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gb-1840-12-04-02

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Heinrich Marschner an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig <lb></lb>Hannover, 4. Dezember 1840 Herr Lindner jun. ist ein höchst talentvoller Musicus, und besitzt auf seinem Instrumente schon sehr bedeutende Fertigkeit, die fast alle Schwierigkeiten zu bemeistern weiß. Sein Spiel ist rein und schon recht geschmackvoll, und deshalb ist Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) Felix Mendelssohn Bartholdy an Heinrich Marschner in Hannover; Leipzig, vor dem 4. Dezember 1840 unbekannt Marschner, Heinrich August (1795-1861) Marschner, Heinrich August (1795-1861) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. 38/167. Autograph Heinrich Marschner an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig; Hannover, 4. Dezember 1840 Herr Lindner jun. ist ein höchst talentvoller Musicus, und besitzt auf seinem Instrumente schon sehr bedeutende Fertigkeit, die fast alle Schwierigkeiten zu bemeistern weiß. Sein Spiel ist rein und schon recht geschmackvoll, und deshalb ist

1 Doppelbl.: S. 1-3 Brieftext; S. 4 Adresse, 2 Poststempel [HANNOVER / 8 Dcb.], [St. Post / 10 DEC / I. 8-10], Siegel. – Durch Einbindung verdeckte Briefstelle nach Druck ergänzt.

Heinrich Marschner

Green Books

Georg Fischer, Opern und Concerte im Hoftheater zu Hannover bis 1866, Hannover und Leipzig 1899, S. 125-127. Georg Fischer, Musik in Hannover, 2. Auflage, Hannover und Leipzig 1903, S. 108 f. (Teildruck).

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C): Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz (Hin- und Gegenbriefe) Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C) ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence (FMB-C) Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

4. Dezember 1840 Marschner, Heinrich August (1795-1861) counter-resetMarschner, Heinrich August (1795-1861) Hannover Deutschland Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Leipzig Deutschland deutsch
Sr Wohlgeboren Herrn Musikdirector Dr Felix Mendelssohn-Bartholdy in Leipzig. frei
Marschner, Heinrich August (1795-1861) Marschner, Heinrich August (1795-1861) Mein sehr lieber Freund!

Herr Lindner junLindner, August Roderich (1820-1878). ist ein höchst talentvoller Musicus, und besitzt auf seinem Instrumente schon sehr bedeutende Fertigkeit, die fast alle Schwierigkeiten zu bemeistern weiß. Sein Spiel ist rein und schon recht geschmackvoll, und deshalb ist wohl schwerlich zu fürchten, daß er Fiasco machen werde.er Fiasco machen werde – Der Cellist August Roderich Lindner spielte im elften Abonnementkonzert der Saison 1840/41 am 7. Januar 1841 im Saal des Leipziger Gewandhauses das Solo in seinem Concertino für Violoncello sowie das Capriccio sur des airs nationaux suédois op.  28 von Bernhard Heinrich Romberg; siehe Hagels, Konzerte in Leipzig, Statistik, S. 1048 f. Allein ein Furore kann ich ebenfalls nicht verbürgen, wohl aber behaupten, daß ein Künstler wie H. LindnerLindner, August Roderich (1820-1878) freundliche Beachtung und jedwede Aufmunterung verdient, die Sie ihm gewiß nicht versagen werden, wenn Sie ihn erst näher kennen. Er hat im Aeußern etwas troknes, noch ungelektes, was so jungen Leuten aus kleinen Städten häufig anklebt, und in sein Inneres hatte ich noch nicht Gelegenheit tief einzudringen. Dennoch scheint mir, daß Alles an und in ihm mehr Talent und natürliches Gefühl, als feine und tiefere Bildung verräth.

Mein erster Cellist H. PrellPrell, Johann Nikolaus (1773-1849) (Herr LindnerLindner, August Roderich (1820-1878) ist der 3te) hat, wie ich glaube, auch die Idee Sie heim zu suchen und sich in LLeipzigDeutschland. hören zu laßen.H. Prell … hat … auch die Idee … sich in L. hören zu laßen – Es ist keine Mitwirkung von Johann Nikolaus Prell in einem der Abonnementkonzerte im Saal des Leipziger Gewandhauses unter der Leitung von Felix Mendelssohn Bartholdy nachweisbar; siehe Hagels, Konzerte in Leipzig, Statistik. Aber die Angst läßt ihn die Sache immer wieder verschieben, und das ist gut, denn diese verdirbt ihm gewöhnlich sein Spiel. Indessen ist er für mich von großem Nutzen, und bäte er mich einst um eine Empfehlung an Sie, ich würde sie ihm, ohne |2| ihn zu kränken, schwerlich versagen können. Rathen aber will ich ihm, sich vorerst schriftlich an sie zu wenden, und zu fragen, ob auch die Möglichkeit vorhanden ist, ihn in einem Ihrer Concerte auftreten zu laßen.

