso unglücklich aus, so müssen Sie, lieber Herr, Sich schon mit den Wortpoeten trösten, deren Werke ja auch noch bis auf den heutigen Tag auf so verschiedenartige Weise und auf verschiedenartige Weisen musikalisch übersetzt werden, daß man, was am Main und an der Oker gesungen wird, kaum für dasselbe Lied halten sollte, welches am Rhein gedichtet wurde. Jedenfalls, lieber Herr Doctor, werden Sie über meine Mißgeburten nicht übler Laune, sondern beschenken Sie uns, unbesorgt vor Uebersetzungen, recht bald mit einem neuen Hefte, wovon die Leipziger im vorigen Winter schon 2 Nummern (eine in as d. ?) zu hören bekommen haben. Mir aber verderben Sie den Spaß nicht, d. h., seien oder bleiben Sie mir, aller meiner dummen Streiche ungeachtet, ein wenig gut? Und nun von den Abbitten zur Fürbitte! d 24. Juni. Der Musikalienmarkt hat inzwischen diese zwar in dem Hauptpuncte überflüßig gemacht. Doch wird ihr Gegenstand immer noch einiges Interesse für Sie besonders haben, als daß ich ihn nicht schon deshalb hier erwähnen sollte. Aus den Zeitungen werden Sie ersehen haben, daß die diesjähriger Versammlung der Naturforscher in Braunschweig stattfindet, und es versteht sich wohl von selbst, daß zur Verherrlichung des achttägigen Festes auch die Tonkunst mitwirken wird. Doch sind ihr von dem Festcommittee die Flügel sehr beschnitten, so daß nur ein Tag, oder eigentlich nur ein Abend zu einer musikalischen Aufführung und nur mit hiesigen Kräften benutzt werden kann, da alle übrige Zeit zu anderen Zwecken bestimmt und bei der großen Zahl der zu beherbergenden Naturforscher und Apotheker (mindestens 800) die Zuziehung auswärtiger Musiker unthunlich erschienen ist. Unter so beschränkenden Umständen durfte unser Verein, welcher das Musikalische des Festes zu besorgen hat übernommen hat, wohl nicht daran denken, wieder Ihre Güte in Anspruch zu nehmen. Der Abstand gegen die letzte Aufführung Ihres Paulus würde in jeder Hinsicht zu groß gewesen sein. Auch durften wir wohl hoffen, Sie dafür bald einmal bei einem rein musikalischen Feste wieder in unsere Mitte zu sehen. Auch dürfen wir wohl hoffen, Sie dafür bald einmal bei einem rein musikalischen. Um jedoch dem Koncerte (nicht: Musikfeste) durch die Direction einer musikalischen Notabilität größeres Interesse zu verleihen, hat unser Verein, nach mancherlei Debatten, beschlossen, Fr. Schneider zur Aufführung seines Weltgerichts in der Aegydienkirche einzuladen. Er hat unsere Einladung auch bereits angenommen, und die Chorproben haben unter der Leitung von Partsch im Laufe dieses Monats begonnen. – Daneben war es aber besonders ein Wunsch des Committee’s, daß das ganze Fest, welches mit einer allgemeinen Versammlung am 18. September, Morgens 10 Uhr, in derselben Kirche beginnt, durch die Aufführung eines Musikstücks eröffnet werde, welches zu den nachherigen Reden, Arrangements, Wahlen pp. Zeit genug übrig lasse. Der Stadtdirector Bode, welcher sich der Sache besonders annimmt, nahm mich deshalb schon vor einigen Monaten in Rath, und ich brachte ihm Ihren 114. Psalm in Vorschlag, welchen Grundidee und Ausführung zur Eröffnung gerade eines solchen Festes gewiß so eignen, wie keine andere Composition. Mein Vorschlag fand auch den sichtlichsten Beifall, und ich mußte versprechen, demnächst alles dazu beizutragen, um Ihre Erlaubniß zur Aufführung aufzuwirken. Auch als später unser Verein die Anordnung des Concertes übernahm, fand derselbe Vorschlag einstimmigen Applaus, und ich wurde beauftragt, mich deshalb an Sie privatim zu wenden, was, wie der Anfang dieses Briefs zeigt, auch sofort geschehen ist. Ehe ich jedoch an die Fürbitte kam, brachte der Leipziger Katalog und die dortige Musikalische Zeitung, welche ich etwas spät erhalte, die Anzeige der Partitur pp. Ihres Psalms, und da vor einigen Tagen jene mit den Stimmen hier angelangt ist, was abzuwarten rätlich schien, um für den Fall, daß es an irgend etwas fehlen sollte, mich sogleich an Ihre Güte wenden zu können, so kann ich nunmehr meine Bitte darauf beschränken – mir, wenn Sie mich etwa einmal wieder mit einigen Zeilen erfreuen sollten, mit Ihrer vielbewährten Freundlichkeit einige Winke darüber zu geben, was in Beziehung auf äußere Anordnung, wie auf den Vortrag selbst zu einer recht würdigen Aufführung Ihres Meisterwerks förderlich sein könnte, indem ich die gewissenhafteste Beachtung im Voraus versprechen darf. Partsch ist schon contractlich auch zum Einstudiren des Psalms verpflichtet, zeigt den größten Eifer und wird damit beginnen, von seinem Gesangverein und den Theaterchoristen die Doppelstimmen geteilt einüben zu lassen, um für den Gesammtchor von ppt 500 Kehlen einen Kern zu bilden. Die Direction wird wahrscheinlich Georg Müller übernehmen, weil Schneider alsdann noch nicht hier angelangt sein wird und Müller, so eben von Paris zurückgekehrt, und als interimistischer Kapellmeister, (wovon ein andermal), trotz seines angeborenen Phlegma’s, alles aufbieten wird, um als Dirigent Ehre einzulegen. Die hiesigen Orchesterkräfte werden wir übrigens doch durch einige Auswärtige noch verstärken müssen. – Wenn nun schon jetzt Ihr Psalm überall, wo ich ihn aus Ihrer Partitur, die mir ziemlich geläufig ist, gespielt habe, bei Jung und Alt, Enthusiasten und Kritikern, Laien, Dilettanten und Kennern durch seine populaire Großartigkeit, Abrundung und Einfachheit neben aller darauf verwendeten Kunst wahres Entzücken erregt, :| wobei sich denn jeder auf seine Weise äußert, z. B. der ängstliche Wiedebein alsdann anrieth: Den Schatz (das MS. ) müssen Sie ja versichern lassen! |:, so läßt sich bei dem Feste selbst wohl die größte Wirkung erwarten, da selten ein ähnlicher Fall vorkommen wird, wo Fest und Composition zufällig so in einander greifen, und eins durch das andere so gehoben wird, wie hier. Doch bei meinen Bitten und Erzählungen von künftigen Dingen vergesse ich ganz, daß Sie alles dieses möglicherweise erst post festum werden zu lesen bekommen. Denn der große Künstlercongreß, welchen der König von Preußen in Berlin zusammenberufen hat, wird nun wohl aus einander und Sie werden wohl schon wieder auf Reisen gegangen sein, – wie ein dunkles Gerücht sagt, nach Italien, vielleicht, um von dort eine Schöne Oper mitzubringen. Dazu schenke Ihnen der Himmel einen schönen Sommer und Herbst und was sonst dazu gehören mag, den Text nicht zu vergessen, von welchem ich wenigstens so viel weiß, daß es nicht Byrons Manfred nicht ist, was Ihnen auch H Posparu darüber angerathen haben mag. Aber vorher haben wir ja, Ihrem eigenen Briefe zufolge, noch manche neue Sachen von Ihnen zu erwarten. So wird uns auch die Zwischenzeit nicht lang werden. Die Clavierspieler dürfen freilich wohl kaum sich mit solchen Hoffnungen schmeicheln, weil ihnen schon mit Ihrem Trio für lange Zeit der Mund gestopft ist. Das soll mich indessen nicht abhalten, Ihnen, nachdem ich