gb-1841-03-03-02
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Braunschweig, 3. März 1841
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
6 Doppelbl. und 1 Bl.: S. 1-26 Brieftext.
Eduard Otto
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Gottlob, daß wenigstens das wieder auf dem Papiere steht! Ich weiß nicht, ob ich mich darüber mehr freuen, oder schämen soll, – wohl aber, daß Sie, lieber Herr Doctor, recht herzlich über das Original von Anfänger lachen würden, wollte ich alle seit
Da ich nun von Ihnen selbst weiß, daß Sie die Zeitungen, wenigstens die musikalischen, so gut, als gar nicht lesen, ich dagegen, gerade seitdem ich mit Ihnen bekannt geworden bin, sie, hauptsächlich Ihretwegen,S. M., S. O. und mit allen sonstigen Salben, mit denen die juristischen Quacksalber die Salven und Salbadereien der Zeitungscorrespondenten noch überbieten. Um alsdann am Ende zu finden, brauche ich nur zu mir selbst zu kommen, weil ich mit mir immer gleich am Ende bin.
Ich werfe also alle meine faden Anfänge weg und knüpfe, ohne noch länger einzufädeln, den Faden da wieder an, wo ich ihn nach Ostern v. J. ungern abgerissen hatte.
Bald nachdem ich Ihnen über Meyerbeer geschrieben, wie es mir ums Herz war, las ich in den Zeitungen, daß er in
der älterenMahner
IhreFranke
Ah spergiuro
sah. Ich erwähne das nur, um die Gratulation an den Mann zu bringen, welche mir von Fräulein es (wie sie sich ihres
force-Tons wegen nach Ihnen nennt) und dann auch von allen übrigen Damen auf die Seele gebunden wurde, nachdem sie sich erst ein wenig über meine große Bereitwilligkeit zum
Old Englandund Altpreußen darf ich den
Müller
Der Eine, welcher die Judaszahl 12 führt und in anderen Büchern (wenn es überhaupt derselbe ist) nur lobt, um hinterher desto empfindlicher und scheinbar unpartheiischer tadeln zu können, schien sich in der
sogar französirt, wobei der „gazette musicale
chant laudatif“ meine Gevatternvorschläge doch noch überboten hat! Der Andere aber, im
Was ich damals versäumen mußte, hätte ich im Anfange Juli’s in
Anfangs Mai gaben wir unser letztes Maurer auf zufälliger Durchreise sein
,Carl Müller
, denFreudenthal
Zinkeisen
Intra peccatur&
extra. Für diesen Winter haben wir daher auch das Concertgeben ganz eingestellt und hören zu, wenn
auf seine eigene Hand 3 große Concerte giebt, – ich für meinen Theil, so uncollegialisch das scheinen mag, nicht ungern, weil ich darin, daß geradeKarl Müller
Müllerdiese Concerte
sapienti sati. – Mit den Theaterferien im Mai trat auch dießmal eine musikalische Todtenstille ein.
holten sich während derselben von London Lorbeern und Guineen, und unserSchmetzer
&Boëthius de Musica
, eine für die Geschichte der Musik sehr interessante Handschrift aus dem 11. Jahrhundert, worin eine Tabulatur der drei Klanggeschlechter, die vonOttonis Cluniac. Enchir.
curiosa, mit einem Anfange, dem
etc. – Nach Wiedereröffnung des
zum Einstudiren seinerKreutzer
in Italien, eigentlich gar kein Glück. Denn sie ist seitdem nicht wieder gegeben. Da ich sie auf diese Weise nur einmal und, wegen Andrangs, aus der Fremdenloge hörte, wo mir die reiche und feine Instrumentation ganz verloren ging, der Clavierauszug beimaestro Speranza
aber noch nicht erschienen ist, so vermag ich nach so langer Zeit kaum etwas Genaueres darüber zu schreiben. Alles Applaudirens, Hervorrufens pp. ungeachtet, war die Aufnahme doch lau. Man gab zwar allgemein dem Buche die Schuld, in welchem die Handlung nicht recht fortschreite. Aber in unserer durch Effecthascherei Geschmacksverderbten Zeit – und bei der durch Beethoven hervorgerufenen Vorliebe für Tonmassen ist seine Komik, Intrigue, Witz pp. jetzt gewiß das gefährlichste Feld für den Operncomponisten. Hier aber sollte der Effect gerade durch das Leise, Zarte, Tändelnde erreicht werden, wie denn auch ein ppp-Quartett: Nur stille, nur stille, nur leise! den Sieg davon trug. Doch fehlte es zum Licht und Schatten am Kräftigen durch komischen Pathos pp. Dazu setzte die Musik, wie der Text genaue Bekanntschaft mit der Mozartschen Oper voraus, und in einer Episode, der Geschichte der Entstehung einer Oper, vom Componisten so geschickt und ergötzlich behandelt, war der Humor dem großen Publicum ganz fremd und störte es wohl gar in der Illusion. Abgesehen von jeder Eintönigkeit, hat mir die Musik mit ihrem leichten, fließenden, natürlichenMeyer
Blomberg
, welchem sich in einer Reise von Gastrollen als Tragiker, wie als Komiker ungetheilten Beifall erwarb, einSeydelmann
Da capojubel des Paradieses her
Müllerschen Quartette
Müllerschen Concerte neben Ihrer
nichtzwischen sie, weil ich auf der Seite der Letzteren blieb. Denn auch ich vermag mich noch immer nicht mit den Vehmerichtern zu befreunden.
verheirathet und bei dieser Gelegenheit seine Tante, die G. KammerräthinMorgenstern
, vormals unsereMahner
, ihren Erstling: PaulusKlugkist
sich mit einem hiesigen KupferstecherQuenstedt
, welcher ein ausgezeichneter Künstler ist und anKnolle
Dagegen komme ich nun zu dem, womit ich billig den Anfang hätte machen sollen, zu Ihrem
diesesWerk mitgetheilt haben, – ich denke, unter allen Ihren, mir bekannten dieser Gattung das gelungeste!, – und daß Sie es bei Ihrer beschränkten Zeit eigenhändig abgeschrieben, und daß Sie mir nicht den Klavierauszug geschickt haben, der, wenn Sie ihn auch selbst gesetzt haben werden, bei der Viel- und Vollstimmigkeit des Werks doch unmöglich, selbst mit Liszt’s Listen, auch nur der Umrisse alles dessen nachzeichnen kann, was Ihre Partitur in so lebendigen Farben mahlt, (z. B. die durch, neben- und gegen einander wandelnden Tonleitern im ersten
pastorale, das bald ruhige, bald unstäte Auf- und Nieder-, Hin- und Her- und Durch- und Gegeneinanderziehen der Hirtenstämme, friedlich, ohne kriegerische Instrumente, aber überall doch massenhaft, eine Völkerwanderung, welche nicht ohne große Ereignisse bleiben kann. Schon in dieser ersten Nr. tritt aber die charakteristische Hauptform des
crescendo, bis die Naturereignisse immer lebendiger und erschütternder vor das Ohr treten, und das anfängliche leise
Unisonoder Begleitungzu Octaven- und zuletzt zu Decimengängen
ff.
ihremGotte des Zorns schon längst dahin, – den Preis der Allmacht Gottes
Herrwelcher nun in aller seiner erschreckenden Herrlichkeit (mit
trombe,
tromboni e timpani) verkündet wird. – Ueber diese Nr. mag Ref. nicht weiter sagen, (sagt aber damit noch nicht zuviel), als daß unser Meister
weltlichenTonfülle und Klangmacht und in seinen besten Stunden nichts Größeres, Prachtvolleres, Triumphirenderes geschrieben haben dürfte, als hier dem
Gottbegeisterunggelungen ist. Schon der Rythmus, welchen er in die Worte (wandelte u. a. m.) gebracht hat, – eine ihm eigenthümliche Kunst welcher auch sein
wirihm nicht verdenken können, da auch wir, die Wahrheit zu gestehen, das Letztere gar nicht und das Erstere nur, wie etwa ein Contrasubject, und in der Fuge thun), der aber mit diesem unserem Blatte, welches dem Zeitalter nur durch sein Alter huldigt, vielleicht eine Ausnahme macht. Unter seinen
Kunstdieser Fuge nicht
Centifolienwenigstens
einWort, als
Foliefür das Werk, herausblättern, welches, zwar nich in der Sprache der Wahrheit, nicht einmal von einem Deutschen, aber doch von einem Freund des Componisten schon vor 51 Jahren ausgesprochen wurde, und in diesem Zeitraum der Prüfung sich auch als wahr bewährt hat.
(in derSur Paganini
nr. 50):
. Auf dieses Wort vertrauend, prophezeien wir, daß das Werk nicht auf halbem Wege umkehren, sondern heute über anderen 50 Jahren sein hundertjähriges Jubiläum gefeiert haben wird, weil – und das ist die ganze List bei unserer Wahr- und Weihsagung – jene Definition auf unser Werk paßt! – – Und nun von mir nur noch dieß: Künftig dürfen Sie mir nie mehr von der Tasse schreiben, wenn Sie
Legénie,c’estlapuissancederévélerDieuàl’àmehumaineKaum wage ich aber, nun noch zum Schlusse mit dem herauszurücken, was ich für Sie seit Ende Juni v. J. auf dem Herzen und jetzt auch endlich in der Tasche habe.
Ribbentrops, (ihr Vater war der Berghauptmann
Ribbentrop, ein Bruder des Ihnen vielleicht nicht unbekannten
Krüger
Bei der Nachbildung des Inhalts habe ich mich zunächst nur von dem Eindruck leiten lassen, welchen die Töne auf mich machten, und bin, so sehr mich dabei auch dieses und jenes Lied, gleich einer Charade, geneckt hat, und so sehr schon die Nichtübereinstimmung mit f und der Vortrag
x), mir die Zuversicht nehmen
Schilling
allgemeine Sprache! Aber ihre vermoosten und verknöcherten Lehren: Die Musik müsse sich auf Darstellung menschlicher Empfindungen beschränken, dürfe einzig und allein auf das Gemüth wirken, sich nie an das Objective wagen, weder Schau-, noch selbst Hörbares darstellen wollen, bei Leibe keinen Verstand, wie doch jede andere Kunst, haben, sei nur ein Gegenstand des allgemeinen, nothwendigen Wohlgefallens ohne Begriff, Logik pp – würdigen ihn zur hohlen Phrase herab und zeigen, wie wenig sie daran denken, was für Ohren der Denkheld gehabt haben muß, dessen Doctrin sie auf diese
plagiariusein Exempel zu statuiren ist! Ich meine – auf die Hauptsache zurückzukommen – daß Musik sogar die einzige Kunst ist, welche da, wo die plastischen Künste an ihrer Grenze stehen, auf dem Felde der
Bewegung, mag diese dem Auge oder Ohre wahrnehmbar sein, rein objectiv Gestalt, Geste, Handlung zu mahlen, oder wie man es sont nennen will, – kurz, darzustellen bestimmt ist, während die Wortpoesie den Leser oder Hörer nur anregen kann, das für sich selbst, so gut er es kann, mit seiner Phantasie zu thun. Doch jene Farbenriecher mögen nur verketzern und verdammen. Dem blinden Königssohn werden sie in seiner ewigen Nacht nicht das einzige Licht verlöschen, welches ihn
mit seinen Erfindungen sich nicht zu bemühen braucht, wo es nur darauf ankommt, die erschaffenen Mittel recht zu benutzen, vor allem die Ohren aufzuknöpfen, – die ersten praktischen Beleg von etwas größerem Umfange liefern sollte, so wäre mein Hauptzweck schon mehr, als erreicht. Mag manSudre
hear,
hear!, wozu uns künftig aber auch wohl noch andere Organe werden, als die Eselslappen.
Gerade in dieser Beziehung muß ich mich selbst schämen, mir früher eingebildet zu haben, daß bei meinem musikalischen Treiben mir das poetische oder ästhetische Verständniß immer die Hauptsache gewesen sei, und doch erst jetzt aus
ohne Text diesen erkennen?) Vor allem kam mir aber bei meiner Arbeit die Eigenthümlichkeit zu statten, welche Sie vielleicht, in diesem Grade, vor allen anderen Tondichtern voraushaben, ich meine die rein objective Behandlung des Stoffes, so weit sie in der Musik überhaupt möglich ist. Jedes derAdelaide
sollen, (I nr. 1, 9, 8. II 9.) desto deutlicher hervortreten.)
Dashängt auch
pitoyablesIch. Aber die Kritiker und Kritikoster haben mit ihren Windbeuteleien, daß unser
„Lieder ohne Worte sind I entweder solche, bei welchen für den Gesang bereits componirte Lieder namhafter Männer zum Grunde gelegt werden, und die bald in diese, bald in jene Stimme verlegte Melodie durch mehr oder minder glänzende Bravour und durch mancherlei selbsterfundene, reichere Ausführung und Verschönerungbezweckende Zuthat umspielt wird,“ – Das paßt auf die Ihrer Lieder,
II „oder
α, deren Inhalt aufzufinden, der Phantasie der Spielenden und Hörenden gänzlich überlassen bleibt,“ – Wer aber, wie ich, wenn ich ganz unbefangen bleiben will, die Noten liest, wo bleibt der mit seiner Phantasie? –
oder β, wo man in charakteristischen Uebeschriften eine Anregung erhält“, – Halt! Da erwische ich wenigstens die
oder γ, deren Tondichtung sich auf bestimmte Wortdichtungen bezieht“. –
Ich muß gestehen, das Lerchennetz dieser Definitionen, so umfassend es ausgespannt ist, hat doch ein zu großes Loch, um Sie darin zu fangen, – die Frage, auf die ich nun zurückkomme: ob Ihr Lieder sub α oder γ zu classificiren seien? Sie Sich aber überhaupt, oder vor der Zeit darüber erklären, kann niemand verlangen, und, aufrichtig gesagt, Wort und Ton kommen nur auf dieser Welt noch so heterogen und dieser gegen jenes so ideal vor, daß es mich fast betrüben könnte, ein für allemal zu erfahren: dieß oder jenes sei mit diesem oder jenem gemeint. Deshalb will ich auch nur um ein ganz unpartheiisches Urtheil über meine Worte bitten, und dieses jedoch um so mehr, weil bis jetzt niemand davon etwas zu sehen bekommen hat.
Daß ich auch die musikalischen Formen nachzuahmen versucht habe, bedarf wohl keiner Rechtfertigung. Erwägt man, wie viel gerade in dieser Hinquot verba, tot pondere, – so ist dieß in ihrer Verbindung mit der Tonkunst der Fall. Diese nothwendige Oekonomie hat mich nicht bloß veranlaßt, jede Note und jedes Nötchen in Vor-, Nach- und Doppelschlägen pp. als ebenso viele Sylben zu behandeln, sondern auch die Artikel und Fürwörter über Bord zu werfen, die Sylben zusammen zu ziehen und abzukürzen, daß es, obwohl gerade das Lied am leichtesten geformt werden soll, doch oft mehr wie Russisch als Deutsch klingt, und
Doch schon zu viel von meinem Versuche, der, wenn er auch der erste dieser Art sein mag, und seine Nachahmung von dazu Berufenern für die Wortpoesie in Inhalt und besonders in der Form unberechenbare Folgen haben könnte, doch deshalb kein Verdienst in Anspruch nimmt, sondern nur bezweckt, Ihnen zu zeigen, wie ich Ihre Musik verstehe, Ihrem neuen Jahre nachträglich aus vollem Herzen Glück wünschen!
Welchen Gebrauch Sie übrigens auch von meinem
eineBitte habe ich hinzuzufügen: die nur
strengste
Anonymitätschon eines zeitlichen Grundes wegen. Käme man hier nämlich dahinter, welche geheimen (
Zu den Annehmlichkeiten der Letzteren (um nun auch von mir zu sprechen) rechne ich besonders, daß, obgleich Blutsverwandte von mir hier fast gar nicht existiren, und namentlich die verschiedenen Otto’s hier sämtlich nur meine Namensvettern sind, ich doch durch die obenerwähnte Verheirathung meines Bartels (der Geheimerath
inBartels
Vorgänger, war der ältere Bruder meines Schwagers) kaum eine kleine Stunde vonSchönleins
Löhneysen
meineVarianten dagegen behalte ich einstweilen zurück.
Braunschweig, den 3. März 1841. Gottlob, daß wenigstens das wieder auf dem Papiere steht! Ich weiß nicht, ob ich mich darüber mehr freuen, oder schämen soll, – wohl aber, daß Sie, lieber Herr Doctor, recht herzlich über das Original von Anfänger lachen würden, wollte ich alle seit meiner letzten Epistel angefangenen Briefe an Sie diesem, der aber auch nun ganz gewiß das Ende dieser Anfänge werden soll, beilegen. Der erste, ein Nachtrag des vorigen, sollte mich entschuldigen, daß ich nicht zu Ihrer Symphoniecantate kommen würde, – der zweite die geheimen Motive, weshalb ich nicht gekommen bin, vorlegen, – der dritte, der mir am meisten am Herzen lag, – der, als ich die Nachricht von Ihrer Krankheit, obwohl gleichzeitig auch die von Ihrer Besserung erhielt!, – sollte Ihnen nun jedenfalls die Erstlinge von der Erndte des ersten Jahres unserer Bekanntschaft bringen, da ich nicht gleich etwas Besseres für den Reconvalescenten hatte, – aber auch der vierte am Schlusse des Jahrs konnte nicht einmal seinen eigenen finden, – und wie sehr mir auch beim fünften, am 3. Februar, trotz der Kälte die Finger brannten, da Sie mir inzwischen sogar feurige Kohlen auf mein Haupt gesammelt hatten, so muß ich doch, wenn ich nun, beim sechsten, statt des 3. Februars den 3. März setze, darauf rechnen, daß Sie dabei schon einmal ein Auge zugedrückt haben und jetzt auch wohl das andere zudrücken und es einstweilen blindlings glauben werden, wenn Sie hören, daß, bei Lichte besehen, Sie selbst die eigentlichste Ursache dieser Briefe ohne Ende gewesen sind! – Daneben mögen freilich diese –, um sie nur gleich mit dem wohlverdienten, aber auch schrecklichsten Namen, welchen es für das Ohr eines Geschäftsmannes giebt, zu stempeln, – diese Reste auch wohl mit durch jene Bequemlichkeit entstanden sein, welche der Verkehr mit großen Herrn wenigstens in einer Hinsicht darbietet, so mißlich es übrigens sein, mit ihnen, wie man in dem gelobten Lande der Kirschen, blank und frei zu sagen pflegt, welche zu essen, – nämlich dadurch daß, wenn auch einmal die unmittelbare Correspondenz mit ihnen in’s Stocken geräth, man doch, so viele Zeitungen man liest, gerade so viele Correspondenten hat, welche wenigstens die auswärtigen, oder richtiger, die es in diplomatischen Dingen doch etwas mit auf’s Drehn und Wenden ankommt, – die auswendigen Angelegenheiten der Herrn so genau schildern, als hätte man die ganze Wachtparade mitgemacht. Da ich nun von Ihnen selbst weiß, daß Sie die Zeitungen, wenigstens die musikalischen, so gut, als gar nicht lesen, ich dagegen, gerade seitdem ich mit Ihnen bekannt geworden bin, sie, hauptsächlich Ihretwegen, viel aufmerksamer, als früher, lese, so dürften es, indem ich natürlich mit dem beginne, was mir am meisten am Herzen liegt, d. h., mit Ihnen, zwar verkehrte Welt, aber darum doch eine nicht unpassende Weise sein, wenn ich Ihnen einmal in der Kürze erzähle, was sich in der Zwischenzeit mit Ihnen zugetragen hat, – versteht sich: S. M., S. O. und mit allen sonstigen Salben, mit denen die juristischen Quacksalber die Salven und Salbadereien der Zeitungscorrespondenten noch überbieten. Um alsdann am Ende zu finden, brauche ich nur zu mir selbst zu kommen, weil ich mit mir immer gleich am Ende bin. Ich werfe also alle meine faden Anfänge weg und knüpfe, ohne noch länger einzufädeln, den Faden da wieder an, wo ich ihn nach Ostern v. J. ungern abgerissen hatte. Bald nachdem ich Ihnen über Meyerbeer geschrieben, wie es mir ums Herz war, las ich in den Zeitungen, daß er in Berlin bei Schlesinger Ihr Tischnachbar gewesen sei. Da muß es Sie amüsirt haben, von ihm manches zu hören, was Sie von mir schon, oder nicht, oder anders wußten. Zu besserer Erkenntniß über ihn bin ich aber bis jetzt nicht gekommen; vielmehr, gerade an Ihrem Geburtstage, in meinem früheren Urtheile nur bestärkt. Da begleitete ich nämlich bei dem G. Kammerrath Mahner der älteren Franke Ihre Jerusalemsarie, Beethovens Ah spergiuro! und das – Kuckucksduett, von welchem ich Ihnen schon einmal geschrieben habe, wobei ich denn zum ersten Male an dieser Musik auch mein blaues Wunder sah. Ich erwähne das nur, um die Gratulation an den Mann zu bringen, welche mir von Fräulein es (wie sie sich ihres force-Tons wegen nach Ihnen nennt) und dann auch von allen übrigen Damen auf die Seele gebunden wurde, nachdem sie sich erst ein wenig über meine große Bereitwilligkeit zum Accompagniren gewundert und dann erfahren hatten, welchen Ehrentag wir zu feiern hätten. – Daß übrigens was während Ihrer Anwesenheit in Berlin von Ihrer Anstellung am dortigen Theater verlautete, sich nicht bestätigt hat, muß wie ich nun aus Ihrem letzten Briefe schließen darf, wohl hauptsächlich in Ihrer Abneigung gegen Stellen dieser Art seinen Grund gehabt haben. Früher habe ich mir freilich immer gedacht, daß, wenn nicht Friedrich Wilhelm 4. Sie für seinen Musendienst pressen und so wieder preußen sollte, die kleine Seekönigin Sie uns noch wegkapern würde, da Glück und Sieg ohne einen nicht bestehen können. Hat sie doch auch schon im Juni mit ihrem Gemahl trotz ihrer angeblichen Abneigung gegen Deutsche Musik, in ihren Concerten Ihre Compositionen selbst vorgetragen. (Hier interessirt man sich für die Königin u. a. auch deshalb, weil ihre Erzieherin, Baronesse Lehzen, früher Gouvernante in einer hiesigen Familie gewesen ist) . Gegen solche Gouvernanten muß freilich Braunschweig zurückstehen. Aber nach Ihren Äußerungen zu urtheilen, scheinen Sie Sich überhaupt noch nicht gern zu binden. Nun ja, auch die Nachtigall und die Lerche ist ein Zugvogel, und die Lerche gedeiht am besten in – Leipzig, das, abgesehen von der Oper, jetzt wohl der Mittelpunct Deutschlands auch in Theorie und Praxis der Tonkunst, wenigstens intensiv, sein mag. Meine stillen Hoffnungen will ich darum noch nicht ganz aufgeben. – Aber über Old England und Altpreußen darf ich den Kaiser aller Preussen nicht vergessen, dessen Adjutant, Oberst Lwoff, Ihnen nach Ihrer Rückkehr nach Leipzig und später noch einmal gegen Ende vor. J. Ihre Violinquartette so meisterhaft vorgetragen haben soll. Vor Sibirien werden Sie indessen doch wohl unserem Blocksberge den Vorzug geben? – Ueber Ihren Aufenthalt in Weimar, Ende Mai’s, habe ich deshalb nichts Genaueres erfahren, weil unsere Gebrüder Müller ihre Rückreise vom Aachener Musikfeste so geschickt eingerichtet, daß sie in Weimar nur von den Zurüstungen zum Paulus gehört haben. – Desto mehr habe ich dagegen von Ihrer Musik bei dem Buchdruckerfeste gelesen. Welche Wirkung besonders Ihr Lobgesang damals und bei der Wiederholung im December hervorgebracht haben muß, habe ich hauptsächlich aus den Gebehrden Ihrer Gegner geschlossen. Der Eine, welcher die Judaszahl 12 führt und in anderen Büchern (wenn es überhaupt derselbe ist) nur lobt, um hinterher desto empfindlicher und scheinbar unpartheiischer tadeln zu können, schien sich in der Schumannschen Zeitung ganz bekehrt zu haben, und hat sich nachher in der gazette musicale sogar französirt, wobei der „chant laudatif“ meine Gevatternvorschläge doch noch überboten hat! Der Andere aber, im Schillingschen Blatte, streicht die Segel mit der ganz