Meinen Dank für die freundliche Aufführung meiner Klänge a. O.<name key="PSN0113090" style="hidden" type="author">Marschner, Heinrich August (1795-1861)</name><name key="CRT0109892" style="hidden" type="music">Klänge aus Osten op. 109</name>die freundliche Aufführung meiner Klänge a. O. – Heinrich August Marschners »Klänge aus Osten« op. 109 waren im dritten Abonnementkonzert der Saison 1840/41 am 22. Oktober 1840 unter der Leitung von Mendelssohn mit Sophie Schloss (Sopran) und Christian Maria Heinrich Schmidt (Tenor) als Solisten im Saal des Leipziger Gewandhauses aufgeführt worden; siehe Hagels, Konzerte in Leipzig, Statistik, S. 1041. und Ihr sehr liebes Schreiben<name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="fmb-1840-12-04-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Heinrich Marschner in Hannover; Leipzig, vor dem 4. Dezember 1840</name>, wollte ich Ihnen zugleich mit meinem <title xml:id="title_8e242bf4-6e30-47df-a651-6afecf7aebdd"><hi rend="latintype">Trio</hi><name key="PSN0113090" style="hidden" type="author">Marschner, Heinrich August (1795-1861)</name><name key="CRT0112917" style="hidden" type="music">Klaviertrio g-Moll, op. 111</name> senden.mit meinem Trio senden – Heinrich August Marschners Klaviertrio g-Moll, op. 111 erschien 1841 im Verlag Friedrich Hofmeister in Leipzig. Allein da ich dieses wohl erst in 4 Wochen werde senden können (ich kann nämlich keinen mir zusagenden Notenschreiber finden), so empfangen Sie ihn denn hiemit aus aufrichtigem Herzen, und sein Sie versichert, daß ich zu gleichen Gegendiensten stets mit Feuereifer bereit sein werde.

Unser HofGroßbritannien und Hannover, Ernst August I. von (1771-1851) ist ein sehr starker und eifriger Gott, der sich nur auf italienisch anbeten läßt. Wer nicht dafür ist, ist wieder ihn. Das HoftheaterKönigliches HoftheaterHannoverDeutschland ist die demüthigste und gehorsamste Sclavin seines Willens, wofür sie dem Publicum Nasenstüper oder Nasen schnippchen geben darf, so viel sie Lust hat. Das Repertoir ist der Allerhöchsten Controle unterworfen, und somit ist es unmöglich, daß es durch Werke von MozartMozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791), BeethovenBeethoven, Ludwig van (1770-1827), CherubiniCherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842), SpohrSpohr, Louis (Ludewig) (1784-1859) etc. langweilig gemacht werden könne. RossiniRossini, Gioachino Antonio (1792-1868), BelliniBellini, Vincenzo Salvatore Carmelo Francesco (1801-1835) und DonizettiDonizetti, Domenico Gaetano Maria (1797-1848) heißt die hannöv. musical. Dreieinigkeit, gegen die niemand freveln darf, bei Strafe gänzlicher Ungnade. Das Publicum ist Null und muß stumm sein, denn es darf bei hoher Strafe nichts als Beifall am Tag legen. Die großen Concerte, worin sich |3| die großen Werke deutscher Componisten geflüchtet hatten, dürfen nicht mehr in dem großen Saale gegeben werden, weil dort einmal, wo das Zischen nicht verboten war, unsre italienische Sängerin GentiluomoGentiluomo, Louise (Elisabeth) (1820-1886) derb gezischt wurde, nicht ob ihres Gesanges, sondern wegen der Wahl eines miserablen Musikstüks. Nun werden sie (von 8 auf 4 reducirt) auf dem TheaterKönigliches HoftheaterHannoverDeutschland statt finden, um sie dem Einfluß des Publicums zu entziehen, und ihren Inhalt dem allein geltenden Geschmack näher zu bringen. So ist die Gegenwart, und die Zukunft bietet noch schlimmere Aussichten. Kann ein deutscher Künstler dabei sich wohl fühlen? Finden Sie meine Klagen ungerecht oder übertrieben? Was sagen Sie dazu, daß ich einer hohen Person einmal die ganze <hi rend="latintype">Norma</hi><name key="PSN0109794" style="hidden" type="author">Bellini, Vincenzo Salvatore Carmelo Francesco (1801-1835)</name><name key="CRT0108116" style="hidden" type="music">Norma</name> vorspielen und singen mußte, und nicht nur gezwungen war, den rasendsten Enthusiasmus mit anzu sehen und zu hören, sondern auch miteinzustimmen und hundert Stellen zu wiederholen? Ich will den Morgen in meinem Leben nicht vergessen!! Und nun noch die ewige Furcht vor Verrath und Ungnade! Selbst die unschuldigste politische Meinung gegen die herschendeherrschende hat Einfluß auf den Werth musical. Werke! Was hilft mir nun Essen und Trinken vollauf, und Alles was dem Leibe wohl thut? Ach! lieber Mendelssohn, was sind Sie in Ihrem Leipzig für ein glüklicher Mann! Welch glüklicher Mann gegen mich, der Sie sogar um Discretion wegen dieser Details bitten muß!

