gb-1840-08-25-01
Hilfe zum Zitier-Tool
Um wichtige Textpassagen (Zitate) zu speichern und auf diese via Hyperlink zu verweisen, markieren Sie bitte den gewünschten Textbereich.
Daraufhin erscheint ein Fenster, in welchem Sie die ausgewählte Textpassage inkl. des Hyperlinks zur weiteren Verwendung in die Zwischenablage kopieren können.
Dresden, 25. August 1840
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext.
Caroline Willmann-Lehmann
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Ich muß sehr um Vergebung bitten daß ich es wage Eüer Wohlgebohren mit diesem Schreiben ergebenst zu Belästigen, da ich nicht daß Glük habe von Eüer Wohlgebohren Persöhnlich gekannt zu sein, ich auch nicht einmahl weis ob ich je einmahl daß Glük hatte von Ihnen Gehört zu werden. Allein da Eüer Wohlgebohren Ruf eben so Allgemein Berühmt als Großer Künstler als auch als höchst Edler Vortrefflicher Mann ist, der nur daß Guhte und Wahre in der Kunst wie im Leben zu Schaffen und Befördern sucht, so Wage ich es blos deßhalb, weil ich weis daß ich nicht mich an einen Gewöhnlichen Mann wende, mich an Eüer Hochwohlgebohren hiemit ergebenst Vertrauungsvoll zu wenden. – Villeicht habe ich daß Glük wenigstens den Nahmennach Eüer Wohlgebohren nicht ganz Unbekant geblieben zu sein, da ich unter meinen früheren Nahmen als Mlle: Willmann sowohl hier als bey mehreren Bedeutenden Bühnen Deutschlands
Engagiertwar und theils Gastrollen gab. So auch in Leipzig, und ebenfalls wie überrall mit ich darf Sagen Großen und Entschiedenen Beyfall. Hierher nach
Dresdenwurde ich von
Engagement
Engagementswurde auch würklich der Grundstein zu meinen Nachherigen so Großen Unglük. Ich Reißte nach
Verona
etz. mit vielen Beyfall Sang, alle
6Jahren erduldete – immer die Hoffnung nicht Aufgeben könnend er würde sich dennoch Bessern – haben endlich mein Herz Gebrochen, meine Gesundheit Glük und Ruhe Zers
Concertenund Singunterricht mir und meinen Kindern etwaß zu Verdiehnen, da mein
Engagementdurch seine Liederlichkeit Verscherzt. Waß ich Leide indem ich von meinen Man den Vater meiner Armen Kinder so Sprechen muß, daß weis nur Gott. – Ich wünschte nun also einen Bedeütenden Ort zu finden mit einen Kunstsinnigen Gebildeten Publikum wo ich mir einen Wirkungskreis Schaffen könte, und durch Singunterricht und
mir eineCo nzerte
ExsistenzGründen könte. Hier ist es nicht möglich weil
Dresdenschon so sehr mit Gesangs Lehrern und Lehrerinnen überheuft sind daß diese schon die zulezt dazu kamen nichts zu thuen haben. Nun also dachte ich villeicht in Leipzig meinen Wunsch und Zwek erreichen zu können, nähmlich freylich nur dan wen mir daß Glük zu theil würde von Eüer Hochgebohren dabey gühtigst Unterstüzt zu werden
Da man nun in einem Concert keiner so Starke Stimme als auf der Bühne braucht, sondern es mehr auf Kunst und Vortrag Ankömt besonders bey einem so Gebildeten Publikum wie Leipzig, dessen Kunstsin durch Eüer Wohlgebohren noch immer mehr Geleutert und veredelt wird, so nehme ich mir hiemit die freyheit Eüer Wohlgebohren Concert Sängerin für die künftige Winter Saison in Engagieren. Ich weis wohl aus den Zeitungen daß diese Stelle gewöhnlich mit Jungen Anfängerinnen besezt wird, wahrscheinlich mit frischen Schönen Stimmen doch würde man sich villeichtDringenden Bitte zu Belästigen mich doch gühtigst so bald als möglich mit einer Gühtigst Geehrten Antwort Beehren zu wollen, damit ich meine Maßregeln so Schnell als möglich darnach treffen kan und meine Reise Antreten kan, woran mich bißjezt nur eine Krankheit meineß Kindeß Abgehallten hatt. Wen nun Eüer Wohlgebohren die Unendliche Gühte hatten meinen Wunsch zu erfüllen so würde ich gleich nach Leipzig abreisen. – Balldigst Gühtige Antwot Antwort und Ihre so höchst Einflußreiche Gühtige Unterstützung nochmahls ergebenst zu bitten, habe ich die Ehre mich zu E
Caroline Willmann-Lehmann
Dresden
24.