artigen Bemerkung, daß es ihm gewesen sei, als sähe er von Helgoland den Koloß eines Dreimasters aus der Elbmündung hersteuern und immer gewaltiger das ungeheure Wellenroß bändigen, und gesteht ehrlich genug, daß er Ihnen abzubitten habe. – Was ich damals versäumen mußte, hätte ich im Anfange Juli’s in Schwerin beinahe nachgeholt, da nicht weit von dort, in Ragut und Boddin, mein ältester Jugendfreund lebt. Das Wetter war aber damals gar zu schlecht, und so habe ich mich, da jener selbst nicht sehr musikalisch ist, mit den allgemeinen Zeitungsnachrichten begnügen müssen. – Dann haben Sie gelegentlich in Rötha, besonders aber in der Thomaskirche im Anfange August’s Orgel gespielt und für Sebastian Bach durch ein lebendes Denkmal der Kunst den Grund zu einem von – ich weiß nicht, Erz oder Stein gelegt. – Seitdem glaubte ich Sie aber ganz wohlgemuth in England, bis ich Ende September’s die Nachricht von Ihrer überstandenen Nervenkrankheit erhielt. Lieber Felix, hatten Sie die Bitte (ich glaube, in meinem ersten Briefe) schon vergessen, Sich zu schonen? Wenn ich allein an die vielen und umfangreichen Werke denke, welche Ihr vorletzter Brief als vollendet, oder begonnen aufzählt, so können Sie dieselbe nicht beherzigt haben. Lassen Sie Sich also alles noch einmal gesagt haben sein, und denken Sie an – Weber, dessen Asche Dresden jetz von England holen lassen will. Ich würde es mir nicht vergeben können, Ihnen damals nicht einmal einen brieflichen Krankenbesuch gemacht zu haben, zumal ich Leiden der Art allerdings aus Erfahrung kenne. Aber ich erhielt auch gleich darauf die Nachricht Ihrer Abreise nach England und bald nachher von dort so frühliche Nachrichten, daß darüber der erste Schrecken bald vergessen wurde. Daß in Birmingham alles, selbst die 80, 000 rh, welche aufgenommen sein sollen, schön geklungen, läßt sich nach den Berichten denken. – Mit dem October haben Ihre Gewandhausconcerte wieder begonnen, und da haben Sie u. a. in der Mitte des Monats mit Moscheles und Madame Schumann – welche sich mit ihrem Vater vor mehreren Jahren hier einige Zeit aufhielt, weil sie hier, wie die Spaßvögel sagten, auch ihre Mutter, die Alte Wyk (eine hiesige Straße) wiedergefunden, – Bach’s Tripelconcert wiedergespielt, auch nachher sich von Ole Bull die Beethovensche Amoll-Sonate verderben lassen, was in dem königlichen Concerte vom 16. December König David wieder gut gemacht hat. pp. Doch bei den Herrlichkeiten dieses Winters mag ich Ihnen gar nicht folgen, weil gegen sie das hiesige musikalische Treiben gar zu sehr absticht, welches ich doch auch erwähnen muß, obgleich sich wenig davon melden läßt. Anfangs Mai gaben wir unser letztes Vereinsconcert für den Winter, in welchem Maurer auf zufälliger Durchreise sein Violin-Sextupelconcert mit Carl Müller, Freudenthal, den Gebrüdern Zinkeisen und Hohnstock hören ließ. Ein Paar Imitazionen abgerechnet, welche, wie im Kleingewehrfeuer, die Geigercolonne durchliefen, kam darin nichts vor, was gerade diese Form rechtfertigte, und man konnte am Schlusse wohl fragen, wozu so viele Herrn incommodirt seien? – Das finanzielle Ergebniß unserer Winterconcerte ist höchst beklagenswerth gewesen, da unser schöner Cassenvorrath vom Paulus her (jezt 700 rh) rein drauf gegangen ist! An den musikalischen Leistungen hat das nicht gelegen, die durchschnittlich sehr gut ausfielen. Also an den Prätensionen der Künstler, oder am Publicum, oder am Vereine? Intra peccatur & extra. Für diesen Winter haben wir daher auch das Concertgeben ganz eingestellt und hören zu, wenn Karl Müller auf seine eigene Hand 3 große Concerte giebt, – ich für meinen Theil, so uncollegialisch das scheinen mag, nicht ungern, weil ich darin, daß gerade Müller diese Concerte giebt, den Finger der Nemesis erkenne, welche auch ihr Spiel dabei gehabt hat. Doch sapienti sati. – Mit den Theaterferien im Mai trat auch dießmal eine musikalische Todtenstille ein. Bock und Schmetzer holten sich während derselben von London Lorbeern und Guineen, und unser Buchdruckerfest, so stattlich es übrigens auch ausfiel, bot in tonlicher Hinsicht dem Gro nichts, als einige nicht an-, wohl aber herunterziehende Gesänge der aufziehenden verschiedenen Chöre. Bei der zur Feier des Festes in der Aegidienkirche veranstalteten, sehr reichen Ausstellung von Handschriften, alten Drucken pp, meistens aus der Wolfenbüttler Bibliothek, würde Sie indessen doch angezogen haben. Boëthius de Musica & Ottonis Cluniac. Enchir., eine für die Geschichte der Musik sehr interessante Handschrift aus dem 11. Jahrhundert, worin eine Tabulatur der drei Klanggeschlechter, die von Pythagoras erfundenen Notenzeichen nach den verschiedenen Moll- und Durtonarten, die Namen der Griechischen Sexten durch drittehalb Octaven, und mehr dergl. curiosa, mit einem Anfange, dem musikalischen Handbüchlein von Otto von ClügnyCluny, Odo von (878-942), worin die vor Guido von Arezzo üblichen Notenzeichen etc. – Nach Wiedereröffnung des Theaters fand sich Kreutzer zum Einstudiren seiner Oper ein. Er war in Wien früher einmal unserem Herzoge vorgestellt, und hatte diesem nachher die Partitur oder den Clavierauszug aus seiner umgearbeiteten Oper: der Gang nach dem Eisenhammer dediciren wollen. Dieses war jedoch abgelehnt und ihm dafür die Composition einer neuen Oper aufgetragen. So sind die beiden Figaro’s entstanden. Trotz der zweimaligen Aufführung unter Leitung des Componisten hat die Oper hier nicht das Glück gemacht, wie ziemlich um dieselbe Zeit die von maestro Speranza in Italien, eigentlich gar kein Glück. Denn sie ist seitdem nicht wieder gegeben. Da ich sie auf diese Weise nur einmal und, wegen Andrangs, aus der Fremdenloge hörte, wo mir die reiche und feine Instrumentation ganz verloren ging, der Clavierauszug bei Meyer aber noch nicht erschienen ist, so vermag ich nach so langer Zeit kaum etwas Genaueres darüber zu schreiben. Alles Applaudirens, Hervorrufens pp. ungeachtet, war die Aufnahme doch lau. Man gab zwar allgemein dem Buche die Schuld, in welchem die Handlung nicht recht fortschreite. Aber in unserer durch Effecthascherei Geschmacksverderbten Zeit – und bei der durch Beethoven hervorgerufenen Vorliebe für Tonmassen ist seine Komik, Intrigue, Witz pp. jetzt gewiß das gefährlichste Feld für den Operncomponisten. Hier aber sollte der Effect gerade durch das Leise, Zarte, Tändelnde erreicht werden, wie denn auch ein ppp-Quartett: Nur stille, nur stille, nur leise! den Sieg davon trug. Doch fehlte es zum Licht und Schatten am Kräftigen durch komischen Pathos pp. Dazu setzte die Musik, wie der Text genaue Bekanntschaft mit der Mozartschen Oper voraus, und in einer Episode, der Geschichte der Entstehung einer Oper, vom Componisten so geschickt und ergötzlich behandelt, war der Humor dem großen Publicum ganz fremd und störte es wohl gar in der Illusion. Abgesehen von jeder Eintönigkeit, hat mir die Musik mit ihrem leichten, fließenden, natürlichen Style sehr gefallen, und ich glaube wohl, daß der Componist, dessen Nachtlager hier sehr beliebt ist, außer der Herzoglichen Dose mit Brillanten und sonstigem, bar seiner etwas bedrängten Lage besonders wohlklingenden Danke, auch die Achtung aller aufrichtigen Musikfreunde mitgenommen hat. – Ende Juli’s wurde mein Pflichtgefühl auf eine harte Probe gestellt. In meiner kleinen Vaterstadt wurde wieder, wie im vorigen Jahre, ein großes Gesangfest, größtentheils im Freien, gehalten, und wieder war ich, aller dringenden Einladungen ungeachtet, an die Scholle gebunden. Sind auch die Mittel dort und in den Nachbarstädten Quedlinburg und Halberstadt lange nicht so beträchtlich, wie hier, so herrscht dafür dort weit mehr Lust und Liebe zur Sache. So habe ich mich nur aus der Ferne darüber freuen können, daß, wie auch ein mir unbekannter H S. D. in Schumanns Zeitung berichtete, Ihr Jägerabschied und Türkisches Schenkenlied am meisten angesprochen hat. – Bald nachher kam Spohr hier durch, und die Theaterzettel kündigten schon Jessonda unter seiner Direction an, als der Tod seiner Mutter dazwischen trat. Doch hat er für die Einweihung des Schillschen Denkmals im September ein Lied von Alexander von Blomberg: Schill componirt, welches ich wegen einer Geschäftsreise eben so wenig gehört habe, als die von Ihrem Schüler Walther von Göthe zu dem Liede des Königs von Baiern: „An die Deutschen am Jahrestage nach der Schlacht bei Leipzig“ componirte Musik. – Im October erndtete Seydelmann, welchem sich in einer Reise von Gastrollen als Tragiker, wie als Komiker ungetheilten Beifall erwarb, ein Faust mit Lindpaintners Musik doch den größten Applaus als Sänger ein, wodurch er sich mehr beschämt, als geehrt gefühlt haben mag. Dann die Gesten, mit welcher Mephistopheles die Tonmalerei Beethoven’s in der Lindpaintnerschen Musik zum Flohliede zu ersetzen suchte, waren es doch wohl hauptsächlich, welche den höllischen Jubel Da capo jubel des Paradieses hervorriefen. – Die Müllerschen Quartette, welche mit dem November zu beginnen pflegten, fallen in diesem Winter auch weg, weil Georg nach Berlin und darauf nach Paris gegangen ist, um Gesang und Fuge zu studieren. Ihr op. 44 werden wir also vorerst noch nicht zu hören bekommen. – Doch brachte uns das erste der obenerwähnten Müllerschen Concerte neben Ihrer Melusine die Berliozschen Vehmerichter wieder. Die Ausführung der Ersteren ließ viel zu wünschen übrig, da z. B. die zarte Melodieführung der Blasinstrumente von den Figuren der Streicher ganz verschüttet wurden; die Letztere dagegen war bei ihrer nunmehr viermaligen Aufführung dem Orchester sehr geläufig. Statt aller anderen Urtheile des Publicums hier nur die zweier Damen. Die Eine meinte: Berlioz ist doch jetzt der tiefsinnigste aller lebenden Instrumentalcomponisten! – Die Andere: Ich habe in seiner Ouvertüre vor Lärm keine Musik gehört und mich deshalb an die Melusine gehalten! Jede saß in einer Ecke desselben Sopha’s, und ich – setzte mich darauf nicht zwischen sie, weil ich auf der Seite der Letzteren blieb. Denn auch ich vermag mich noch immer nicht mit den Vehmerichtern zu befreunden. Beethoven hat gegen solche Phantasterei hausbackenen Verstand. Sollte eine mir unbekannte Oper, Drama oder dergleichen, welchem die Ouvertüre etwa zur Einleitung dienen soll, nicht eine Erklärung bieten, so bleibt sie mir in sich selbst, wie vollends nach ihrem Titel, bei allen einzelnen, fast gigantischen Toneffecten, doch eine Rumpelkammer, welcher ich die Lear-Ouvertüre in jeder Hinsicht bei weitem vorziehe. – Wenn ich nun von musikalischen Familienneuigkeiten noch erwähne, daß Robert Griepenkerl sich im August mit Fr. Morgenstern verheirathet und bei dieser Gelegenheit seine Tante, die G. Kammerräthin Mahner, vormals unsere Milder Hauptmann und fast noch mehr, ein Bein gebrochen hat, das aber an Ihrem Geburtstage wieder hergestellt war und daß seine Schwester, jetzt Doctorin Klugkist, ihren Erstling: Paulus :/nach Ihnen/: und: Hieronymus :/nicht nach – Truhn, sondern nach dem Bremischen Hauskalender/: hat taufen lassen, endlich daß die Altistin Quenstedt sich mit einem hiesigen Kupferstecher Knolle, welcher ein ausgezeichneter Künstler ist und an Eduards Söhnen von Hildebrandt ein wahres Meisterstück von Stich geliefert hat, verlobt, ihre Schwester aber, die Discantistin, welche schielte, durch ein Meisterstück von Schnitt wieder gerade und fröhliche Augenblicke erhalten hat, so habe ich das Buch der hiesigen Historien so ziemlich abgeschrieben. Denn von dem Treiben der Dilettanten ist in diesem Winter, wo die Grippe alles auseinander gesprengt hat, gar nichts zu sagen. Deshalb will ich Ihnen heute auch noch nichts von Ihrem Trio schreiben, weil bisjetzt mir Gelegenheit zum Vortrage gefehlt hat, und ich Ihnen darüber doch mehr schreiben wollte, als der gute Link, welcher meint, man müsse es selbst spielen, um recht darüber zu urtheilen. Dagegen komme ich nun zu dem, womit ich billig den Anfang hätte machen sollen, zu Ihrem 114. Psalm! Lieber Herr Doctor, ich weiß nicht, ob ich Ihnen mehr für den Schatz, mit welchem Sie meine kleine musikalische Bibliothek vermehrt, oder für die herzlichen Worte, mit welchen Sie Ihr Geschenk begleitet haben, danken soll? Mit beiden haben Sie mich vollends in meiner, wenn auch gutgemeinten Schweigsamkeit recht beschämt! Und auch dafür kann ich Ihnen nicht genug danken, daß Sie mir gerade dieses Werk mitgetheilt haben, – ich denke, unter allen Ihren, mir bekannten dieser Gattung das gelungeste!, – und daß Sie es bei Ihrer beschränkten Zeit eigenhändig abgeschrieben, und daß Sie mir nicht den Klavierauszug geschickt haben, der, wenn Sie ihn auch selbst gesetzt haben werden, bei der Viel- und Vollstimmigkeit des Werks doch unmöglich, selbst mit Liszt’s Listen, auch nur der Umrisse alles dessen nachzeichnen kann, was Ihre Partitur in so lebendigen Farben mahlt, (z. B. die durch, neben- und gegen einander wandelnden Tonleitern im ersten Satze, bei denen ich alle 10 Finger fast neben einander auf die Claviatur legen müßte, wollte ich Alles greifen), nur daß Sie mir die Partitur vor der Veröffentlichung geschickt, und für das mir auch dadurch geschenkte Zutrauen. Mit meinem eigenen Urtheile über das Werk selbst muß ich natürlich zurückhalten! Dafür will ich Ihnen aber aus einer Anzeige desselben, welche Sie schwerlich gelesen haben werden, da ich sie zufällig in einer musikalischen Zeitung von 1891 fand, das Wesentlichste hier ausschreiben oder vielmehr in unsere jetzige Schreibweise zurückübersetzen. „Referent – lautet die Anzeige der Partitur – hat es sich zum Gesetze gemacht, nur solche Werke anzuzeigen, welche wenigstens ein halbes Jahrhundert auf dem Rücken tragen und einer solchen Last doch nicht erlegen sind, alle anderen aber, als unter seiner Kritik, der schweigenden, aber unerbittlichen, oder eigentlich der unerbittlich schweigenden Kritik, Zeit zu überlassen. Er ist deshalb noch kein conservativer Egimanischer so wenig, als der hundertjährige Kalendermann, welcher die Vergangenheit nur durchforscht, um desto sicherer in die Zukunft blicken zu können; und sein Blatt bringt deshalb noch nicht statt der Neuigkeiten Altes, denn was in der Kunst ein halbes Säculum und inzwischen sich selbst nicht überlebt hat, bleibt ewig jung und neu. Doch kann er nicht leugnen daß sich seiner bisweilen eine gewisse Ungeduld bemeistert, wenn der Augenblick immer näher heranrückt, wo ein ihm vor 50 Jahren zur Anzeige übergebenes und angemessen seitdem von seiner genannten Frau Collegin nicht gerichtetes, d. h., nicht vernichtetes Werk endlich, als noch funkelnagelneu, der Kunstwelt von ihm angepriesen werden soll. Die Hast, welche ihn alsdann überkommt, besonders wenn eine gewisse Vorliebe für ein Werk, das so harte Prüfung bestanden hat, sich zu der Neugierde, endlich seinen Inhalt kennen zu lernen, gesellt, war wohl Schuld daran, daß er vorher den Text in der heiligen Schrift zu flüchtig las, um ihn sogleich in seiner ganzen einfachen Erhabenheit zu erfassen. Um so größer war deshalb seine Ueberraschung, als er hierauf die Partitur aufschlug. Zuerst ein patriarchalisches pastorale, das bald ruhige, bald unstäte Auf- und Nieder-, Hin- und Her- und Durch- und Gegeneinanderziehen der Hirtenstämme, friedlich, ohne kriegerische Instrumente, aber überall doch massenhaft, eine Völkerwanderung, welche nicht ohne große Ereignisse bleiben kann. Schon in dieser ersten Nr. tritt aber die charakteristische Hauptform des TonWerks hervor, welche der poetischen Form des Textes, dem Parallelismus der Gedanken, entspricht, – Verdoppelung des Chors der Vocalstimmen, nachgeahmt von dem Chore der Instrumente, welcher sich meistens in den der Streich- und Blasinstrumente absondert, und unsere Leser mögen sich in dieser Hinsicht vor allem das Thema merken, welches gleich doppelt in d. verzierenden Tonlinien von der Tonica g ausläuft. Denn das zweite ist der Faden, welcher sie sicher aus dem Labyrinthe des Finales geleiten wird. – Nun entfaltet sich ein Gemälde, zu welchem man, ohne den Text zu kennen, schon von selbst die Worte finden würde, das leise Fluthen des Meers und der Ströme, das kaum merkliche Hüpfen und Tanzen der Berge und Felsen, allmählich crescendo, bis die Naturereignisse immer lebendiger und erschütternder vor das Ohr treten, und das anfängliche leise Unisono der Begleitungzu Octaven- und zuletzt zu Decimengängen ff. in den Streichinstrumenten ausschreitet, worauf alles sich wieder in Ebbe verläuft und in Einöde erstarrt. Noch drei weiche, leise Hornoctaven, und nun Todtenstille! – Aber jetzt –, wir wissen nicht, sollen wir der Frage, oder der Antwort den Vorzug geben? Doch beide Sätze, Nr. 3 & 4., lassen sich im Urtheile eigentlich gar nicht scheiden. Denn erst vereint bilden sie den colossalen Grundgedanken des heiligen Gesanges Liedes, der fortlebt und fortleben wird, sind auch Israel und Juda mit ihrem Gotte des Zorns schon längst dahin, – den Preis der Allmacht Gottes in und durch die Natur! Seitdem Ref. als Knabe zum ersten Male der steinerne Gast von seinem Rosse herab so – singen hörte, daß er die ganze Nacht vor den Paar Tönen nicht schlafen konnte, erinnert er sich nicht, bei so wenigen Tönen das, was man Ahnungsvoll nennt und nur die Tonkunst kennt, wieder so lebendig empfunden zu haben, als bei nr. 3 unseres Psalmes. Nur bereitet sie nicht auf das Grausen und die Schrecken der Hölle vor. Der Ausdruck hat vielmehr etwas Idyllisches (z. B. in der Folge von Quinte, Sexte und Octave im 3. und 4. Tacte) etwas Rührendes, das die Thränen hervorruft, (z. B. das weiche Anlehnen der Tenöre, indem sie das Ganze nach dem zweiten Halte zur Entscheidung, weiterführen wollen, an die Septime) . Vorherrschend bleibt aber die scheue Ehrfurcht vor den mächtigeren Naturkräften, oder vielmehr vor dem, den man bei zu flüchtigem Lesen des Textes fast übersieht, den wir aber so schon in den neben den Vocalstimmen für sich leise dahinschreitenden Bässen, wie in der Tiefe des Himmels, wandeln hören, vor dem – Herr welcher nun in aller seiner erschreckenden Herrlichkeit (mit trombe, tromboni e timpani) verkündet wird. – Ueber diese Nr. mag Ref. nicht weiter sagen, (sagt aber damit noch nicht zuviel), als daß unser Meister Beethoven in aller seiner weltlichen Tonfülle und Klangmacht und in seinen besten Stunden nichts Größeres, Prachtvolleres, Triumphirenderes geschrieben haben dürfte, als hier dem Meister Felix in seiner frommen Gottbegeisterung gelungen ist. Schon der Rythmus, welchen er in die Worte (wandelte u. a. m. ) gebracht hat, – eine ihm eigenthümliche Kunst welcher auch sein Paulus so viele Vorzüge verdankte – erschüttert, und wer für dergleichen kein Ohr und keine Nerven hat, den müssen die Riesenschritte der Bässe aus dem Schlafe dröhnen, die, wenn die Voreti auf der tiefen Dominante d Athem schöpfen, für sich, – hier aber mit der ganzen Wucht des gesammten Orchesters, – immer weiter durch die Contratöne in die Tiefe hinabsteigen, bis in den letzten 5 Tacten das Tongebäude, in seinen Grundfesten selbst erschüttert, zusammensinkt, noch stolz in seinen Trümmern. – Die darauf folgende Wiederholung des ersten Satzes läßt nun erst recht wohlthätig seinen Hauptcharakter, den des ruhigen und zugleich beruhigenden Hirtenlebens empfinden, zumal die doppelte Melodieführung sich bald, wie nach bestandenem Kampfe, in eine, die den obenerwahnten zweiten Thema’s, vereinigt, welches bei nun beginnender Schlußfuge wieder das zweite Thema bildet. – Wenn wir unseren Lesern versichern, daß dasselbe, obschon freier behandelt, gleichzeitig neben dem Hauptthema der Fuge fortzieht, sich in den Verkürzungen von Zweivierteln zu Vierteln und sogar, als Theil der Zwischenpassagen, zu Achteln eben so willig fügt, wie in die Verlängerung, welche den Bässen als Angel dient, auf welcher sich anfangs beide Themen drehn, bis dasselbe am Schlusse zum Hauptthema für allen Sopran wird, während alle Bässe sich dagegen auf das erste Thema von nr. 1 stemmen, – daß aber daneben das Hauptthema der Fuge, welches die Tenöre in nr. 3. schon leise angeklungen haben, wie sein Contrasubject schon in nr. 2. bei den Worten: der Jordan wandte sich pp und in nr. 4 vorbereitet ist, in allen Verkürzungen und Zwischenharmonien sangbar und markig bleibt, in dem Prokrustesbette einer Doppelfuge nicht bloß gesunde, sondern auch kräftige Gliedmaßen hat und behält, und so frank und frei, mit und gegen sich selbst fortstürmt, bis in zwei Crescendo’s auf der Dominante h und auf e moll alle Siegesfahnen wehen, – so werden die Leser nicht glauben wollen, daß das (nämlich diese Musik) schon vor 50 Jahren geschrieben sei. Doch unter ihnen könnte sich wohl gar der Componist selbst befinden, welcher zwar, wie wir von sicherer Hand wissen, schon seit 50 und mehr Jahren musikalische Zeitungen oder Zeitjungen weder liest, noch schreibt, (was wir ihm nicht verdenken können, da auch wir, die Wahrheit zu gestehen, das Letztere gar nicht und das Erstere nur, wie etwa ein Contrasubject, und in der Fuge thun), der aber mit diesem unserem Blatte, welches dem Zeitalter nur durch sein Alter huldigt, vielleicht eine Ausnahme macht. Unter seinen 82 übrigen Augen (und geschähe es auch unter 4 Augen) dürfen wir aber von der Kunst