Mehrere Kammermusiker geben diesen Winter zum ersten male Quartettunterhaltungen, die bein Publicum ausserordentliche Theilnahme und Beifall finden. Gegen 400 Billets sind im Abonnement ausgegeben, und doch können alle Nachfragen nicht befriedigt werden, weil der Saal soviel kaum faßt. Es ist dies freilich eine Art Opposition gegen die Hofconcerte im TheaterKönigliches HoftheaterHannoverDeutschland, größtentheils aber ist diese Theilnahme an classischer Musik doch eigentlicher Grundsatz unsers Publicums. In diesen Soireen werden auch einige Ihrer trefflichen Quartetts<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_0aaf5faf-d112-4d83-ac58-f8569ab13906"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="unidentified_and_unspecified_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100970" style="hidden">Quartette für zwei Violinen, Viola und Violoncello<idno type="MWV"></idno><idno type="op"></idno></name> gegeben werden, worauf ich mich schon sehr freue. Sie haben hier wie natürlich sehr viele Anhänger, hätten Sie aber hier Ihren herrlichen <hi rend="latintype">Paulus</hi><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_e81abb00-33ff-485b-9f0c-7b13120104b6"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name> von der SingacademieSingakademieHannoverDeutschland gehört (er wurde 2 mal gegeben), so würden Sie aber keine große Freude gehabt haben. Das liegt an den Sängern und ihrem lammartigen Führer EnckhausenEnckhausen, Heinrich Friedrich (1799-1885), der das Dirigiren nicht laßen kann. So hat dies große schöne Werk<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_6841fb4f-80f1-4b73-8085-467f455f8cb3"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name> das Publicum wohl mit Respect für Sie erfüllt, den wahren und verdienten Eindruck aber konnte es bei der mangelhaften Aufführung nicht hervorbringen. Doch genug für heute. Nebst dem <hi rend="latintype">Trio</hi><name key="PSN0113090" style="hidden" type="author">Marschner, Heinrich August (1795-1861)</name><name key="CRT0112917" style="hidden" type="music">Klaviertrio g-Moll, op. 111</name> bald ein Mehreres. Mit herzlicher Freundschaft

Ihr H Marschner Hannover d. 4ten Decbr 1840.
Marschner, Heinrich August (1795-1861) Marschner, Heinrich August (1795-1861)

Wissen Sie nicht, ob RubensRubens, Heinrich (bis 1812: Hirsch) (1775-1855) in BerlinBerlinDeutschland wohl, krank oder gar todt ist?

So eben habe ich den Violinspieler GullomyGulomy, Jérôme Louis (1821-1887) gehört. Er ist ganz ausgezeichnet, und verdient die größte Beachtung. Er wird auch nach Leipzig kommen. Ich empfehle ihn Ihnen als ein Phänomen und bin überzeugt, dass er gleich Ole BullBull, Ole Bornemann Johansen (1810-1880) und ErnstErnst, Heinrich Wilhelm (1814-1865) Aufsehen machen wird.

