gb-1839-09-22-01
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Berlin, 22. September 1839
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
1 Doppelbl. und 1 Bl.: S. 1-5 Brieftext; S. 4 Adresse, 1 Poststempel [BERLIN / 22/9 / 6-9], Siegel.
Joseph Fürst
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
rWohlgeboren
D
rFelix Mendelssohn-Bartholdy
Leipzigfrei
scilicet derjenigen, die mir aus einer Antwort von Ihnen entgegentönen würden. Freilich ist’s damit bei Ihnen ein Nützelicher Punkt. Sie sind mitunter ein so hartnäckiger Schweiger, daß der Erwartende und Briefsender in einen Nervenzustand geräth, der ihn Disharmonien hören lässt. Aber zur Sache: Wie steht’s doch mit Ihrer Oper? Ich habe vor einigen Monaten so ein dumpfes Gemurmel gehört, als seien Sie mit dem
Siesich unfrei fühlen sollten, wenn Sie einen Vorwurf ähnlich einem, den Auber schon behandelt hat, zu behandeln hätten. An der andern von Ihnen gewünschten Aenderung aber möchte vollends guter Wille wie Vermögen des Dichters scheitern, an der nämlich, daß er eine der ersten Personen in eine komische verwandte. Wünschenswerth genug mag es sein, daß der Brief Ihnen Gelegenheit gäbe, auch Ihren Humor zu entfalten, den ich so hoch stelle, daß mir nichts erfreulicher gewesen wäre, als wenn Sie Sich für eine komische Oper entschieden hätten, auch mag diesem Stoff ein komischer Gegenstand zu den ernsten Personen vortheilhaft sein; aber so ist doch auch zu bedenken, was ein Autor überhaupt ändern kann, und was er ändern kann ohne selbst durch die That den Organismus seines Werks für verfehlt zu erklären. Sie selbst wissen, ein Buch zu finden, das Ihren Anforderungen irgend genügt, und unter welchen förderlichen Bedingungen Ihnen andererseits dieses, gewiß n
Nicht auf das persönliche Vertrauen, welches Sie mir eben in dieser Angelegenheit geschenkt haben, noch auf die aufrichtige Theilnahme, welche ich überhaupt für Alles empfinde was Sie schaffen, würde ich wahrlich das Recht bequemen Ihnen darüber gewissermaßen anmahnend zu schreiben; ich gründe das meine vielmehr auf das, welches Jeder, der Kunst hochstellt, wie es ihr gebührt und zugleich die Ihre hochstellt wie es ihr gebührt, und dem nur irgend Gele
titulo onoraro, wenn er auch keinen Vertrag deshalb zu unterzeichnen, und selbst wenn man den Gaben für diese Welt, eben ihrer willkürlich erscheinenden Vertheilung wegen, einer Gnadenwahl zuschreibt, so schließt das, wie ich den Begriff fasse, diese Bedingung nicht aus; denn die Gnade besteht weniger darin, daß man Gaben empfängt, weil sie, nicht gehörig benutzt, sich gegen den Empfänger selber kehren, – sondern darin, daß man vermöge ihrer viel zu leisten im Stande ist. Wollen Sie nun die in Beziehung auf Sie
Planché lang einig, oder haben gar soeben vor Eröffnung des Briefs den letzten Takt des letzten Finals der
Wie es um die „Johanna von Flandern“
steht, zu fragen wage ich, auch wenn es sich mit derPlanchéschen Oper
s, und das habe ich auch ernstlich gehalten. Nur als nothwendige Folgerung, aus Ihrem langen Schweigen abzunehmen, Sie hätten die Sache ganz wieder aufgegeben, dazu kann ich mich nachdem wir nach mannichfacher schriftlicher und mündlicher Verhandlung über alles Wesentliche des Inhalts und des Ganges der Handlung einig waren, ni
, mit dem geht’s mir nun genauso wie mit den Anderen. Da warst du nun selbstCécile
sehrlebhaft deshalb geäußerter Wunsch, wie ich ihn schwerlich zu erwarten habe, könnte mich vergessen machen, daß er ursprünglich Ihrer musikalischen Behandlung bestimmt war. Sollten Sie andererseits die Sache nicht aufgegeben haben, so bedenken Sie geht noch, daß es nicht gewiß ist, ob ich immer verfügbare Zeit habe. In der nächsten ist dies wenigstens wahrscheinlich. –
Von mir selbst und meinem körperlichen und geistigen Ergehn sage ich Ihnen lieber nichts. Solch’ einem hellglänzenden Lebensbilde wie des Ihren muß sich, wenn es irgend zu vermeiden, fremde Trübsal mit ihrem Pesthauche gar nicht nahen.