dieser Fuge nicht zu reden wagen, und wir wollen deshalb hier nur die Behandlung, oder vielmehr Beherrschung der Fugenform im Allgemeinen rühmen, bei welcher man von ihr selbst, so schwer sie sich unter der Klasse der Gesangstimmen und Instrumente auch handhaben mag, doch eigentlich gar nichts merkt, – eine Kunst, welche vor ihm nur Meister Mozart so verstanden hat. Das Werk im Ganzen betrachtet, müssen wir aber endlich noch hervorheben, daß die Gedanken, bei aller Tiefe, doch so sprechend klar und faßlich heraustreten, sich bald durch Gegensatz, bald durch Gleichartigkeit so natürlich an einander fügen und durch Einfachheit dem Ganzen erst das Gepräge der wahren Größe verleihen. Und die junge Zeit mag es uns nicht verübeln, wenn wir zum Schlusse aus einer ihrer – Centifolien wenigstens ein Wort, als Folie für das Werk, herausblättern, welches, zwar nich in der Sprache der Wahrheit, nicht einmal von einem Deutschen, aber doch von einem Freund des Componisten schon vor 51 Jahren ausgesprochen wurde, und in diesem Zeitraum der Prüfung sich auch als wahr bewährt hat. Liszt definierte damals in einem Aufsatze: Sur Paganini (in der Pariser Musikalischen Zeitung von 1840 nr. 50) : Le génie, c’est la puissance de révéler Dieu à l’àme humaine. Auf dieses Wort vertrauend, prophezeien wir, daß das Werk nicht auf halbem Wege umkehren, sondern heute über anderen 50 Jahren sein hundertjähriges Jubiläum gefeiert haben wird, weil – und das ist die ganze List bei unserer Wahr- und Weihsagung – jene Definition auf unser Werk paßt! – – Und nun von mir nur noch dieß: Künftig dürfen Sie mir nie mehr von der Tasse schreiben, wenn Sie mich nicht damit beschämen, oder mich gar, falls ich das auf Sie werden könnte, böse machen wollen! – Kaum wage ich aber, nun noch zum Schlusse mit dem herauszurücken, was ich für Sie seit Ende Juni v. J. auf dem Herzen und jetzt auch endlich in der Tasche habe. Von Ihren Compositionen waren gerade Ihre Lieder ohne Worte schon seit langer Zeit von meinem Pulte verschwunden und, ein Heft nach dem anderen, gen Blankenburg zu meiner Schwägerin gewandert, welche, wie alle Ribbentrops, (ihr Vater war der Berghauptmann Ribbentrop, ein Bruder des Ihnen vielleicht nicht unbekannten Generalintendanten in Berlin), früher in Gesang und Clavierspiel excellirte. Diesem Umstande schreibe ich es allein zu, daß ich nicht von selbst auf den so nahe liegenden Gedanken, Ihren Noten Worte unterzulegen, verfallen bin. Denn aus den Augen, aus dem Sinn. Erst um Ostern v. J. brachte mich Dr. Krüger darauf durch den Aufsatz, dessen ich in meinem letzten Briefe erwähnt haben werde. Von den treffenden Versuchen Waldbrühls (W. v. Waldbrühl?), welche er erwähnt, konnte ich, aller sogleich angestellten Nachforschungen ungeachtet, nur die Abschrift der Texte zu Heft 1 nr. 1 & 6., welche einmal in der Schumannschen Zeitung gestanden haben sollen, auftreiben. Die Noten wurden neu angeschafft, und eine Vergleichung zeigte mir, wie vieldeutig der Ton ist. Der Text war nicht ganz nach meinem Sinne. Da ich kein Freund vom bloßen Nase- und Mundaufsperren bin, zumal wenn die Ohren schon ohnedieß aufgeknöpft werden müssen, und da ich von Anfang an besorgte, unser Verhältniß werde ganz unpraktisch bleiben, so beschloß ich kurz und gut, mich auch an den Text zu machen, und alle sonstigen Träumereien bei Seite zu setzen. Ich hatte jedoch vom December 1839 an bis in die Mitte Juni für ein zum Landtagsdeputirten gewähltes Mitglied des hiesigen Kreisgerichts dessen Geschäfte neben den meinigen (ich bin zweiter Beamter bei dem Amte Riddagshausen, dem größten unseres Landes, das sein Geschäftslocal in der Stadt selbst hat, ) zu besorgen und war dadurch, so ungern das ein Geschäftsmann auch gesteht, doch so überhäuft, daß ich schon besorgte, Ihr freundlicher Glückwunsch zum Neuenjahre sei wenigstens kein musikalischer gewesen. Denn ich hatte kaum zum Spielen Zeit und mußte also mein Vorhaben bis zum Sommer verschieben. Als jedoch der Frühling etwas spät, erschien, waren alle Verstandespredigten und Gewissensbisse der Dienstpflicht vergebens. Am 17. Mai wurde mit Heft 1 nr. 1 der Anfang gemacht und am 30. Juni mit 3 Nummern geschlossen. So war das Werkchen zwar fertig, aber in der Form noch so flüchtig hingeworfen, daß ich es mit dem Briefe, welcher es überschicken sollte, (denn ich habe damals mit Ihnen schon hier so viel zu thun, daß ich an eine Reise nach Leipzig nicht denken konnte), wieder bei Seite legte, zumal im Juli die Rheinreise des ersten Beamten mir wieder bis in den September hinein anderweitig genug zu thun machte. Erst auf die Nachricht von Ihrer Krankheit machte ich mich wieder an die Arbeit, schon weil ich hoffte, daß Sie als Patient zur Nachsicht geneigt sein würden. Aber auch damals wurde ich bald wieder davon abgezogen. Wozu indessen noch die vielen Querstände einzeln herzählen, welche das Geschäftsleben durch die Träumereien der Kunst zieht? Auch in diesem Winter war der Landtag wieder versammelt und wird nächstens wieder zusammenkommen, und so will ich mich nur freuen, wenn vorher das Heft, welches erst Neujahr und dann an Ihrem Geburtstage in Leipzig sein sollte, an beiden Tagen aber auch noch nicht einmal angefangen war, endlich von hier abgeht. Diesen vielen Unterbrechungen müssen Sie bei einer Arbeit, welche mehr, als irgend wie andere, dem Zweifel Thür und Thor öffnet, schon viel zu Gute halten. Außerdem hätte ich über Inhalt und Form zur Erläuterung des Horazischen Vorworts etwa Folgendes, nach guter deutscher Weise, zu „bevorreden“: Bei der Nachbildung des Inhalts habe ich mich zunächst nur von dem Eindruck leiten lassen, welchen die Töne auf mich machten, und bin, so sehr mich dabei auch dieses und jenes Lied, gleich einer Charade, geneckt hat, und so sehr schon die Nichtübereinstimmung mit Waldbrühlf und der Vortrag Ihrer Lieder, wie ich ihn hier nur zu häufig hörex ), mir die Zuversicht nehmen mußten, doch bei dem Sinne, über welchen ich mich einmal geeinigt hatte, nachher stehen geblieben, und habe nur an der Form geändert. So ist alles, was das kleine Heft enthält, lediglich; I nr 9 etwa ausgenommen, durch Ihre Musik entstanden. Nur bei I nr. 2. war ich nie und bin ich auch jetzt noch nicht mit mir einig, da es mir nicht gelingen will, einen balladenartigen Stoff pp zu erfinden, bei welchem die Schiffsnoth eine glückliche Katastrophe für den Sänger selbst herbeiführt und doch zur Exposition nicht mehr Raum einfordert wird, als hier die Noten darbeiten. Erst bei dem Abschreiben habe ich die Klagen über ein entflohenes Liebchen pp, wobei man sich denken konnte, was man wollte, gestrichen und dafür ein schon etwas vergessenes, aber seiner Zeit auch wegen seiner Lieder beliebtes Trauerspiel benutzt, welches mir wenigstens alle weiter Erklärung der Situation ersparte. Da der Held des Liedes auf diese Weise im Hintergrunde bleibt, so habe ich dasselbe auch nicht: Sühne, sondern, allen Kritikern zum Trotz, gerade zu: Marine überschrieben. Es ist das aber nicht die einzige Sünde gegen die Theorien von H Schilling und Consorten, welche ich Ihnen angedichtet habe; fast jedes Lied wimmelt davon, und diese Sünden muß ich nun auch noch vertreten. Ich meine hauptsächlich die Tonmalereien. Die Herrn Philister führen zwar täglich den schönen Gedanken im Munde: Musik sei die allgemeine Sprache! Aber ihre vermoosten und verknöcherten Lehren: Die Musik müsse sich auf Darstellung menschlicher Empfindungen beschränken, dürfe einzig und allein auf das Gemüth wirken, sich nie an das Objective wagen, weder Schau-, noch selbst Hörbares darstellen wollen, bei Leibe keinen Verstand, wie doch jede andere Kunst, haben, sei nur ein Gegenstand des allgemeinen, nothwendigen Wohlgefallens ohne Begriff, Logik pp – würdigen ihn zur hohlen Phrase herab und zeigen, wie wenig sie daran denken, was für Ohren der Denkheld gehabt haben muß, dessen Doctrin sie auf diese Weise aufwärmen und praktisch machen wollen. Aber die Herrn sind so unverschämt geworden, daß sie die Bücher, aus welchen sie ihre Aesthetik wörtlich abschreiben, nicht einmal nennen, und unser eins, der nicht alle Bücher lesen kann, sich freuen muß, daß φelix Mendelssohν βartholdy nach dem Gesetze seines Vaters, niemals selbst öffentlich über Musik zu schreiben, doch, wie es scheint, dann eine Ausnahme macht, wenn man 3 kritisch-Griechischen Buchstaben an einem plagiarius ein Exempel zu statuiren ist! Ich meine – auf die Hauptsache zurückzukommen – daß Musik sogar die einzige Kunst ist, welche da, wo die plastischen Künste an ihrer Grenze stehen, auf dem Felde der Bewegung, mag diese dem Auge oder Ohre wahrnehmbar sein, rein objectiv Gestalt, Geste, Handlung zu mahlen, oder wie man es sont nennen will, – kurz, darzustellen bestimmt ist, während die Wortpoesie den Leser oder Hörer nur anregen kann, das für sich selbst, so gut er es kann, mit seiner Phantasie zu thun. Doch jene Farbenriecher mögen nur verketzern und verdammen. Dem blinden Königssohn werden sie in seiner ewigen Nacht nicht das einzige Licht verlöschen, welches ihn auch die Außenwelt auch in ihren Formen erkennen läßt. Sollten Sie aber etwas meinem Texte Aehnliches bezweckt haben, und den Urtext dermaleinst an’s Licht kommen, wie würde sich die heilige Hermandad, welche bis dahin an den Liedern alles in der Ordnung und unverdächtig gefunden hat, hinter den Ohren kratzen! Wenn also meine Versuche für jene Wahrheit, daß die Tonkunst die allgemeine Sprache sei, und daß Herr Sudre mit seinen Erfindungen sich nicht zu bemühen braucht, wo es nur darauf ankommt, die erschaffenen Mittel recht zu benutzen, vor allem die Ohren aufzuknöpfen, – die ersten praktischen Beleg von etwas größerem Umfange liefern sollte, so wäre mein Hauptzweck schon mehr, als erreicht. Mag man über den Verfall der Kunst schreien, so viel man will, – welche Hoffnungen ich von ihr hege, habe ich Ihnen schon ohne Rückhalt vertrauet, und dabei nur die wesentlichste Regel vergessen: hear, hear!, wozu uns künftig aber auch wohl noch andere Organe werden, als die Eselslappen. Gerade in dieser Beziehung muß ich mich selbst schämen, mir früher eingebildet zu haben, daß bei meinem musikalischen Treiben mir das poetische oder ästhetische Verständniß immer die Hauptsache gewesen sei, und doch erst jetzt aus Ihren Liedern herausgehört zu haben, was so sprechend, oder menschliche Rede, darin tönt. Freilich das Verstehen wird hier nicht bloß durch den sprechenden Ausdruck der Töne, sondern auch durch die Reinheit und Oekonomie der Schreibart, welche nicht weniger, aber auch nicht mehr giebt, als der Gedanke erfordert, und so nicht minder auf negative Weise, wie jener auf positive, den Meister des Styls bekundet, wesentlich gefördert. Gerade durch das entgegengesetzte Verfahren versündigen sich alle Neuern an ihren eigenen Werken am meisten selbst, Beethoven an der Spitze, der mit seinen Zauberformeln alles in der dritten Potenz berechnet, um zur Omnipotenz zu gelangen. (Wer würde z. B. in seiner Adelaide ohne Text diesen erkennen?) Vor allem kam mir aber bei meiner Arbeit die Eigenthümlichkeit zu statten, welche Sie vielleicht, in diesem Grade, vor allen anderen Tondichtern voraushaben, ich meine die rein objective Behandlung des Stoffes, so weit sie in der Musik überhaupt möglich ist. Jedes der 18 Lieder ist so verschieden von dem anderen, daß man sie auch eben so vielen verschiedenen Componisten zuschreiben könnte, und die speciellern und allgemeinern Beziehungen, welche sie, wie ich mir denke, unter einander haben sollen, (I nr. 1, 9, 8. II 9. ) desto deutlicher hervortreten. ) Das hängt auch wohl mit Ihrer, mir gerühmten Fertigkeit, jeden beliebigen Styl nachzuahmen (welche sich erst kürzlich der edle, ehrliche Spohr zugetrauet hat, nur um zu zeigen, daß gerade ihm dazu alles, selbst die Selbsterkenntniß, fehlt) genau zusammen. /:Die damit verbundene subjective Ruhe des Componisten, die Scheidung seines Ichs vom Tonwerke mag wohl die Klagen hervorrufen, die man hin und wieder über die Kälte und den Verstand in Ihren Werken hört. Man will nur nicht musikalisch mitdenken, sich nicht selbst mit Wärme in das Tonwerk versenken und verlangt bequem, daß der Tondichter stets sich selbst auf Gnade und Ungnade dem Publicum ergeben solle, weil ihre Herrn Collegen in der Regel nichts weiter zu bieten haben, als ihr oft nur zu pitoyables Ich. Aber die Kritiker und Kritikoster haben mit ihren Windbeuteleien, daß unser Dichterfürst nur ein vielseitiges, gewandtes Talent sei und Alles nur nach Vorbildern gedichtet habe, pp. doch nicht wegdemonstriren könne, daß er unser Dichterfürst sei. Und so hoffe ich, daß man Sie nicht so leicht weg-pusten werde! – – Ob ich übrigens gerade Ihrem Texte nahe gekommen bin, und ob Sie überhaupt nach einem solchen gearbeitet haben, will ich ganz dahin gestellt sein lassen. Das meine Nachbildung zu Stande gekommen ist, bestätigt das noch nicht. Denn nebenher mit anderer Musik angestellte Versuche haben einen ähnlichen Erfolg gehabt. Zwar könnte ich die Lerche, oder richtiger die Nachtigal hier leicht mit dem Finken fangen. Der lehrt nämlich in seiner Zeitung wörtlich also (1840 nr. 35. ): „Lieder ohne Worte sind I entweder solche, bei welchen für den Gesang bereits componirte Lieder namhafter Männer zum Grunde gelegt werden, und die bald in diese, bald in jene Stimme verlegte Melodie durch mehr oder minder glänzende Bravour und durch mancherlei selbsterfundene, reichere Ausführung und Verschönerungbezweckende Zuthat umspielt wird, “ – Das paßt auf die Ihrer Lieder, welche „Czerny“, Dreyschock und nun auch Liszt bearbeitet haben, da Sie glücklicherweise nach gerade doch auch zu den „namhaften“ Männern gerechnet werden können. Sonst müßten freilich Ihre Bearbeiter, auch wenn es mit der bezweckten Verschönerung seine Richtigkeit haben sollte, doch am Ende sehen, wo sie mit ihrem s. g. Liedern ohne Worte blieben. – II „oder solche eigene, Gesängen ähnliche, oder auf Gesang besonders hinstrebende Tonsätze, α, deren Inhalt aufzufinden, der Phantasie der Spielenden und Hörenden gänzlich überlassen bleibt, “ – Wer aber, wie ich, wenn ich ganz unbefangen bleiben will, die Noten liest, wo bleibt der mit seiner Phantasie? – oder β, wo man in charakteristischen Uebeschriften eine Anregung erhält“, – Halt! Da erwische ich wenigstens die Venetianischen Gondellieder, zugleich aber Waldbrühl auf dem Wörtchen: Und, wo ich: todt übersetze, – oder γ, deren Tondichtung sich auf bestimmte Wortdichtungen bezieht“. – Ich muß gestehen, das Lerchennetz dieser Definitionen, so umfassend es ausgespannt ist, hat doch ein zu großes Loch, um Sie darin zu fangen, – die Frage, auf die ich nun zurückkomme: ob Ihr Lieder sub α oder γ zu classificiren seien? Fink muß das natürlich wissen, weil er die Definitionen gemacht hat. Daß Sie Sich aber überhaupt, oder vor der Zeit darüber erklären, kann niemand verlangen, und, aufrichtig gesagt, Wort und Ton kommen nur auf dieser Welt noch so heterogen und dieser gegen jenes so ideal vor, daß es mich fast betrüben könnte, ein für allemal zu erfahren: dieß oder jenes sei mit diesem oder jenem gemeint. Deshalb will ich auch nur um ein ganz unpartheiisches Urtheil über meine Worte bitten, und dieses jedoch um so mehr, weil bis jetzt niemand davon etwas zu sehen bekommen hat. Daß ich auch die musikalischen Formen nachzuahmen versucht habe, bedarf wohl keiner Rechtfertigung. Erwägt man, wie viel gerade in dieser Hinsicht die Musik vor der Poesie voraushat, so muß man es bedauern, daß Rückert, Platon u. a. nicht schon längst auf den Gedanken verfallen sind, aus der Musik ihre Metren zu entlehnen. Die Griechen waren darin musikalisch, an deren Strophen, Antistrophen und Epoden mich überhaupt das System der meisten Ihrer Lieder erinnert hat, indem auf gewisse Weise die Wiederholung des ersten Theils der Gegenstrophe und die freiere Behandlung derselben am Schlusse der Epode entsprechen. – Ueber die Abtheilung der Verszeilen bin ich am wenigstens mit mir einig geworden. Erst wollte ich nur so absetzen, daß der musikalische Gedanke dadurch auch vor das Auge trete. Da entstanden aber bei der unbeschränkten Herrschaft der Tonkunst über das Zeitmaß der einzelnen Noten, welche der Poesie hinsichtlich der Sylben versagt, ellenlange Zeilenungeheuer neben einem einzigen, winzigen Füßchen. Dann wollte ich so abtheilen, daß nur die Hauptreime, welche mehrere Stanzen, oder doch eine Reihe von Versen unter sich verbinden, hervortraten (wie in II. 3) . Aber auch das ließ sich nicht überall durchführen, zumal wo alles gereimt war, wie in den meisten Nummern von II. – Hinsichtlich des Rythmus glaube ich die Worte in einigen Nummern so gestellt zu haben, daß selbst beim Lesen der Tact in und zwischen den Versen beibehalten werden kann, wie in I. 8. – Am schlimmsten ist mit den einzelnen Worten verfahren. Muß die Poesie es sich irgendwo zur Regel machen: quot verba, tot pondere, – so ist dieß in ihrer Verbindung mit der Tonkunst der Fall. Diese nothwendige Oekonomie hat mich nicht bloß veranlaßt, jede Note und jedes Nötchen in Vor-, Nach- und Doppelschlägen pp. als ebenso viele Sylben zu behandeln, sondern auch die Artikel und Fürwörter über Bord zu werfen, die Sylben zusammen zu ziehen und abzukürzen, daß es, obwohl gerade das Lied am leichtesten geformt werden soll, doch oft mehr wie Russisch als Deutsch klingt, und ich mich damit trösten muß, wenigstens nicht undeutsch construirt zu haben, und daß beim Gesange von diesen Härten, wie von den falschen Reimen viel verschwindet. – Da ich übrigens nicht alle Ritornelle in Worte zu übertragen vermochte, so habe ich statt derselben den dazu gehörigen Liedern und nachher allen übrigen, gleichsam als präludirende Accorde, Molto’s vorgesetzt, welche das kurz aussprechen sollen, was mit eigenen Worten auszuführen, mir wohl selten geglückt sein wird. Doch schon zu viel von meinem Versuche, der, wenn er auch der erste dieser Art sein mag, und seine Nachahmung von dazu Berufenern für die Wortpoesie in Inhalt und besonders in der Form unberechenbare Folgen haben könnte, doch deshalb kein Verdienst in Anspruch nimmt, sondern nur bezweckt, Ihnen zu zeigen, wie ich Ihre Musik verstehe, wie sie zu mir spricht, und daß meine Achtung vor Ihnen nicht hohle Worte sind, nicht ein Nebeln und Schwebeln über den Geist der Tonwerke, das mir immer in der Seele zuwider war, weil jener in der Regel nur der Geist der Interpreten selbst ist, welcher sich in den Tonwerken spiegelt und das Verständniß der Letzteren doch nicht weiter reicht, als der musikalische Ideenkreis eines Jeden, deshalbaber auch bei jedem verschieden ist. Die Erwartung, mit welcher ich Ihren Opern entgegensehe, ist übrigens durch die Beschäftigung mit Ihren Liedern, wie durch Ihren letzten Brief noch sehr gesteigert. Daß Sie dießes Feld bisjetzt vermieden haben, zeugt von einer so bescheidenen Klugheit, daß man nicht mit Ihnen darüber rechten kann, da wenigstens die ernste Oper, wie alles Tragische, die größte äußere und innere Erfahrung, das gereiftere männliche Alter und – eigene Prüfungen voraussetzt. Am Texte kann es Ihnen auch nicht fehlen, die Sie ihn ja nur selbst zu schreiben brauchen, wie Sie es mit Paulus und vielleicht auch mit Ihren Liedern o. W. schon gethan haben, um des Erfolgs gewiß zu sein. Und so will ich auch in besonderer Beziehung auf Ihr schönes Vorhaben Ihnen, oder vielmehr der musikalischen Welt zu dem begonnenen allgemeinen, wie zu Ihrem neuen Jahre nachträglich aus vollem Herzen Glück wünschen! Welchen Gebrauch Sie übrigens auch von meinem Geburtstagsangebinde machen mögen, eine Bitte habe ich hinzuzufügen: die nur strengste Anonymität schon eines zeitlichen Grundes wegen. Käme man hier nämlich dahinter, welche geheimen (Geschäftln) Sünden ich noch nebenbei treibe, so würde meine Reputation und alle meine darauf gestützten Hoffnungen leicht einen empfindlichen Stoß erleiden, was mir nicht gleichgültig sein kann, so sorgenfrei und angenehm meine dienstliche Stellung hier auch schon jetzt ist. Zu den Annehmlichkeiten der Letzteren (um nun auch von mir zu sprechen) rechne ich besonders, daß, obgleich Blutsverwandte von mir hier fast gar nicht existiren, und namentlich die verschiedenen Otto’s hier sämtlich nur meine Namensvettern sind, ich doch durch die obenerwähnte Verheirathung meines ältesten Bruders, welcher in Blankenburg Notar und Advocat eine Unzahl von Vettern und Baasen in der Ribbentropschen Familie und in ihren Seitenzweigen, Griepenkerls, Mahers, Frankens pp. erhalten hat und daß meine Schwester, die Aebtin Bartels (der Geheimerath Bartels in Berlin, Schönleins Vorgänger, war der ältere Bruder meines Schwagers) kaum eine kleine Stunde von Braunschweig auf dem Lande unter meiner Bothmäßigkeit lebt. – Mein Schwager ist ein sehr jovialer Mann, wie schon das beweist, was er, als ich ihm von Ihrem Neujahrsbriefe erzählte, mir zu Gemüthe führte: Was bist Du doch für ein glücklicher Mensch! Hast den größten Musiker zum Freunde und – den größten Theologen zum Schwager! Da bleibt mir nur noch die Bitte: um die Fortdauer dieses Glücks! Wie immer, Ihr E Ottoich lege seine Uebersetzung bei; meine Varianten dagegen behalte ich einstweilen zurück.
<TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="gb-1841-03-03-02" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="gb-1841-03-03-02" xml:id="title_0470baad-c86c-41ef-bdb5-a45942e2a6a6">Eduard Otto an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig <lb></lb>Braunschweig, 3. März 1841</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_c0f392b7-e39d-48e8-81c6-89b7566d4a67">Gottlob, daß wenigstens das wieder auf dem Papiere steht! Ich weiß nicht, ob ich mich darüber mehr freuen, oder schämen soll, – wohl aber, daß Sie, lieber Herr Doctor, recht herzlich über das Original von</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_cda6f6db-303a-4006-b20d-6eb6a013b5ea">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="fmb-1841-01-03-03" type="precursor" xml:id="title_58b381bd-8486-4bca-a992-723dffb84e44">Felix Mendelssohn Bartholdy an Eduard Otto in Braunschweig; Leipzig, 3. Januar 1841</title> <title key="fmb-1841-04-26-02" type="successor" xml:id="title_436c828f-ff8b-4698-aff2-e0f0a65dd005">Felix Mendelssohn Bartholdy an Eduard Otto in Braunschweig; Leipzig, 26. April 1841</title> <author key="PSN0113709">Otto, Eduard</author> <respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0113709" resp="writer">Otto, Eduard</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName xml:id="placeName_ed04cc05-f760-4805-a967-28e2def44654"> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript" xml:id="sourceDesc_71f6714b-2f61-4ac2-8ab5-b65a35c6fa54"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. d. 39/104.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="gb-1841-03-03-02" type="letter" xml:id="title_5605a541-93e6-4b92-bd34-55dd56fd9e6e">Eduard Otto an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig; Braunschweig, 3. März 1841</title> <incipit>Gottlob, daß wenigstens das wieder auf dem Papiere steht! Ich weiß nicht, ob ich mich darüber mehr freuen, oder schämen soll, – wohl aber, daß Sie, lieber Herr Doctor, recht herzlich über das Original von</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>6 Doppelbl. und 1 Bl.: S. 1-26 Brieftext.</p> <handDesc hands="1"><p>Eduard Otto</p></handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="textTemplate">Anton Wilhelm Florentin von Zuccalmaglio, Texte zu Felix Mendelssohn Bartholdys Liedern ohne Worte.</bibl> <bibl type="textTemplate">Eduard Otto, Texte zu Felix Mendelssohn Bartholdys Liedern ohne Worte.</bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1841-03-03" xml:id="date_e0fd79d6-ac2f-45c6-b0b4-fb74565862bc">3. März 1841</date> </creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0113709" resp="author" xml:id="persName_8cd39510-759c-4605-a559-204baa982ce4">Otto, Eduard</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0113709" resp="writer">Otto, Eduard</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_a01517ad-8851-44ee-9c76-7c0b00b318cc"> <settlement key="STM0100373">Braunschweig</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_ff9c46ec-cdb4-413a-85ae-347bbbbff96f">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_a25aa6bd-5236-48dc-bf30-4d34803fe471"> <settlement key="STM0100116">Leipzig</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"></revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_42dcf5c1-d03a-4da5-b9a8-927a447312c1"> <docAuthor key="PSN0113709" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_c6917adf-199c-49b4-b614-7cfbc7ad1623">Otto, Eduard</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113709" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_184389eb-3418-4de7-a1b4-769db7e098e4">Otto, Eduard</docAuthor> <dateline rend="right">Braunschweig, den <date cert="high" when="1841-03-03" xml:id="date_d68cdd13-2883-4de1-925f-7015c1591650">3. März 1841</date>.</dateline> <p style="paragraph_without_indent">Gottlob, daß wenigstens <hi n="1" rend="underline">das</hi> wieder auf dem Papiere steht! Ich weiß nicht, ob ich mich darüber mehr freuen, oder schämen soll, – wohl aber, daß Sie, lieber Herr Doctor, recht herzlich über das Original von Anfänger lachen würden, wollte ich alle seit <title xml:id="title_800c6239-4c6b-4d43-ad6d-460a85b35c59">meiner letzten Epistel<name key="PSN0113709" style="hidden" type="author">Otto, Eduard</name><name key="gb-1840-04-28-03" style="hidden" type="letter">Eduard Otto an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig; Braunschweig, 28. April 1840</name></title> angefangenen Briefe an Sie diesem, der aber auch nun ganz gewiß das Ende dieser Anfänge werden soll, beilegen. Der erste, ein Nachtrag des vorigen, sollte mich entschuldigen, daß ich nicht zu Ihrer <title xml:id="title_8a2ab7bf-3023-4266-9b9b-a969cad2d165">Symphoniecantate<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_b962d23d-1ff8-4837-a51f-645ce8b18ea8"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100118" style="hidden">Lobgesang / Hymn of Praise, Eine Sinfonie-Kantate nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [erste Jahreshälfte 1840]; 27. November 1840<idno type="MWV">A 18</idno><idno type="op">52</idno></name></title> kommen würde, – der zweite die geheimen Motive, weshalb ich nicht gekommen bin, vorlegen, – der dritte, der mir am meisten am Herzen lag, – der, als ich die Nachricht von Ihrer Krankheit,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_1a32393f-6812-46fc-8f19-6a5d3103dab5" xml:lang="de">Ihrer Krankheit – zu der schweren Krankheit, die Mendelssohn durch ein Bad im kalten Fluss im August 1840 ereilte, siehe die Briefe fmb-1840-08-29-01 bis fmb-1840-09-05-03 (Briefe Nr. 2794-2800).</note> obwohl gleichzeitig auch die von Ihrer Besserung erhielt!, – sollte Ihnen nun jedenfalls die Erstlinge von der Erndte des ersten Jahres unserer Bekanntschaft bringen, da ich nicht gleich etwas Besseres für den Reconvalescenten hatte, – aber auch der vierte am Schlusse des Jahrs konnte nicht einmal seinen eigenen finden, – und wie sehr mir auch<seg type="pagebreak"> |2| <pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg>beim fünften, am <date cert="high" when="1841-02-03" xml:id="date_fac49a88-4332-45b8-93ce-541eb565b63b">3. Februar</date>, trotz der Kälte die Finger brannten, da Sie mir inzwischen sogar feurige Kohlen auf mein Haupt gesammelt hatten, so muß ich doch, wenn ich nun, beim sechsten, statt des 3. Februars den <date cert="high" when="1841-03-03" xml:id="date_80fdb2d0-c9d8-4e4d-96dc-bddef232ecf6">3. März</date> setze, darauf rechnen, daß Sie dabei schon einmal ein Auge zugedrückt haben und jetzt auch wohl das andere zudrücken und es einstweilen blindlings glauben werden, wenn Sie hören, daß, bei Lichte besehen, Sie selbst die eigentlichste Ursache dieser Briefe ohne Ende gewesen sind! – Daneben mögen freilich diese –, um sie nur gleich mit dem wohlverdienten, aber auch schrecklichsten Namen, welchen es für das Ohr eines Geschäftsmannes giebt, zu stempeln, – diese Reste auch wohl mit durch jene Bequemlichkeit entstanden sein, welche der Verkehr mit großen Herrn wenigstens in einer Hinsicht darbietet, so mißlich es übrigens sein, mit ihnen, wie man in dem gelobten Lande der Kirschen, blank und frei zu sagen pflegt, welche zu essen, – nämlich <unclear reason="covering" resp="FMBC">dadurch</unclear> daß, wenn auch einmal die unmittelbare Correspondenz mit ihnen in’s Stocken geräth, man doch, so viele Zeitungen man liest, gerade so viele Correspondenten hat, welche wenigstens die auswärtigen, oder richtiger, die es in diplomatischen Dingen doch etwas mit auf’s Drehn und Wenden ankommt, – die auswendigen Angelegenheiten der Herrn so genau schildern, als hätte man die ganze Wachtparade mitgemacht.</p> <p>Da ich nun von Ihnen selbst weiß, daß Sie die Zeitungen, wenigstens die musikalischen, so gut, als gar nicht lesen, ich dagegen, gerade seitdem ich mit Ihnen bekannt geworden bin, sie, hauptsächlich Ihretwegen,<seg type="pagebreak"> |3| <pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg>viel aufmerksamer, als früher, lese, so dürften es, indem ich natürlich mit dem beginne, was mir am meisten am Herzen liegt, d.h., mit Ihnen, zwar verkehrte Welt, aber darum doch eine nicht unpassende Weise sein, wenn ich Ihnen einmal in der Kürze erzähle, was sich in der Zwischenzeit mit Ihnen zugetragen hat, – versteht sich: <hi rend="latintype">S. M., S. O.</hi> und mit allen sonstigen Salben, mit denen die juristischen Quacksalber die Salven und Salbadereien der Zeitungscorrespondenten noch überbieten. Um alsdann am Ende zu finden, brauche ich nur zu mir selbst zu kommen, weil ich mit mir immer gleich am Ende bin.</p> <p>Ich werfe also alle meine faden Anfänge weg und knüpfe, ohne noch länger einzufädeln, den Faden da wieder an, wo ich ihn nach Ostern v. J. ungern abgerissen hatte.</p> <p>Bald nachdem ich Ihnen über <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_ec8b71cf-763d-4749-9b24-e773c060ad18">Meyerbeer<name key="PSN0113318" style="hidden" type="person">Meyerbeer (vorh. Liebmann Meyer Beer), Giacomo (Jakob) (1791-1864)</name></persName></hi> geschrieben, wie es mir ums Herz war, las ich in den Zeitungen, daß er in <placeName xml:id="placeName_25c5d945-d77d-4d57-b077-838f634f40dd">Berlin<settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> bei <persName xml:id="persName_98cc73bc-29b3-45df-b592-035eca5dbaa9">Schlesinger<name key="PSN0114576" style="hidden" type="person">Schlesinger, Adolph Martin (bis 1812: Abraham Moses) (1769-1838)</name></persName> Ihr Tischnachbar gewesen sei. Da muß es Sie amüsirt haben, von ihm manches zu hören, was Sie von mir schon, oder nicht, oder anders wußten. Zu besserer Erkenntniß über ihn bin ich aber bis jetzt nicht gekommen; vielmehr, gerade an <date cert="high" when="1840-02-03" xml:id="date_91074cb9-d78e-49c6-81bc-de2c4b719c61">Ihrem Geburtstage</date>, in meinem früheren Urtheile nur bestärkt. Da begleitete ich nämlich bei dem G. Kammerrath <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_57ccb1ee-9c63-4c3a-a812-26bbc8235770">Mahner<name key="PSN0120392" style="hidden" type="person">Mahner, Herr</name></persName></hi> der älteren <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_89b4025f-f88a-4331-b1c7-a67602bbe54d">Franke<name key="PSN0120393" style="hidden" type="person">Franke, Frau (II)</name></persName></hi> Ihre <title xml:id="title_6ce33235-3b88-48b4-9825-551c396e86c0">Jerusalemsarie<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_d0c0941b-d7cc-41f2-8eab-68d21c17c209"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_9e13860e-d288-4ed5-9c3f-7bbc0d1c061d" xml:lang="de">Ihre Jerusalemsarie – Felix Mendelssohn Bartholdy, Paulus, op. 36 (MWV A14), 1. Teil, Nr. 7 Arie »Jerusalem, Jerusalem«.</note> <title xml:id="title_8cf4e954-e329-4fdc-bb0d-6e7eec44aa1b">Beethovens <hi rend="latintype">Ah spergiuro</hi><name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108001" style="hidden" type="music">Ah! perfido (Konzertszene) op. 65</name></title>! und das – Kuckucksduett, von welchem ich Ihnen schon einmal geschrieben habe, wobei ich denn zum ersten Male an dieser Musik auch mein blaues Wunder <hi n="1" rend="underline">sah</hi>. Ich erwähne das nur, um die Gratulation an den Mann zu bringen, welche mir von Fräulein es (wie sie sich ihres <hi rend="latintype">force</hi>-Tons wegen nach Ihnen nennt) und dann auch von allen übrigen Damen auf die Seele gebunden wurde, nachdem sie sich erst ein wenig über meine große Bereitwilligkeit zum<seg type="pagebreak"> |4| <pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg>Accompagniren gewundert und dann erfahren hatten, welchen Ehrentag<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_32a56699-f9a9-4256-8115-cece7acff81a" xml:lang="de">welchen Ehrentag – Felix Mendelssohn Bartholdys Geburtstag am 3. Februar.</note> wir zu feiern hätten. – Daß übrigens was während Ihrer Anwesenheit in Berlin<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_52ad94b1-102d-4d26-ae43-135566f1d218" xml:lang="de">während Ihrer Anwesenheit in Berlin – Mendelssohn hielt sich vom 10. April bis 19. Mai 1840 mit seiner Familie in Berlin auf.</note> von Ihrer Anstellung am dortigen Theater verlautete, sich nicht bestätigt hat, muß wie ich nun aus <title xml:id="title_d5a95b3f-cc4d-43f9-aa81-e4d5f2689af7">Ihrem letzten Briefe<name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="fmb-1841-01-03-03" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Eduard Otto in Braunschweig; Leipzig, 3. Januar 1841</name></title> schließen darf, wohl hauptsächlich in Ihrer Abneigung gegen Stellen dieser Art seinen Grund gehabt haben. Früher habe ich mir freilich immer gedacht, daß, wenn nicht <persName xml:id="persName_638c2634-01e0-452a-9234-f15b0ad92e5e">Friedrich Wilhelm 4<name key="PSN0113990" style="hidden" type="person">Preußen, Friedrich Wilhelm Prinz von (seit 1840) Friedrich Wilhelm IV. von (1795-1861)</name></persName>. Sie für seinen Musendienst pressen und so wieder preußen sollte, die <persName xml:id="persName_e8fd5931-0b5a-422e-b814-e801523322a6">kleine Seekönigin<name key="PSN0111572" style="hidden" type="person">Großbritannien und Irland, Alexandrina Victoria von (1819-1901)</name></persName> Sie uns noch wegkapern würde, da Glück und Sieg ohne einen nicht bestehen können. Hat sie doch auch schon im Juni mit ihrem <persName xml:id="persName_f5c6074a-018b-45a6-9c08-1f418795c26d">Gemahl<name key="PSN0114410" style="hidden" type="person">Sachsen-Coburg und Gotha, Franz August Carl Albrecht (Albert) Emanuel Prinz von, Herzog von Sachsen (1819-1861)</name></persName> trotz ihrer angeblichen Abneigung gegen Deutsche Musik, in ihren Concerten Ihre Compositionen selbst vorgetragen. (Hier interessirt man sich für die Königin u. a. auch deshalb, weil ihre Erzieherin, <persName xml:id="persName_c31941bb-dcdb-4b77-accc-14a35bd8469a">Baronesse Lehzen<name key="PSN0120394" style="hidden" type="person">Lehzen, Johanna Clara Louise (Baronin) (1784-1870)</name></persName> , früher Gouvernante in einer hiesigen Familie<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_04c5469f-f6d6-4173-a48a-7e65557eb9dd" xml:lang="de">früher Gouvernante in einer hiesigen Familie – Louise Lehzen war Mitglied des Haushalts der Prinzessin Victoire von Sachsen-Coburg-Saalfeld und die Erzieherin von deren erster Tochter Feodora zu Leiningen aus der Ehe mit dem Fürsten von Leiningen.</note> gewesen ist). Gegen solche Gouvernanten muß freilich <placeName xml:id="placeName_ca674cf0-2801-494c-b255-dcd98459db17">Braunschweig<settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> zurückstehen. Aber nach Ihren Äußerungen zu urtheilen, scheinen Sie Sich überhaupt noch nicht gern zu binden. Nun ja, auch die Nachtigall <unclear reason="deletion" resp="FMBC">und die Lerche</unclear> ist ein Zugvogel, und die Lerche gedeiht am besten in – Leipzig, das, abgesehen von der Oper, jetzt wohl der Mittelpunct Deutschlands auch in Theorie und Praxis der Tonkunst, wenigstens intensiv, sein mag. Meine stillen Hoffnungen will ich darum noch nicht ganz aufgeben. – Aber über <hi rend="latintype">Old England</hi> und Altpreußen darf ich den <persName xml:id="persName_1172db62-8028-4462-b5be-29023e69281a">Kaiser aller Preussen <name key="PSN0113990" style="hidden" type="person">Preußen, Friedrich Wilhelm Prinz von (seit 1840) Friedrich Wilhelm IV. von (1795-1861)</name></persName>nicht vergessen, dessen Adjutant, Oberst <persName xml:id="persName_194b544e-2b9f-4a50-b5e8-1a0ada832422">Lwoff<name key="PSN0113006" style="hidden" type="person">Lwow, Alexej Fedorowitsch Graf (1798-1870)</name></persName>, Ihnen nach Ihrer Rückkehr nach <placeName xml:id="placeName_57f8016a-20dc-4ba7-b8e7-d059d03d858f">Leipzig<settlement key="STM0100116" style="hidden" type="locality">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> und später noch einmal gegen Ende vor. J. Ihre <title xml:id="title_11caa05a-4a32-46c1-9eb1-5909224b1def">Violinquartette<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_718e61a7-faf5-4d98-82f4-455064aff7ff"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="unidentified_and_unspecified_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100970" style="hidden">Quartette für zwei Violinen, Viola und Violoncello<idno type="MWV"></idno><idno type="op"></idno></name></title><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_d41485f1-5515-426b-8e80-85ab22fd9e74"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="unidentified_and_unspecified_works" style="hidden"></item></list> so meisterhaft vorgetragen<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_f02676a9-cc55-4ec1-b498-f018992d389b" xml:lang="de">Ihre Violinquartette so meisterhaft vorgetragen – siehe Brief fmb-1840-06-11-02 Felix Mendelssohn Bartholdy an Hermann Härtel in Leipzig, Leipzig, 11. Juni 1840.</note> haben soll. Vor Sibirien werden Sie indessen doch wohl unserem Blocksberge den Vorzug geben? – Ueber Ihren Aufenthalt in <placeName xml:id="placeName_41ba562c-93f7-4fce-95ae-9b8178dc9cf4">Weimar<settlement key="STM0100134" style="hidden" type="locality">Weimar</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, Ende Mai’s, habe ich deshalb nichts Genaueres erfahren, weil unsere <placeName xml:id="placeName_00df5cb8-97d7-4e5b-a755-af76dd342b40">Gebrüder <hi rend="latintype">Müller</hi><name key="NST0104560" style="hidden" subtype="" type="institution">Müller-Quartett</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> ihre Rückreise vom <placeName xml:id="placeName_4ce693c3-7bfd-4a90-b600-72cb7a3fe1ad">Aachener Musikfeste<name key="NST0100566" style="hidden" subtype="" type="institution">22. Niederrheinisches Musikfest (1840)</name><settlement key="STM0100106" style="hidden" type="locality">Aachen</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> so<seg type="pagebreak"> |5| <pb n="5" type="pagebreak"></pb></seg>geschickt eingerichtet, daß sie in Weimar nur von den Zurüstungen zum <title xml:id="title_14b65427-d940-49ed-8a12-0e46dcd05298">Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_04dec274-e63b-432d-bcc0-9e0abb882b12"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title> gehört haben.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_3c8c6699-f9de-4871-ae5b-5507a844ee56" xml:lang="de ">daß sie in Weimar nur von den Zurüstungen zum Paulus gehört haben – Am 15. April 1841 wurde Mendelssohns Paulus op. 36 (MWV A 14) in der Weimarer Haupt- und Stadtkirche unter seiner Leitung aufgeführt.<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_91c51dee-fffa-4b7c-bb34-33138b06c893"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list></note> – Desto mehr habe ich dagegen von Ihrer <title xml:id="title_32a4cbb8-5e1e-436f-9217-59ef50df2d64">Musik<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_412a0f6d-1fa7-4ab6-9077-b5b1d1577140"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100118" style="hidden">Lobgesang / Hymn of Praise, Eine Sinfonie-Kantate nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [erste Jahreshälfte 1840]; 27. November 1840<idno type="MWV">A 18</idno><idno type="op">52</idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_7502a50a-c56e-440c-91af-4de50a5a5af9"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="large-scale_sacred_secular_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100173" style="hidden">Festgesang (»Gutenberg-Kantate«) für Männerchor und zwei Blech-Blasorchester, [Mai 1840]<idno type="MWV">D 4</idno><idno type="op"></idno></name></title> bei dem <placeName xml:id="placeName_30746ca6-3e24-4bc2-9bac-b83a1c73ed24">Buchdruckerfeste<name key="NST0103712" style="hidden" subtype="" type="institution">400-Jahr-Feier der Erfindung der Buchdruckerkunst 1840</name><settlement key="STM0100116" style="hidden" type="locality">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_364c20a5-f194-4db2-94ec-918f02e909af" xml:lang="de">Ihrer Musik bei dem Buchdruckerfeste – Gemeint ist die 400-Jahr-Feier der Erfindung der Buchdruckerkunst vom 24. bis 26. Juni 1840 in Leipzig, zu der Mendelssohn seinen Lobgesang op. 52 (MWV A 18) sowie den Festgesang (»Gutenberg-Kantate«) MWV D 4 komponierte.</note> gelesen. Welche Wirkung besonders Ihr <title xml:id="title_fc22cb92-3a06-4e1d-8e90-5405dd60e520">Lobgesang<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_8435985e-84f5-495f-a6d3-9e1c68244d9a"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100118" style="hidden">Lobgesang / Hymn of Praise, Eine Sinfonie-Kantate nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [erste Jahreshälfte 1840]; 27. November 1840<idno type="MWV">A 18</idno><idno type="op">52</idno></name></title> damals und bei der Wiederholung im December hervorgebracht haben muß, habe ich hauptsächlich aus den <choice resp="Editor" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_524116ce-e894-4cf2-8ea6-c7844987581a"><sic resp="writer">Gebehrden</sic><corr resp="editor">Gebärden</corr></choice> Ihrer Gegner geschlossen.</p> <p>Der Eine, welcher die Judaszahl 12 führt und in anderen Büchern (wenn es überhaupt derselbe ist) nur lobt, um hinterher desto empfindlicher und scheinbar unpartheiischer tadeln zu können, schien sich in der <title xml:id="title_928d41a2-a03d-4572-b62b-a04e114f6835">Schumannschen Zeitung<name key="PSN0114758" style="hidden" type="author">Schumann, Robert Alexander (1810-1856)</name><name key="CRT0110790" style="hidden" type="science">Neue Zeitschrift für Musik</name></title> ganz bekehrt zu haben, und hat sich nachher in der <hi rend="latintype"><title xml:id="title_a2de73c8-3fe9-442d-8c1d-feff1e38f6de">gazette musicale<name key="PSN0114582" style="hidden" type="author">Schlesinger, Moritz Adolf (Maurice) (vorh. Mora Abraham) (1798-1871)</name><name key="CRT0110690" style="hidden" type="science">La Gazette musicale de Paris</name></title></hi> sogar französirt, wobei der „<hi rend="latintype">chant laudatif</hi>“<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_3bf36631-0bcb-4572-b63c-5ef9cffcae8e" xml:lang="fr ">chant laudatif – frz., Loblied.