            Mein sehr lieber Freund!
Herr Lindner jun. ist ein höchst talentvoller Musicus, und besitzt auf seinem Instrumente schon sehr bedeutende Fertigkeit, die fast alle Schwierigkeiten zu bemeistern weiß. Sein Spiel ist rein und schon recht geschmackvoll, und deshalb ist wohl schwerlich zu fürchten, daß er Fiasco machen werde. Allein ein Furore kann ich ebenfalls nicht verbürgen, wohl aber behaupten, daß ein Künstler wie H. Lindner freundliche Beachtung und jedwede Aufmunterung verdient, die Sie ihm gewiß nicht versagen werden, wenn Sie ihn erst näher kennen. Er hat im Aeußern etwas troknes, noch ungelektes, was so jungen Leuten aus kleinen Städten häufig anklebt, und in sein Inneres hatte ich noch nicht Gelegenheit tief einzudringen. Dennoch scheint mir, daß Alles an und in ihm mehr Talent und natürliches Gefühl, als feine und tiefere Bildung verräth.
Mein erster Cellist H. Prell (Herr Lindner ist der 3te) hat, wie ich glaube, auch die Idee Sie heim zu suchen und sich in L. hören zu laßen. Aber die Angst läßt ihn die Sache immer wieder verschieben, und das ist gut, denn diese verdirbt ihm gewöhnlich sein Spiel. Indessen ist er für mich von großem Nutzen, und bäte er mich einst um eine Empfehlung an Sie, ich würde sie ihm, ohne ihn zu kränken, schwerlich versagen können. Rathen aber will ich ihm, sich vorerst schriftlich an sie zu wenden, und zu fragen, ob auch die Möglichkeit vorhanden ist, ihn in einem Ihrer Concerte auftreten zu laßen.
Meinen Dank für die freundliche Aufführung meiner Klänge a. O. und Ihr sehr liebes Schreiben, wollte ich Ihnen zugleich mit meinem Trio senden. Allein da ich dieses wohl erst in 4 Wochen werde senden können (ich kann nämlich keinen mir zusagenden Notenschreiber finden), so empfangen Sie ihn denn hiemit aus aufrichtigem Herzen, und sein Sie versichert, daß ich zu gleichen Gegendiensten stets mit Feuereifer bereit sein werde.
Unser Hof ist ein sehr starker und eifriger Gott, der sich nur auf italienisch anbeten läßt. Wer nicht dafür ist, ist wieder ihn. Das Hoftheater ist die demüthigste und gehorsamste Sclavin seines Willens, wofür sie dem Publicum Nasenstüper oder Nasen schnippchen geben darf, so viel sie Lust hat. Das Repertoir ist der Allerhöchsten Controle unterworfen, und somit ist es unmöglich, daß es durch Werke von Mozart, Beethoven, Cherubini, Spohr etc. langweilig gemacht werden könne. Rossini, Bellini und Donizetti heißt die hannöv. musical. Dreieinigkeit, gegen die niemand freveln darf, bei Strafe gänzlicher Ungnade. Das Publicum ist Null und muß stumm sein, denn es darf bei hoher Strafe nichts als Beifall am Tag legen. Die großen Concerte, worin sich die großen Werke deutscher Componisten geflüchtet hatten, dürfen nicht mehr in dem großen Saale gegeben werden, weil dort einmal, wo das Zischen nicht verboten war, unsre italienische Sängerin Gentiluomo derb gezischt wurde, nicht ob ihres Gesanges, sondern wegen der Wahl eines miserablen Musikstüks. Nun werden sie (von 8 auf 4 reducirt) auf dem Theater statt finden, um sie dem Einfluß des Publicums zu entziehen, und ihren Inhalt dem allein geltenden Geschmack näher zu bringen. So ist die Gegenwart, und die Zukunft bietet noch schlimmere Aussichten. Kann ein deutscher Künstler dabei sich wohl fühlen? Finden Sie meine Klagen ungerecht oder übertrieben? Was sagen Sie dazu, daß ich einer hohen Person einmal die ganze Norma vorspielen und singen mußte, und nicht nur gezwungen war, den rasendsten Enthusiasmus mit anzu sehen und zu hören, sondern auch miteinzustimmen und hundert Stellen zu wiederholen? Ich will den Morgen in meinem Leben nicht vergessen!! Und nun noch die ewige Furcht vor Verrath und Ungnade! Selbst die unschuldigste politische Meinung gegen die herschende hat Einfluß auf den Werth musical. Werke! Was hilft mir nun Essen und Trinken vollauf, und Alles was dem Leibe wohl thut? Ach! lieber Mendelssohn, was sind Sie in Ihrem Leipzig für ein glüklicher Mann! Welch glüklicher Mann gegen mich, der Sie sogar um Discretion wegen dieser Details bitten muß!
Mehrere Kammermusiker geben diesen Winter zum ersten male Quartettunterhaltungen, die bein Publicum ausserordentliche Theilnahme und Beifall finden. Gegen 400 Billets sind im Abonnement ausgegeben, und doch können alle Nachfragen nicht befriedigt werden, weil der Saal soviel kaum faßt. Es ist dies freilich eine Art Opposition gegen die Hofconcerte im Theater, größtentheils aber ist diese Theilnahme an classischer Musik doch eigentlicher Grundsatz unsers Publicums. In diesen Soireen werden auch einige Ihrer trefflichen Quartetts gegeben werden, worauf ich mich schon sehr freue. Sie haben hier wie natürlich sehr viele Anhänger, hätten Sie aber hier Ihren herrlichen Paulus von der Singacademie gehört (er wurde 2 mal gegeben), so würden Sie aber keine große Freude gehabt haben. Das liegt an den Sängern und ihrem lammartigen Führer Enckhausen, der das Dirigiren nicht laßen kann. So hat dies große schöne Werk das Publicum wohl mit Respect für Sie erfüllt, den wahren und verdienten Eindruck aber konnte es bei der mangelhaften Aufführung nicht hervorbringen. Doch genug für heute. Nebst dem Trio bald ein Mehreres. Mit herzlicher Freundschaft