Von gemeinsamen Bekannten wusste ich Ihnen nichts mitzutheilen, was ich nicht als Ihnen bekannt vorauszusehen hätte. Daß
Berlin d 22. September 1839. Heute vor einem Jahr war ich bei Ihnen, und konnte mündlich mit Ihnen plaudern und von Ihnen hören; doch außer auf wenige Stunden ewige Monate später ist es mir seitdem nicht wieder so gut geworden. Daß man das Alleräußerlichste von Ihnen erfahre dafür freilich lassen Sie Ihren Ruf, und in Folge dessen die Zeitungsschreiber, sorgen, ja einige nähere Mittheilungen über Sie verdanke ich zuweilen der Güte der Ihrigen, die ich jetzt öfter sehe, und deren Freundlichkeit gegen mich ich dankend anzuerkennen habe oder ich nun zudem in den schönen Hintergrund ächtesten Künstlerischen Strebens und förderlichsten häuslichen Glücks komme, auf welchem sich Ihr äußeres Leben bewegt, zu welchem es zum grössten Theil seine heitere ja glänzende Gestaltung dankt, so könnte ich mich vielleicht mit dem was ich weiß bescheiden, nähme ich nicht so lebendigen Antheil als ich es in der That thue an Allem was Sie betrifft, und bewahrten Sie nicht eben über Eins, was mich von Allem worüber ich seit fast einem Jahre nichts irgend Positives gehört habe, am Meisten interessirt, ein Stillschweigen gegen alle Bedenken, als gilt es das innigste, zarteste Herzensgeheimnis. So will ich denn nun heute, wie zur Jahresfeier einer erfreulichen Zeit, auf meine Weise ein Musikfest zu geben versuchen. Unmusikalisch wie ich nun aber bin, kann ich meinerseits nichts dazu thun als aufklopfen, was ich eben durch diesen Brief thue, und dann erwarten, ob mein Stab ein Prunkstab gewesen sein wird, der den Quell der Harmonie aus Melodien öffnet, scilicet derjenigen, die mir aus einer Antwort von Ihnen entgegentönen würden. Freilich ist’s damit bei Ihnen ein Nützelicher Punkt. Sie sind mitunter ein so hartnäckiger Schweiger, daß der Erwartende und Briefsender in einen Nervenzustand geräth, der ihn Disharmonien hören lässt. Aber zur Sache: Wie steht’s doch mit Ihrer Oper? Ich habe vor einigen Monaten so ein dumpfes Gemurmel gehört, als seien Sie mit dem Dichter noch immer nicht über die Aenderungen am Text im Reinen. Das Buch, so wie ich es kenne, sei ein besonders gutes, wie ich denn ein gutes Opernbuch überhaupt zu den schweren Aufgaben zähle, aber es war doch eins, meiner Meinung nach, nicht so, daß die Oper am Buche hätte schreiben können. Ihre Musik würde bei jedem Buche, selbst bei Besseren, Mängel zu übertragen haben; Seien Sie drum froh, daß sie auch dazu geeignet ist. Einige Ihrer Ausstellungen schienen mir dazu gar nicht aus der Sache hervorgehend, sondern eher durch äußerliche Motive veranlasst. So z. B. gleich die, den Anfang betreffende. Es ist gewiß, und ich selbst sprach es Ihnen aus, daß man dabei an die Marktfeier aus „die Stumme“ erinnert werden kann, aber einmal wird der Dichter kaum eine lebendigere finden können, und dann, was thut er? Von Ihnen in Musik gesetzt wird die Scene mus. halb soviel Aehnlichkeit mit jenem haben, als im Buche gelesen, dann jedenfalls wird die musikalische Behandlung von der des Drangehen so ganz verschieden sein, daß sie nicht einmal dem Gekanten in den Zuhörern Raum lassen wird, sie hätten da irgend mit ihm konkurriren wollen. Und solch ein Heros ist doch Auber nimmermehr, daß Sie sich unfrei fühlen sollten, wenn Sie einen Vorwurf ähnlich einem, den Auber