es mit diesem Vortrage nun selbst versucht habe, hier gleich, wie in einer Parenthese, d. h., nicht beiläufig, sondern als etwas recht Wichtiges und Schweres, wiederzuerzählen, was darüber geurtheilt wurde. Sollte Ihnen dabei zu Muthe werden, als säßen Sie auf dem Mockirstuhle, so müssen Sie das, lieber Herr Doctor, schon der Schwierigkeit des Gegenstandes zu Guthe halten. Die Idealisten und die s. g. Kenner hielten sich besonders an den ersten Satz, dessen tief melancholisches Thema zu des wogenden, düstern Begleitung des P. F. im Anfange, aus welcher er sich nur in wenigen Tacten des unisono heraus zu ringen vermag, (im zweiten Theile auf nach der Fermate auch das nur zaghaft, in canonischer Weise), ebenso gut, wie gleich darauf zu dem ff. der wildesten Verzweiflung und im Anfange des zweiten Theils zu den weichen Harfentönen der Resignation im g mol paßt, – in seiner Großartigkeit immer eine ganze Seite zur Ausführung bedarf, beim Wiedereintritt des ersten Theils der Violine noch Raum zu einer so schönen selbstständigen Melodie läßt, auch die Passage gedankenreich macht, sich, wie das gesangreiche cantabile, in die Melismen des zweiten Theils so leicht verschlingt, und, wie jenes, den Stoff zu so vielen Kunst- und affectvollen, gesteigerten Imitationen (besonders zu der drei- oder fast vierfachen der ersten 4 Tacte am Schlusse des zweiten Theils vor der coda) enthält. Daneben hatte der Violoncellspieler sich für das Thema, der Violinist für die ihm zugetheilte vermittelnde und tröstende Rolle, (wenn er z B. das cantabile, sobald es beengt und gedrückt zu werden beginnt, im pp. bis zur Passage führt, oder das Violoncell, wenn es wieder im den Trübsinn zweiten Theile in d mol in den Trübsinn des Themas versinkt, zu beruhigen sucht) ; der Clavierspieler endlich aber für die „Donner, Blitz und der Engel-passage“ und die brillanten Läufe am Schlusse zu bedanken. – Ueber das andante waren besonders die Freunde Ihrer Lieder o. W. sehr wortreich und hatten gleich eine Menge Texte zur Hand, mögen sich aber doch hüten, daß sie das b minore mit seinen 2/3 gegen 2/ nicht aus dem Texte bringe, wie es die Spieler leicht aus dem Tacte bringen kann. Die schöne, ungezwungene Folge der Violine auf das Clavier möchte darüber leicht verloren gehen. Wenn sie aber auch mit dem Gedanken der Melodie aufs Reine gekommen zu sein glauben, so weiß ich doch wenigstens noch nicht, woher Sie nur noch immer die beim Vortrage so zauberisch wirkende Begleitung nehmen, welche Sie den Saiteninstrumenten in Ihren Andantes pp., wie hier wieder bei der Wiederholung des Themas und ganz am Schlusse, zutheilen. – Am schlagendsten auf die Hörer aller Grade und Classen war aber die Wirkung des Scherzo und ließ den Eindruck beim Lesen weit hinter sich zurück. Es sprüht von lauter Muthwillen und fröhlicher Launen über, macht sich sogar einmal über den eröthenden Ingrimm der obenerwähnten Imitazion im ersten Satze lustig, und ist wohl mit Fug und Recht nirgends fugirt, weil sein Muthwillen Uebermuth sonst aus allen Fugen gehen würde. – Doch „Laune“ möchte man vorzugsweise das Finale überschreiben, dessen Thema in allen Gestalten dieses Proteus zum Vorschein kommt, schmollt, grollt, sinnt, träumt, trotzt, poltert, zankt, keift, verzagt, klagt, weint, wüthet, kichert, tanzt pp., bis endlich, wieder auf die versöhnende Stimme der Violine (espressivo!), die gute Stimmung die Oberhand gewinnt, und alles, sempre piu animato, im lautesten endet. Wer den Satz auch nur aus diesem oder einem ähnlichen Gesichtspuncte durch alle wechselnden Stimmungen verfolgt, wird ihn eher zu kurz, als zu lang finden, und der Clavierspieler kann, wenn er etwas der Art zu Gehör bringt, glaube ich, damit noch mehr Ehre einlegen, als mit dem fertigsten Vortrage der Passagen, welche von Rechtswegen auch hier immer nur als Beiwerk behandelt sind und in ihren Seiten langen cresc. und dimin. sich aus dem Hauptthema unversehends in das Nebenthema hinüberschlingen (wo das unisono aus dem Thema des ersten Satzes wieder verklingt), durch schnelles und scharfes Ueber- und Einsetzen aber die Linke doch müde genug machen und besonders in den Octavengängen am Schlusse der ersten Passage – einem Gegenstücke zum diminuendo im ersten Satze, welches im 2. Theile zum Thema wieder leitet – schön erfunden sind. Nach einem solchen ersten Satze konnte der Schlußsatz, dessen Großartigkeit sogar im pp. überrascht, z B., bei den Rückungen von b auf a und d nach dem ersten cantabile, um als Finale zu gelten und sich gegen jenen nicht (wie bei mancher Beethovenschen Sonate) gewissermaßen im Sande zu verlieren, auch nur so groß und breit angelegt werden. – Den Psychologen vom Fach muß ich es überlassen, überhaupt zu bestimmen, unter welche Rubrik ihres Systems von den Temperamenten die einzelnen Sätze Ihres Trio’s etwa zu bringen seien, ob nr. 1. das melancholische, nr. 2. das empfindsam und empfindlich sentimentale, nr. 3 das sanguinisch heitere und nr 4 das cholerisch launenhafte versinnliche, – hier nur noch die Bemerkung, daß ich bloß ein Temperament gar nicht in Ihrem Trio habe finden können, – das phlegmatisch-langweilige. Das haben Sie vermuthlich für die Aspiranten der Prämie des Süddeutschen Vereins übrig gelassen, welcher mit seinem Schema eines preiswürdigen Trio’s es darauf angelegt abgesehen zu haben scheint, zwar „schulgerechte“ und „nicht zu lange“ Trios, aber auch desto langweiligere in’s Leben zu rufen. Doch mit meinem Geschwätz habe ich nur den Beweis geliefert, daß Ihr Trio wenigstens auch langweilige Briefe zu produciren vermag. Um Ihnen durch den meinigen die Laune nicht ganz zu verderben, schließe ich also für heute, – zum Dank für das Trio mit einer kleinen Caprice, indem ich den Schlüssel zu zwei Liedern o. W., als vorläufige Probe, beilege, – vor allem aber mit dem Wunsche, daß die Göttin Laune, die vorzugsweise in unserer Kunst unumschränkte Selbstherrscherin ist, Ihnen, wenn Sie auch Sct. Peters Schlüssel in diesem Jahre nicht zu sehen bekommen sollten, doch mit allen: 5 Notenschlüsseln immerfort so gewogen bleiben mögen, wie sie es bisher gewesen, und wie Sie es so sehr verdienen! Dabei steht sich, wie mir wieder Ihr Trio gezeigt hat, doch keiner besser, als Ihr treuergebener E Otto
<TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="gb-1841-06-24-03" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="gb-1841-06-24-03" xml:id="title_af77c394-501d-4b06-a076-aa156f8f9a2b">Eduard Otto an Felix Mendelssohn Bartholdy in Berlin <lb></lb>Braunschweig, 20. Mai und 24. 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Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName xml:id="placeName_6122807a-cd94-42f4-86be-cb0764f850d0"> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript" xml:id="sourceDesc_558945ce-fb6e-44f0-929c-f653cfadd6b8"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. d. 39/231.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="gb-1841-06-24-03" type="letter" xml:id="title_9881f286-4f0e-4cb8-a70f-0d1e3cfe54d4">Eduard Otto an Felix Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Braunschweig, 20. Mai und 24. Juni 1841</title> <incipit>Ihren letzten lieben Brief, auf welchen ich einen weit größeren Werth lege, als Sie mir vielleicht glauben werden, obschon ich ihn eher hinter, als vor den Spiegel stecken möchte, hätte ich längst beantworten sollen, schon</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>3 Doppelbl.: S. 1-12 Brieftext.</p> <handDesc hands="1"> <p>Eduard Otto.</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="textTemplate">Zwei Texte Eduard Ottos zu Mendelssohns Lieder ohne Worte (H. 1 a. 1, Trost in Liedertönen; H. 3 a. 1,, Die Botschaft von der Liebe)</bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc> <projectDesc> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C): Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz (Hin- und Gegenbriefe) Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p> </projectDesc> <editorialDecl> <p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C) ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence (FMB-C) Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p> </editorialDecl> </encodingDesc> <profileDesc> <creation><date cert="high" when="1841-05-20" xml:id="date_bc7e6d4c-f2f1-4fcb-aecf-1028f27ca3a6">20. Mai</date> und <date cert="high" when="1841-06-24" xml:id="date_aea0d842-35a5-44e3-bf69-78bab6a490a3">24. Juni 1841</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0113709" resp="author">Otto, Eduard</persName> <note>counter-reset</note><persName key="PSN0113709" resp="writer">Otto, Eduard</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_3582c825-f5a5-4d4e-8794-bc68c6888dd8"> <settlement key="STM0100373">Braunschweig</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_8c80a82d-706c-46aa-89f7-b23855599e6f">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_6c58e8d8-49e7-44d8-943e-78f3132afa49"> <settlement key="STM0100116">Leipzig</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"> </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_dcceb798-9e95-4826-b0e7-e286e02bcabb"> <docAuthor key="PSN0113709" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_cc43b3b2-e457-43d5-8cda-9fafbf666e60">Otto, Eduard</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113709" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_25fc0bc8-6733-449c-be48-13cfa5e63b71">Otto, Eduard</docAuthor> <dateline rend="right">Braunschweig, den <date cert="high" when="1841-05-20" xml:id="date_95181497-d2c9-438e-936f-e0a4921df6e8">20. Mai 1841</date>.</dateline> <salute rend="center">Lieber, bester Herr Doctor!</salute> <p style="paragraph_without_indent">Ihren letzten lieben <title xml:id="title_24d76c2f-beab-46df-ba90-b95553fb09ba">Brief<name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="fmb-1841-04-26-02" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Eduard Otto in Braunschweig; Leipzig, 26. April 1841</name></title>, auf welchen ich einen weit größeren Werth lege, als Sie mir vielleicht glauben werden, obschon ich ihn eher <hi n="1" rend="underline">hinter</hi>, als <hi n="1" rend="underline">vor</hi> den Spiegel stecken möchte, hätte ich längst beantworten sollen, schon um sie über einen unschicklichen, oder doch ungeschickten Scherz in dem meinigen keinen Augenblick länger in Sorge zu lassen. Auch würde ich mit umgehender Post geantwortet haben, wenn nicht eine musikalische Festangelegenheit, welche mit jedem Tage zum Abschlusse kommen zu wollen schien, erst gestern aber, nach mancherlei Debatten, spruch- oder vielmehr schreibreif geworden ist, auch ein confidentielles Vorschreiben an den Herrn Doctor, Musikdirector u.sw. erforderlich gemacht hätte. Dafür soll diese aber jetzt auch zuletzt an die Reihe kommen.</p> <p>Kann man doch, wenn es gilt, Unrecht wieder gut zu machen, nicht früh genug damit beginnen. Das liegt mir aber gegen Sie, verehrter Herr, leider! in mehrfacher Hinsicht ab.<seg type="pagebreak"> |2| <pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg>Was zunächst die drei ominösen und odiösen Buchstaben betrifft, welche zwar nur in einer Parenthese Ihres lieben Briefes vorkommen, gleichwol aber Sie fast beunruhigt zu haben scheinen, so hat es damit folgende Bewandtnis: Ich hatte immer geglaubt,<persName xml:id="persName_92af8d31-5fbe-416d-8175-692bf589d9cf"> Hohenzollern-Hechingische Hofrath Schilling<name key="PSN0118124" style="hidden" type="person">Schilling, Friedrich Gustav (1805-1880)</name></persName> mit seinen, oft selbst wider besseres Wissen und Gewissen abgefaßten Kritiken pp. keinen Schilling werth sei. Daß er aber doch den Schilling – versteht sich, unter den Zopf – verdient habe, ersah ich zuerst aus einer Nummer der Halleschen oder Jenaischen Litteraturzeitung, in welcher seine Plagiate aus Seidel<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_a02cd092-406f-450f-aa2f-245515c9e82f" xml:lang="de ">seine Plagiate aus Seidel – Gustav Schillings Hauptwerk Versuch einer Philosophie des Schönen in der Musik, oder Aesthetik der Tonkunst (Mainz 1838) basierte sowohl in der Grundanlage als auch vielfach im Wortlaut auf Carl Seidels Charinomos. Beiträge zur allgemeinen Theorie und Geschichte der schönen Künste (2 Bde., Magdeburg 1825 und 1828). Die Kritiken, insbesondere von Heinrich Dorn und Carl Ferdinand Becker, mündeten in öffentlichen Streitschriften, die in der von Robert Schumann herausgegebenen Neuen Zeitschrift für Musik und in den von Schilling herausgegebenen Jahrbüchern des deutschen National-Vereins für Musik und ihre Wissenschaften ausgetragen wurden.</note> aufgedeckt wurden. Es folgten ihr bald eine Menge ähnliche Anzeigen, welche ich jedoch, wie die gestohlenen Sachen, kaum ansah, so daß mir nur jene erste im Gedächtnisse blieb, zumal die Charaktere, mit welchen sie unterzeichnet war, P. v. B., mich gerade an einige seiner gröbsten Sünden erinnerten. <add place="above">Aus<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> diesen Buchstaben jedoch im Ernste Ihren Namen herauszudeuten, daran wird wohl niemand gedacht haben, am wenigsten ich, und gerade dadurch ließ ich mich verleiten, Sie ein wenig damit zu necken. Wenn ich dabei durch die Erinnerung an das Verbot Ihres verstorbenen Herrn <persName xml:id="persName_0ec170c1-94f8-4286-8234-2caa4b783bd0">Vaters<name key="PSN0113247" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> Ihnen wehe gethan haben sollte, so können sie das zwar der Hast, mit welcher ich nach so langer Pause zum Schreiben eilte, nicht zu Gute halten, weil ich mich, wenn ich an den Doctor <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_c6e933a5-e8ef-401b-811f-89be385c25db">Mendelssohn<name key="PSN0000001" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name></persName></hi> schreibe, nicht übereilen sollte. Aber die Versicherung kann ich wenigstens hinzufügen, daß, meines Wissens, außer in meinem Briefe, weder mündlich, noch schriftlich, noch gedruckt eine Vermuthung der Art irgendwo ausgesprochen ist. Wer könnte Sie, verehrter Herr, auch wohl im Ernste mit dem oft so widerlichen Treiben der Journale in Verbindung bringen wollen? In meinen Briefen soll es gewiß auch nicht einmal im Scherze wieder geschehen. Meine Hand darauf, und – <hi rend="latintype">parenthesis claudatur</hi>!