Ihr
H Marschner
Hannover d. 4ten Decbr 1840.
Wissen Sie nicht, ob Rubens in Berlin wohl, krank oder gar todt ist?
So eben habe ich den Violinspieler Gullomy gehört. Er ist ganz ausgezeichnet, und verdient die größte Beachtung. Er wird auch nach Leipzig kommen. Ich empfehle ihn Ihnen als ein Phänomen und bin überzeugt, dass er gleich Ole Bull und Ernst Aufsehen machen wird.          
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(Teildruck).</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc> <projectDesc> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C): Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz (Hin- und Gegenbriefe) Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p> </projectDesc> <editorialDecl> <p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C) ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence (FMB-C) Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p> </editorialDecl> </encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1840-12-04" xml:id="date_51a16535-66a7-43aa-9bd7-07ddbb3f85b2">4. Dezember 1840</date> </creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0113090" resp="author">Marschner, Heinrich August (1795-1861)</persName> <note>counter-reset</note><persName key="PSN0113090" resp="writer">Marschner, Heinrich August (1795-1861)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_6037626a-d639-4671-9a48-07e141e9916d"> <settlement key="STM0100118">Hannover</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_623c67be-08be-4078-a450-1523dcb92d31">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_47a19359-f846-4a4a-9dc4-009ddea44622"> <settlement key="STM0100116">Leipzig</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"></revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_f280309e-be2b-41e0-82bb-7732dd0b5d95"> <head> <address> <addrLine>Sr Wohlgeboren</addrLine> <addrLine>Herrn Musikdirector <hi rend="latintype">D<hi rend="superscript">r</hi> Felix <hi n="1" rend="underline">Mendelssohn-Bartholdy</hi></hi></addrLine> <addrLine> <hi n="1" rend="underline">in</hi> </addrLine> <addrLine> <hi n="1" rend="underline"><hi rend="latintype">Leipzig</hi>.</hi> </addrLine> <addrLine> <hi n="1" rend="underline">frei</hi> </addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_f7a177d6-e193-462d-b7b6-9137208f1fb4"> <docAuthor key="PSN0113090" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_598e0108-aaef-46b8-ae7c-3e1ba8dde9fb">Marschner, Heinrich August (1795-1861)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113090" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_0a051a46-7f52-449f-a620-e989d13e3fba">Marschner, Heinrich August (1795-1861)</docAuthor> <salute rend="left">Mein sehr lieber Freund!</salute> <p style="paragraph_without_indent"><persName xml:id="persName_ff6a0781-2d31-408a-8774-1d260ce7d538">Herr <hi rend="latintype">Lindner jun</hi><name key="PSN0112866" style="hidden" type="person">Lindner, August Roderich (1820-1878)</name></persName>. ist ein höchst talentvoller Musicus, und besitzt auf seinem Instrumente schon sehr bedeutende Fertigkeit, die fast alle Schwierigkeiten zu bemeistern weiß. Sein Spiel ist <hi n="1" rend="underline">rein</hi> und schon recht geschmackvoll, und deshalb ist wohl schwerlich zu fürchten, daß er <hi rend="latintype">Fiasco</hi> machen werde.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_7231c507-8899-4541-9fde-547ff20d69c5" xml:lang="de ">er Fiasco machen werde – Der Cellist August Roderich Lindner spielte im elften Abonnementkonzert der Saison 1840/41 am 7. Januar 1841 im Saal des Leipziger Gewandhauses das Solo in seinem Concertino für Violoncello sowie das Capriccio sur des airs nationaux suédois op.  28 von Bernhard Heinrich Romberg; siehe Hagels, Konzerte in Leipzig, Statistik, S. 1048 f.</note> Allein ein <hi rend="latintype">Furore</hi> kann ich ebenfalls nicht verbürgen, wohl aber behaupten, daß ein Künstler wie <persName xml:id="persName_821b17c0-fa96-4b08-ab8c-0f8522efcd1e">H. <hi rend="latintype">Lindner</hi><name key="PSN0112866" style="hidden" type="person">Lindner, August Roderich (1820-1878)</name></persName> freundliche Beachtung und jedwede Aufmunterung verdient, die <hi n="1" rend="underline">Sie</hi> ihm gewiß nicht versagen werden, wenn Sie ihn erst näher kennen. Er hat im Aeußern etwas troknes, noch ungelektes, was so jungen Leuten aus kleinen Städten häufig anklebt, und in sein Inneres hatte ich noch nicht Gelegenheit tief einzudringen. Dennoch scheint mir, daß Alles an und in ihm mehr Talent und natürliches Gefühl, als feine und tiefere Bildung verräth.