Eüer Hochwohlgebohren! Ich muß sehr um Vergebung bitten daß ich es wage Eüer Wohlgebohren mit diesem Schreiben ergebenst zu Belästigen, da ich nicht daß Glük habe von Eüer Wohlgebohren Persöhnlich gekannt zu sein, ich auch nicht einmahl weis ob ich je einmahl daß Glük hatte von Ihnen Gehört zu werden. Allein da Eüer Wohlgebohren Ruf eben so Allgemein Berühmt als Großer Künstler als auch als höchst Edler Vortrefflicher Mann ist, der nur daß Guhte und Wahre in der Kunst wie im Leben zu Schaffen und Befördern sucht, so Wage ich es blos deßhalb, weil ich weis daß ich nicht mich an einen Gewöhnlichen Mann wende, mich an Eüer Hochwohlgebohren hiemit ergebenst Vertrauungsvoll zu wenden. – Villeicht habe ich daß Glük wenigstens den Nahmennach Eüer Wohlgebohren nicht ganz Unbekant geblieben zu sein, da ich unter meinen früheren Nahmen als Mlle: Willmann sowohl hier als bey mehreren Bedeutenden Bühnen Deutschlands Engagiert war und theils Gastrollen gab. So auch in Leipzig, und ebenfalls wie überrall mit ich darf Sagen Großen und Entschiedenen Beyfall. Hierher nach Dresden wurde ich von Carl M. v. Weber herberrufen. Später aber ließ ich mich Leider von falschen Freünden, nahmenttlich Itallienern denen ich ein Dorn im Auge war weil sie Nie die Deütsche Oper damahls wollten Aufkommen laßen, von diesen wurde ich Beredet mein hiesiges Herrliches Engagement hier selbst Aufzugeben, waß nur dadurch zu Entschuldigen ist weil ich ein ganz Jungeß ganz Unerfahrenes Mädchen war, ohne Äeltern, ohne Freünde, und ganz ohne alle Welt und Menschenkenttniß. Der Verlust meineß hiesigen Engagements wurde auch würklich der Grundstein zu meinen Nachherigen so Großen Unglük. Ich Reißte nach Italien, wo ich zwar in einigen Bedeütenden Städten als Verona Mailand etz. mit vielen Beyfall Sang, allein so Ungeheüer viel mit den Tükken der Italliener zu kämpfen hatte, die mich Ehrliche Deütsche auf aller Art Betrogen daß mich bald die Sehnsucht nach meinen Deütschen Vaterlande überweltigte, und ich den Entschluß faßte in mein Liebeß Deütsches Vaterland zurük zu kehren. Allein statt daß ich nun hatte endlich die Gewünschte Ruhe finden können scheint es daß Gott mich von diesen Zeitpunkt an nach grade erst zu Allen Leiden Bestimmte. Ich hatte nähmlich daß Unglük auf meiner Rükreise einen Menschen kennen zu lernen der durch alle nur mögliche Verstellungskünste mich so sehr Verblendete darein zu willigen ihn zu Heürahten, ich hofte dadurch sein, mein, und meiner Kinder Glük zu machen, allein die Grenzenlose Nichtswürdigkeit und Verworfenheit dieses Elenden, den ich Leider Gatte und Vater meiner Armen Kinder nennen muß, brachte statt dessen Nahmenloses Unglük über mich, so daß ich in folge des Unnenbahren Körper und Seelenleiden die ich unaufhörlich während 6 Jahren erduldete – immer die Hoffnung nicht Aufgeben könnend er würde sich dennoch Bessern – haben endlich mein Herz Gebrochen, meine Gesundheit Glük und Ruhe Zerstört und auch nathürlich sehr Nachtheilig auf meine Stimme Eingewürkt, so zwar daß ich nun nicht im Stande bin auf der Bühne zu Singen biß ich mich mit Gotteßhülfe wieder villeicht werde Erholthaben, sondern für jezt bin ich nur im Stande mit Concerten und Singunterricht mir und meinen Kindern etwaß zu Verdiehnen, da mein Mann nachdem er auch mein bißchen Geld mir Durchgebracht hatt mich auch gar nicht Unterstützt, ja er selbst nüchts weil er sich jedeß Engagement