</note> meine Gevatternvorschläge doch noch überboten hat! Der Andere aber, im <title xml:id="title_b750f1ed-d533-434b-a059-2be215805d4d">Schillingschen Blatte<name key="PSN0118124" style="hidden" type="author">Schilling, Friedrich Gustav (1805-1880)</name><name key="CRT0112570" style="hidden" type="periodical">Jahrbücher des deutschen National-Vereins für Musik und ihre Wissenschaft</name></title>, streicht die Segel mit der ganz artigen Bemerkung, daß es ihm gewesen sei, als sähe er von Helgoland den Koloß eines Dreimasters aus der Elbmündung hersteuern und immer gewaltiger das ungeheure Wellenroß bändigen, und gesteht ehrlich genug, daß er Ihnen abzubitten habe. –</p> <p>Was ich damals versäumen mußte, hätte ich im Anfange Juli’s in <placeName xml:id="placeName_6cc66cf7-7ec6-4580-b7f6-7b68b6bffaf8">Schwerin<settlement key="STM0103812" style="hidden" type="locality">Schwerin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_02e3b810-e6b6-4ce2-8675-282204dcd84d" xml:lang="de">hätte ich im Anfange Juli’s in Schwerin – Mendelssohn nahm vom 8. bis 10. Juli 1840 am 2. Norddeutschen Musikfest in Schwerin teil und brachte seinen Paulus op. 36 (MWV A 14) sowie Joseph Haydns Oratorium Die Schöpfung Hob. XXI : 2 zur Aufführung.</note> beinahe nachgeholt, da nicht weit von dort, in <placeName xml:id="placeName_c18b697a-65ec-4dde-9e8b-b7af55a2d139">Ragut<settlement key="STM0105293" style="hidden" type="locality">Raguth</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> und <placeName xml:id="placeName_f4d90a28-59b1-43ff-8d50-74306cdba72e">Boddin<settlement key="STM0105294" style="hidden" type="locality">Boddin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, mein ältester Jugendfreund lebt. Das Wetter war aber damals gar zu schlecht, und so habe ich mich, da jener selbst nicht sehr musikalisch ist, mit den allgemeinen Zeitungsnachrichten begnügen müssen. – Dann haben Sie gelegentlich in <placeName xml:id="placeName_f4f482cc-35e9-45b0-bd43-41961afc45ce">Rötha<settlement key="STM0105295" style="hidden" type="locality">Rötha</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, besonders aber in der <placeName xml:id="placeName_9cc81eae-7f3a-491a-8c57-424c9199849f">Thomaskirche<name key="SGH0100311" style="hidden" subtype="Orgel" type="sight">Thomaskirche</name><settlement key="STM0100116" style="hidden" type="locality">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> im Anfange August’s Orgel gespielt und für <persName xml:id="persName_ccaa3a86-f1a3-4dc1-9905-7d58fd87cb80">Sebastian Bach<name key="PSN0109617" style="hidden" type="person">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name></persName> durch ein lebendes Denkmal der Kunst den Grund zu einem von – ich weiß nicht, Erz oder Stein gelegt. – Seitdem glaubte ich Sie aber ganz wohlgemuth in England,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_9bc8a757-bf4e-4ba1-b88a-a4327cc5855f" xml:lang="de">Seitdem glaubte ich Sie aber ganz wohlgemuth in England – Mendelssohn sechste England-Reise wurde durch eine schwere Krankheit gefährdet, die ihn im August 1840 ereilte. Erst eine überraschend schnelle Genesung erlaubte es ihm, am 5. September 1840 seine diesbezüglichen Korrespondenzen wieder aufzunehmen. Am 18. September 1840 traf er in London ein und reiste tags darauf nach Birmingham weiter, wo er bei dem Musikfest vom 22. bis 25. September mehrere Auftritte als Dirigent, Pianist und Organist absolvierte.</note><seg type="pagebreak"> |6| <pb n="6" type="pagebreak"></pb></seg>bis ich Ende September’s die Nachricht von Ihrer überstandenen Nervenkrankheit erhielt. Lieber Felix, hatten Sie die Bitte (ich glaube, in meinem ersten Briefe) schon vergessen, Sich zu schonen? Wenn ich allein an die vielen und umfangreichen Werke denke, welche Ihr vorletzter Brief als vollendet, oder begonnen aufzählt, so können Sie dieselbe nicht beherzigt haben. Lassen Sie Sich also alles noch einmal gesagt <unclear reason="deletion" resp="FMBC">haben</unclear> <add place="above">sein<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add>, und denken Sie an – Weber, dessen Asche Dresden jetz von England holen lassen will. Ich würde es mir nicht vergeben können, Ihnen damals nicht <add place="above">einmal<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> einen brieflichen Krankenbesuch gemacht zu haben, zumal ich Leiden der Art allerdings aus Erfahrung kenne. Aber ich erhielt auch gleich darauf die Nachricht Ihrer Abreise nach England und bald nachher von dort so frühliche Nachrichten, daß darüber der erste Schrecken bald vergessen wurde. Daß in <placeName xml:id="placeName_c6c3b2e3-6564-4db1-b625-aa6437546983">Birmingham<name key="NST0100324" style="hidden" subtype="" type="institution">The Birmingham Triennial Music Festival</name><settlement key="STM0100323" style="hidden" type="locality">Birmingham</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName> alles, selbst die 80,000 rh, welche aufgenommen sein sollen, schön geklungen, läßt sich nach den Berichten denken. – Mit dem October haben Ihre <placeName xml:id="placeName_bdfd8ed0-0017-47e4-9459-3839e6a4f1d5">Gewandhausconcerte<name key="NST0100117" style="hidden" subtype="Abonnementkonzerte, Konzerte" type="institution">Gewandhaus</name><settlement key="STM0100116" style="hidden" type="locality">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> wieder begonnen, und da haben Sie u. a. in der Mitte des Monats mit <persName xml:id="persName_0fdfce22-96b4-4c10-ab43-815425097295">Moscheles<name key="PSN0113441" style="hidden" type="person">Moscheles, Ignaz (Isack) (1794-1870)</name></persName> und <persName xml:id="persName_7fe270f1-691c-4928-91ed-fe1d56544195">Madame Schumann<name key="PSN0114753" style="hidden" type="person">Schumann, Clara Josephine (1819-1896)</name></persName> – welche sich mit ihrem <persName xml:id="persName_195a9a0b-f7e7-458c-8099-cc092ba5d710">Vater<name key="PSN0115761" style="hidden" type="person">Wieck, Johann Gottlob Friedrich (1785-1873)</name></persName> vor mehreren Jahren <placeName xml:id="placeName_6615bb7c-8200-45e3-8c07-00a59fe4115d">hier<settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> einige Zeit aufhielt, weil sie hier, wie die Spaßvögel sagten, auch ihre Mutter, die Alte Wyk (eine hiesige Straße) wiedergefunden, – <title xml:id="title_15a64656-0aa7-46f5-878f-ef4648401c1b">Bach’s Tripelconcert<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name><name key="CRT0107781" style="hidden" type="music">Konzert für Traversflöte, Violine und Cembalo a-Moll, BWV 1044</name></title> wiedergespielt, auch nachher sich von <persName xml:id="persName_914ff7eb-8b91-4722-a645-a36ace295520">Ole Bull<name key="PSN0110182" style="hidden" type="person">Bull, Ole Bornemann Johansen (1810-1880)</name></persName> die <title xml:id="title_dd0bdfcb-3128-4ea1-9dd0-c5587ceb3519">Beethovensche Amoll-Sonate<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108075" style="hidden" type="music">Sonate für Klavier und Violine a-Moll, op. 23</name></title> verderben lassen, was in dem königlichen Concerte vom <date cert="high" when="1840-12-16" xml:id="date_825d4924-f89a-421d-a664-e116e3d91c22">16. December</date> <persName xml:id="persName_6344cb44-d7aa-4c24-88e8-0b4c97501205">König David<name key="PSN0110564" style="hidden" type="person">David, Ernst Victor Carl Ferdinand (1810-1873)</name></persName> wieder gut gemacht hat. pp. Doch bei den Herrlichkeiten dieses Winters mag ich Ihnen gar nicht folgen, weil gegen sie das hiesige musikalische Treiben gar zu sehr absticht, welches ich doch auch erwähnen muß, obgleich sich wenig davon melden läßt.</p> <p>Anfangs <hi rend="latintype">Mai</hi> gaben wir unser letztes <placeName xml:id="placeName_001026b8-5f9b-4e95-95f2-6e4a01002d3b">Vereinsconcert<name key="NST0105296" style="hidden" subtype="Vereinskonzerte" type="institution">Concert-Comité</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> für den Winter, in welchem <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_fb670c7b-c7cb-488d-9107-f52b6721c7ad">Maurer<name key="PSN0113132" style="hidden" type="person">Maurer, Ludwig Wilhelm (Louis) (1789-1878)</name></persName></hi> auf zufälliger Durchreise sein <title xml:id="title_851da784-61b1-4ddc-9ea7-d8b690536c44">Violin-Sextupelconcert<name key="PSN0113132" style="hidden" type="author">Maurer, Ludwig Wilhelm (Louis) (1789-1878)</name><name key="CRT0113049" style="hidden" type="music">Violin-Sextupelconcert</name></title> mit <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_b4bd6c48-cd62-4499-891f-0b6bb952acfa">Carl Müller<name key="PSN0113490" style="hidden" type="person">Müller, Carl Friedrich (I) (1797-1873)</name></persName></hi>, <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_0963fd32-1460-426e-ab5f-388d06ae2ec7">Freudenthal<name key="PSN0111183" style="hidden" type="person">Freudenthal, Julius (1805-1874)</name></persName></hi>, den <persName xml:id="persName_2e654e48-dce4-4c3b-8a87-106b212c5773">Gebrüdern <hi rend="latintype">Zinkeisen</hi><name key="PSN0120398" style="hidden" type="person">Zinkeisen (Gebrüder)</name></persName> und<seg type="pagebreak"> |7| <pb n="7" type="pagebreak"></pb></seg><persName xml:id="persName_e3c4de80-6b33-4dc6-8f2d-8c9aecd364ee">Hohnstock<name key="PSN0120356" style="hidden" type="person">Hohnstock, Karl (1828-1889)</name></persName> hören ließ. Ein Paar <choice resp="Editor" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_04582ec1-f16f-4935-89bd-27d82bcac9b7"><sic resp="writer">Imitazionen</sic><corr resp="editor">Imitationen</corr></choice> abgerechnet, welche, wie im Kleingewehrfeuer, die Geigercolonne durchliefen, kam darin nichts vor, was gerade diese Form rechtfertigte, und man konnte am Schlusse wohl fragen, wozu so viele Herrn incommodirt seien? – Das finanzielle Ergebniß unserer Winterconcerte ist höchst beklagenswerth gewesen, da unser schöner Cassenvorrath vom <title xml:id="title_6a786ff7-9a07-40b1-9e75-2f55c25e70a3">Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_834fb649-af11-488a-940e-4c668011954c"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_5eb1bb1b-f5c0-49f5-ab35-d71b01882117" xml:lang="de">unser schöner Cassenvorrath vom Paulus – Mendelssohns Oratorium »Paulus« op. 36 wurde unter seiner Leitung während des Musikfestes in Braunschweig (6. bis 8. September 1839) aufgeführt.</note> her (<choice resp="Editor" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_8a12d918-00c6-40e9-88d5-8e210878c344"><sic resp="writer">jezt</sic><corr resp="editor">jetzt</corr></choice> 700 rh) rein drauf gegangen ist! An den musikalischen Leistungen hat das nicht gelegen, die durchschnittlich sehr gut ausfielen. Also an den Prätensionen<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_7d42eae0-a98e-438d-9927-2ef1557590f8" xml:lang="de">Prätension – Anmaßung, Hochmut, Arroganz.</note> der Künstler, oder am Publicum, oder am Vereine? <hi rend="latintype">Intra peccatur</hi> & <hi rend="latintype">extra</hi>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_1502cf95-4aa3-400f-a0e5-5497382ec0d0" xml:lang="la ">Intra peccatur & extra – lat., drinnen und draußen wird gesündigt. Verkürzung des Horazischen Verses »Iliacos intra muros peccatur et extra« (Horaz, Epistulae, 1. Buch, 2,16).</note> Für diesen Winter haben wir daher auch das Concertgeben ganz eingestellt und hören zu, wenn <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_c5b99289-ae38-4ca5-bb37-037ec02fa0d9">Karl Müller<name key="PSN0113490" style="hidden" type="person">Müller, Carl Friedrich (I) (1797-1873)</name></persName></hi> auf seine eigene Hand 3 große Concerte giebt, – ich für meinen Theil, so uncollegialisch das scheinen mag, nicht ungern, weil ich darin, daß gerade <hi rend="latintype">Müller</hi> diese Concerte <choice resp="Editor" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_cf836870-7233-4549-b847-816f25fe78a0"><sic resp="writer">giebt</sic><corr resp="editor">gibt</corr></choice>, den Finger der Nemesis erkenne, welche auch ihr Spiel dabei gehabt hat. Doch <hi rend="latintype">sapienti sati</hi>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_723a61fa-5feb-49d4-9aa2-28c7c78cf9eb" xml:lang="la ">sapienti sati – lat., dem Weisen ist es genug.</note> – Mit den Theaterferien im Mai trat auch dießmal eine musikalische Todtenstille ein. <persName xml:id="persName_2f430e7c-1371-4a64-884f-1d0f2349609c">Bock<name key="PSN0116256" style="hidden" type="person">Bock, Heinrich August (1815-1837)</name></persName> und <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_c774472f-4294-49fe-a6c5-8dda6d842604">Schmetzer<name key="PSN0114598" style="hidden" type="person">Schmezer, Friedrich (1807-1877)</name></persName></hi> holten sich während derselben von London Lorbeern und Guineen, und unser <placeName xml:id="placeName_a55ec737-896c-4564-b5fd-aa708e3536b8">Buchdruckerfest<name key="NST0105297" style="hidden" subtype="" type="institution">400-Jahr-Feier der Erfindung der Buchdruckerkunst 1840</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, so stattlich es übrigens auch ausfiel, bot in tonlicher Hinsicht dem Gro nichts, als einige nicht an-, wohl aber herunterziehende Gesänge der aufziehenden verschiedenen Chöre. Bei der zur Feier des Festes in der <placeName xml:id="placeName_9934a013-cce3-4a7c-86f8-e00d95b903a6">Aegidienkirche<name key="SGH0100570" style="hidden" subtype="" type="sight">Aegidienkirche</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> veranstalteten, sehr reichen Ausstellung von Handschriften, alten Drucken pp, meistens aus der <placeName xml:id="placeName_97d93185-fa2b-4e7e-a969-c86ffd4cb076">Wolfenbüttler Bibliothek<name key="NST0105298" style="hidden" subtype="" type="institution">Herzog August Bibliothek</name><settlement key="STM0105053" style="hidden" type="locality">Wolfenbüttel</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, würde Sie indessen doch angezogen haben. <hi rend="latintype"><title xml:id="title_5ff17431-3060-48e7-836c-7e01ec69e7e6">Boëthius de Musica<name key="PSN0116266" style="hidden" type="author">Boethius, Anicius Malinus Severinus (?-524)</name><name key="CRT0113050" style="hidden" type="science">De Musica</name></title></hi> & <hi rend="latintype"><title xml:id="title_9eadae9f-bd2a-4f2d-9ba9-037b7a20404f">Ottonis Cluniac. Enchir.<name key="PSN0120399" style="hidden" type="author">Hoger, Abt (?-906)</name><name key="CRT0113051" style="hidden" type="science">Musica enchiriadis</name></title></hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_79499922-0ed3-4137-8346-70251675721d" xml:lang="la ">Ottonis Cluniar. Enchir – Musica enchiriadis, Handschrift 11. Jahrhundert (D-W, Bibl. Cod. Gud. lat. 72).</note>, eine für die Geschichte der Musik sehr interessante Handschrift aus dem 11. Jahrhundert, worin eine Tabulatur der drei Klanggeschlechter, die von <persName xml:id="persName_8a857efa-b276-42ab-b9d0-809ccbb11b80">Pythagoras<name key="PSN0119431" style="hidden" type="person">Pythagoras (um 570 v. Chr.-um 510 v. Chr.)</name></persName> erfundenen Notenzeichen nach den verschiedenen Moll- und Durtonarten, die Namen der Griechischen Sexten durch drittehalb Octaven, und mehr dergl. <hi rend="latintype">curiosa</hi>, mit einem Anfange, dem <title xml:id="title_f0f5114a-852a-4f7f-bba9-608cf434598d">musikalischen Handbüchlein<name key="PSN0120400" style="hidden" type="author">Cluny, Odo von (878-942)</name><name key="CRT0113052" style="hidden" type="science">Dialogus de musica</name></title> von <choice resp="Editor" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_cdf0eda8-a74a-4877-9589-cb45d7a93a20"><sic resp="writer"><persName xml:id="persName_aa4b0562-9bdb-4060-9217-98ebdc41f63c">Otto von Clügny<name key="PSN0120400" style="hidden" type="person">Cluny, Odo von (878-942)</name></persName></sic><corr resp="editor">Odo von Cluny</corr></choice>, worin die vor <persName xml:id="persName_fbbbe673-c0ee-43b3-9b4e-d8be7080c7d8">Guido von Arezzo<name key="PSN0120401" style="hidden" type="person">Arezzo, Guido von (992-1050)</name></persName> üblichen<seg type="pagebreak"> |8| <pb n="8" type="pagebreak"></pb></seg>Notenzeichen <hi rend="latintype">etc</hi>. – Nach Wiedereröffnung des <placeName xml:id="placeName_0bd5fea4-c2a5-4628-97dd-a899517c7c3f">Theaters<name key="NST0103564" style="hidden" subtype="" type="institution">Herzogliches Hoftheater</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_c431f445-675e-48bc-836b-58141087d80d" xml:lang="de">Nach Wiedereröffnung des Theaters – Der Wiederaufbau des am 8. Juni 1830 von einer wütenden Volksmenge aus Braunschweig in Brand gesetzten Schlosses und Theaters wurde 1840 beendet.</note> fand sich <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_bdbda7d7-3108-4dbb-bade-6b461ed15443">Kreutzer<name key="PSN0112543" style="hidden" type="person">Kreutzer, Conradin (bis 1798: Konrad) (1780-1849)</name></persName></hi> zum Einstudiren seiner <title xml:id="title_987a2b33-808f-4c80-98db-779f5efc6539">Oper<name key="PSN0112543" style="hidden" type="author">Kreutzer, Conradin (bis 1798: Konrad) (1780-1849)</name><name key="CRT0113053" style="hidden" type="music">Die beiden Figaro</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_3708f2eb-ceb7-4020-b586-d737070d4bac" xml:lang="de">zum Einstudiren seiner Oper – Conradin Kreutzers Oper Die beiden Figaro (Libretto: Georg Friedrich Treitschke nach Johann Friedrich Jünger) wurde am 12. August 1840 im Opernhaus am Hagenmarkt in Braunschweig uraufgeführt.</note> ein. Er war in <placeName xml:id="placeName_50506373-ec07-47fe-8e7e-97ebdfbb5432">Wien<settlement key="STM0100145" style="hidden" type="locality">Wien</settlement><country style="hidden">Österreich</country></placeName> früher einmal unserem <persName xml:id="persName_acbe01ab-947b-4f1d-a38b-bd027b5f7041">Herzoge<name key="PSN0110101" style="hidden" type="person">Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern, Karl II. Herzog zu (1804-1873)</name></persName> vorgestellt, und hatte diesem nachher die Partitur oder den Clavierauszug aus seiner umgearbeiteten Oper: <title xml:id="title_cbb2b1bc-4e79-42b4-8303-82d670eda68f">der Gang nach dem Eisenhammer<name key="PSN0112543" style="hidden" type="author">Kreutzer, Conradin (bis 1798: Konrad) (1780-1849)</name><name key="CRT0111824" style="hidden" type="music">Fridolin oder Der Gang zum Eisenhammer</name></title> dediciren wollen. Dieses war jedoch abgelehnt und ihm dafür die Composition einer neuen Oper aufgetragen. So sind <title xml:id="title_92c2fbd5-e5fb-4d3e-a763-76c8101f726a">die beiden Figaro’s<name key="PSN0112543" style="hidden" type="author">Kreutzer, Conradin (bis 1798: Konrad) (1780-1849)</name><name key="CRT0113053" style="hidden" type="music">Die beiden Figaro</name></title> entstanden. Trotz der zweimaligen Aufführung unter Leitung des Componisten hat die Oper hier nicht das Glück gemacht, wie ziemlich um dieselbe Zeit die von <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_71b7d8f2-625b-4596-b327-e855453b6ca6">maestro Speranza<name key="PSN0120402" style="hidden" type="person">Speranza, Giovanni Antonio (1811-1850)</name></persName></hi> in Italien,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_80a2a09f-2f39-4bc9-9c8f-93b695cd6414" xml:lang="de">um dieselbe Zeit die von maestro Speranza in Italien – Giovanni Antonio Speranzas Vertonung von Michel Carafas »I due Figaro« wurde 1839 in Turin uraufgeführt. Diese Vertonung war äußerst erfolgreich und wurde bis um 1850 in ganz Italien, in Lissabon, Valenzia, Barcelona und Odessa gespielt.