</p> <p>Mein erster <hi rend="latintype">Cellist</hi> <persName xml:id="persName_11a5a37d-ac95-46b1-885e-f3661b5c510a">H. <hi rend="latintype">Prell</hi><name key="PSN0120495" style="hidden" type="person">Prell, Johann Nikolaus (1773-1849)</name></persName> (<persName xml:id="persName_9e20ceab-8c0c-4150-bb1f-8af8c936ad81">Herr <hi rend="latintype">Lindner</hi><name key="PSN0112866" style="hidden" type="person">Lindner, August Roderich (1820-1878)</name></persName> ist der 3<hi rend="superscript">te</hi>) hat, wie ich glaube, auch die Idee Sie heim zu suchen und sich in <placeName xml:id="placeName_a68428e0-1b89-4eef-8014-a64dfa6dd055"><hi rend="latintype">L</hi><settlement key="STM0100116" style="hidden" type="locality">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>. hören zu laßen.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_60c650a7-8376-4d01-aa38-579778ebce9f" xml:lang="de ">H. Prell … hat … auch die Idee … sich in L. hören zu laßen – Es ist keine Mitwirkung von Johann Nikolaus Prell in einem der Abonnementkonzerte im Saal des Leipziger Gewandhauses unter der Leitung von Felix Mendelssohn Bartholdy nachweisbar; siehe Hagels, Konzerte in Leipzig, Statistik.</note> Aber die Angst läßt ihn die Sache immer wieder verschieben, und das ist gut, denn diese verdirbt ihm gewöhnlich sein Spiel. Indessen ist er für mich von großem Nutzen, und bäte er mich einst um eine Empfehlung an Sie, ich würde sie ihm, ohne<seg type="pagebreak"> |2| <pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg>ihn zu kränken, schwerlich versagen können. Rathen aber will ich ihm, sich vorerst schriftlich an sie zu wenden, und zu fragen, ob auch die Möglichkeit vorhanden ist, ihn in einem Ihrer Concerte auftreten zu laßen.</p> <p>Meinen Dank für die freundliche Aufführung meiner <title xml:id="title_ae71a352-3ba1-4f9a-8eaf-f7ce47933e5d">Klänge a. O.<name key="PSN0113090" style="hidden" type="author">Marschner, Heinrich August (1795-1861)</name><name key="CRT0109892" style="hidden" type="music">Klänge aus Osten op. 109</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_0cdccac1-4164-46c4-a24c-087faa2f02b3" xml:lang="de ">die freundliche Aufführung meiner Klänge a. O. – Heinrich August Marschners »Klänge aus Osten« op. 109 waren im dritten Abonnementkonzert der Saison 1840/41 am 22. Oktober 1840 unter der Leitung von Mendelssohn mit Sophie Schloss (Sopran) und Christian Maria Heinrich Schmidt (Tenor) als Solisten im Saal des Leipziger Gewandhauses aufgeführt worden; siehe Hagels, Konzerte in Leipzig, Statistik, S. 1041.</note> und <title xml:id="title_d1d8996e-9f8b-4b0f-ad10-478510516a3e">Ihr sehr liebes Schreiben<name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="fmb-1840-12-04-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Heinrich Marschner in Hannover; Leipzig, vor dem 4. Dezember 1840</name></title>, wollte ich Ihnen zugleich mit meinem <title xml:id="title_63a3300a-13e9-402d-8eef-a67adb524655"><title xml:id="title_8e242bf4-6e30-47df-a651-6afecf7aebdd"><hi rend="latintype">Trio</hi><name key="PSN0113090" style="hidden" type="author">Marschner, Heinrich August (1795-1861)</name><name key="CRT0112917" style="hidden" type="music">Klaviertrio g-Moll, op. 111</name></title></title> senden.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_b2559d66-c66c-4426-a9c3-6cda34723671" xml:lang="de ">mit meinem Trio senden – Heinrich August Marschners Klaviertrio g-Moll, op. 111 erschien 1841 im Verlag Friedrich Hofmeister in Leipzig.</note> Allein da ich dieses wohl erst in 4 Wochen werde senden können (ich kann nämlich keinen mir zusagenden Notenschreiber finden), so empfangen Sie ihn denn hiemit aus aufrichtigem Herzen, und sein Sie versichert, daß ich zu gleichen Gegendiensten stets mit Feuereifer bereit sein werde.</p> <p><persName xml:id="persName_3dfde825-427f-4e51-b166-69ae4dce64ab">Unser Hof<name key="PSN0111569" style="hidden" type="person">Großbritannien und Hannover, Ernst August I. von (1771-1851)</name></persName> ist ein sehr starker und eifriger Gott, der sich nur auf <hi n="1" rend="underline">italienisch</hi> anbeten läßt. Wer nicht <hi n="1" rend="underline">dafür</hi> ist, ist <hi n="1" rend="underline">wieder</hi> ihn. Das <placeName xml:id="placeName_c4de9f26-a93a-4c8a-8d05-288df18a80f3">Hoftheater<name key="NST0103679" style="hidden" subtype="" type="institution">Königliches Hoftheater</name><settlement key="STM0100118" style="hidden" type="locality">Hannover</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> ist die demüthigste und gehorsamste Sclavin seines Willens, wofür sie dem Publicum Nasenstüper oder Nasen schnippchen geben darf, so viel sie Lust hat. Das Repertoir ist der Allerhöchsten Controle unterworfen, und somit ist es unmöglich, daß es durch Werke von <persName xml:id="persName_beb41ae7-5721-4c3a-90e5-887fecdeeef4"><hi rend="latintype">Mozart</hi><name key="PSN0113466" style="hidden" type="person">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791)</name></persName>, <persName xml:id="persName_b6164342-d3c8-4bdc-8dc9-a4e7abfb8651"><hi rend="latintype">Beethoven</hi><name key="PSN0109771" style="hidden" type="person">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName>, <persName