gb-1840-09-15-01
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Stettin, 14. und 15. September 1840
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
1 Doppelbl.: S. 1-3 Brieftext; S. 4 Adresse, 2 Poststempel [STETTIN 11-12 / 15/9], [St. Post / ? SEP / V. ?-4], Siegel.
Carl August Dohrn
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Doctor Felix Mendelssohn Bartholdy
Leipzig.frei.
D’ hast mir so
To day is the night, I repeat it with great sorrow
That we were all to be blown up to-morrow!
welche Verse weniger von Shakespeare als von einem vagirenden
Guy Fawkes daypoeten stammen und hier
in speciebedeuten sollen, daß
crêmeder Stettiner Kunstliebler Deine divine Buffoarie aus dem Singspiel (cf.
lucus a non lucendo
senza sordini, also dieser musicalische Abdecker meiner eustachischen Röhre stolperte auf dem schlappen Drathe einer hausbackenen Halbvirtuosität ungebührlich herum, machte mich durch eine Probeflasche aus seinem Oxhoft mit der
étiquette„die Geusen“ nichts weniger als lüstern nach dem Besitze des ganzen Jahrgangs, schlug in dem
Cdur Arie aus
Aria, ironisirte auf das wackerste eine mehr als läppische Tändelei vongueux
dreimal blaffte die Melodie
da, wegen des Hundetropus) und versetzte letzlich durch Deine tanzmeisterliche
capobuffonatadas Publicum in die rosinfarbenste Laune, von welcher Dir gegenwärtiger Brieffetzen einen schwachen Abriß abreiße.
Felix M B erst geneigt war für F manu brobria zu lesen, da Du nun schon lange genug in Laipzg wohnt, um b und p zu verwechseln.
werden weder Quinten noch Faxen gemacht, sondern officielle Nachrichten wie folgt ertheilt:
Du erhälst durch Fuhrmann Siepert, welcher
eine Kiste mit
4 Flaschen Médoc St Julien –(Oxhoft 120 rt) 2 rt
4 do do Margaux ( " 108 rt) 1 rt 25 spl
4 " " St Estèphe ( " 96 rt) 1 rt 20 spl
p Kiste – “ 7 “ 6 d
5 “ 22” 6”
Dieser Wein hat respective 8 – 12 Monat bereits auf Flaschen gelegen: nun kannst Du ihn zwar auch in Gebinden bekommen, und ersparst dadurch etwas an Fracht. Das Oxhoft würde Dir mit 270 Fl geliefert werden; überlegst Du aber die Unannehmlichkeit des Füllens Flaschen – und Korken-Anschaffens, mögliche Fälschung unterwegs, welche bei Flaschen Kisten nicht möglich ist, so hoffe ich, Du wirst, wenn anders der Wein Dir behagt (für die Reellität des Verkäufers bürge ich) einer Flaschenbestellung den Vorzug geben.
Dem Fuhrmann Siepert zahle gefälligst seine Fracht, prüfe die verschiedenen Sorten, schreib mir demnächst Bescheid, und ich werde Dir alsdann über die Factur von 5 . 22 . 6 das weitere schreiben.