</note> eigentlich gar kein Glück. Denn sie ist seitdem nicht wieder gegeben. Da ich sie auf diese Weise nur einmal und, wegen Andrangs, aus der Fremdenloge hörte, wo mir die reiche und feine Instrumentation ganz verloren ging, der Clavierauszug bei <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_f31c0cc2-eb55-4c0c-a55a-7fb48317035f">Meyer<name key="PSN0120045" style="hidden" type="person">Meyer, Gottfried Martin (1801-1847)</name></persName></hi> aber noch nicht erschienen ist, so vermag ich nach so langer Zeit kaum etwas Genaueres darüber zu schreiben. Alles Applaudirens, Hervorrufens pp. ungeachtet, war die Aufnahme doch lau. Man gab zwar allgemein dem Buche die Schuld, in welchem die Handlung nicht recht fortschreite. Aber in unserer durch Effecthascherei Geschmacksverderbten Zeit – und bei der durch Beethoven hervorgerufenen Vorliebe für Tonmassen ist seine Komik, Intrigue, Witz pp. jetzt gewiß das gefährlichste Feld für den Operncomponisten. Hier aber sollte der Effect gerade durch das Leise, Zarte, Tändelnde erreicht werden, wie denn auch ein ppp-Quartett: Nur stille, nur stille, nur leise! den Sieg davon trug. Doch fehlte es zum Licht und Schatten am Kräftigen durch komischen Pathos pp. Dazu setzte die Musik, wie der Text genaue Bekanntschaft mit der Mozartschen Oper voraus, und in einer Episode, der Geschichte der Entstehung einer Oper, vom Componisten so geschickt und ergötzlich behandelt, war der Humor dem großen Publicum ganz fremd und störte es wohl gar in der Illusion. Abgesehen von jeder Eintönigkeit, hat mir die Musik mit ihrem leichten, fließenden, natürlichen<seg type="pagebreak"> |9| <pb n="9" type="pagebreak"></pb></seg>Style sehr gefallen, und ich glaube wohl, daß der Componist, dessen Nachtlager hier sehr beliebt ist, außer der Herzoglichen Dose mit Brillanten und sonstigem, bar seiner etwas bedrängten Lage besonders wohlklingenden Danke, auch die Achtung aller aufrichtigen Musikfreunde mitgenommen hat. – Ende Juli’s wurde mein Pflichtgefühl auf eine harte Probe gestellt. In meiner kleinen Vaterstadt wurde wieder, wie im vorigen Jahre, ein großes <placeName xml:id="placeName_54441dbd-7a6d-46bc-9416-9c521d71b518">Gesangfest<name key="NST0105300" style="hidden" subtype="" type="institution">Gesangfest 1840</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, größtentheils im Freien, gehalten, und wieder war ich, aller dringenden Einladungen ungeachtet, an die Scholle gebunden. Sind auch die Mittel dort und in den Nachbarstädten <placeName xml:id="placeName_275ed746-6ed0-4807-a25b-8265d20019b3">Quedlinburg<settlement key="STM0104567" style="hidden" type="locality">Quedlinburg</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> und <placeName xml:id="placeName_d9feb011-319b-4ec7-82a3-b10817379ed1">Halberstadt<settlement key="STM0103663" style="hidden" type="locality">Halberstadt</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> lange nicht so beträchtlich, wie hier, so herrscht dafür dort weit mehr Lust und Liebe zur Sache. So habe ich mich nur aus der Ferne darüber freuen können, daß, wie auch ein mir unbekannter H S. D. in <title xml:id="title_9ef0b761-1f31-40a0-8272-02ffc5dd0a13">Schumanns Zeitung<name key="PSN0114758" style="hidden" type="author">Schumann, Robert Alexander (1810-1856)</name><name key="CRT0110790" style="hidden" type="science">Neue Zeitschrift für Musik</name></title> berichtete, Ihr <title xml:id="title_d8d54db0-ceac-4ae6-a8c1-d4534be2943d">Jägerabschied<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_609a0be2-5e18-4a90-b29d-f4a1b4746232"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="works_for_male_choir_or_male_voices" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100220" style="hidden">Der Jäger Abschied (Jägers Abschied / Der deutsche Wald) »Wer hat dich, du schöner Wald« für vier Männerstimmen (Chor) und Bläserstimmen (ad libitum), 6. Januar 1840<idno type="MWV">G 27</idno><idno type="op">50/2</idno></name></title> und <title xml:id="title_ae704869-cea6-4c84-a357-31460c777bbe">Türkisches Schenkenlied<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_73bdd3ac-c0f8-479e-9048-868c646c76be"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="works_for_male_choir_or_male_voices" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100217" style="hidden">Türkisches Schenkenlied (Türkisches Trinklied) »Setze mir nicht, du Grobian« für vier Männerstimmen (Solostimmen und Chor), [1838]<idno type="MWV">G 23</idno><idno type="op">50/1</idno></name></title> am meisten angesprochen hat. – Bald nachher kam <persName xml:id="persName_4ebe1936-271d-439a-81c5-846c7e887382">Spohr<name key="PSN0115032" style="hidden" type="person">Spohr, Louis (Ludewig) (1784-1859)</name></persName> hier durch, und die Theaterzettel kündigten schon <title xml:id="title_dfc7dd5a-bb59-4138-bc8c-eb9a6b9273d5">Jessonda<name key="PSN0115032" style="hidden" type="author">Spohr, Louis (Ludewig) (1784-1859)</name><name key="CRT0110920" style="hidden" type="music">Jessonda WoO 53</name></title> unter seiner Direction an, als der Tod seiner Mutter dazwischen trat. Doch hat er für die Einweihung des <placeName xml:id="placeName_79f6ea30-7ae0-401c-9d09-6abcb759d395">Schillschen Denkmals<name key="SGH0105500" style="hidden" subtype="" type="sight">Schill-Denkmal</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_be0394fa-3466-4e86-b5eb-b5e4f3d567b6" xml:lang="de">die Einweihung des Schillschen Denkmals – Das Schill-Denkmal war am 19. März 1837 eingeweiht worden.</note> im September ein Lied von <persName xml:id="persName_0030e081-e9bb-4506-a654-be3d2f6a09a8">Alexander von <hi rend="latintype">Blomberg</hi><name key="PSN0120403" style="hidden" type="person">Blomberg, Karl Alexander Freiherr von (1788-1813)</name></persName>: <title xml:id="title_93ccd38a-7b3c-4054-a50e-897e41842e99">Schill<name key="PSN0115032" style="hidden" type="author">Spohr, Louis (Ludewig) (1784-1859)</name><name key="CRT0113055" style="hidden" type="music">Schill (Wir trauern um den braven Held)</name></title> componirt, welches ich wegen einer Geschäftsreise eben so wenig gehört habe, als die von Ihrem Schüler <persName xml:id="persName_b8d8ebff-9589-430f-b693-9662bb45f5f5">Walther von Göthe<name key="PSN0111426" style="hidden" type="person">Goethe, Wolfgang Walther von (seit 1859) Freiherr von (1818-1885)</name></persName> zu dem Liede des Königs von Baiern: „<title xml:id="title_15d727e8-4bd3-4cf3-8b9e-1122cdb18503">An die Deutschen am Jahrestage nach der Schlacht bei Leipzig<name key="PSN0111426" style="hidden" type="author">Goethe, Wolfgang Walther von (seit 1859) Freiherr von (1818-1885)</name><name key="CRT0113054" style="hidden" type="music">An die Deutschen am Jahrestage nach der Schlacht bei Leipzig</name></title>“ componirte Musik. – Im October erndtete <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_0bfbbe6d-d067-44d8-b9e7-d9baea754c38">Seydelmann<name key="PSN0114880" style="hidden" type="person">Seydelmann, Carl (1793-1843)</name></persName></hi>, welchem sich in einer Reise von Gastrollen als Tragiker, wie als Komiker ungetheilten Beifall erwarb, ein <title xml:id="title_aab73cd5-2d02-4631-b3b1-f173f46c0cc4">Faust mit Lindpaintners Musik<name key="PSN0112873" style="hidden" type="author">Lindpaintner, Peter Joseph (seit 1844) von (1791-1856)</name><name key="CRT0113056" style="hidden" type="music">Ouvertüre zu Goethes Faust op. 80</name></title> doch den größten Applaus als Sänger ein, wodurch er sich mehr beschämt, als geehrt gefühlt haben mag. Dann die Gesten, mit welcher Mephistopheles die Tonmalerei <persName xml:id="persName_cc4e6914-5b87-480d-9962-215f40b093a5">Beethoven’s<name key="PSN0109771" style="hidden" type="person">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName> in der Lindpaintnerschen Musik zum Flohliede zu ersetzen suchte, waren es doch wohl hauptsächlich, welche den höllischen <unclear reason="deletion" resp="FMBC">Jubel</unclear> <hi rend="latintype">Da capo</hi> jubel des Paradieses her<seg type="pagebreak">|10|<pb n="10" type="pagebreak"></pb></seg>vorriefen. – Die <placeName xml:id="placeName_46a29f34-4c5c-4ce8-8448-ae362a69eda7"><hi rend="latintype">Müller</hi>schen Quartette<name key="NST0104560" style="hidden" subtype="" type="institution">Müller-Quartett</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, welche mit dem November zu beginnen pflegten, fallen in diesem Winter auch weg, weil <persName xml:id="persName_52c5fb09-70b3-48fc-8d58-9a9386040078">Georg<name key="PSN0113492" style="hidden" type="person">Müller, Franz Ferdinand Georg (1808-1855)</name></persName> nach <placeName xml:id="placeName_59a60da0-0b13-4863-a090-25cb248bb77c">Berlin<settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> und darauf nach <placeName xml:id="placeName_a55a9d39-b910-41a4-9cd0-c5da04c1b39f">Paris<settlement key="STM0100105" style="hidden" type="locality">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName> gegangen ist, um Gesang und Fuge zu studieren. Ihr op. 44 werden wir also vorerst noch nicht zu hören bekommen. – Doch brachte uns das erste der obenerwähnten <hi rend="latintype">Müller</hi>schen Concerte neben Ihrer <title xml:id="title_f9250583-c6f1-4f92-858d-8c16618c49c3">Melusine<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_8cf04bfa-cb2b-4e6b-9ecb-8d32d98b9592"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="overtures_and_other_orchestral_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100367" style="hidden">Konzert-Ouvertüre Nr. 4 zum Märchen von der schönen Melusine F-Dur, [März 1833] bis 14. November 1833; Umarbeitung bis 17. November 1835<idno type="MWV">P 12</idno><idno type="op">32</idno></name></title> die <title xml:id="title_51a81338-eabc-43bf-b2ef-22f2dc292d03">Berliozschen Vehmerichter<name key="PSN0109886" style="hidden" type="author">Berlioz, Louis Hector (1803-1869)</name><name key="CRT0108199" style="hidden" type="music">Les Francs-Juges op. 3 (H 23)</name></title> wieder. Die Ausführung der Ersteren ließ viel zu wünschen übrig, da z. B. die zarte Melodieführung der Blasinstrumente von den Figuren der Streicher ganz verschüttet wurden; die Letztere dagegen war bei ihrer nunmehr viermaligen Aufführung dem Orchester sehr geläufig. Statt aller anderen Urtheile des Publicums hier nur die zweier Damen. Die Eine meinte: <persName xml:id="persName_15960469-0c35-495b-8813-422f340abc89">Berlioz<name key="PSN0109886" style="hidden" type="person">Berlioz, Louis Hector (1803-1869)</name></persName> ist doch <unclear reason="deletion" resp="FMBC">jetzt</unclear> der tiefsinnigste aller lebenden Instrumentalcomponisten! – Die Andere: Ich habe in seiner Ouvertüre vor Lärm keine Musik gehört und mich deshalb an die Melusine gehalten! Jede saß in einer Ecke desselben Sopha’s, und ich – setzte mich darauf <hi n="1" rend="underline">nicht</hi> zwischen sie, weil ich auf der Seite der Letzteren blieb. Denn auch ich vermag mich noch immer nicht mit den Vehmerichtern zu befreunden. <persName xml:id="persName_c543a3a3-0577-482a-8252-d23560c6cba3">Beethoven<name key="PSN0109771" style="hidden" type="person">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName> hat gegen solche Phantasterei hausbackenen Verstand. Sollte eine mir unbekannte Oper, Drama oder dergleichen, welchem die Ouvertüre etwa zur Einleitung dienen soll, nicht eine Erklärung bieten, so bleibt sie mir in sich selbst, wie vollends nach ihrem Titel, bei allen einzelnen, fast gigantischen Toneffecten, doch eine Rumpelkammer, welcher ich die <title xml:id="title_afc7a0aa-484e-43a2-bc80-046714a15b1b">Lear-Ouvertüre<name key="PSN0109886" style="hidden" type="author">Berlioz, Louis Hector (1803-1869)</name><name key="CRT0108201" style="hidden" type="music">Grande Ouverture du Roi Lear op. 4 (H 53)</name></title> in jeder Hinsicht bei weitem vorziehe. – Wenn ich nun von musikalischen Familienneuigkeiten noch erwähne, daß <persName xml:id="persName_7c736822-ddf5-4841-acdb-25cd85cbcc32">Robert Griepenkerl<name key="PSN0111546" style="hidden" type="person">Griepenkerl, Wolfgang Robert (1810-1868)</name></persName> sich im August mit Fr. <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_e9fac468-3a75-4c21-b351-de12f5c82ff1">Morgenstern<name key="PSN0120404" style="hidden" type="person">Griepenkerl, Auguste (1812-?)</name></persName></hi> verheirathet und bei dieser Gelegenheit seine Tante, die G. Kammerräthin <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_1fd2f92e-816a-4b85-ae60-944f749760e0">Mahner<name key="PSN0120405" style="hidden" type="person">Mahner, Frau</name></persName></hi>, vormals unsere <persName xml:id="persName_2891630c-cd31-4608-b613-52ecba2e7442">Milder Hauptmann<name key="PSN0113344" style="hidden" type="person">Milder-Hauptmann, Pauline Anna (1785-1838)</name></persName> und fast noch mehr, ein Bein gebrochen hat, das aber an Ihrem Geburtstage wieder hergestellt war und daß seine Schwester, jetzt Doctorin <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_53d3816c-10b2-48ae-9ded-5414f9f5e380">Klugkist<name key="PSN0112446" style="hidden" type="person">Klugkist, Henriette Elisabeth Hermine</name></persName></hi>, ihren Erstling: Paulus<seg type="pagebreak"> |11| <pb n="11" type="pagebreak"></pb></seg>:/nach Ihnen/: und: Hieronymus :/nicht nach – Truhn, sondern nach dem Bremischen Hauskalender/: hat taufen lassen, endlich daß die Altistin <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_3f02503e-ba76-413a-a836-4d3366eb70a9">Quenstedt<name key="PSN0114041" style="hidden" type="person">Quenstedt, Marie Luise Friederike Elisabeth (1820-1908)</name></persName></hi> sich mit einem hiesigen Kupferstecher <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_67513ead-1d17-424e-8edb-fea041f41625">Knolle<name key="PSN0120406" style="hidden" type="person">Knolle, Johann Heinrich Friedrich (1807-1877)</name></persName></hi>, welcher ein ausgezeichneter Künstler ist und an <title xml:id="title_8e20ae77-61ea-42ab-956f-3ee29c4b84ed">Eduards Söhnen von Hildebrandt<name key="PSN0111982" style="hidden" type="author">Hildebrandt, Ferdinand Theodor (1804-1874)</name><name key="CRT0109259" style="hidden" type="art">Die Ermordung der Söhne Eduards IV.</name></title> ein wahres Meisterstück von Stich geliefert hat, verlobt, ihre Schwester aber, die Discantistin, welche schielte, durch ein Meisterstück von Schnitt wieder gerade <add place="above">und fröhliche<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> Augenblicke erhalten hat, so habe ich das Buch der <add place="above">hiesigen<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> Historien so ziemlich abgeschrieben. Denn von dem Treiben der Dilettanten ist in diesem Winter, wo die Grippe alles auseinander gesprengt hat, gar nichts zu sagen. Deshalb will ich Ihnen heute auch noch nichts von Ihrem <title xml:id="title_611881bb-9f82-4d2a-8956-2fe4a4f2c8c2">Trio<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_4dc23dff-f95f-4149-9c6e-631ab037b007"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="chamber_music_with_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100387" style="hidden">Trio Nr. 1 (Grand Trio) d-Moll für Violine, Violoncello und Klavier, [Februar 1839] bis 18. Juli 1839; 23. September 1839<idno type="MWV">Q 29</idno><idno type="op">49</idno></name></title> schreiben, weil bisjetzt mir Gelegenheit zum Vortrage gefehlt hat, und ich Ihnen darüber doch mehr schreiben wollte, als der gute Link, welcher meint, man müsse es selbst spielen, um recht darüber zu urtheilen.</p> <p>Dagegen komme ich nun zu dem, womit ich billig den Anfang hätte machen sollen, zu Ihrem <title xml:id="title_8ec1ed2b-ce46-4268-9a1d-795ad7cfb1d0">114. Psalm<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_bf1dcd2d-4fb1-4b6c-9d47-b538cf7649b6"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100117" style="hidden">Der 114. Psalm »Da Israel aus Ägypten zog« für gemischten Chor, Orchester und Orgel, [Ende Juli 1839] bis 9. August 1839; Revision 1840<idno type="MWV">A 17</idno><idno type="op">51</idno></name></title>! Lieber Herr Doctor, ich weiß nicht, ob ich Ihnen mehr für den Schatz, mit welchem Sie meine kleine musikalische Bibliothek vermehrt, oder für die herzlichen Worte, mit welchen Sie Ihr Geschenk begleitet haben, danken soll? Mit beiden haben Sie mich vollends in meiner, wenn auch gutgemeinten Schweigsamkeit recht beschämt! Und auch dafür kann ich Ihnen nicht genug danken, daß Sie mir gerade <hi n="1" rend="underline">dieses</hi> Werk mitgetheilt haben, – ich denke, unter allen Ihren, mir bekannten dieser Gattung das gelungeste!, – und daß Sie es bei Ihrer beschränkten Zeit eigenhändig abgeschrieben, und daß Sie mir nicht den Klavierauszug geschickt haben, der, wenn Sie ihn auch selbst gesetzt haben werden, bei der Viel- und Vollstimmigkeit des Werks doch unmöglich, selbst mit Liszt’s Listen, auch nur der Umrisse alles dessen nachzeichnen kann, was Ihre Partitur in so lebendigen Farben mahlt, (z. B. die durch, neben- und gegen einander wandelnden Tonleitern im ersten<seg type="pagebreak"> |12| <pb n="12" type="pagebreak"></pb></seg>Satze, bei denen ich alle 10 Finger fast neben einander auf die Claviatur legen müßte, wollte ich Alles greifen), nur daß Sie mir die Partitur vor der Veröffentlichung geschickt, und für das mir auch dadurch geschenkte Zutrauen. Mit meinem eigenen Urtheile über das Werk selbst muß ich natürlich zurückhalten! Dafür will ich Ihnen aber aus einer Anzeige desselben, welche Sie schwerlich gelesen haben werden, da ich sie zufällig in einer musikalischen Zeitung von 1891 fand, das Wesentlichste hier ausschreiben oder vielmehr in unsere jetzige Schreibweise zurückübersetzen. „Referent – lautet die Anzeige der Partitur – hat es sich zum Gesetze gemacht, nur solche Werke anzuzeigen, welche wenigstens ein halbes Jahrhundert auf dem Rücken tragen und einer solchen Last doch nicht erlegen sind, alle anderen aber, als unter seiner Kritik, der schweigenden, aber unerbittlichen, oder eigentlich der unerbittlich schweigenden Kritik, Zeit zu überlassen. Er ist deshalb noch kein conservativer <choice resp="Editor" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_fd9206a1-5350-4120-a939-b127752d779b"><sic resp="writer">Egimani<unclear reason="covering" resp="FMBC">scher</unclear></sic><corr resp="editor">Egomanischer</corr></choice> so wenig, als der hundertjährige Kalendermann, welcher die Vergangenheit nur durchforscht, um desto sicherer in die Zukunft blicken zu können; und sein Blatt bringt deshalb noch nicht statt der Neuigkeiten Altes, denn was in der Kunst ein halbes Säculum und inzwischen sich selbst nicht überlebt hat, bleibt ewig jung und neu. Doch kann er nicht leugnen daß sich seiner bisweilen eine gewisse Ungeduld bemeistert, wenn der Augenblick immer näher heranrückt, wo ein ihm vor 50 Jahren zur Anzeige übergebenes und <unclear reason="deletion" resp="FMBC">angemessen</unclear> seitdem von seiner genannten Frau Collegin nicht gerichtetes, d. h., nicht vernichtetes Werk endlich, als noch funkelnagelneu, der Kunstwelt von ihm angepriesen werden soll. Die Hast, welche ihn alsdann überkommt, besonders wenn eine gewisse Vorliebe für ein Werk, das so harte Prüfung bestanden hat, sich zu der Neugierde, endlich seinen Inhalt kennen zu lernen, gesellt, war wohl Schuld daran, daß er vorher den Text in der heiligen Schrift zu flüchtig las, um ihn sogleich in seiner ganzen einfachen Erhabenheit zu erfassen. Um so größer<seg type="pagebreak"> |13| <pb n="13" type="pagebreak"></pb></seg>war deshalb seine Ueberraschung, als er hierauf die Partitur aufschlug. Zuerst ein patriarchalisches <hi rend="latintype">pastorale</hi>, das bald ruhige, bald unstäte Auf- und Nieder-, Hin- und Her- und Durch- und Gegeneinanderziehen der Hirtenstämme, friedlich, ohne kriegerische Instrumente, aber überall doch massenhaft, eine Völkerwanderung, welche nicht ohne große Ereignisse bleiben kann. Schon in dieser ersten Nr. tritt aber die charakteristische Hauptform des <add place="above">Ton<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add>Werks <add place="above">hervor<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add>, welche der poetischen Form des Textes, dem Parallelismus der Gedanken, entspricht, – Verdoppelung des Chors der Vocalstimmen, nachgeahmt von dem Chore der Instrumente, welcher sich meistens in den der Streich- und Blasinstrumente absondert, und unsere Leser mögen sich in dieser Hinsicht vor allem das Thema merken, welches gleich doppelt in d. verzierenden Tonlinien von der Tonica g ausläuft. Denn das zweite ist der Faden, welcher sie sicher aus dem Labyrinthe des Finales geleiten wird. – Nun entfaltet sich ein Gemälde, zu welchem man, ohne den Text zu kennen, schon von selbst die Worte finden würde, das leise Fluthen des Meers und der Ströme, das kaum merkliche Hüpfen und Tanzen der Berge und Felsen, allmählich <hi rend="latintype">crescendo</hi>, bis die Naturereignisse immer lebendiger und erschütternder vor das Ohr treten, und das anfängliche leise <hi rend="latintype">Unisono</hi> der Begleitungzu Octaven- und zuletzt zu Decimengängen <add place="above"><hi rend="latintype">ff</hi>.