<seg type="pagebreak"><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_7484d957-e744-46df-9090-65d69e7bea59" xml:lang="la ">parenthesis claudatur – lat., die Klammer wird geschlossen.</note> |3| <pb n="3" type="pagebreak"></pb>Damit hätte ich aber schon das Schwerste auf die Seite gebracht, wenn anderseits die Diplomaten Recht haben mit ihrer Lehre, daß Parenthesen eine schwere Kunst seien, – eine noch schwerere also, sie zu beseitigen, – und ich darf, obgleich mit noch weniger Hoffnung, Sie dabei wieder auf meine zu bringen, vom Buchstaben auf das Lesen kommen. </seg></p> <p>Daß mein Ungeschick bei jenem vollends bei diesem zum Mißgeschick geworden ist, daß Sie <title xml:id="title_df013cc5-a6a6-497b-a148-1553689b2ae7">meine Uebersetzung<name key="PSN0113709" style="hidden" type="author">Otto, Eduard</name><name key="CRT0110249" style="hidden" type="literature">Gedichte zu Felix Mendelssohn Bartholdys Liedern ohne Worte</name></title> <title xml:id="title_80941a25-878b-4050-9511-ce5393320c85">Ihrer Tonlieder<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_695bad2a-a41e-4339-82d7-964bbbbdc813"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="unidentified_and_unspecified_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100968" style="hidden">Lieder ohne Worte<idno type="MWV"></idno><idno type="op"></idno></name></title> gelesen, als läsen Sie ein fremde Sprache, – habe ich freilich wieder selbst verschuldet, und deshalb kann mir Ihr nachsichtsvoller Dank für das „schöne“ Geschenk nicht mehr Trost gewähren, als das sauersüße „Ich danke“ dem, welcher seinem Gaste sonstige unverdauliche Sachen vorsetzt und zuzulangen nöthigt, wenn seine Collation gleichwol eine Hungercur bewirkt. Denn so viel ist mir selbst vollkommen klar, daß mein Heft zu den Büchlein gehört, von welchen geschrieben steht: Verschling’ es, und es wird dich im Bauche grimmen! – Besorgen sie deshalb aber ja nicht, daß Ihr unumwundenes Urtheil mich irgend verletzt habe. Glauben Sie mir vielmehr, lieber Herr Doctor, daß ich dasselbe nur als einen recht thatsächlichen Beweis ansehe, wie gut Sie es wirklich mit mir meinen, daß ich Sie deshalb nur um so lieber gewonnen habe, und daß mein Dank dafür nicht minder aufrichtig ist. Leid thut es mir allein, daß ich Ihnen gewiß ein Paar verdrießliche Stunden gemacht und Sie die Vaterfreude an Ihren Liedern auch einmal von der Schattenseite kennen gelehrt habe. Doch will ich nicht verhehlen, daß ich mich dabei in zweifacher Hinsicht auch ein wenig geärgert habe, – versteht sich, allein über mich selbst. Einmal, weil es mir gerade mit Ihren Liedern o. W. ergangen ist, die ich immer für einen wahren Schatz in unserer musikalischen Nationalliteratur gehalten, wie wir ihn in ähnlicher Weise bis jetzt gar nicht be<seg type="pagebreak">|4|<pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg>sessen haben, und die wir, abgesehen von Ihrem Gehalte an sich, welcher die Erstlinge dieses <hi rend="latintype">genre</hi> auch zu unerreichten Mustern für dasselbe macht, besonders deshalb so lieb geworden sind, weil durch sie die althergebrachten Theorieen, daß die Tonkunst sich auf Gefühlssprache pp. beschränken müsse, über den Haufen geworfen sind, und die Tonpoesie dadurch, der Wortpoesie gegenüber, <unclear reason="deletion" resp="FMBC">dadurch</unclear> ihre angeborenen Rechte, nach langer Bevormundung der Herrn Theoretiker, endlich ihre Mündigkeit erlangt hat. – Sodann, weil meine Uebersetzung gerade durch überkünstelte Formen, also auf eine Weise mißrathen ist, welche Sie auf die Vermuthung bringen könnte, daß sie ein Machwerk der Eitelkeit und Anmaßung sei, da sie doch in ihrer ursprünglichen Anlage nur aus lauter Freude und Lust an Ihren Liedern entsprungen ist und weiter nichts bemerkt, als diese vom Herzen los zu werden. – Wie ich zu der poetischen Zwangsjacke, in welcher die meisten meiner Versuche stecken, gekommen bin, ist mir selbst jetzt ziemlich klar. Sobald ich nämlich mit ihnen den Anfang gemacht und mich von der Möglichkeit einer Uebertragung überzeugt hatte, nahm ich mir vor, sie demnächst niemanden mitzutheilen, bevor ich nicht Ihr Urtheil darüber gehört haben würde, weil ich mir dachte, eine solche Mittheilung, der Versuch möge ausfallen, wie er wolle, könne Ihnen doch vielleicht doch nicht lieb sein. Dieses Geheimhalten erzeugte aber, wie ich bald fühlte, eine gewisse Hast, die Arbeit zu beendigen, um sie wenigstens Ihnen bald mittheilen zu können, und da es mit dem ersten Entwurfe schnell genug ging, und da es mir – irrthümlicherweise – nur noch auf ein Paar Tage ungestörter Muß anzukommen schien, um Ihnen denselben fertig vorzulegen, und <gap quantity="2" reason="deletion" unit="characters"></gap> ich deshalb bis dahin auch den Briefwechsel glaubte aufschieben zu können, so steigerte sich dadurch unmerklich meine Eilfertigkeit, so daß ich, bei den doch immer wieder eintretenden Abhaltungen und dem hinzukommenden drückenden Gefühle meiner Briefschuld, nicht mehr den guten Tag abwartete und gar oft in <hi rend="latintype">vita</hi> <gap quantity="1" reason="covering" unit="words"></gap><seg type="pagebreak"> |5| <pb n="5" type="pagebreak"></pb></seg>an’s Werk gegangen sein mag. Wie sich das aber allezeit unerbittlich straft, so bin auch ich, wie ich sehe, nach gerade auf den Irrweg verkünstelter Form und auf diesem, rathlos und zuletzt mit Caprice, so weit ab von meinem ersten Entwurfe gerathen, daß darüber auch die ursprünglichen Gedanken verrenkt und verschroben sind, und ich zuletzt bei dem Bemühen die allgemeine Tonsprache recht treu zu dollmetschen, ergötzlicher Weise ein neues Idiom erfunden zu haben scheine. Ich könnte mich zwar im Scherz auf Vater Voß berufen, dessen Uebersetzungen <unclear reason="deletion" resp="FMBC">mir</unclear> gewöhnlich erst durch das Original verständlich werden. Aber ich will mich auch nicht einmal von der schwachen Seite mit ihm vergleichen, weil er, als Uebersetzer, überhaupt mein Mann nicht ist, sondern, da ich nicht hoffen kann, es gut zu machen, wenigstens versuchen, es besser zu machen, als das erste Mal. Kurz, wenn Land- und sonstig Um- und Anstände mich nicht in diesem Jahre daran verhindern, so hoffe ich, Ihnen den verlangten Schlüssel zu senden. Das wird mich alsdann zu der Bitte berechtigen, den ersten Versuch einer <hi rend="latintype">clavis Mendelssohniana</hi>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_ef3a2040-d5d1-4945-b47f-12d9f1037eb8" xml:lang="de ">clavis Mendelssohniana – Eduard Otto hatte sich offensichtlich dazu berufen gefühlt, als »tiefsinniger« Deuter der Mendelssohnschen Werke in die Musikgeschichte einzugehen, was seine zahlreichen, von immensen Überlängen gekennzeichneten Briefe inhaltlich nahelegen, was aber glücklicher Weise der Nachwelt erspart geblieben ist.