Ei du liäbs geschaits Flixerle D’ hast mir so a verkehrts Briefblattl’ gschriäbn, daß i Dir a so’n verkehrts mit dridoppelti Schpampernadln zsamm flickerln sollt’ – aber bei Licht besehen (es ist zehn Uhr Abends) begnüge ich mich mir diesem verkehrten Anfang und fahre nunmehr mit pommerscher Suppenlöffelsapienz fort:To day is the night, I repeat it with great sorrowThat we were all to be blown up to-morrow! welche Verse weniger von Shakespeare als von einem vagirenden Guy Fawkes day poeten stammen und hier in specie bedeuten sollen, daß heute am 13 September Du mir eine wissentliche und eine unwissentlich Freude gemacht hast. Die erste durch Deinen Brief, und durch Deinen (((((Auftrag) )) )) die Parenthesen bedeuten die vielen Clauseln (Illo) : die unwissentliche basirte sich nicht etwa böslich interpretiert auf eine Unwissenheit von Dir, sondern auf Amor und Zschiesche, sintemal letzerer so eben vor der crême der Stettiner Kunstliebler Deine divine Buffoarie aus dem Singspiel (cf. München, wo Du mirs spieltest) gesungen hat. Da ich nun in der Stettiner aesthetischen Schaafmilch nach dem dicken Leuen einen der fettesten Lappen vorstelle, so war meine Heiterkeit ungeschlacht. Die musikalische Säuerei (das ä verräth den euphemistischen Weltmann?) begann mit dem Concertgewebe von Weber, welches Du uns vor beiläufig einem Decennium erheblich besser abgehaspelt hast: Herr Constantin Decker ein lucus a non lucendo aus Neucölln am Wasser, denn er spielt alles ohne Decke, senza sordini, also dieser musicalische Abdecker meiner eustachischen Röhre stolperte auf dem schlappen Drathe einer hausbackenen Halbvirtuosität ungebührlich herum, machte mich durch eine Probeflasche aus seinem Oxhoft mit der étiquette „die Geusen“ nichts weniger als lüstern nach dem Besitze des ganzen Jahrgangs, schlug in dem Schubert-Lisztschen Erlkönig einmal so derb vorbei, daß es der alte Fritz auf dem weißen Paradeplatz gehört haben muß und begleitete Psyschen die große C dur Arie aus Spohrs Faust sattsam mittelmäßig. Diese aber mit ihrer pomposen Baßposaune schlug sich heldenmüthig erst durch die bettelhaften gueux Aria, ironisirte auf das wackerste eine mehr als läppische Tändelei von Lortzing, eine wahre Caricatur im Costume Peter des Großen, biß sich tapfer durch eine Cerberus-Romanze vom dachdeckenden Beestgeber (dreimal blaffte die Melodie da capo, wegen des Hundetropus) und versetzte letzlich durch Deine tanzmeisterliche buffonata das Publicum in die rosinfarbenste Laune, von welcher Dir gegenwärtiger Brieffetzen einen schwachen Abriß abreiße. Morgen früh erfahre ich von meinem Noah näheres über den Modus, in welchem er Deinen Wünschen nach „feinem Erröthen“ zu begegnen hofft, heute nur noch den schlechten Witz, daß ich Dein Felix M B erst geneigt war für F manu brobria zu lesen, da Du nun schon lange genug in Laipzg wohnt, um b und p zu verwechseln. Gute Nacht! Heute Sonntag den 15 September werden weder Quinten noch Faxen gemacht, sondern officielle Nachrichten wie folgt ertheilt: Du erhälst durch Fuhrmann Siepert, welcher morgen abgeht und in 8 – 10 Tagen nach Leipzig kommt eine Kiste mit 4 Flaschen Médoc St Julien –(Oxhoft 120 rt) 2 rt 4 do do Margaux ( " 108 rt) 1 rt 25 spl 4 " " St Estèphe ( " 96 rt) 1 rt 20 spl p Kiste – “ 7 “ 6 d 5 “ 22” 6” Dieser Wein hat respective 8 – 12 Monat bereits auf Flaschen gelegen: nun kannst Du ihn zwar auch in Gebinden bekommen, und ersparst dadurch etwas an Fracht. Das Oxhoft würde Dir mit 270 Fl geliefert werden; überlegst Du aber die Unannehmlichkeit des Füllens Flaschen – und Korken-Anschaffens, mögliche Fälschung unterwegs, welche bei Flaschen Kisten nicht möglich ist, so hoffe ich, Du wirst, wenn anders der Wein Dir behagt (für die Reellität des Verkäufers bürge ich) einer Flaschenbestellung den Vorzug geben. Dem Fuhrmann Siepert zahle gefälligst seine Fracht, prüfe die verschiedenen Sorten, schreib mir demnächst Bescheid, und ich werde Dir alsdann über die Factur von 5 . 22 . 6 das weitere schreiben. Empfiehl mich und meiner Frau der liebenswürdigsten Deinigen und behalte lieb Deinen D.
<TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="gb-1840-09-15-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="gb-1840-09-15-01" xml:id="title_8cf1b9f2-32d8-4e17-ba0b-3ffa89757b6c">Carl August Dohrn an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig <lb></lb>Stettin, 14. und 15. 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Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when-custom="1840-09-14 and 1840-09-15 and JJJJ-MM-TT" xml:id="date_90464b43-5eed-4407-b2ac-f7b775758196">14. und 15. 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November 1605, dem Tag der Parlamentseröffnung, plante Guy Fawkes (1570-1606) ein Sprengstoffattentat auf König James I. und das englische Parlament zu verüben. Die Verschwörung, Gunpowder plot genannt, flog auf und wurde vereitelt. Der Jahrestag der Vereitelung des Attentats, die Bonfire Night oder Guy Fawkes-Night, wird in Großbritannien mit Straßenumzügen und Feuerwerken gefeiert, bei denen eine Guy Fawkes-Puppe verbrannt wird.</note> poeten<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_7529b6c4-2867-418b-9420-f88c43202b9a" xml:lang="de ">einem vagirenden Guy Fawkes day poeten – nicht ermittelt.</note> stammen und hier <hi rend="latintype">in specie</hi> bedeuten sollen, daß <date cert="high" when="1840-09-14" xml:id="date_7d263935-7f54-4e11-b24f-a366f40db938">heute</date> am <date cert="high" when="1840-09-14" xml:id="date_fbfa3c4a-52cf-4d28-8a45-e31307e4f76c">1<choice resp="writer" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_72713cc5-892b-4304-a271-5b3a60728196"><corr resp="writer">4</corr><sic resp="writer">3</sic></choice> September</date> Du mir eine wissentliche und eine unwissentlich Freude gemacht hast. 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Da ich nun in der Stettiner aesthetischen Schaafmilch nach dem dicken <persName xml:id="persName_51a82494-be67-43d9-9005-5160fe1fb01a">Leuen<name key="PSN0112914" style="hidden" type="person">Loewe, Johann Carl Gottfried (1796-1869)</name></persName> einen der fettesten Lappen vorstelle, so war meine Heiterkeit ungeschlacht. Die musikalische Säuerei (das ä verräth den euphemistischen Weltmann?) begann mit dem Concertgewebe von <persName xml:id="persName_e80562c9-1dc7-49d2-ac5d-9ae065a51906">Weber<name key="PSN0115645" style="hidden" type="person">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786-1826)</name></persName>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_022b7e63-ef08-40b5-93b2-aecd0a4b88c6" xml:lang="de ">Concertgewebe von Weber – Es könnte sich um Carl Maria von Webers Konzertstück für Klavier und Orchester f-Moll, op. 79 (WeV N. 17) handeln.</note> welches Du uns vor beiläufig einem Decennium erheblich besser abgehaspelt hast: Herr <persName xml:id="persName_87e2bc86-e2e1-440f-9fe9-6d0ad86dc6ea">Constantin Decker<name key="PSN0110581" style="hidden" type="person">Decker, Constantin (1810-1878)</name></persName><seg type="pagebreak"> |2| <pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg>ein <foreign xml:id="foreign_eeb8f567-54d4-4f95-8509-c7543cba15ee" xml:lang="la"><hi rend="latintype">lucus a non lucendo</hi></foreign><note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_059da129-b815-4f8a-ad33-773930be95ef" xml:lang="de ">lucus a non lucendo – antike Antiphrasis: »lucus« (der Hain) ist nicht von »lucendo« (leuchtend) abzuleiten.