schon behandelt hat, zu behandeln hätten. An der andern von Ihnen gewünschten Aenderung aber möchte vollends guter Wille wie Vermögen des Dichters scheitern, an der nämlich, daß er eine der ersten Personen in eine komische verwandte. Wünschenswerth genug mag es sein, daß der Brief Ihnen Gelegenheit gäbe, auch Ihren Humor zu entfalten, den ich so hoch stelle, daß mir nichts erfreulicher gewesen wäre, als wenn Sie Sich für eine komische Oper entschieden hätten, auch mag diesem Stoff ein komischer Gegenstand zu den ernsten Personen vortheilhaft sein; aber so ist doch auch zu bedenken, was ein Autor überhaupt ändern kann, und was er ändern kann ohne selbst durch die That den Organismus seines Werks für verfehlt zu erklären. Sie selbst wissen, ein Buch zu finden, das Ihren Anforderungen irgend genügt, und unter welchen förderlichen Bedingungen Ihnen andererseits dieses, gewiß nicht gradezu schlechte, geboten wird. Nicht auf das persönliche Vertrauen, welches Sie mir eben in dieser Angelegenheit geschenkt haben, noch auf die aufrichtige Theilnahme, welche ich überhaupt für Alles empfinde was Sie schaffen, würde ich wahrlich das Recht bequemen Ihnen darüber gewissermaßen anmahnend zu schreiben; ich gründe das meine vielmehr auf das, welches Jeder, der Kunst hochstellt, wie es ihr gebührt und zugleich die Ihre hochstellt wie es ihr gebührt, und dem nur irgend Gelegenheit gegeben ist, ein Wort zu Ihnen gelangen zu lassen, aber in der betreffenden Beziehung hat. Sie wissen, wie sehr eine gute Oper Noth thut, welche der herrschenden, verderblich falschen Richtung mit siegender Gewalt in den Weg tritt, und haben nicht einmal mehr den Einwand, gute würdige Musik bleibe wirkungslos, denn Sie haben gesehn, wie Ihr „Paulus “ sich selbst da sein Publikum zu schaffen wußte, wo die Frivolität in der Musik ihren Hauptsitz in Deutschland aufgeschlagen hat. Es wird aber Niemanden auf der Welt etwas auf andere Weise gegeben, als titulo onoraro, wenn er auch keinen Vertrag deshalb zu unterzeichnen, und selbst wenn man den Gaben für diese Welt, eben ihrer willkürlich erscheinenden Vertheilung wegen, einer Gnadenwahl zuschreibt, so schließt das, wie ich den Begriff fasse, diese Bedingung nicht aus; denn die Gnade besteht weniger darin, daß man Gaben empfängt, weil sie, nicht gehörig benutzt, sich gegen den Empfänger selber kehren, – sondern darin, daß man vermöge ihrer viel zu leisten im Stande ist. Wollen Sie nun die in Beziehung auf Sie Gnadenwahl nicht freyentlich zurückweisen, wem läge dann mehr Leistung ob, als Ihnen? Und erfüllen Sie dies in Hinsicht auf einen der schönsten und wirksamsten Zweige Ihrer Kunst, der so offenkundig erkrankt ist und dafür wollt, wenngleich Gaukler ihm Ihre Blumen von Goldpapier aufheften, um den Hauptglauben zu machen, nun blühe er erst recht und recht glänzend, und welchem aber Sie im Stande wären, neues wahrhaftes Leben einzuhauchen? Ist es erhört, daß Jemand, der in seinem zehnten Jahre vielleicht schon alle schwere Technik seiner Kunst überwunden hatte, und innerlich voller Musik ist, lange in das eingetreten, in welchem künstlerische Ruhe und Erfahrung die Schlußsteine zu seinem Tempel fügen mussten, noch mit einem größeren, zur Verbreitung geeigneten Werke in der lebendigsten Gattung seiner Kunst zurückbleibt? Und warum? weil er dazu einer anderen Kunst bedarf, die er seinen Zwecken