<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> in den Streichinstrumenten ausschreitet, worauf alles sich wieder in Ebbe verläuft und in Einöde erstarrt. Noch drei weiche, leise Hornoctaven, und nun Todtenstille! – Aber jetzt –, wir wissen nicht, sollen wir der Frage, oder der Antwort den Vorzug geben? Doch beide Sätze, Nr. 3 & 4., lassen sich im Urtheile eigentlich gar nicht scheiden. Denn erst vereint bilden sie den colossalen Grundgedanken des heiligen <unclear reason="deletion" resp="FMBC">Gesanges</unclear> <add place="above">Liedes<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add>, der fortlebt und fortleben wird, sind auch Israel und Juda mit <hi n="1" rend="underline">ihrem</hi> Gotte des Zorns schon längst dahin, – den Preis der Allmacht Gottes<seg type="pagebreak"> |14| <pb n="14" type="pagebreak"></pb></seg>in und durch die Natur! Seitdem Ref. als Knabe zum ersten Male der steinerne Gast von seinem Rosse herab so – singen hörte, daß er die ganze Nacht vor den Paar Tönen nicht schlafen konnte, erinnert er sich nicht, bei so wenigen Tönen das, was man Ahnungsvoll nennt und nur die Tonkunst kennt, wieder so lebendig empfunden zu haben, als bei nr. 3 unseres Psalmes. Nur bereitet sie nicht auf das Grausen und die Schrecken der Hölle vor. Der Ausdruck hat vielmehr etwas Idyllisches (z. B. in der Folge von Quinte, Sexte und Octave im 3. und 4. Tacte) etwas Rührendes, <add place="above">das<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> die Thränen hervorruft, (z. B. das weiche Anlehnen der Tenöre, indem sie das Ganze <add place="below">nach dem zweiten Halte<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> zur Entscheidung, weiterführen wollen, an die Septime). Vorherrschend bleibt aber die scheue Ehrfurcht vor den mächtigeren Naturkräften, oder vielmehr vor dem, den man bei zu flüchtigem Lesen des Textes fast übersieht, den wir aber so schon in den neben den Vocalstimmen für sich leise dahinschreitenden Bässen, wie in der Tiefe des Himmels, wandeln hören, vor dem – <hi n="4" rend="underline">Herr</hi> welcher nun in aller seiner erschreckenden Herrlichkeit (mit <hi rend="latintype">trombe</hi>, <hi rend="latintype">tromboni e timpani</hi>) verkündet wird. – Ueber diese Nr. mag Ref. nicht weiter sagen, (sagt aber damit noch nicht zuviel), als daß unser Meister <persName xml:id="persName_0c48fdf0-b085-4d8e-8bd9-547760e2b111">Beethoven<name key="PSN0109771" style="hidden" type="person">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName> in aller seiner <hi n="1" rend="underline">weltlichen</hi> Tonfülle und Klangmacht und in seinen besten Stunden nichts Größeres, Prachtvolleres, Triumphirenderes geschrieben haben dürfte, als hier dem <persName xml:id="persName_558b7f04-abbf-45ca-9dcd-1a58352d42fa">Meister Felix<name key="PSN0000001" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name></persName> in seiner frommen <hi n="1" rend="underline">Gottbegeisterung</hi> gelungen ist. Schon der Rythmus, welchen er in die Worte (wandelte u. a. m.) gebracht hat, – eine ihm eigenthümliche Kunst welcher auch sein <title xml:id="title_9073e438-f9ab-481a-8f00-0389dcae3be8">Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_519de3ae-b4da-4de4-9404-e357e1ea47ec"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title> so viele Vorzüge verdankte – erschüttert, und wer für dergleichen kein Ohr und keine Nerven hat, den müssen die Riesenschritte der Bässe aus dem Schlafe dröhnen, die, wenn die Voreti<gap quantity="3" reason="covering" unit="characters"></gap> auf der tiefen Dominante d <choice resp="Editor" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_b2915d09-4a50-464a-8235-cfefe5d44e2b"><sic resp="writer">Athem</sic><corr resp="editor">Atem</corr></choice> schöpfen, für sich, – hier aber mit der ganzen Wucht des gesammten Orchesters, – immer weiter durch die Contratöne in die Tiefe hinabsteigen, bis in den letzten 5 Tacten das Tongebäude, in seinen<seg type="pagebreak"> |15| <pb n="15" type="pagebreak"></pb></seg>Grundfesten selbst erschüttert, zusammensinkt, noch stolz in seinen Trümmern. – Die darauf folgende Wiederholung des ersten Satzes läßt nun erst recht wohlthätig seinen Hauptcharakter, den des ruhigen und zugleich beruhigenden Hirtenlebens empfinden, zumal die doppelte Melodieführung sich bald, wie nach bestandenem Kampfe, in eine, <add place="above">die<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> den obenerwahnten zweiten Thema’s, vereinigt, welches bei nun beginnender Schlußfuge wieder das zweite Thema bildet. – Wenn wir unseren Lesern versichern, daß dasselbe, obschon freier behandelt, gleichzeitig neben dem Hauptthema <add place="above">der Fuge<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> fortzieht, sich in den Verkürzungen von Zweivierteln zu Vierteln und sogar, als Theil der Zwischenpassagen, zu Achteln eben so willig fügt, wie in die Verlängerung, welche den Bässen als Angel dient, auf welcher sich anfangs beide Themen drehn, bis dasselbe am Schlusse zum Hauptthema für allen Sopran wird, während alle Bässe sich dagegen auf das erste Thema von nr. 1 stemmen, – daß aber daneben das Hauptthema der Fuge, welches die Tenöre in nr. 3. schon leise angeklungen haben, wie sein Contrasubject schon in nr. 2. bei den Worten: der Jordan wandte sich pp <add place="above">und in nr. 4<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> vorbereitet ist, in allen Verkürzungen und Zwischenharmonien sangbar und markig bleibt, in dem Prokrustesbette einer Doppelfuge nicht bloß gesunde, sondern auch kräftige Gliedmaßen hat und behält, und so frank und frei, mit und gegen sich selbst fortstürmt, bis in zwei Crescendo’s auf der Dominante h und auf e moll alle Siegesfahnen wehen, – so werden die Leser nicht glauben wollen, daß das (nämlich diese Musik) schon vor 50 Jahren geschrieben sei. Doch unter ihnen könnte sich wohl gar der Componist selbst befinden, welcher zwar, wie wir von sicherer Hand wissen, schon seit 50 und mehr Jahren musikalische Zeitungen oder Zeitjungen weder liest, noch schreibt, (was <hi n="1" rend="underline">wir</hi> ihm nicht verdenken können, da auch wir, die Wahrheit zu gestehen, das Letztere gar nicht und das Erstere nur, wie etwa ein Contrasubject, und in der Fuge thun), der aber mit diesem unserem Blatte, welches dem Zeitalter nur durch sein Alter huldigt, vielleicht eine Ausnahme macht. Unter seinen <add place="above">82 übrigen<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> Augen (und geschähe es auch unter 4 Augen) dürfen wir aber von der <hi n="1" rend="underline">Kunst</hi> dieser Fuge nicht<seg type="pagebreak"> |16| <pb n="16" type="pagebreak"></pb></seg>zu reden wagen, und wir wollen deshalb hier nur die Behandlung, oder vielmehr Beherrschung der Fugenform im Allgemeinen rühmen, bei welcher man von ihr selbst, so schwer sie sich unter der Klasse der Gesangstimmen und Instrumente auch handhaben mag, doch eigentlich gar nichts merkt, – eine Kunst, welche vor ihm nur Meister <persName xml:id="persName_58038926-4633-4b4f-8e25-bf3c05b05261">Mozart<name key="PSN0113466" style="hidden" type="person">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791)</name></persName> so verstanden hat. Das Werk im Ganzen betrachtet, müssen wir aber endlich noch hervorheben, daß die Gedanken, bei aller Tiefe, doch so sprechend klar und faßlich heraustreten, sich bald durch Gegensatz, bald durch Gleichartigkeit so natürlich an einander fügen und durch Einfachheit dem Ganzen erst das Gepräge der wahren Größe verleihen. Und die junge Zeit mag es uns nicht verübeln, wenn wir zum Schlusse aus einer ihrer – <hi rend="latintype">Centifolien</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_b42b74cf-0c02-4d41-be49-84e2ea6dfd53" xml:lang="de">Centifolien – Zentifolie, eine Rosenart. Ihr Name »Hundertblättrige« bezieht sich auf die Anzahl der Blütenblätter.</note> wenigstens <hi n="1" rend="underline">ein</hi> Wort, als <hi rend="latintype">Folie</hi> für das Werk, herausblättern, welches, zwar nich in der Sprache der Wahrheit, nicht einmal von einem Deutschen, aber doch von einem Freund des Componisten schon vor 51 Jahren ausgesprochen wurde, und in diesem Zeitraum der Prüfung sich auch als wahr bewährt hat. <persName xml:id="persName_08074ee6-200b-4d5e-a644-02310d068f5a">Liszt<name key="PSN0112894" style="hidden" type="person">Liszt, Franz (Ferenc) (1811-1886)</name></persName> definierte damals in einem Aufsatze: <hi rend="latintype"><title xml:id="title_f767b11c-3366-4b68-8988-4272b6596e8b">Sur Paganini<name key="PSN0112894" style="hidden" type="author">Liszt, Franz (Ferenc) (1811-1886)</name><name key="CRT0113058" style="hidden" type="science">Sur Paganini à propos de sa mort</name></title></hi> (in der <title xml:id="title_ffcf3d89-e0da-4d76-966e-2e7337fe9541">Pariser Musikalischen Zeitung<name key="PSN0114582" style="hidden" type="author">Schlesinger, Moritz Adolf (Maurice) (vorh. Mora Abraham) (1798-1871)</name><name key="CRT0110690" style="hidden" type="science">La Gazette musicale de Paris</name></title> von 1840 <hi rend="latintype">nr</hi>. 50):<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_f01fba63-2237-4d90-81c3-0db2261156ea" xml:lang="de">einem Aufsatze: Sur Paganini (in der Pariser Musikalischen Zeitung von 1840 nr. 50) – Franz Liszt, Sur Paganini à propos de sa mort, in: Gazette musicale 7/50 (23. August 1840), S. 431 f.</note> <hi rend="latintype"><hi n="1" rend="underline">Le</hi> <hi n="1" rend="underline">génie</hi>, <hi n="1" rend="underline">c’est</hi> <hi n="1" rend="underline">la</hi> <hi n="1" rend="underline">puissance</hi> <hi n="1" rend="underline">de</hi> <hi n="1" rend="underline">révéler</hi> <hi n="1" rend="underline">Dieu</hi> <hi n="1" rend="underline">à</hi> <hi n="1" rend="underline">l’àme</hi> <hi n="1" rend="underline">humaine</hi></hi>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_c8fcd38a-4446-404e-b614-2144f30bbd59" xml:lang="fr ">Le génie, c’est la puissance de révéler Dieu à l’àme humaine – frz., Genie ist die Macht, der menschlichen Seele Gott zu offenbaren.</note> Auf dieses Wort vertrauend, prophezeien wir, daß das Werk nicht auf halbem Wege umkehren, sondern heute über anderen 50 Jahren sein hundertjähriges Jubiläum gefeiert haben wird, weil – und das ist die ganze List bei unserer Wahr- und Weihsagung – jene Definition auf unser Werk paßt! – – Und nun von mir nur noch dieß: Künftig dürfen Sie mir nie mehr von der Tasse schreiben, wenn Sie <add place="above">mich<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> nicht damit beschämen, oder mich gar, falls ich das auf Sie werden könnte, böse machen wollen! – </p> <p>Kaum wage ich aber, nun noch zum Schlusse mit dem herauszurücken, was ich für Sie seit Ende Juni v. J. auf dem Herzen und jetzt auch endlich in der Tasche habe. </p> <p><seg type="pagebreak">|17| <pb n="17" type="pagebreak"></pb></seg>Von Ihren Compositionen waren gerade Ihre <title xml:id="title_cc08afd6-7b4b-48fe-bbc2-36f6323ee97c">Lieder ohne Worte<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_9bdea681-3d45-4193-a6c8-e085bc4933fb"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="unidentified_and_unspecified_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100968" style="hidden">Lieder ohne Worte<idno type="MWV"></idno><idno type="op"></idno></name></title> schon seit langer Zeit von meinem Pulte verschwunden und, ein Heft nach dem anderen, gen <placeName xml:id="placeName_30f60713-c791-45ad-a80a-bc9723946c89">Blankenburg<settlement key="STM0104536" style="hidden" type="locality">Blankenburg (Harz)</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> zu meiner Schwägerin gewandert, welche, wie alle <hi rend="latintype">Ribbentrops</hi>, (ihr Vater war der Berghauptmann <hi rend="latintype">Ribbentrop</hi>, ein Bruder des Ihnen vielleicht nicht unbekannten <persName xml:id="persName_f7478425-569e-41f1-b34b-866e84c74fc8">Generalintendanten<name key="PSN0120407" style="hidden" type="person">Ribbentrop, Friedrich Wilhelm Christian Johann von (1768-1841)</name></persName> in <placeName xml:id="placeName_eab998f4-6a9c-4e7a-9cfd-98ce0452d01c">Berlin<settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>), früher in Gesang und Clavierspiel excellirte. Diesem Umstande schreibe ich es allein zu, daß ich nicht von selbst auf den so nahe liegenden Gedanken, <title xml:id="title_56c7ac32-82f1-4d77-a697-b3ce24e07dd2">Ihren <gap quantity="1" reason="deletion" unit="words"></gap> Noten Worte unterzulegen<name key="PSN0113709" style="hidden" type="author">Otto, Eduard</name><name key="CRT0110249" style="hidden" type="literature">Gedichte zu Felix Mendelssohn Bartholdys Liedern ohne Worte</name></title>, verfallen bin. Denn aus den Augen, aus dem Sinn. Erst um Ostern v. J. brachte mich <persName xml:id="persName_a24e1051-f885-4188-bb57-08f7fb0ba3e6">Dr. <hi rend="latintype">Krüger</hi><name key="PSN0120408" style="hidden" type="person">Krüger, Dr.</name></persName> darauf durch den Aufsatz, dessen ich in meinem letzten Briefe erwähnt haben werde. Von den treffenden <title xml:id="title_6efe068e-ba5b-461a-9476-2ca078f95e94">Versuchen<name key="PSN0115939" style="hidden" type="author">Zuccalmaglio, Anton Wilhelm Florentin von (Pseud.: Wilhelm von Waldbrühl, Dorfküster Wedel u. a.) (1803-1869)</name><name key="CRT0112099" style="hidden" type="literature">Texte zu Felix Mendelssohn Bartholdys »Lieder ohne Worte«</name></title> <persName xml:id="persName_873d6d18-7f77-43c0-a01c-b264e465a80a">Waldbrühls<name key="PSN0115939" style="hidden" type="person">Zuccalmaglio, Anton Wilhelm Florentin von (Pseud.: Wilhelm von Waldbrühl, Dorfküster Wedel u. a.) (1803-1869)</name></persName> (W. v. Waldbrühl?), welche er erwähnt, konnte ich, aller sogleich angestellten Nachforschungen ungeachtet, nur die Abschrift der Texte zu Heft 1 nr. 1 & 6., welche einmal in der <title xml:id="title_21545f0f-3f14-452f-81e1-d40a627627fd">Schumannschen Zeitung<name key="PSN0114758" style="hidden" type="author">Schumann, Robert Alexander (1810-1856)</name><name key="CRT0110790" style="hidden" type="science">Neue Zeitschrift für Musik</name></title> gestanden haben sollen, auftreiben. Die Noten wurden neu angeschafft, und eine Vergleichung zeigte mir, wie vieldeutig der Ton ist. Der Text war nicht ganz nach meinem Sinne. Da ich kein Freund vom bloßen Nase- und Mundaufsperren bin, zumal wenn die Ohren schon ohnedieß aufgeknöpft werden müssen, und da ich von Anfang an besorgte, unser Verhältniß werde ganz unpraktisch bleiben, so beschloß ich kurz und gut, mich auch an den Text zu machen, und alle sonstigen Träumereien bei Seite zu setzen. Ich hatte jedoch vom December 1839 an bis in die Mitte Juni für ein zum Landtagsdeputirten gewähltes Mitglied des <placeName xml:id="placeName_17d686b6-312f-41a7-b85c-60b866503883">hiesigen<settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> Kreisgerichts dessen Geschäfte neben den meinigen (ich bin zweiter Beamter bei dem Amte <placeName xml:id="placeName_1c46aa1b-fe10-4fae-b1ba-39071b8c2581">Riddagshausen<settlement key="STM0105302" style="hidden" type="locality">Riddagshausen</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, dem größten unseres Landes, das sein Geschäftslocal in der Stadt selbst hat,) zu besorgen und war dadurch, so ungern das ein Geschäftsmann auch gesteht, doch so überhäuft, daß ich schon besorgte,<title xml:id="title_2feffe7d-5069-4ac3-95db-0c3b63972897"> Ihr freundlicher Glückwunsch zum Neuenjahre<name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="fmb-1840-01-02-03" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Eduard Otto in Braunschweig; Leipzig, 2. Januar 1840</name></title> sei wenigstens kein musikalischer gewesen. Denn ich hatte kaum zum Spielen Zeit und mußte also mein Vorhaben bis zum Sommer verschieben. Als jedoch der Frühling<seg type="pagebreak"> |18| <pb n="18" type="pagebreak"></pb></seg>etwas spät, erschien, waren alle Verstandespredigten und Gewissensbisse der Dienstpflicht vergebens. Am <date cert="high" when="1841-05-17" xml:id="date_9ba6b2ba-0d40-489a-a866-84ac9137e42a">17. Mai</date> wurde mit Heft 1 nr. 1 der Anfang gemacht und am <date cert="high" when="1840-06-30" xml:id="date_05f7e9c2-b506-4fad-802d-2355a4e559f3">30. Juni</date> mit 3 Nummern geschlossen. So war das Werkchen zwar fertig, aber in der Form noch so flüchtig hingeworfen, daß ich es mit dem Briefe, welcher es überschicken sollte, (denn ich habe damals mit Ihnen schon hier so viel zu thun, daß ich an eine Reise nach <placeName xml:id="placeName_e5921b27-6c5a-420f-961e-6ec554365a33">Leipzig<settlement key="STM0100116" style="hidden" type="locality">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> nicht denken konnte), wieder bei Seite legte, zumal im Juli die Rheinreise des ersten Beamten mir wieder bis in den September hinein anderweitig genug zu thun machte. Erst auf die Nachricht von Ihrer Krankheit<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_49f9909f-3c08-4e37-a9d6-9f81dfcd6b9f" xml:lang="de">Nachricht von Ihrer Krankheit – siehe Kommentar zu Z.: Ihrer Krankheit.</note> machte ich mich wieder an die Arbeit, schon weil ich hoffte, daß Sie als Patient zur Nachsicht geneigt sein würden. Aber auch damals wurde ich bald wieder davon abgezogen. Wozu indessen noch die vielen Querstände einzeln herzählen, welche das Geschäftsleben durch die Träumereien der Kunst zieht? Auch in diesem Winter war der Landtag wieder versammelt <add place="above">und wird nächstens wieder zusammenkommen,<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> und so will ich mich nur freuen, wenn vorher das Heft, welches erst Neujahr und dann an Ihrem Geburtstage in Leipzig sein sollte, an beiden Tagen aber auch noch nicht einmal angefangen war, endlich von hier abgeht. Diesen vielen Unterbrechungen müssen Sie bei einer Arbeit, welche mehr, als irgend wie andere, dem Zweifel Thür und Thor öffnet, schon viel zu Gute halten. Außerdem hätte ich über Inhalt und Form zur Erläuterung des <persName xml:id="persName_ef34e163-9cb6-4379-b305-c01dd881fe7a">Horazischen <name key="PSN0112086" style="hidden" type="person">Horaz (Quintus Horatius Flaccus)</name></persName>Vorworts etwa Folgendes, nach guter deutscher Weise, zu „bevorreden“:</p> <p>Bei der Nachbildung des <hi n="1" rend="underline">Inhalts</hi> habe ich mich zunächst nur von dem Eindruck leiten lassen, welchen die Töne auf mich machten, und bin, so sehr mich dabei auch dieses und jenes Lied, gleich einer Charade, geneckt hat, und so sehr schon die Nichtübereinstimmung mit <persName xml:id="persName_b0604548-ad5f-4062-8a87-072f51a5b917">Waldbrühl<name key="PSN0115939" style="hidden" type="person">Zuccalmaglio, Anton Wilhelm Florentin von (Pseud.: Wilhelm von Waldbrühl, Dorfküster Wedel u. a.) (1803-1869)</name></persName><ref target="#fn1" type="Footnotes_reference" xml:id="fnr1"><hi rend="superscript">f</hi></ref> und der Vortrag <title xml:id="title_26ff9362-4185-4c38-90f3-a360d74f5e1b">Ihrer Lieder<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_9926aa20-cb96-4c96-b8b3-e0fa9b49f9c8"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="collective_sources" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="collective_prints" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100632" style="hidden">Sechs Lieder ohne Worte für Klavier, 3. Heft, 1837; enthält MWV U 121, U 115, U 107, U 120, U 137 und U 119<idno type="MWV">SD 16</idno><idno type="op">38</idno></name></title>, wie ich ihn hier nur zu häufig höre<ref target="#fn1" type="Footnotes_reference" xml:id="fnr2"><hi rend="superscript">x</hi></ref> ), mir die Zuversicht nehmen<seg type="pagebreak"> |19| <pb n="19" type="pagebreak"></pb></seg>mußten, doch bei dem Sinne, über welchen ich mich einmal geeinigt hatte, nachher stehen geblieben, und habe nur an der Form geändert. So ist alles, was das kleine Heft enthält, lediglich; I nr 9 etwa ausgenommen, durch Ihre Musik entstanden. Nur bei I nr. 2. war ich nie und bin ich auch jetzt noch nicht mit mir einig, da es mir nicht gelingen will, einen balladenartigen Stoff pp zu erfinden, bei welchem die Schiffsnoth eine glückliche Katastrophe für den Sänger selbst herbeiführt und doch zur Exposition nicht mehr Raum einfordert wird, als hier die Noten darbeiten. Erst bei dem Abschreiben habe ich die Klagen über ein entflohenes Liebchen pp, wobei man sich denken konnte, was man wollte, gestrichen und dafür ein schon etwas vergessenes, aber seiner Zeit auch wegen seiner Lieder beliebtes Trauerspiel benutzt, welches mir wenigstens alle weiter Erklärung der Situation ersparte. Da der Held des Liedes auf diese Weise im Hintergrunde bleibt, so habe ich dasselbe auch nicht: Sühne, sondern, allen Kritikern zum Trotz, gerade zu: <title xml:id="title_93c89719-07bf-480a-8804-5ae2c21a7666">Marine<name key="PSN0113709" style="hidden" type="author">Otto, Eduard</name><name key="CRT0110250" style="hidden" type="literature">Marine</name></title> überschrieben. Es ist das aber nicht die einzige Sünde gegen die <title xml:id="title_afdfeebb-16ae-4b36-bb40-d94d1e198aab">Theorien von H <hi rend="latintype">Schilling</hi><name key="PSN0118124" style="hidden" type="author">Schilling, Friedrich Gustav (1805-1880)</name><name key="CRT0113059" style="hidden" type="science">Polyphonomos oder die Kunst, in sechsunddreißig Lectionen sich eine vollständige Kenntniß der musikalischen Harmonie zu erwerben</name></title> und Consorten, welche ich Ihnen angedichtet habe; fast jedes Lied wimmelt davon, und diese Sünden muß ich nun auch noch vertreten. Ich meine hauptsächlich die Tonmalereien. Die Herrn Philister führen zwar täglich den schönen Gedanken im Munde: Musik sei die <hi n="1" rend="underline">allgemeine Sprache</hi>! Aber ihre vermoosten und verknöcherten Lehren: Die Musik müsse sich auf Darstellung menschlicher Empfindungen beschränken, dürfe einzig und allein auf das Gemüth wirken, sich nie an das Objective wagen, weder Schau-, noch selbst Hörbares darstellen wollen, bei Leibe keinen Verstand, wie doch jede andere Kunst, haben, sei nur ein Gegenstand des allgemeinen, nothwendigen Wohlgefallens ohne Begriff, Logik pp – würdigen ihn zur hohlen Phrase herab und zeigen, wie wenig sie daran denken, was für Ohren der Denkheld gehabt haben muß, dessen Doctrin sie auf diese<seg type="pagebreak"> |20| <pb n="20" type="pagebreak"></pb></seg>Weise aufwärmen und praktisch machen wollen. Aber die Herrn sind so unverschämt geworden, daß sie die Bücher, aus welchen sie ihre Aesthetik wörtlich abschreiben, nicht einmal nennen, und unser eins, der nicht alle Bücher lesen kann, sich freuen muß, daß <foreign xml:id="foreign_5c4ffdc4-e2d8-4e91-87de-608c906efbb2" xml:lang="grc">φ</foreign>elix Mendelssoh<foreign xml:id="foreign_72a8391b-00ef-4beb-bca0-c2ebcf9fbe29" xml:lang="grc">ν</foreign> <foreign xml:id="foreign_56fbfb25-cb33-45ae-8b7c-4ea477e0f338" xml:lang="grc">β</foreign>artholdy nach dem Gesetze seines Vaters, niemals selbst öffentlich über Musik zu schreiben, doch, wie es scheint, dann eine Ausnahme macht, wenn man 3 kritisch-Griechischen Buchstaben an einem <hi rend="latintype">plagiarius</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_47fd1324-68c2-4cef-9248-339fef235cec" xml:lang="la ">plagiarius – lat., Menschenräuber, Sklavenhändler; hier im übertragenen Sinne gebraucht als »Dieb geistigen Eigentums«.</note> ein Exempel zu statuiren ist! Ich meine – auf die Hauptsache zurückzukommen – daß Musik sogar die einzige Kunst ist, welche da, wo die plastischen Künste an ihrer Grenze stehen, auf dem Felde der <hi n="1" rend="underline">Bewegung</hi>, mag diese dem Auge oder Ohre wahrnehmbar sein, rein objectiv Gestalt, Geste, Handlung zu mahlen, oder wie man es sont nennen will, – kurz, darzustellen bestimmt ist, während die Wortpoesie den Leser oder Hörer nur anregen kann, das für sich selbst, so gut er es kann, mit seiner Phantasie zu thun. Doch jene Farbenriecher mögen nur verketzern und verdammen. Dem blinden Königssohn werden sie in seiner ewigen Nacht nicht das einzige Licht verlöschen, welches ihn <unclear reason="deletion" resp="FMBC">auch</unclear> die Außenwelt auch in ihren Formen erkennen läßt. Sollten Sie aber etwas meinem Texte Aehnliches bezweckt haben, und den Urtext dermaleinst an’s Licht kommen, wie würde sich die heilige Hermandad, welche bis dahin an den Liedern alles in der Ordnung <add place="above">und unverdächtig<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> gefunden hat, hinter den Ohren kratzen! Wenn also meine Versuche für jene Wahrheit, daß die Tonkunst die allgemeine Sprache sei,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_63866ba7-0e30-4810-9aa7-17fcd74a6371" xml:lang="de">die Tonkunst die allgemeine Sprache sei – Jean François Sudre entwickelte eine musikalische Weltsprache, die ab 1823 der breiten Öffentlichkeit vorgestellt wurde.