durch seine Liederlichkeit Verscherzt. Waß ich Leide indem ich von meinen Man den Vater meiner Armen Kinder so Sprechen muß, daß weis nur Gott. – Ich wünschte nun also einen Bedeütenden Ort zu finden mit einen Kunstsinnigen Gebildeten Publikum wo ich mir einen Wirkungskreis Schaffen könte, und durch Singunterricht und Conzerte mir eine Exsistenz Gründen könte. Hier ist es nicht möglich weil Dresden schon so sehr mit Gesangs Lehrern und Lehrerinnen überheuft sind daß diese schon die zulezt dazu kamen nichts zu thuen haben. Nun also dachte ich villeicht in Leipzig meinen Wunsch und Zwek erreichen zu können, nähmlich freylich nur dan wen mir daß Glük zu theil würde von Eüer Hochgebohren dabey gühtigst Unterstüzt zu werden nur durch Euer Wohlgebohren so Einfluß und Gühtigen Verstand und Unterstützung könte es mir Gelingen, Und ich darf wohl sagen daß mir durch daß waß Sie die Gühte haben würden für mich zu thuen, Sie die Wahre Kunst Befördern würdern und zugleich daß Unglük Unterstützten en obwohl es Eytel klingt daß ich daß selbst von mir sage, so darf ich es doch da es Wahr izt wiederholen daß einige der Strengsten und mit Bange testen Kunstrichter mich in hinsicht meineß Vortrags und Seelenvollen Ausdruks zu den Ersten Sängerinnen Deütschlands Zählten. Da man nun in einem Concert keiner so Starke Stimme als auf der Bühne braucht, sondern es mehr auf Kunst und Vortrag Ankömt besonders bey einem so Gebildeten Publikum wie Leipzig, dessen Kunstsin durch Eüer Wohlgebohren noch immer mehr Geleutert und veredelt wird, so nehme ich mir hiemit die freyheit Eüer Wohlgebohren noch mit der Frage ergebenst zu Belästigen ob Sie wohl villeicht die Gewogenheit hathunben könten mich als Concert Sängerin für die künftige Winter Saison in Leipzig gühtigst zu Engagieren. Ich weis wohl aus den Zeitungen daß diese Stelle gewöhnlich mit Jungen Anfängerinnen besezt wird, wahrscheinlich mit frischen Schönen Stimmen doch würde man sich villeicht dießmahl durch meine Kunst für daß Entschedigen waß mir villeicht gegen diese Jungen Mädchens an frische der Stimme Abgehen sollte. So Jung und mitunter so Schön wie diese Anfängerinnen binn ich freylich auch nicht mehr, doch die Kunst bleibt ja wohl Ewig schön und Jung, die Wahre nähmlich. – Doch sehe ich mit Schrek daß mein Brief Sie sehr Ermüden muß, den er ist eine Wahre Abhandlung und Biographie geworden, weßhalb ich tausendmahl um Vergebung bitten muß. – Nun also wage ich es nur noch Eüer Hochwohlgebohren ganz ergebenst mit der Dringenden Bitte zu Belästigen mich doch gühtigst so bald als möglich mit einer Gühtigst Geehrten Antwort Beehren zu wollen, damit ich meine Maßregeln so Schnell als möglich darnach treffen kan und meine Reise Antreten kan, woran mich bißjezt nur eine Krankheit meineß Kindeß Abgehallten hatt. Wen nun Eüer Wohlgebohren die Unendliche Gühte hatten meinen Wunsch zu erfüllen so würde ich gleich nach Leipzig abreisen. – Indem ich nun hiemit nochmahls so frey bin Eüer Wohlgebohren dringend um eine Balldigst Gühtige Antwot Antwort und Ihre so höchst Einflußreiche Gühtige Unterstützung nochmahls ergebenst zu bitten, habe ich die Ehre mich zu E Empfehlen, und mit der größten Ausgezeichnetesten Hochachtung zu Verharren Eüer Hochwohlgebohren ganz gehorsamste Caroline Willmann-Lehmann Früher k. Sächs. Hof-Opern Sängerin. Dresden Den 25ten August. 1840. Wohnhaft im Stallinischen Dörfchen Nro 24.
<TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="gb-1840-08-25-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="gb-1840-08-25-01">Caroline Willmann-Lehmann an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig <lb></lb>Dresden, 25. August 1840</title> <title level="s" type="incipit">Ich muß sehr um Vergebung bitten daß ich es wage Eüer Wohlgebohren mit diesem Schreiben ergebenst zu Belästigen, da ich nicht daß Glük habe von Eüer Wohlgebohren Persöhnlich gekannt zu sein, ich auch nicht einmahl</title> <title level="s" type="sub">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="unknown" type="precursor">unbekannt</title> <title key="unknown" type="successor">unbekannt</title> <author key="PSN0119567">Willmann-Lehmann, Maria Anna Magdalena Caroline (1796-?)</author> <respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0119567" resp="writer">Willmann-Lehmann, Maria Anna Magdalena Caroline (1796-?)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. d. 38/71.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="gb-1840-08-25-01" type="letter">Caroline Willmann-Lehmann an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig; Dresden, 25. August 1840</title> <incipit>Ich muß sehr um Vergebung bitten daß ich es wage Eüer Wohlgebohren mit diesem Schreiben ergebenst zu Belästigen, da ich nicht daß Glük habe von Eüer Wohlgebohren Persöhnlich gekannt zu sein, ich auch nicht einmahl</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext.</p> <handDesc hands="1"> <p>Caroline Willmann-Lehmann</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation>25. August 1840</creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0119567" resp="author">Willmann-Lehmann, Maria Anna Magdalena Caroline (1796-?)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0119567" resp="writer">Willmann-Lehmann, Maria Anna Magdalena Caroline (1796-?)</persName> <placeName type="writing_place"> <settlement key="STM0100142">Dresden</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place"> <settlement key="STM0100116">Leipzig</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"></revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div n="1" type="act_of_writing"> <docAuthor key="PSN0119567" resp="author" style="hidden">Willmann-Lehmann, Maria Anna Magdalena Caroline (1796-?)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0119567" resp="writer" style="hidden">Willmann-Lehmann, Maria Anna Magdalena Caroline (1796-?)</docAuthor> <salute rend="left">Eüer Hochwohlgebohren!</salute> <p style="paragraph_without_indent">Ich muß sehr um Vergebung bitten daß ich es wage Eüer Wohlgebohren mit diesem Schreiben ergebenst zu Belästigen, da ich nicht daß Glük habe von Eüer Wohlgebohren Persöhnlich gekannt zu sein, ich auch nicht einmahl weis ob ich je einmahl daß Glük hatte von Ihnen Gehört zu werden. Allein da Eüer Wohlgebohren Ruf eben so Allgemein Berühmt als Großer Künstler als auch als höchst Edler Vortrefflicher Mann ist, der nur daß Guhte und Wahre in der Kunst wie im Leben zu Schaffen und Befördern sucht, so Wage ich es blos <hi n="1" rend="underline">deßhalb</hi>, weil ich weis daß ich nicht mich an einen Gewöhnlichen Mann wende, mich an Eüer Hochwohlgebohren hiemit ergebenst Vertrauungsvoll zu wenden. – Villeicht habe ich daß Glük wenigstens den <hi n="1" rend="underline">Nahmennach</hi> Eüer Wohlgebohren nicht ganz Unbekant geblieben zu sein, da ich unter meinen früheren Nahmen als <hi rend="latintype">Mlle</hi>: <hi rend="latintype"><hi