</note> aus <placeName xml:id="placeName_35c9875a-392a-46b3-a94f-8528e0a59364">Neucölln am Wasser<settlement key="STM0105350" style="hidden" type="locality">Neu-Kölln am Wasser</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, denn er spielt alles ohne Decke, <hi rend="latintype">senza sordini</hi>, also dieser musicalische Abdecker meiner eustachischen Röhre stolperte auf dem schlappen Drathe einer hausbackenen Halbvirtuosität ungebührlich herum, machte mich durch eine Probeflasche aus seinem Oxhoft<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_be9383b6-ecab-481a-aeb2-2615ac0c81bd" xml:lang="de ">Oxhoft – Das Oxhoft ist ein altes Volumenmaß für Flüssigkeiten wie beispielsweise Wein.</note> mit der <hi rend="latintype">étiquette</hi> „die Geusen“ nichts weniger als lüstern nach dem Besitze des ganzen Jahrgangs, schlug in dem <title xml:id="title_b7630ff2-5a0a-48cc-96ee-11d00f344a46">Schubert-Lisztschen Erlkönig<name key="PSN0112894" style="hidden" type="author">Liszt, Franz (Ferenc) (1811-1886)</name><name key="CRT0109773" style="hidden" type="music">Erlkönig S 558/4</name></title> einmal so derb vorbei, daß es <persName xml:id="persName_fca0bece-5248-4b79-a150-6cae8a7f0e0e">der alte Fritz<name key="PSN0113984" style="hidden" type="person">Preußen, Friedrich II. von (der Große) (1712-1786)</name></persName> auf dem weißen Paradeplatz gehört haben muß und begleitete Psyschen die große <hi rend="latintype">C</hi> dur Arie aus <title xml:id="title_fe4a3c6e-1991-485c-aca4-fb41e2fa941c">Spohrs Faust<name key="PSN0115032" style="hidden" type="author">Spohr, Louis (Ludewig) (1784-1859)</name><name key="CRT0110915" style="hidden" type="music">Faust WoO 51</name></title> sattsam mittelmäßig. Diese aber mit ihrer pomposen Baßposaune schlug sich heldenmüthig erst durch die bettelhaften <hi rend="latintype"><foreign xml:id="foreign_512f4e84-8e56-4be7-b905-b450323b092a" xml:lang="fr">gueux</foreign></hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_6014309f-6566-4dc5-8e22-89092ec888f4" xml:lang="de ">gueux – frz., der Bettler.</note> Aria, ironisirte auf das wackerste eine mehr als läppische Tändelei von <persName xml:id="persName_279064ff-f461-4392-b888-34cae06dc473">Lortzing<name key="PSN0112933" style="hidden" type="person">Lortzing, Albert Gustav (1801-1851)</name></persName>, eine wahre Caricatur im Costume <persName xml:id="persName_6407f131-47ef-4646-9807-1c25696dc41c">Peter des Großen<name key="PSN0114361" style="hidden" type="person">Russland, Alexander I. Pawlowitsch (Aleksandr Pavlovič) von (1777-1825)</name></persName>, biß sich tapfer durch eine Cerberus-Romanze vom dachdeckenden Beestgeber<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_4752ea36-571b-4e37-ac88-1abbf00fc255" xml:lang="de ">Beest – niederl. Bestie, Biest.</note> (<hi n="1" rend="underline">drei</hi>mal blaffte die Melodie <hi rend="latintype">da <hi n="1" rend="underline">capo</hi></hi>, wegen des Hundetropus) und versetzte letzlich durch Deine tanzmeisterliche <hi rend="latintype">buffonata</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_abcc2b97-0844-44d5-8154-7229400b4a07" xml:lang="de ">Deine tanzmeisterliche buffonata – nicht ermittelt.</note> das Publicum in die rosinfarbenste Laune, von welcher Dir gegenwärtiger Brieffetzen einen schwachen Abriß abreiße.</p> <p><date cert="high" when="1840-09-15" xml:id="date_b16924ca-d3dc-4b95-901b-b1e5bbfcebb2">Morgen</date> früh erfahre ich von meinem Noah<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_3b2053f5-f1ac-471d-b016-edf3ba55bd3f" xml:lang="de ">Noah – Der biblische Noah galt als erster Winzer der Menschheitsgeschichte, 1. Mose 9,20.</note> näheres über den Modus, in welchem er Deinen Wünschen nach „feinem Erröthen“ zu begegnen hofft, <date cert="high" when="1840-09-14" xml:id="date_77d3f9e1-046e-4949-80f6-5aff6a19143d">heute</date> nur noch den schlechten Witz, daß ich Dein <hi rend="latintype">Felix M B</hi> erst geneigt war für <hi rend="latintype">F manu brobria</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_457bf2d0-2321-4a79-b635-f382068624dd" xml:lang="de ">manu brobria – lat. manu propria, eigenhändig.