nie ganz dienstbar findet, wie willig sie ihm auch von allen Seiten entgegenkomme. Wäre die Sonne eben so stilistisch, sie ginge nicht auf, wenn der Himmel nicht vorher das kleinste Wölkchen im Osten zurückgezogen hätte. Auch sie könnte etwas dafür anführen. Sie könnte sagen, nun denn erfreue sie die Welt ganz wie sie vermöge, wenn ihr die rosige Glut, mit welcher sie aufsteige, völlig unverkümmert bleibe. Aber sie sagt das nicht, sondern denkt: Ballt ihr Wolken euch zusammen dick und schwarz wie ihr mögt; wenn ich erscheine wird’s der Erde darum Tag, und das eben will ich ja nur, ja euch selbst will ich so in meine Glut tauchen, daß ihr lieblich anzuschauen sein sollt. – Haben Sie den Brief nicht schon früher sehr gelangweilt und geärgert fortgeworfen – es wird darauf ankommen wie Sie geschlafen haben, oder auf die Konstellation des Tages, oder auf sonst etwas auf Erden oder im Himmel – und sind etwa mit Planché lang einig, oder haben gar soeben vor Eröffnung des Briefs den letzten Takt des letzten Finals der Oper im Kopfe fertig gemacht, so werden Sie laut auflachen. Dann aber, ich bitte Sie, lassen Sie mich mitlachen. Ich will so leise lachen, daß Niemand, wer es auch sei, vor dem Ihre Oper wie eine ganz fertige gewappnete und gerüstete Hellas Ihrem Geniehaupte entsprungen sein soll, das Mindeste davon hören wird. Wie es um die „Johanna von Flandern“ steht, zu fragen wage ich, auch wenn es sich mit der Planchéschen Oper so verhält, wie ich wünsche, nur mit Zögern, da Sie so konsequent über sie schweigen. Daß ich nichts an dem Stück thue ohne Ihre vorgängige Aufforderung sagte ich ihnen schon bei Gelegenheit auf vorletzter Unterhaltung im November vor Js, und das habe ich auch ernstlich gehalten. Nur als nothwendige Folgerung, aus Ihrem langen Schweigen abzunehmen, Sie hätten die Sache ganz wieder aufgegeben, dazu kann ich mich nachdem wir nach mannichfacher schriftlicher und mündlicher Verhandlung über alles Wesentliche des Inhalts und des Ganges der Handlung einig waren, nicht so gradehin entschließen. Vielleicht schriebe ichs dennoch, und schwiege meinerseits möchte ich nicht verhüten, daß Sie einmal an irgend einem regenigen oder stürmischen Tage auf Ihrem Sopha sitzend riefen: „Sieh nur, Cécile, mit dem geht’s mir nun genauso wie mit den Anderen. Da warst du nun selbstigen Theil Zeugin, wie ich bis auf die Details des Kaufes mit ihm eingegangen bin, und nun ist’s als sei nichts geschehn, und er lässt nichts von sich hören!“ – Handelte es sich um etwas Anderes, als eben um ein Opernbuch, ich schriebe es wohl leicht, legte Ihnen das Fertige vor, und überließe Ihnen, es anzunehmen oder nicht. Aber so ist es eben eine Arbeit, die ich mit rechter Lust, und drum, auch mit dem mir erreichbarsten Erfolg, nur dann übernähme, wenn ich an Arbeit wüsste, daß es für Sie geschähe. An und und für sich ist ein Opernbuch ein Werk, bei dem man sich, eben weil es den Zwecken einer andern Kunst dienen soll, bei jedem Schritte gehemmt fühlt, und das, wenn es gelingt, im Verhältniß der Mühe und des Zwanges wenig Ehre und Geldvortheil bringt. Jedenfalls wäre mir Ihre Erklärung wünschenswerth; Falls sie auch ablehnend wäre, Sie sind bei mir im Voraus deshalb gerechtfertigt, und kein anderes Gefühl wird in mir rege werden, als das des Bedauerns, das es mir nicht vergönnt war, in Gemeinschaft mit Ihnen etwas zu