</note> der den Sinn Ihrer Claves so schlecht getroffen, ganz aus der Welt zu schaffen, wenn dieß verdientermaßen nicht bereits geschehen sein sollte. Die ersten Concepte liegen mir noch vor, und mit Hülfe dieser Rückerinnerung an die erste Auffassung Ihrer Lieder werde ich die letzte, größtentheils erst während des Schreibens an Ihrem Hefte entstandene Form leicht abstreifen können. Fällt alsdann auch dieser zweite Versuch, was die Auffassung und Einkleidung <hi n="1" rend="underline">Ihrer</hi> Ideen betrifft, ebenso unglücklich aus, so müssen Sie, lieber Herr, Sich schon mit den Wortpoeten trösten, deren Werke ja auch noch bis auf den heutigen Tag auf so verschiedenartige Weise und auf verschiedenartige Weisen musikalisch übersetzt werden, daß man, was am <placeName xml:id="placeName_09b3d9f9-d8e2-486d-86bb-76466c42277c">Main<settlement key="STM0105442" style="hidden" type="landscape_form">Main</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> und an der <placeName xml:id="placeName_07e34170-de10-4469-a4b0-2918264078d2">Oker<settlement key="STM0105443" style="hidden" type="landscape_form">Oker</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> gesungen wird, kaum für dasselbe Lied halten sollte,<seg type="pagebreak"> |6| <pb n="6" type="pagebreak"></pb></seg>welches am <placeName xml:id="placeName_b19915c7-3d9a-41d4-b476-57cd87e928d9">Rhein<settlement key="STM0105444" style="hidden" type="landscape_form">Rhein</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> gedichtet wurde. Jedenfalls, lieber Herr Doctor, werden Sie über meine Mißgeburten nicht übler Laune, sondern beschenken Sie uns, unbesorgt vor Uebersetzungen, recht bald mit einem neuen Hefte, wovon die Leipziger im vorigen Winter schon 2 Nummern (eine in <hi rend="latintype">as d.</hi>?) zu hören bekommen haben. Mir aber verderben Sie den Spaß nicht, d.h., seien oder bleiben Sie mir, aller meiner dummen Streiche ungeachtet, ein wenig gut?</p> <p>Und nun von den Abbitten zur Fürbitte!</p> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_82451290-6b16-4ffe-a7dc-906eaeda679d"> <docAuthor key="PSN0113709" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_4f56b180-b27e-439f-9bf8-0c89495f840f">Otto, Eduard</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113709" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_11c64c93-92da-4272-83fd-2e9fe50d0e74">Otto, Eduard</docAuthor> <dateline rend="right">d <date cert="high" when="1841-06-24" xml:id="date_e91778cc-e126-4dc3-9710-44187f329817">24. Juni</date>.</dateline> <p style="paragraph_without_indent">Der Musikalienmarkt hat inzwischen diese zwar in dem Hauptpuncte überflüßig gemacht. Doch wird ihr Gegenstand immer noch einiges Interesse für Sie besonders haben, als daß ich ihn nicht schon deshalb hier erwähnen sollte.</p> <p>Aus den Zeitungen werden Sie ersehen haben, daß die diesjähriger <placeName xml:id="placeName_e6f09c79-31ec-4c3a-98f7-f818bf0fa01f">Versammlung der Naturforscher in Braunschweig<name key="NST0105445" style="hidden" subtype="" type="institution">19. Versammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte (1841)</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> stattfindet, und es versteht sich wohl von selbst, daß zur Verherrlichung des achttägigen Festes auch die Tonkunst mitwirken wird. Doch sind ihr von dem Festcommittee die Flügel sehr beschnitten, so daß nur ein Tag, oder eigentlich nur ein Abend zu einer musikalischen Aufführung und nur mit hiesigen Kräften benutzt werden kann, da alle übrige Zeit zu anderen Zwecken bestimmt und bei der großen Zahl der zu beherbergenden Naturforscher und Apotheker (mindestens 800) die Zuziehung auswärtiger Musiker unthunlich erschienen ist. Unter so beschränkenden Umständen durfte unser <placeName xml:id="placeName_632c9f5c-482d-4e32-bc89-f377b98de6ef">Verein<name key="NST0105446" style="hidden" subtype="" type="institution">Musikverein</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, welcher das Musikalische des Festes zu besorgen <unclear reason="deletion" resp="FMBC">hat</unclear> übernommen hat, wohl nicht daran denken, wieder Ihre Güte in Anspruch zu nehmen. Der Abstand gegen die letzte Aufführung Ihres <title xml:id="title_01691945-2fad-4af5-a609-0926ecd79de8">Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_03c054a2-2a1c-4f6e-aff1-d62671c829ee"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_076a3cab-8ada-4dc9-9bb6-8a8e1eb489b4" xml:lang="de ">letzte Aufführung Ihres Paulus – Mendelssohn leitet vom 30. August bis zum 8. September 1839 das Musikfest in Braunschweig, in dessen Rahmen am 6. September auch sein Oratorium Paulus in der Aegidienkirche aufgeführt wurde.</note> würde in jeder Hinsicht zu groß gewesen sein. Auch durften wir wohl hoffen, Sie dafür bald einmal bei einem rein musikalischen Feste<seg type="pagebreak"> |7| <pb n="7" type="pagebreak"></pb></seg>wieder in unsere Mitte zu sehen. <unclear reason="deletion" resp="FMBC">Auch dürfen wir wohl hoffen, Sie dafür bald einmal bei einem rein musikalischen.</unclear> Um jedoch dem Koncerte (nicht: Musikfeste) durch die Direction einer musikalischen Notabilität größeres Interesse zu verleihen, hat unser Verein, nach mancherlei Debatten, beschlossen, <persName xml:id="persName_f5d180bf-da14-4b08-b6ce-c3bd0b2f185d">Fr. <hi rend="latintype">Schneider</hi><name key="PSN0114646" style="hidden" type="person">Schneider, Johann Christian Friedrich (1786-1853)</name></persName> zur Aufführung seines <title xml:id="title_c5c615be-f988-4118-b2ac-f2c78e1697ec">Weltgerichts<name key="PSN0114646" style="hidden" type="author">Schneider, Johann Christian Friedrich (1786-1853)</name><name key="CRT0110733" style="hidden" type="music">Das Weltgericht op. 46</name></title> in der <placeName xml:id="placeName_40354fa0-9dca-4f9d-ae6f-77a8f2ba678b">Aegydienkirche<name key="SGH0100570" style="hidden" subtype="" type="sight">Aegidienkirche</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> einzuladen. Er hat unsere Einladung auch bereits angenommen, und die Chorproben haben unter der Leitung von <persName xml:id="persName_e430949e-bc33-4ba7-8238-9f8fc468171b">Partsch<name key="PSN0119848" style="hidden" type="person">Partzsch, Carl</name></persName> im Laufe dieses Monats begonnen. – Daneben war