n="1" rend="underline">Willmann</hi></hi> sowohl hier als bey mehreren Bedeutenden Bühnen Deutschlands <hi rend="latintype">Engagiert</hi> war und theils Gastrollen gab. So auch in Leipzig, und ebenfalls wie überrall mit ich darf Sagen Großen und Entschiedenen Beyfall. Hierher nach <hi rend="latintype">Dresden</hi> wurde ich von <persName xml:id="persName_3f2f4545-b8a1-4ed2-8f0e-55fb211d4833">Carl M. v. Weber<name key="PSN0115645" style="hidden" type="person">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786-1826)</name></persName> herberrufen. Später aber ließ ich mich Leider von falschen Freünden, nahmenttlich Itallienern denen ich ein Dorn im Auge war weil sie Nie die Deütsche Oper damahls wollten Aufkommen laßen, von diesen wurde ich Beredet <placeName xml:id="placeName_0ddd4843-31d7-4b74-a126-66ed0951000a">mein hiesiges Herrliches <hi rend="latintype">Engagement</hi><name key="NST0103588" style="hidden" subtype="" type="institution">Altes Opernhaus (Opernhaus am Zwinger)</name><settlement key="STM0100142" style="hidden" type="locality">Dresden</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> hier selbst<seg type="pagebreak"> |2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> Aufzugeben, waß nur dadurch zu Entschuldigen ist weil ich ein ganz Jungeß ganz Unerfahrenes Mädchen war, ohne Äeltern, ohne Freünde, und ganz ohne alle Welt und Menschenkenttniß. Der Verlust meineß hiesigen <hi rend="latintype">Engagements</hi> wurde auch würklich der Grundstein zu meinen Nachherigen so Großen Unglük. Ich Reißte nach <placeName xml:id="placeName_c37b9b28-a2ac-4097-96a4-6a097c222571">Italien<settlement key="STM0104792" style="hidden" type="locality">Italien</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, wo ich zwar in einigen Bedeütenden Städten als <placeName xml:id="placeName_f0948cd6-1b1c-434d-bb7e-80ebce7ff0fb"><hi rend="latintype">Verona</hi><settlement key="STM0104570" style="hidden" type="locality">Verona</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> <placeName xml:id="placeName_efd47466-3aae-4376-b14d-4ef93981d73d">Mailand<settlement key="STM0100180" style="hidden" type="locality">Mailand</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> <hi rend="latintype">etz</hi>. mit vielen Beyfall Sang, alle<unclear reason="covering" resp="FMBC">in</unclear> so Ungeheüer viel mit den Tükken der Italliener zu kämpfen hatte, die mich Ehrliche Deütsche auf aller Art Betrogen daß mich bald die Sehnsucht nach meinen <placeName xml:id="placeName_637c59cc-ad67-4020-bd40-f2eb7ec73e63">Deütschen Vaterlande<settlement key="STM0104839" style="hidden" type="locality">Deutschland</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> überweltigte, und ich den Entschluß faßte in mein Liebeß Deütsches Vaterland zurük zu kehren. Allein statt daß ich nun hatte endlich die Gewünschte Ruhe finden können scheint es daß Gott mich von diesen Zeitpunkt an <unclear reason="covering" resp="FMBC">nach</unclear> grade erst zu Allen Leiden Bestimmte. Ich hatte nähmlich daß Unglük auf meiner Rükreise einen Menschen kennen zu lernen der durch alle nur mögliche Verstellungskünste mich so sehr Verblendete darein zu willigen ihn zu Heürahten, ich hofte dadurch sein, mein, und meiner Kinder<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_defa9c18-fe04-4fa4-94ad-b4ca9826cfc7" xml:lang="de ">meiner Kinder – nicht ermittelt.