</note> zu lesen, da Du nun schon lange genug in Laipzg wohnt, um <hi rend="latintype">b</hi> und <hi rend="latintype">p</hi> zu verwechseln. </p> <closer rend="right">Gute Nacht!</closer> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_782f8cf0-cba9-4e0d-8882-034665cfe9a3"> <docAuthor key="PSN0110691" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_7d541e60-025a-4459-af2f-8ccf9b36709f">Dohrn, Carl August (1806-1892)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0110691" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_036240f2-18a8-4dd2-9d9f-1852e82fe9ec">Dohrn, Carl August (1806-1892)</docAuthor> <dateline rend="center"><seg type="pagebreak"> |3| <pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg>Heute Sonntag den 15 September <note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_7e330d55-e4d1-4ddf-a159-caead5ccada0" xml:lang="de ">Sonntag den 15 September – Der 15. September 1840 war ein Dienstag. Dohrns Brief wurde am 15. September 1840 von Stettin abgeschickt; siehe Poststempel.</note> <gap quantity="1" reason="covering" unit="words"></gap></dateline> <p style="paragraph_without_indent">werden weder Quinten noch Faxen gemacht, sondern officielle Nachrichten wie folgt ertheilt:</p> <p>Du erhälst durch Fuhrmann <hi rend="latintype">Siepert</hi>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_e40fb727-da81-4f4d-854b-bfb3a1f80e98" xml:lang="de ">Fuhrmann Siepert – Es könnte sich um Fuhrmann Siebert handeln, der bereits zuvor Transporte für die Familie Mendelssohn getätigt hatte; siehe Die Mendelssohns in Berlin – Eine Familie und ihre Stadt (Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ausstellungskataloge, Bd. 20), bearbeitet von Rudolf Elvers und Hans-Günter Klein, Wiesbaden 1983, S. 205 f.</note> welcher <date cert="high" when="1840-09-16" xml:id="date_5ff254cf-51f0-49da-bd27-b03c65bb27dc">morgen</date> abgeht und in 8 – 10 Tagen nach Leipzig kommt</p> <p>eine Kiste mit</p> <p>4 Flaschen <hi rend="latintype">Médoc St Julien</hi> –(Oxhoft 120 rt) 2 rt</p> <p>4 do do <hi rend="latintype">Margaux</hi> ( " 108 rt) 1 rt 25 spl</p> <p>4 " " <hi rend="latintype">St Estèphe</hi> ( " 96 rt) 1 rt 20 spl</p> <p> p Kiste – “ 7 “ 6 d</p> <p>5 “ 22” 6”</p> <p>Dieser Wein hat respective 8 – 12 Monat bereits auf Flaschen gelegen: nun kannst Du ihn zwar auch in Gebinden bekommen, und ersparst dadurch etwas an Fracht. Das Oxhoft würde Dir mit 270 Fl geliefert werden; überlegst Du aber die Unannehmlichkeit des Füllens Flaschen – und Korken-Anschaffens, mögliche Fälschung unterwegs, welche bei Flaschen Kisten nicht möglich ist, so hoffe ich, Du wirst, wenn anders der Wein Dir behagt (für die Reellität des Verkäufers bürge ich) einer Flaschenbestellung den Vorzug geben.</p> <p>Dem Fuhrmann <hi rend="latintype">Siepert</hi> zahle gefälligst seine Fracht, prüfe die verschiedenen Sorten, schreib mir demnächst Bescheid, und ich werde Dir alsdann über die <hi rend="latintype">Factur</hi> von 5 . 22 . 6 das weitere schreiben.</p> <closer rend="left">Empfiehl mich und <persName xml:id="persName_c8b52a7e-37cb-4a61-92d8-b700da2481b2">meiner Frau<name key="PSN0110689" style="hidden" type="person">Dohrn, Adelheid Amalie Wilhelmine Christiane (1803-1883)</name></persName> der <persName xml:id="persName_9828103e-88e7-4b33-928d-e6f19c10ef2a">liebenswürdigsten Deinigen<name key="PSN0113252" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName></closer> <signed rend="right">und behalte lieb Deinen</signed> <signed rend="right">D.</signed> </div> </body> </text></TEI>