es aber besonders ein Wunsch des <placeName xml:id="placeName_58a97c0f-1076-451f-8356-5f48bae844e9">Committee’s<name key="NST0105447" style="hidden" subtype="Komitee" type="institution">19. Versammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte (1841)</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, daß das ganze Fest, welches mit einer allgemeinen Versammlung am <date cert="high" when="1841-09-18" xml:id="date_9a0cf135-fad1-411c-b59e-59d5ec418555">18. September</date>, Morgens 10 Uhr, in derselben Kirche beginnt, durch die Aufführung eines Musikstücks eröffnet werde, welches zu den nachherigen Reden, Arrangements, Wahlen pp. Zeit genug übrig lasse. Der <persName xml:id="persName_d9aff9cb-77fc-4b8c-865b-4dccaee50a37">Stadtdirector <hi rend="latintype">Bode</hi><name key="PSN0120527" style="hidden" type="person">Bode, Wilhelm Julius Ludwig (1779-1854)</name></persName>, welcher sich der Sache besonders annimmt, nahm mich deshalb schon vor einigen Monaten in Rath, und ich brachte ihm Ihren <title xml:id="title_595c5157-4892-40a5-a90c-42cbaa6a5996">114. Psalm<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_2e3c8a5d-218e-4e1f-9e99-3f08f10b3aa3"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100117" style="hidden">Der 114. Psalm »Da Israel aus Ägypten zog« für gemischten Chor, Orchester und Orgel, [Ende Juli 1839] bis 9. August 1839; Revision 1840<idno type="MWV">A 17</idno><idno type="op">51</idno></name></title> in Vorschlag, welchen Grundidee und Ausführung zur Eröffnung gerade eines solchen Festes gewiß so eignen, wie keine andere Composition. Mein Vorschlag fand auch den sichtlichsten Beifall, und ich mußte versprechen, demnächst alles dazu beizutragen, um Ihre Erlaubniß zur Aufführung aufzuwirken. Auch als später unser Verein die Anordnung des Concertes übernahm, fand derselbe Vorschlag einstimmigen Applaus, und ich wurde beauftragt, mich deshalb an Sie <hi rend="latintype">privatim</hi> zu wenden, was, wie der Anfang dieses Briefs zeigt, auch sofort geschehen ist. Ehe ich jedoch an die Fürbitte kam, brachte der <placeName xml:id="placeName_b96a45c3-2555-45e1-81c3-92a1fd2cd2fa">Leipziger<settlement key="STM0100116" style="hidden" type="locality">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> Katalog und die dortige <title xml:id="title_ad1b8b43-b263-43bd-8056-f9beac93224f">Musikalische Zeitung<name key="PSN0110112" style="hidden" type="author">Breitkopf & Härtel (bis 1786: Breitkopf), Verlag und Musikalienhandlung in Leipzig</name><name key="CRT0108283" style="hidden" type="periodical">Allgemeine Musikalische Zeitung</name></title>, welche ich etwas spät erhalte, die Anzeige der Partitur pp. Ihres Psalms, und da vor einigen Tagen jene mit den Stimmen hier angelangt ist, was abzuwarten rätlich schien, um für den Fall, daß es an irgend etwas fehlen sollte, mich sogleich an Ihre Güte wenden zu können, so kann ich nunmehr meine Bitte darauf beschränken – mir, wenn Sie mich etwa einmal wieder mit einigen Zeilen erfreuen sollten,<seg type="pagebreak"> |8| <pb n="8" type="pagebreak"></pb></seg>mit Ihrer vielbewährten Freundlichkeit einige Winke darüber zu geben, was in Beziehung auf äußere Anordnung, wie auf den Vortrag selbst zu einer recht würdigen Aufführung Ihres Meisterwerks förderlich sein könnte, indem ich die gewissenhafteste Beachtung im Voraus versprechen darf. Partsch ist schon contractlich auch zum Einstudiren des Psalms verpflichtet, zeigt den größten Eifer und wird damit beginnen, von seinem Gesangverein und den Theaterchoristen die Doppelstimmen geteilt einüben zu lassen, um für den Gesammtchor von <hi rend="latintype">ppt</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_0486d70b-5a14-4c37-8ff5-0bb537aa9e68" xml:lang="la ">ppt. – lat. praeparatus, vorbereitet.</note> 500 Kehlen einen Kern zu bilden. Die Direction wird wahrscheinlich <persName xml:id="persName_5dd1a808-f8d5-4681-9c78-e442a15cc049">Georg <hi rend="latintype">Müller</hi><name key="PSN0113492" style="hidden" type="person">Müller, Franz Ferdinand Georg (1808-1855)</name></persName> übernehmen, weil <persName xml:id="persName_c6cdef12-1773-45f0-82dc-da610ee5ba82">Schneider<name key="PSN0114646" style="hidden" type="person">Schneider, Johann Christian Friedrich (1786-1853)</name></persName> alsdann noch nicht hier angelangt sein wird und <hi rend="latintype">Müller</hi>, so eben von <placeName xml:id="placeName_3087ad2a-d41a-4386-b7f8-5fe5d79ccbf8">Paris<settlement key="STM0100105" style="hidden" type="locality">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName> zurückgekehrt, und als interimistischer Kapellmeister, (wovon ein andermal), trotz seines angeborenen Phlegma’s, alles aufbieten wird, um als Dirigent Ehre einzulegen. Die hiesigen Orchesterkräfte werden wir übrigens doch durch einige Auswärtige noch verstärken müssen. – Wenn nun schon jetzt Ihr Psalm überall, wo ich ihn aus Ihrer Partitur, die mir ziemlich geläufig ist, gespielt habe, bei Jung und Alt, Enthusiasten und Kritikern, Laien, Dilettanten und Kennern durch seine populaire Großartigkeit, Abrundung und Einfachheit neben aller darauf verwendeten Kunst wahres Entzücken erregt, :| wobei sich denn jeder auf seine Weise äußert, z. B. der ängstliche <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_09c03480-138d-4abc-9632-54b9c37588ff">Wiedebein<name key="PSN0115762" style="hidden" type="person">Wiedebein, Gottlieb (Gottlob) (1779-1854)</name></persName></hi> alsdann anrieth: Den Schatz (das MS.)<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_e1a8f7bb-a82f-4828-b34c-3b03ca98747c" xml:lang="de ">MS – Manuskript.</note> müssen Sie ja versichern lassen! |:, so läßt sich bei dem Feste selbst wohl die größte Wirkung erwarten, da selten ein ähnlicher Fall vorkommen wird, wo Fest und Composition zufällig so in einander greifen, und eins durch das andere so gehoben wird, wie hier.</p> <p>Doch bei meinen Bitten und Erzählungen von künftigen Dingen vergesse ich ganz, daß Sie alles dieses möglicherweise erst <hi rend="latintype">post festum</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_bee79dc9-b03b-428a-903a-a08a200804ba" xml:lang="la ">post festum – lat., nach dem Fest.</note> werden zu lesen bekommen. Denn der große Künstlercongreß, welchen der <persName xml:id="persName_21efc872-f7eb-43cd-a0c4-27c5ebd2dfb3">König von Preußen<name key="PSN0113990" style="hidden" type="person">Preußen, Friedrich Wilhelm Prinz von (seit 1840) Friedrich Wilhelm IV. von (1795-1861)</name></persName> in Berlin zusammenberufen hat, wird nun wohl aus einander und Sie werden wohl schon wieder auf Reisen gegangen sein, – wie ein dunkles Gerücht sagt, nach <placeName xml:id="placeName_aab948fd-48d6-4b2b-beff-0d4c6f443bd9">Italien<settlement key="STM0104792" style="hidden" type="country">Italien</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, vielleicht, um von dort eine Schöne Oper mitzubringen.