xml:id="persName_8a0dd9fc-1d3c-4f14-92cc-5f880f3afb28"><hi rend="latintype">Cherubini</hi><name key="PSN0110361" style="hidden" type="person">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name></persName>, <persName xml:id="persName_8533c053-3682-4c3c-9488-d6dad137500c"><hi rend="latintype">Spohr</hi><name key="PSN0115032" style="hidden" type="person">Spohr, Louis (Ludewig) (1784-1859)</name></persName> <hi rend="latintype">etc</hi>. <hi n="1" rend="underline">lang</hi>weilig gemacht werden könne. <persName xml:id="persName_d0eac306-ac5c-4d3c-b734-a33df2a318c4"><hi rend="latintype">Rossini</hi><name key="PSN0114299" style="hidden" type="person">Rossini, Gioachino Antonio (1792-1868)</name></persName>, <persName xml:id="persName_12b24dad-b369-4afd-8a6b-ae4872d39d49"><hi rend="latintype">Bellini</hi><name key="PSN0109794" style="hidden" type="person">Bellini, Vincenzo Salvatore Carmelo Francesco (1801-1835)</name></persName> und <persName xml:id="persName_11029f8a-9e96-4393-98a7-e4ec64bd70d1"><hi rend="latintype">Donizetti</hi><name key="PSN0110705" style="hidden" type="person">Donizetti, Domenico Gaetano Maria (1797-1848)</name></persName> heißt die hannöv. musical. Dreieinigkeit, gegen die niemand freveln darf, bei Strafe gänzlicher Ungnade. Das Publicum ist Null und muß stumm sein, denn es darf bei hoher Strafe nichts als <hi n="1" rend="underline">Beifall</hi> am Tag legen. Die großen Concerte, worin sich<seg type="pagebreak"> |3| <pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg>die großen Werke deutscher Componisten geflüchtet hatten, dürfen nicht mehr in dem großen Saale gegeben werden, weil dort einmal, wo das Zischen nicht verboten war, unsre italienische Sängerin <persName xml:id="persName_3aad0b2a-0c48-4ba4-90ac-66f2994c6292"><hi rend="latintype">Gentiluomo</hi><name key="PSN0120432" style="hidden" type="person">Gentiluomo, Louise (Elisabeth) (1820-1886)</name></persName> derb gezischt wurde, nicht ob ihres Gesanges, sondern wegen der Wahl eines miserablen Musikstüks. Nun werden sie (von 8 auf 4 reducirt) <hi n="1" rend="underline">auf dem </hi><placeName xml:id="placeName_6cf57622-7256-4249-a71b-e8cf7d4465a3"><hi n="1" rend="underline">Th</hi>eater<name key="NST0103679" style="hidden" subtype="" type="institution">Königliches Hoftheater</name><settlement key="STM0100118" style="hidden" type="locality">Hannover</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> statt finden, um sie dem Einfluß des Publicums zu entziehen, und ihren Inhalt dem allein geltenden Geschmack näher zu bringen. So ist die <hi n="1" rend="underline">Gegenwart</hi>, und die <hi n="1" rend="underline">Zukunft</hi> bietet noch schlimmere Aussichten. Kann ein deutscher Künstler dabei sich wohl fühlen? Finden Sie meine Klagen ungerecht oder übertrieben? Was sagen Sie dazu, daß ich einer hohen Person einmal die <hi n="1" rend="underline">ganze</hi> <title xml:id="title_9ddbf4a9-8262-4848-990b-95878555c117"><hi rend="latintype">Norma</hi><name key="PSN0109794" style="hidden" type="author">Bellini, Vincenzo Salvatore Carmelo Francesco (1801-1835)</name><name key="CRT0108116" style="hidden" type="music">Norma</name></title> vorspielen und singen mußte, und nicht nur gezwungen war, den rasendsten Enthusiasmus mit anzu sehen und zu hören, sondern auch mit<hi n="1" rend="underline">einzustimmen</hi> und <hi n="1" rend="underline">hundert Stellen zu wiederholen</hi>? Ich will den Morgen in meinem Leben nicht vergessen!! Und nun noch die ewige Furcht vor Verrath und Ungnade! Selbst die unschuldigste politische Meinung gegen die <choice resp="Editor" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_a3109fe4-c05f-412f-a06c-be4d426abe62"><sic resp="writer">herschende</sic><corr resp="editor">herrschende</corr></choice> hat Einfluß auf den Werth musical. Werke! Was hilft mir nun Essen und Trinken vollauf, und Alles was dem Leibe wohl thut? Ach! lieber <hi rend="latintype">Mendelssohn</hi>, was sind Sie in Ihrem Leipzig für ein glüklicher Mann! Welch glüklicher Mann gegen mich, der Sie sogar um <hi n="1" rend="underline">Discretion</hi> wegen dieser Details bitten muß!</p> <p>Mehrere Kammermusiker geben diesen Winter zum ersten male Quartettunterhaltungen, die bein Publicum ausserordentliche Theilnahme und Beifall finden. Gegen 400 Billets sind im Abonnement ausgegeben, und doch können alle Nachfragen nicht befriedigt werden, weil der Saal soviel kaum faßt. Es ist dies freilich eine Art Opposition gegen die <placeName xml:id="placeName_5c7dba70-4415-4f09-bd2e-f696123e7e3d">Hofconcerte im Theater<name key="NST0105393" style="hidden" subtype="Konzerte" type="institution">Königliches Hoftheater</name><settlement key="STM0100118" style="hidden" type="locality">Hannover</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, größtentheils aber ist diese Theilnahme an classischer Musik doch eigentlicher Grundsatz unsers Publicums. In diesen Soireen werden auch einige Ihrer trefflichen <title