</note> Glük zu machen, allein die Grenzenlose Nichtswürdigkeit und Verworfenheit dieses Elenden, den ich Leider Gatte und Vater meiner Armen Kinder<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_02cd2ab8-f441-43b8-b6df-390bd841d421" xml:lang="de ">Gatte und Vater meiner Armen Kinder – Caroline Willmann war zweimal verheiratet. In erster Ehe mit einem Herrn Debberton, in zweiter Ehe mit einem Herrn Lehmann.</note> nennen muß, brachte statt dessen Nahmenloses Unglük über mich, so daß ich in folge des Unnenbahren Körper und Seelenleiden die ich unaufhörlich während <hi n="1" rend="underline">6</hi> Jahren erduldete – immer die Hoffnung nicht Aufgeben könnend er würde sich dennoch Bessern – haben endlich mein Herz Gebrochen, meine Gesundheit Glük und Ruhe Zers<unclear reason="covering" resp="FMBC">tört</unclear> und auch nathürlich sehr Nachtheilig auf meine Stimme Eingewürkt, so zwar daß ich nun nicht im Stande bin auf der Bühne zu Singen biß ich mich mit Gotteßhülfe wieder villeicht werde Erholthaben, sondern für jezt bin ich nur im Stande mit <hi rend="latintype">Concerten</hi> und Singunterricht mir und meinen Kindern etwaß zu Verdiehnen, da mein<seg type="pagebreak"> |3|<pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg> Mann nachdem er auch mein bißchen Geld mir Durchgebracht hatt mich auch gar nicht Unterstützt, ja er selbst nüchts weil er sich jedeß <hi rend="latintype">Engagement</hi> durch seine Liederlichkeit Verscherzt. Waß ich Leide indem ich von meinen Man den Vater meiner Armen Kinder so Sprechen muß, daß weis nur Gott. – Ich wünschte nun also einen Bedeütenden Ort zu finden mit einen Kunstsinnigen Gebildeten Publikum wo ich mir einen Wirkungskreis Schaffen könte, und durch Singunterricht und <hi rend="latintype"><unclear reason="covering" resp="FMBC">Co</unclear>nzerte</hi> mir eine <hi rend="latintype">Exsistenz</hi> Gründen könte. Hier ist es nicht möglich weil <hi rend="latintype">Dresden</hi> schon so sehr mit Gesangs Lehrern und Lehrerinnen überheuft sind daß diese schon die zulezt dazu kamen nichts zu thuen haben. Nun also dachte ich villeicht in Leipzig meinen Wunsch und Zwek erreichen zu können, nähmlich freylich nur dan wen mir daß Glük zu theil würde von Eüer Hochgebohren dabey gühtigst Unterstüzt zu werden <gap quantity="1" reason="covering" unit="words"></gap> nur durch Euer Wohlgebohren so Einfluß und Gühtigen Verstand und Unterstützung könte es mir Gelingen, Und ich darf wohl sagen daß mir durch daß waß Sie die Gühte haben würden für mich zu thuen, Sie die <unclear reason="covering" resp="FMBC">W</unclear>ahre Kunst Befördern würdern und zugleich daß Unglük Unterstützten <gap quantity="4" reason="covering" unit="characters"></gap>en obwohl es Eytel klingt daß ich daß selbst von mir sage, so darf ich es doch da es Wahr izt wiederholen daß einige der Strengsten und mit Bange <gap quantity="4" reason="covering" unit="characters"></gap>testen Kunstrichter mich in hinsicht meineß Vortrags und Seelenvollen Ausdruks zu den Ersten Sängerinnen <placeName xml:id="placeName_ca943960-f3bb-4d25-a4d0-5a94d0a88108">Deütschlands<settlement key="STM0104839" style="hidden" type="locality">Deutschland</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> Zählten.