<seg type="pagebreak"> |9| <pb n="9" type="pagebreak"></pb></seg>Dazu schenke Ihnen der Himmel einen schönen Sommer und Herbst und was sonst dazu gehören mag, den Text nicht zu vergessen, von welchem ich wenigstens so viel weiß, daß es <unclear reason="deletion" resp="FMBC">nicht</unclear> <title xml:id="title_571102ea-103d-4341-9912-487a2d9f3eb6">Byrons Manfred<name key="PSN0110239" style="hidden" type="author">Byron (gen. Lord Byron), George Gordon Noel (seit 1794) 6th Baron (1788-1824)</name><name key="CRT0113210" style="hidden" type="literature">Manfred (1817)</name></title> <add place="above">nicht<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> ist, was Ihnen auch H <persName xml:id="persName_1862deba-595a-415d-b2aa-95f7c38aaf99">Posparu<name key="PSN0120528" style="hidden" type="person">Posparu, Herr</name></persName> darüber angerathen haben mag. Aber vorher haben wir ja, Ihrem eigenen Briefe zufolge, noch manche neue Sachen von Ihnen zu erwarten. So wird uns auch die Zwischenzeit nicht lang werden. Die Clavierspieler dürfen freilich wohl kaum sich mit solchen Hoffnungen schmeicheln, weil ihnen schon mit Ihrem <title xml:id="title_26da5e6e-e5bd-4d70-b7e5-66e1b6032e1f">Trio<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_368e8381-efaa-4f41-b412-71c505a7b747"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="chamber_music_with_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100387" style="hidden">Trio Nr. 1 (Grand Trio) d-Moll für Violine, Violoncello und Klavier, [Februar 1839] bis 18. Juli 1839; 23. September 1839<idno type="MWV">Q 29</idno><idno type="op">49</idno></name></title> für lange Zeit der Mund gestopft ist. Das soll mich indessen nicht abhalten, Ihnen, nachdem ich es mit <add place="above">diesem<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> Vortrage nun selbst versucht habe, hier gleich, wie in einer Parenthese, d. h., nicht beiläufig, sondern als etwas recht Wichtiges und Schweres, wiederzuerzählen, was darüber geurtheilt wurde. Sollte Ihnen dabei zu Muthe werden, als säßen Sie auf dem Mockirstuhle, so müssen Sie das, lieber Herr Doctor, schon der Schwierigkeit des Gegenstandes zu Guthe halten.</p> <p>Die Idealisten und die s.g.<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_1766aab1-c3fe-4720-b75f-1aa27f302049" xml:lang="de ">s.g. – so genannten.</note> Kenner hielten sich besonders an den ersten Satz, dessen tief melancholisches Thema zu des wogenden, düstern Begleitung des <hi rend="latintype">P. F.</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_a3a926f8-947e-46cc-b0d8-ead699d82db2" xml:lang="de ">P. F. – Piano Forte.</note> im Anfange, aus welcher er sich nur in wenigen Tacten des <hi rend="latintype">unisono</hi> heraus zu ringen vermag, (im zweiten Theile auf nach der Fermate auch das nur zaghaft, in canonischer Weise), ebenso gut, wie gleich darauf zu dem <hi rend="latintype">ff.</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_2787d21f-5cf4-4727-8708-ed2d96f1f324" xml:lang="it ">ff. – ital. fortissimo, sehr stark, laut.</note> der wildesten Verzweiflung und im Anfange des zweiten Theils zu den weichen Harfentönen der Resignation im <hi rend="latintype">g mol</hi> paßt, – in seiner Großartigkeit immer eine ganze Seite zur Ausführung bedarf, beim Wiedereintritt des ersten Theils der Violine noch Raum zu einer so schönen selbstständigen Melodie läßt, auch die Passage gedankenreich macht, sich, wie das gesangreiche <hi rend="latintype">cantabile</hi>, in die Melismen des zweiten Theils so leicht verschlingt, und, wie jenes, den Stoff zu so vielen Kunst- und affectvollen, gesteigerten Imitationen (besonders zu der drei- oder fast vierfachen der ersten 4 Tacte am Schlusse des zweiten Theils vor der <hi rend="latintype">coda</hi>) enthält. Daneben hatte der Violoncellspieler sich für das Thema, der Violinist für die ihm zugetheilte vermittelnde und tröstende Rolle, (wenn er z B. das <hi rend="latintype">cantabile</hi>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_d4cc085a-be7c-48ed-a05a-fbd44a6352c4" xml:lang="it ">cantabile – ital., gesanglich.</note> sobald es beengt und gedrückt zu werden beginnt, im <hi rend="latintype">pp</hi>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_72ea077b-ffa0-4199-bf9a-42caeb38dce0" xml:lang="it ">pp. – ital. pianissimo, sehr leise.</note> bis zur Passage führt, oder das Violoncell, wenn es wieder im <unclear reason="deletion" resp="FMBC">den Trübsinn</unclear> zweiten Theile in <hi rend="latintype">d mol</hi><seg type="pagebreak"> |10| <pb n="10" type="pagebreak"></pb></seg>in den Trübsinn des Themas versinkt, zu beruhigen sucht); der Clavierspieler endlich aber für die „Donner, Blitz und der Engel-passage“ und die brillanten Läufe am Schlusse zu bedanken. – Ueber das <hi rend="latintype">andante</hi> waren besonders die Freunde Ihrer <title xml:id="title_431e5b09-56ca-4804-aa55-9d907802c7e0">Lieder o. W.<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_eb64226a-168b-470e-acdd-e69a384a6578"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="unidentified_and_unspecified_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100968" style="hidden">Lieder ohne Worte<idno type="MWV"></idno><idno type="op"></idno></name></title> sehr wortreich und hatten gleich eine Menge Texte zur Hand, mögen sich aber doch hüten, daß sie das <hi rend="latintype">b minore</hi> mit seinen 2/3 gegen 2/<gap quantity="1" reason="covering" unit="characters"></gap> nicht aus dem Texte bringe, wie es die Spieler leicht aus dem Tacte bringen kann. Die schöne, ungezwungene Folge der Violine auf das Clavier möchte darüber leicht verloren gehen. Wenn sie aber auch mit dem Gedanken der Melodie aufs Reine gekommen zu sein glauben, so weiß ich doch wenigstens noch nicht, woher Sie nur noch immer die beim Vortrage so zauberisch wirkende Begleitung nehmen, welche Sie den Saiteninstrumenten in Ihren Andantes pp., wie hier wieder bei der Wiederholung des Themas und ganz am Schlusse, zutheilen. – Am schlagendsten auf die Hörer aller Grade und Classen war aber die Wirkung des Scherzo und ließ den Eindruck beim Lesen weit hinter sich zurück. Es sprüht von lauter Muthwillen und fröhlicher Launen über, macht sich sogar einmal über den <choice resp="Editor" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_ee1be3f6-cabc-4b7d-9f81-c5ac844ac855"><sic resp="writer">eröthenden</sic><corr resp="editor">errötenden</corr></choice> Ingrimm der obenerwähnten Imitazion im ersten Satze lustig, und ist wohl mit Fug und Recht nirgends fugirt, weil sein <unclear reason="deletion" resp="FMBC">Muthwillen</unclear> <add place="above">Uebermuth<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> sonst aus allen Fugen gehen würde. – Doch „Laune“ möchte man vorzugsweise das Finale überschreiben, dessen Thema in allen Gestalten dieses Proteus zum Vorschein kommt, schmollt, grollt, sinnt, träumt, trotzt, poltert, zankt, keift, verzagt, klagt, weint, wüthet, kichert, tanzt pp., bis endlich, wieder auf die versöhnende Stimme der Violine (<hi rend="latintype">espressivo</hi>!),<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_a5964ac1-e944-4161-8e5e-acfb4548bec7" xml:lang="it ">espressivo – ital., ausdrucksvoll.