xml:id="title_f62e49bd-7906-4ef5-ae1b-1b8b7fa38fb9">Quartetts<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_0aaf5faf-d112-4d83-ac58-f8569ab13906"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="unidentified_and_unspecified_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100970" style="hidden">Quartette für zwei Violinen, Viola und Violoncello<idno type="MWV"></idno><idno type="op"></idno></name></title><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_c3adb151-1041-4ac6-beec-14de00a08e34"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="unidentified_and_unspecified_works" style="hidden"></item></list> gegeben werden, worauf ich mich schon sehr freue. Sie haben hier wie natürlich sehr viele Anhänger, hätten Sie aber hier Ihren herrlichen <title xml:id="title_884bb872-43bc-46a5-9ca2-cea5caddce13"><hi rend="latintype">Paulus</hi><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_e81abb00-33ff-485b-9f0c-7b13120104b6"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title> von der <placeName xml:id="placeName_4d56a2fb-a55e-4fe4-903a-b75509c08f6f">Singacademie<name key="NST0105392" style="hidden" subtype="" type="institution">Singakademie</name><settlement key="STM0100118" style="hidden" type="locality">Hannover</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> gehört (er wurde 2 mal gegeben), so würden Sie aber keine große Freude gehabt haben. Das liegt an den Sängern und ihrem lammartigen Führer <persName xml:id="persName_b3e69504-4cfd-4d98-8a4c-2e7c681ca5f1"><hi rend="latintype">Enckhausen</hi><name key="PSN0110906" style="hidden" type="person">Enckhausen, Heinrich Friedrich (1799-1885)</name></persName>, der das Dirigiren nicht laßen kann. So hat <title xml:id="title_7d38a13e-e592-4e9e-b4be-68510c7fdbc0">dies große schöne Werk<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="list_6841fb4f-80f1-4b73-8085-467f455f8cb3"><item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item><item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item><item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item><item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title> das Publicum wohl mit Respect für Sie erfüllt, den wahren und verdienten Eindruck aber konnte es bei der mangelhaften Aufführung nicht hervorbringen. <seg type="closer">Doch genug für <date cert="high" when="1840-12-04" xml:id="date_a030ace8-2fe7-4bf6-8fcd-b7a7f05ef378">heute</date>. Nebst dem <title xml:id="title_55e41930-1711-4bd0-a59c-ad880c469e64"><hi rend="latintype">Trio</hi><name key="PSN0113090" style="hidden" type="author">Marschner, Heinrich August (1795-1861)</name><name key="CRT0112917" style="hidden" type="music">Klaviertrio g-Moll, op. 111</name></title> bald ein Mehreres.</seg> <seg type="signed">Mit herzlicher Freundschaft</seg></p> <signed rend="right">Ihr</signed> <signed rend="right"> <hi rend="latintype">H Marschner</hi> </signed> <dateline rend="left"><hi rend="latintype">Hannover</hi> <hi rend="latintype">d</hi>. <date cert="high" when="1840-12-04" xml:id="date_c6c2cc3f-7f6d-4731-be54-548bc700f6df">4<hi rend="superscript">ten</hi> <hi rend="latintype">Decbr</hi> 1840</date>.</dateline> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_a9dcffea-7135-4baf-9a8b-2e340eace521"> <docAuthor key="PSN0113090" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_5d262817-d686-4fc0-a192-6af5459bc7ae">Marschner, Heinrich August (1795-1861)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113090" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_74f02bde-420e-4ba7-ba7b-bd42ca957d20">Marschner, Heinrich August (1795-1861)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">Wissen Sie nicht, ob <hi n="1" rend="underline"><persName xml:id="persName_db282eb2-c198-4acd-a71b-eed5bc594c7a"><hi rend="latintype">Rubens</hi><name key="PSN0114341" style="hidden" type="person">Rubens, Heinrich (bis 1812: Hirsch) (1775-1855)</name></persName></hi> in <placeName xml:id="placeName_6901d411-d12c-4c99-bc21-9200df6c1500">Berlin<settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> wohl, krank oder gar todt ist?</p> <p>So eben habe ich den Violinspieler <persName xml:id="persName_ba86a09d-a107-43e8-a351-943be204bd90"><hi rend="latintype">Gullomy</hi><name key="PSN0111618" style="hidden" type="person">Gulomy, Jérôme Louis (1821-1887)</name></persName> gehört. Er ist ganz ausgezeichnet, und verdient die größte Beachtung. Er wird auch nach Leipzig kommen. Ich empfehle ihn Ihnen als ein Phänomen und bin überzeugt, dass er gleich <persName xml:id="persName_c9bb9bfa-63e6-478c-93c5-620121589959"><hi rend="latintype">Ole Bull</hi><name key="PSN0110182" style="hidden" type="person">Bull, Ole Bornemann Johansen (1810-1880)</name></persName> und <persName xml:id="persName_9f1f9223-ca2a-4a26-8f69-6e6a278b4399"><hi rend="latintype">Ernst</hi><name key="PSN0110935" style="hidden" type="person">Ernst, Heinrich Wilhelm (1814-1865)</name></persName> Aufsehen machen wird.</p> </div> </body> </text></TEI>