</p> <p>Da man nun in einem <hi rend="latintype">Concert</hi> keiner so Starke Stimme als auf der Bühne braucht, sondern es mehr auf Kunst und Vortrag Ankömt besonders bey einem so Gebildeten Publikum wie Leipzig, dessen Kunstsin durch Eüer Wohlgebohren noch immer mehr Geleutert und veredelt wird, so nehme ich mir hiemit die freyheit Eüer Wohlgebohren <unclear reason="covering" resp="FMBC">noch</unclear> mit der Frage ergebenst zu Belästigen ob Sie wohl villeicht die Gewogenheit hathunben könten mich als <hi rend="latintype">Concert</hi> Sängerin für die künftige Winter <hi rend="latintype">Saison</hi> in <placeName xml:id="placeName_5acb1f2b-6a69-41a3-837d-8e1f05667bb5">Leipzig<name key="NST0100117" style="hidden" subtype="Abonnementkonzerte, Konzerte" type="institution">Gewandhaus</name><settlement key="STM0100116" style="hidden" type="locality">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> gühtigst zu <hi rend="latintype">Engagieren</hi>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_09bf9fdd-8693-4c16-af7b-ead8ddd5b0fc" xml:lang="de ">mich als Concert Sängerin für die künftige Winter Saison in Leipzig gühtigst zu Engagieren – Es ist kein Auftritt von Caroline Willmann-Lehmann in einem der Abonnementkonzerte des Leipziger Gewandhauses nachweisbar; siehe Hagels, Konzerte in Leipzig, Statistik.</note> Ich weis wohl aus den Zeitungen daß diese Stelle gewöhnlich mit Jungen Anfängerinnen besezt wird, wahrscheinlich mit frischen Schönen Stimmen doch würde man sich villeicht<seg type="pagebreak"> |4|<pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg> dießmahl durch meine Kunst für daß <add place="above">Entschedigen<name key="PSN0119567" resp="writers_hand" style="hidden">Willmann-Lehmann, Maria Anna Magdalena Caroline (1796-?)</name></add> waß mir villeicht gegen diese Jungen Mädchens an frische der Stimme Abgehen sollte. So Jung und mitunter so Schön wie diese Anfängerinnen binn ich freylich auch nicht mehr, doch die Kunst bleibt ja wohl Ewig schön und Jung, die Wahre nähmlich. – Doch sehe ich mit Schrek daß mein Brief Sie sehr Ermüden muß, den er ist eine Wahre Abhandlung und Biographie geworden, weßhalb ich tausendmahl um Vergebung bitten muß. – Nun also wage ich es nur noch Eüer Hochwohlgebohren ganz ergebenst mit der <hi n="1" rend="underline">Dringenden</hi> Bitte zu Belästigen mich doch gühtigst so bald als möglich mit einer Gühtigst Geehrten Antwort Beehren zu wollen, damit ich meine Maßregeln so Schnell als möglich darnach treffen kan und meine Reise Antreten kan, woran mich bißjezt nur eine Krankheit meineß Kindeß Abgehallten hatt. Wen nun Eüer Wohlgebohren die Unendliche Gühte hatten meinen Wunsch zu erfüllen so würde ich gleich nach Leipzig abreisen. – <seg type="closer">Indem ich nun hiemit nochmahls so frey bin Eüer Wohlgebohren dringend um eine <hi n="1" rend="underline">Balldigst</hi> Gühtige <del cert="low" rend="strikethrough">Antwot</del> Antwort und Ihre so höchst Einflußreiche Gühtige Unterstützung nochmahls ergebenst zu bitten, habe ich die Ehre mich zu E<gap quantity="4" reason="covering" unit="characters"></gap> Empfehlen, und mit der größten Ausgezeichnetesten Hochachtung zu Verharren</seg></p> <signed rend="right">Eüer Hochwohlgebohren</signed> <signed rend="right">ganz gehorsamste</signed> <signed rend="right"> <hi rend="latintype">Caroline Willmann-Lehmann</hi> </signed> <signed rend="right">Früher k. Sächs. Hof-Opern Sängerin.</signed> <dateline rend="left"> <hi rend="latintype">Dresden</hi> </dateline> <dateline rend="left">Den <date cert="high" when="1840-08-25">25ten August</date>.</dateline> <dateline rend="left"><date cert="high" when="1840-08-25">1840</date>.</dateline> </div> <div type="sender_address"> <p style="paragraph_left"> <address> <addrLine>Wohnhaft im</addrLine> <addrLine>Stallinischen</addrLine> <addrLine>Dörfchen Nro <hi n="1" rend="underline">24.</hi></addrLine> </address> </p> </div> </body> </text></TEI>