</note> die gute Stimmung die Oberhand gewinnt, und alles, <hi rend="latintype">sempre piu animato</hi>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_105eaf96-a617-46a1-8370-167cbfc367ff" xml:lang="it ">sempre piu animato – ital., immer belebter.</note> im lautesten <gap quantity="1" reason="covering" unit="words"></gap> endet. Wer den Satz auch nur aus diesem oder einem ähnlichen Gesichtspuncte durch alle wechselnden Stimmungen verfolgt, wird ihn eher zu kurz, als zu lang finden, und der Clavierspieler kann, wenn er etwas der Art zu Gehör bringt, glaube ich, damit noch mehr Ehre einlegen, als mit dem fertigsten Vortrage der Passagen, welche von Rechtswegen auch hier immer nur als Beiwerk behandelt sind und in ihren Seiten langen <hi rend="latintype">cresc</hi>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_7acc6c45-1299-4f6f-8831-c69ca450f871" xml:lang="it ">cresc. – ital. crescendo, anwachsend.</note> und <hi rend="latintype">dimin</hi>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_b0d72fd7-b680-4cb6-afe9-a51df690665c" xml:lang="it ">dimin. – ital. diminuendo, vermindernd, abnehmend.</note> sich aus dem Hauptthema unversehends in das Nebenthema hinüberschlingen (wo das <hi rend="latintype">unisono</hi> <add place="above">aus<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> dem Thema des<seg type="pagebreak"> |11| <pb n="11" type="pagebreak"></pb></seg>ersten Satzes wieder verklingt), durch schnelles und scharfes Ueber- und Einsetzen aber die Linke doch müde genug machen und besonders in den Octavengängen am Schlusse der ersten Passage – einem Gegenstücke zum <hi rend="latintype">diminuendo</hi> im ersten Satze, welches im 2. Theile zum Thema wieder leitet – schön erfunden sind. Nach einem solchen ersten Satze konnte der Schlußsatz, dessen Großartigkeit sogar im <hi rend="latintype">pp</hi>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_297b485b-f61b-4a62-8309-4518f1337b84" xml:lang="it ">pp. – ital. pianissimo, sehr leise.</note> überrascht, z B., bei den Rückungen von <hi rend="latintype">b</hi> auf <hi rend="latintype">a</hi> und <hi rend="latintype">d</hi> nach dem ersten <hi rend="latintype">cantabile</hi>, um als Finale zu gelten und sich gegen jenen nicht (wie bei mancher <title xml:id="title_62b95a4b-7d4c-407a-a472-093578b7445d">Beethovenschen Sonate<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108073" style="hidden" type="music">Sonate</name></title>) gewissermaßen im Sande zu verlieren, auch nur so groß und breit angelegt werden. – Den Psychologen vom Fach muß ich es überlassen, überhaupt zu bestimmen, unter welche Rubrik ihres Systems von den Temperamenten die einzelnen Sätze Ihres <title xml:id="title_89bdc98e-8f77-4634-bd5a-c4657ea20e72">Trio’s<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_1ced42d4-e37a-4834-882b-22a17445b9fd"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="chamber_music_with_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100387" style="hidden">Trio Nr. 1 (Grand Trio) d-Moll für Violine, Violoncello und Klavier, [Februar 1839] bis 18. Juli 1839; 23. September 1839<idno type="MWV">Q 29</idno><idno type="op">49</idno></name></title> etwa zu bringen seien, ob nr. 1. das melancholische, nr. 2. das empfindsam und empfindlich sentimentale, nr. 3 das sanguinisch heitere und nr 4 das cholerisch launenhafte versinnliche, – hier nur noch die Bemerkung, daß ich bloß <hi n="1" rend="underline">ein</hi> Temperament gar nicht in Ihrem Trio habe finden können, – das phlegmatisch-langweilige. Das haben Sie vermuthlich für die Aspiranten der Prämie des Süddeutschen Vereins übrig gelassen, welcher mit seinem Schema eines preiswürdigen Trio’s es darauf <unclear reason="deletion" resp="FMBC">angelegt</unclear> <add place="above">abgesehen<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> zu haben scheint, zwar „schulgerechte“ und „nicht zu lange“ Trios, aber auch desto langweiligere in’s Leben zu rufen.</p> <p>Doch mit meinem Geschwätz habe ich nur den Beweis geliefert, daß Ihr Trio wenigstens auch langweilige Briefe zu produciren vermag. Um Ihnen durch den meinigen die Laune nicht ganz zu verderben, schließe ich also für heute, – zum Dank für das Trio mit einer kleinen Caprice, indem ich den <title xml:id="title_91a1dcf0-cfa8-412a-bbc9-78b4de38cc5b">Schlüssel<name key="PSN0113709" style="hidden" type="author">Otto, Eduard</name><name key="CRT0110249" style="hidden" type="literature">Gedichte zu Felix Mendelssohn Bartholdys Liedern ohne Worte</name></title> zu zwei <title xml:id="title_01731b19-8d9b-418d-b657-7110cb12ab8c">Liedern o. W.<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_0c1be90b-1fb5-4c79-a7eb-2da084c4d87e"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="collective_sources" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="collective_prints" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100621" style="hidden">Sechs Lieder ohne Worte für Klavier, 1. Heft, 1832; enthält MWV U 86, U 80, U 89, U 73, U 90 und U 78<idno type="MWV">SD 5</idno><idno type="op">19b</idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_f349d8d5-3b4d-4825-ada7-1f060d28e1db"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="collective_sources" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="collective_prints" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100632" style="hidden">Sechs Lieder ohne Worte für Klavier, 3. Heft, 1837; enthält MWV U 121, U 115, U 107, U 120, U 137 und U 119<idno type="MWV">SD 16</idno><idno type="op">38</idno></name></title>, als vorläufige Probe, beilege, – vor allem aber mit dem Wunsche, daß die Göttin Laune, die vorzugsweise in unserer Kunst unumschränkte Selbstherrscherin ist, Ihnen, wenn Sie auch <persName xml:id="persName_90d127c0-c98d-4e8f-a04f-08b99f227970">Sct. Peters<name key="PSN0113835" style="hidden" type="person">Petrus (lat., der Fels)</name></persName> Schlüssel in diesem Jahre nicht zu sehen bekommen sollten,<seg type="pagebreak"> |12| <pb n="12" type="pagebreak"></pb></seg>doch mit allen: 5 Notenschlüsseln immerfort so gewogen bleiben mögen, wie sie es bisher gewesen, und wie Sie es so sehr verdienen! Dabei steht sich, wie mir wieder Ihr Trio gezeigt hat, doch keiner besser, als</p> <signed rend="center">Ihr</signed> <signed rend="right">treuergebener</signed> <signed rend="right"> <hi rend="latintype">E Otto </hi> </signed> </div> </body> </text></TEI>