</note> und daß Herr <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_feeb1c26-79b7-40df-aa1c-ca2a301affd3">Sudre<name key="PSN0120409" style="hidden" type="person">Sudre, Jean François (1787-1862)</name></persName></hi> mit seinen Erfindungen sich nicht zu bemühen braucht, wo es nur darauf ankommt, die erschaffenen Mittel recht zu benutzen, vor allem die Ohren aufzuknöpfen, – die ersten praktischen Beleg von etwas größerem Umfange liefern sollte, so wäre mein Hauptzweck schon mehr, als erreicht. Mag man<seg type="pagebreak"> |21| <pb n="21" type="pagebreak"></pb></seg>über den Verfall der Kunst schreien, so viel man will, – welche Hoffnungen ich von ihr hege, habe ich Ihnen schon ohne Rückhalt vertrauet, und dabei nur die wesentlichste Regel vergessen: <hi rend="latintype">hear</hi>, <hi rend="latintype">hear</hi>!, wozu uns künftig aber auch wohl noch andere Organe werden, als die Eselslappen.</p> <p>Gerade in dieser Beziehung muß ich mich selbst schämen, mir früher eingebildet zu haben, daß bei meinem musikalischen Treiben mir das poetische oder ästhetische Verständniß immer die Hauptsache gewesen sei, und doch erst jetzt aus <title xml:id="title_e6dac1c0-8911-492b-871e-7bc074b61e67">Ihren Liedern<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_5ce36383-724e-43b3-9503-4f9edc4b16c9"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="unidentified_and_unspecified_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100968" style="hidden">Lieder ohne Worte<idno type="MWV"></idno><idno type="op"></idno></name></title> herausgehört zu haben, was so sprechend, oder menschliche Rede, darin tönt. Freilich das Verstehen wird hier nicht bloß durch den sprechenden Ausdruck der Töne, sondern auch durch die Reinheit und Oekonomie der Schreibart, welche nicht weniger, aber auch nicht mehr giebt, als der Gedanke erfordert, und so nicht minder auf negative Weise, wie jener auf positive, den Meister des Styls bekundet, wesentlich gefördert. Gerade durch das entgegengesetzte Verfahren versündigen sich alle Neuern an ihren eigenen Werken am meisten <add place="above">selbst<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add>, <persName xml:id="persName_adaefebd-b455-475a-9719-aedc0e126e2f">Beethoven<name key="PSN0109771" style="hidden" type="person">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName> an der Spitze, der mit seinen Zauberformeln alles in der dritten Potenz berechnet, um zur Omnipotenz zu gelangen. (Wer würde z. B. in seiner <hi rend="latintype"><title xml:id="title_e5effd10-e9aa-4969-8e6d-9786ce8853b4">Adelaide<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108000" style="hidden" type="music">Adelaide op. 46</name></title></hi> ohne Text diesen erkennen?) Vor allem kam mir aber bei meiner Arbeit die Eigenthümlichkeit zu statten, welche Sie vielleicht, in diesem Grade, vor allen anderen Tondichtern voraushaben, ich meine die rein objective Behandlung des Stoffes, so weit sie in der Musik überhaupt möglich ist. Jedes der <title xml:id="title_31982446-a704-42e5-8a5f-f2a81ea015f5">18 Lieder<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_6fa2f6e1-f739-4fc9-8567-418c45cc6766"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="collective_sources" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="collective_prints" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100621" style="hidden">Sechs Lieder ohne Worte für Klavier, 1. Heft, 1832; enthält MWV U 86, U 80, U 89, U 73, U 90 und U 78<idno type="MWV">SD 5</idno><idno type="op">19b</idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_b9e1b937-650c-4a26-956f-d0413f8b4c0b"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="collective_sources" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="collective_prints" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100625" style="hidden">Sechs Lieder ohne Worte für Klavier, 2. Heft, 1835; enthält MWV U 103, U 77, U 104, U 98, U 97 und U 110<idno type="MWV">SD 9</idno><idno type="op">30</idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_8ba34c24-c1c2-47fc-be28-5585dc5f4cbf"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="collective_sources" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="collective_prints" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100632" style="hidden">Sechs Lieder ohne Worte für Klavier, 3. Heft, 1837; enthält MWV U 121, U 115, U 107, U 120, U 137 und U 119<idno type="MWV">SD 16</idno><idno type="op">38</idno></name></title> ist so verschieden von dem anderen, daß man sie auch eben so vielen verschiedenen Componisten zuschreiben könnte, und die speciellern und allgemeinern Beziehungen, welche sie, wie ich mir denke, unter einander haben <hi n="1" rend="underline">sollen</hi>, (I nr. 1, 9, 8. II 9.) desto deutlicher hervortreten.) <hi n="1" rend="underline">Das</hi> hängt auch <add place="above">wohl<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> mit Ihrer, mir gerühmten Fertigkeit, jeden<seg type="pagebreak"> |22| <pb n="22" type="pagebreak"></pb></seg>beliebigen Styl nachzuahmen (<title xml:id="title_ebf7c2ce-70f6-48b7-886a-326cf7a5c12b">welche sich erst kürzlich der edle, ehrliche Spohr zugetrauet<name key="PSN0115032" style="hidden" type="author">Spohr, Louis (Ludewig) (1784-1859)</name><name key="CRT0110946" style="hidden" type="music">6. Sinfonie G-Dur, op. 116 (Historische Sinfonie)</name></title> hat, nur um zu zeigen, daß gerade ihm dazu alles, selbst die Selbsterkenntniß, fehlt) genau zusammen. /:Die damit verbundene subjective Ruhe des Componisten, die Scheidung seines Ichs vom Tonwerke mag wohl die Klagen hervorrufen, die man hin und wieder über die Kälte und den Verstand in Ihren Werken hört. Man will nur nicht musikalisch mitdenken, sich nicht selbst mit Wärme in das Tonwerk versenken und verlangt bequem, daß der Tondichter stets sich selbst auf Gnade und Ungnade dem Publicum ergeben solle, weil ihre Herrn Collegen in der Regel nichts weiter zu bieten haben, als ihr oft nur zu <hi rend="latintype">pitoyables</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_f91fcea7-b0c4-4fe5-8ced-0f046fd12a68" xml:lang="de">pitoyables – erbärmliches, mitleiderregendes.</note> Ich. Aber die Kritiker und Kritikoster haben mit ihren Windbeuteleien, daß unser <persName xml:id="persName_2db732d8-f044-43a1-907d-bb5a8265a04b">Dichterfürst<name key="PSN0111422" style="hidden" type="person">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> nur ein vielseitiges, gewandtes Talent sei und Alles nur nach Vorbildern gedichtet habe, pp. doch nicht wegdemonstriren könne, daß er unser Dichterfürst sei. Und so hoffe ich, daß man Sie nicht so leicht weg-pusten werde! – – Ob ich übrigens gerade Ihrem Texte nahe gekommen bin, und ob Sie überhaupt nach einem solchen gearbeitet haben, will ich ganz dahin gestellt sein lassen. Das meine Nachbildung zu Stande gekommen ist, bestätigt das noch nicht. Denn nebenher mit anderer Musik angestellte Versuche haben einen ähnlichen Erfolg gehabt. Zwar könnte ich die Lerche, oder richtiger die Nachtigal hier leicht mit dem <persName xml:id="persName_b7f69223-e685-42f1-9c46-fc6634a6b7d2">Finken<name key="PSN0111050" style="hidden" type="person">Fink, Christian Gottfried Wilhelm (1783-1846)</name></persName> fangen. Der lehrt nämlich in <title xml:id="title_6322e532-ab77-46bf-ae59-534ca4673825">seiner Zeitung<name key="PSN0110112" style="hidden" type="author">Breitkopf & Härtel (bis 1786: Breitkopf), Verlag und Musikalienhandlung in Leipzig</name><name key="CRT0108283" style="hidden" type="periodical">Allgemeine Musikalische Zeitung</name></title> wörtlich also (1840 nr. 35.):</p> <p>„Lieder ohne Worte sind I entweder solche, bei welchen für den Gesang bereits componirte Lieder namhafter Männer zum Grunde gelegt werden, und die bald in diese, bald in jene Stimme verlegte Melodie durch mehr oder minder glänzende Bravour und durch mancherlei selbsterfundene, reichere Ausführung und Verschönerungbezweckende Zuthat umspielt wird,“ – Das paßt auf die Ihrer Lieder,<seg type="pagebreak"> |23| <pb n="23" type="pagebreak"></pb></seg>welche „<persName xml:id="persName_0de4cf78-6707-46ed-b502-c1b1cc4ad785">Czerny<name key="PSN0110522" style="hidden" type="person">Czerny, Carl (1791-1857)</name></persName>“, <persName xml:id="persName_e05f5ff8-10cc-4f94-87e2-9184ddb989a9">Dreyschock<name key="PSN0110738" style="hidden" type="person">Dreyschock, Alexander (1818-1869)</name></persName> und nun auch <persName xml:id="persName_361491d0-ee27-4c88-92ff-3343eb55cbf7">Liszt<name key="PSN0112894" style="hidden" type="person">Liszt, Franz (Ferenc) (1811-1886)</name></persName> bearbeitet haben, da Sie glücklicherweise nach gerade doch auch zu den „namhaften“ Männern gerechnet werden können. Sonst müßten freilich Ihre Bearbeiter, auch wenn es mit der bezweckten Verschönerung seine Richtigkeit haben sollte, doch am Ende sehen, wo sie mit ihrem s.g. Liedern ohne Worte blieben. –</p> <p>II „oder <unclear reason="deletion" resp="FMBC">solche</unclear> eigene, Gesängen ähnliche, oder auf Gesang besonders hinstrebende Tonsätze,</p> <p>α, deren Inhalt aufzufinden, der Phantasie der Spielenden und Hörenden gänzlich überlassen bleibt,“ – Wer aber, wie ich, wenn ich ganz unbefangen bleiben will, die Noten liest, wo bleibt der mit seiner Phantasie? –</p> <p>oder β, wo man in charakteristischen Uebeschriften eine Anregung erhält“, – Halt! Da erwische ich wenigstens die <title xml:id="title_a1aa9cc7-f3b0-4c53-9462-a35a1abdc330">Venetianischen Gondellieder<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_279165d3-269f-419a-ac3b-66b175d03245"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="secular_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="works_for_one_voice_and_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100311" style="hidden">Venetianisches Gondellied (Rendez-vous) »Wenn durch die Piazzetta«, 17. Oktober 1842<idno type="MWV">K 114</idno><idno type="op">57/5</idno></name></title>, zugleich aber <persName xml:id="persName_aedcb605-c43e-4217-baa8-d7ffe99b03db">Waldbrühl<name key="PSN0115939" style="hidden" type="person">Zuccalmaglio, Anton Wilhelm Florentin von (Pseud.: Wilhelm von Waldbrühl, Dorfküster Wedel u. a.) (1803-1869)</name></persName> auf dem Wörtchen: Und, wo ich: todt übersetze, –</p> <p>oder γ, deren Tondichtung sich auf bestimmte Wortdichtungen bezieht“. – </p> <p>Ich muß gestehen, das Lerchennetz dieser Definitionen, so umfassend es ausgespannt ist, hat doch ein zu großes Loch, um Sie darin zu fangen, – die Frage, auf die ich nun zurückkomme: ob Ihr Lieder sub α oder γ zu classificiren seien? <persName xml:id="persName_2d84acf9-e9f4-4765-afde-1c8dc68e337d">Fink<name key="PSN0111050" style="hidden" type="person">Fink, Christian Gottfried Wilhelm (1783-1846)</name></persName> muß das natürlich wissen, weil er die Definitionen gemacht hat. Daß <hi n="1" rend="underline">Sie</hi> Sich aber überhaupt, oder vor der Zeit darüber erklären, kann niemand verlangen, und, aufrichtig gesagt, Wort und Ton kommen nur auf dieser Welt noch so heterogen und dieser gegen jenes so ideal vor, daß es mich fast betrüben könnte, ein für allemal zu erfahren: dieß oder jenes sei mit diesem oder jenem gemeint. Deshalb will ich auch nur um ein ganz unpartheiisches Urtheil über <hi n="1" rend="underline">meine</hi> Worte bitten, und dieses jedoch um so mehr, weil bis jetzt <hi n="1" rend="underline">niemand</hi> davon etwas zu sehen bekommen hat.</p> <p>Daß ich auch die musikalischen Formen nachzuahmen versucht habe, bedarf wohl keiner Rechtfertigung. Erwägt man, wie viel gerade in dieser Hin<seg type="pagebreak">|24|<pb n="24" type="pagebreak"></pb></seg>sicht die Musik vor der Poesie voraushat, so muß man es bedauern, daß <persName xml:id="persName_a23e6e86-c415-4006-a981-c9f4f88d53f8">Rückert<name key="PSN0114344" style="hidden" type="person">Rückert, Friedrich (Pseud.: Freimund Raimar) (1788-1866)</name></persName>, <persName xml:id="persName_a870be2d-cfea-435c-b795-040126281e72">Platon<name key="PSN0113899" style="hidden" type="person">Platon</name></persName> u. a. nicht schon längst auf den Gedanken verfallen sind, aus der Musik ihre Metren zu entlehnen. Die Griechen waren darin musikalisch, an deren Strophen, Antistrophen und Epoden mich überhaupt das System der meisten Ihrer Lieder erinnert hat, indem auf gewisse Weise die Wiederholung des ersten Theils der Gegenstrophe und die freiere Behandlung derselben am Schlusse der Epode entsprechen. – Ueber die Abtheilung der Verszeilen bin ich am wenigstens mit mir einig geworden. Erst wollte ich nur so absetzen, daß der musikalische Gedanke dadurch auch vor das Auge trete. Da entstanden aber bei der unbeschränkten Herrschaft der Tonkunst über das Zeitmaß der einzelnen Noten, welche der Poesie hinsichtlich der Sylben versagt, ellenlange Zeilenungeheuer neben einem einzigen, winzigen Füßchen. Dann wollte ich so abtheilen, daß nur die Hauptreime, welche mehrere Stanzen, oder doch eine Reihe von Versen unter sich verbinden, hervortraten (wie in II. 3). Aber auch das ließ sich nicht überall durchführen, zumal wo alles gereimt war, wie in den meisten Nummern von II. – Hinsichtlich des Rythmus glaube ich die Worte in einigen Nummern so gestellt zu haben, daß selbst beim Lesen der Tact in und zwischen den Versen beibehalten werden kann, wie in I. 8. – Am schlimmsten ist mit den einzelnen Worten verfahren. Muß die Poesie es sich irgendwo zur Regel machen: <hi rend="latintype">quot verba, tot pondere</hi>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_38ffb156-f069-462f-b5b7-129c2137bea9" xml:lang="la ">quot verba, tot pondere – lat, so viele Wörter, so viel Gewicht.</note> – so ist dieß in ihrer Verbindung mit der Tonkunst der Fall. Diese nothwendige Oekonomie hat mich nicht bloß veranlaßt, jede Note und jedes Nötchen in Vor-, Nach- und Doppelschlägen pp. als ebenso viele Sylben zu behandeln, sondern auch die Artikel und Fürwörter über Bord zu werfen, die Sylben zusammen zu ziehen und abzukürzen, daß es, obwohl gerade das Lied am leichtesten geformt werden soll, doch oft mehr wie Russisch als Deutsch klingt, und<seg type="pagebreak"> |25| <pb n="25" type="pagebreak"></pb></seg>ich mich damit trösten muß, wenigstens nicht undeutsch construirt zu haben, und daß beim Gesange von diesen Härten, wie von den falschen Reimen viel verschwindet. – Da ich übrigens nicht alle Ritornelle in Worte zu übertragen vermochte, so habe ich statt derselben den dazu gehörigen Liedern und nachher allen übrigen, gleichsam als präludirende Accorde, Molto’s vorgesetzt, welche das kurz aussprechen sollen, was mit eigenen Worten auszuführen, mir wohl selten geglückt sein wird.</p> <p>Doch schon zu viel von meinem Versuche, der, wenn er auch der erste dieser Art sein mag, und seine Nachahmung von dazu Berufenern für die Wortpoesie in Inhalt und besonders in der Form unberechenbare Folgen haben könnte, doch deshalb kein Verdienst in Anspruch nimmt, sondern nur bezweckt, Ihnen zu zeigen, wie ich <hi n="1" rend="underline">Ihre</hi> Musik verstehe, <add place="above">wie sie zu mir spricht,<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> und daß meine Achtung vor Ihnen nicht hohle Worte sind, nicht ein Nebeln und Schwebeln über den Geist der Tonwerke, das mir immer in der Seele zuwider war, weil jener in der Regel nur der Geist der Interpreten selbst ist, welcher sich in <add place="above">den<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> Tonwerken spiegelt und das Verständniß der Letzteren <add place="above">doch<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> nicht weiter reicht, als der musikalische Ideenkreis eines Jeden, deshalbaber auch bei jedem verschieden ist. Die Erwartung, mit welcher ich Ihren Opern entgegensehe, ist übrigens durch die Beschäftigung mit Ihren Liedern, wie durch Ihren letzten Brief noch sehr gesteigert. Daß Sie dießes Feld bisjetzt vermieden haben, zeugt von einer so bescheidenen Klugheit, daß man nicht mit Ihnen darüber rechten kann, da wenigstens die ernste Oper, wie alles Tragische, die größte äußere und innere Erfahrung, das gereiftere männliche Alter und – eigene Prüfungen voraussetzt. Am Texte kann es Ihnen auch nicht fehlen, die Sie ihn ja nur selbst zu schreiben brauchen, wie Sie es mit Paulus und vielleicht auch mit Ihren Liedern o. W. schon gethan haben, um des Erfolgs gewiß zu sein. Und so will ich auch in besonderer Beziehung auf Ihr schönes Vorhaben Ihnen, oder vielmehr<seg type="pagebreak"> |26| <pb n="25" type="pagebreak"></pb></seg>der musikalischen Welt zu dem begonnenen allgemeinen, wie zu <hi n="1" rend="underline">Ihrem</hi> neuen Jahre nachträglich aus vollem Herzen Glück wünschen!</p> <p>Welchen Gebrauch Sie übrigens auch von meinem <title xml:id="title_d0b8bc50-e259-4afc-b11b-5fdb1f2d387e">Geburtstagsangebinde<name key="PSN0113709" style="hidden" type="author">Otto, Eduard</name><name key="CRT0110249" style="hidden" type="literature">Gedichte zu Felix Mendelssohn Bartholdys Liedern ohne Worte</name></title> machen mögen, <hi n="1" rend="underline">eine</hi> Bitte habe ich hinzuzufügen: die nur <hi n="1" rend="underline">strengste</hi> <hi n="1" rend="underline">Anonymität</hi> schon eines zeitlichen Grundes wegen. Käme man hier nämlich dahinter, welche geheimen (<choice resp="Editor" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_3dd6fa33-9d99-4141-8ef0-34d075e491f5"><sic resp="writer">Geschäftln</sic><corr resp="editor">Geschäfte</corr></choice>) Sünden ich noch nebenbei treibe, so würde meine Reputation und alle meine darauf gestützten Hoffnungen leicht einen empfindlichen Stoß erleiden, was mir nicht gleichgültig sein kann, so sorgenfrei und angenehm meine dienstliche Stellung hier auch schon jetzt ist.</p> <p>Zu den Annehmlichkeiten der Letzteren (um nun auch von mir zu sprechen) rechne ich besonders, daß, obgleich Blutsverwandte von mir hier fast gar nicht existiren, und namentlich die verschiedenen Otto’s hier sämtlich nur meine Namensvettern sind, ich doch durch die obenerwähnte Verheirathung meines <add place="above">ältesten<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> Bruders, welcher in <placeName xml:id="placeName_c153dd20-2a1a-4437-8cd9-636e87b1266a">Blankenburg<settlement key="STM0104536" style="hidden" type="locality">Blankenburg (Harz)</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> Notar und Advocat eine Unzahl von Vettern und Baasen in der Ribbentropschen Familie und in ihren Seitenzweigen, Griepenkerls, Mahers, Frankens pp. erhalten hat und daß meine Schwester, die Aebtin <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_6be5a4a7-76d5-4ca8-9d99-a5140e84ee0a">Bartels<name key="PSN0120029" style="hidden" type="person">Bartels, August Christian</name></persName></hi> (der Geheimerath <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_2b65ba65-c012-407c-b413-ac1c754a12f9">Bartels<name key="PSN0109672" style="hidden" type="person">Bartels, Carl Wilhelm Heinrich (1794-1868)</name></persName></hi> in <placeName xml:id="placeName_d17441ae-1c23-4fc8-a1fe-0ff04c2da9cf">Berlin<settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_7992074c-438f-4886-bc3e-29f9a7abeb0c">Schönleins<name key="PSN0114674" style="hidden" type="person">Schönlein, Johann Lukas (1793-1864)</name></persName></hi> Vorgänger, war der ältere Bruder meines Schwagers) kaum eine kleine Stunde von <placeName xml:id="placeName_63fb943a-98f7-4cb3-8898-d511c40d8a0a">Braunschweig<settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> auf dem Lande unter meiner Bothmäßigkeit lebt. – Mein <persName xml:id="persName_be7baae6-2a8b-43fb-900e-9a801f6e9d33">Schwager<name key="PSN0120029" style="hidden" type="person">Bartels, August Christian</name></persName> ist ein sehr jovialer Mann, wie schon das beweist, was er, als ich ihm von Ihrem Neujahrsbriefe erzählte, mir zu Gemüthe führte: Was bist Du doch für ein glücklicher Mensch! Hast den größten Musiker zum Freunde und – den größten Theologen zum Schwager! Da bleibt mir nur noch die Bitte: um die Fortdauer dieses Glücks!</p> <closer rend="right">Wie immer,</closer> <closer rend="center">Ihr</closer> <signed rend="right">E Otto</signed> </div> <div type="footnotes_area" xml:id="div_a61c516d-5a70-4ef9-ba3f-5175ff402863"> <note n="x" place="in the footer of the page" subtype="author" target="fnr1" type="footnote" xml:id="fn1">So machte z. B. Ihre Nachbarin am 1. Tage des Musikfestes, <persName xml:id="persName_c56c6b9f-5ebc-43fd-82cd-a850eeabd4ac">Fr. v. <hi rend="latintype">Löhneysen</hi><name key="PSN0120026" style="hidden" type="person">Löhneysen, Adolfine Hermine Friederike von (1815-1890)</name></persName>, – die Verehrerin des tiefsinnigsten aller Instrumentalisten, – vor einigen Jahren aus II nr. 6. eine so tragische Geschichte, daß ich das Lachen kaum verbeißen konnte.</note> </div> <div type="footnotes_area" xml:id="div_1b0763f0-4056-4322-88b0-13f1dedb9f3b"> <note n="f" place="in the marginal area right, left or right and left" subtype="author" target="fnr2" type="footnote" xml:id="fn2">ich lege <title xml:id="title_38c320c4-d429-4bcd-9c3c-85e5108e6229">seine Uebersetzung<name key="PSN0115939" style="hidden" type="author">Zuccalmaglio, Anton Wilhelm Florentin von (Pseud.: Wilhelm von Waldbrühl, Dorfküster Wedel u. a.) (1803-1869)</name><name key="CRT0112099" style="hidden" type="literature">Texte zu Felix Mendelssohn Bartholdys »Lieder ohne Worte«</name></title> bei; <hi n="1" rend="underline">meine</hi> Varianten dagegen behalte ich einstweilen zurück.</note> </div> </body> </text></TEI>