produziren. Dann kann ich entweder den Stoff ganz beseitigen, und habe ihn somit in der Art zur Ruhe verwiesen, daß er mich geistig nicht wieder inkommodirt, oder ich bin wieder Herr, ihn auf andere Weise zu verwenden; und selbst zu einem Opernbuche, wenn, wie das wohl zuweilen geschieht, ein Solches von mir gewünscht wird, da ich den Stoff nun einmal als Oper mir gestaltet habe. Wahrscheinlich ist der letzte Fall allerdings nicht, denn nur ein mir sehr lebhaft deshalb geäußerter Wunsch, wie ich ihn schwerlich zu erwarten habe, könnte mich vergessen machen, daß er ursprünglich Ihrer musikalischen Behandlung bestimmt war. Sollten Sie andererseits die Sache nicht aufgegeben haben, so bedenken Sie geht noch, daß es nicht gewiß ist, ob ich immer verfügbare Zeit habe. In der nächsten ist dies wenigstens wahrscheinlich. – Von mir selbst und meinem körperlichen und geistigen Ergehn sage ich Ihnen lieber nichts. Solch’ einem hellglänzenden Lebensbilde wie des Ihren muß sich, wenn es irgend zu vermeiden, fremde Trübsal mit ihrem Pesthauche gar nicht nahen. Von gemeinsamen Bekannten wusste ich Ihnen nichts mitzutheilen, was ich nicht als Ihnen bekannt vorauszusehen hätte. Daß Devrient nach Paris reisen wollte, wissen Sie gewiß, denn er hatte es Ihnen, wie es mir gesagt hat, zuvor geschrieben; daß er gereist, und befriedigt von seiner Reise zurückgekehrt ist, wahrscheinlich; daß noch seine aus Paris an seine Frau geschriebene Briefe herausgiebt, und daß sie in diesen Tagen erscheinen werden, vielleicht . Doch hat ihn in letzter Woche leider ein Verlust getroffen, welchen auch Autorfreuden ihm nicht ersetzen können. Nach einem kurzen aber schweren Krankenlager ist Anna, anscheinend das kräftigste seiner Kinder, am letzten Dienstag gegen Mitternacht gestorben. Und das in einer Zeit, wo auch Lorchen wieder in dem bedenklichsten Zustande daniederliegt. Empfehlen Sie mich Ihrer liebenswürdigen Frau Gemahlin bestens, und küssen Sie den kleinen Karl, über dessen kindlich anmuthiges Treiben Sebastian einen Brief geschrieben hat, der fast so kindlich anmuthig ist wie jener, auch einmal für mich. Gott behüte Sie und die Ihren. Ihr J. Fürst Berlin Johannis-Straße 12.
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Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation><date cert="high" when="1839-09-22" xml:id="date_d739ccb0-dacf-4ccc-8490-decfe53292b5">22. 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So will ich denn nun heute, wie zur Jahresfeier einer erfreulichen Zeit, auf meine Weise ein Musikfest zu geben versuchen. Unmusikalisch wie ich nun aber bin, kann ich meinerseits nichts dazu thun als aufklopfen, was ich eben durch diesen Brief thue, und dann erwarten, ob mein Stab ein Prunkstab gewesen sein wird, der den Quell der Harmonie aus Melodien öffnet, <hi rend="latintype">scilicet</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_d98af0cf-66b7-41e2-b56c-912b2d9881c3" xml:lang="la ">scilicet – lat., nämlich.</note> derjenigen, die mir aus einer Antwort von Ihnen entgegentönen würden. Freilich ist’s damit bei Ihnen ein Nützelicher Punkt. Sie sind mitunter ein so hartnäckiger Schweiger, daß der Erwartende und Briefsender in einen Nervenzustand geräth, der ihn Disharmonien hören lässt. Aber zur Sache: Wie steht’s doch mit Ihrer Oper? Ich habe vor einigen Monaten so ein dumpfes Gemurmel gehört, als seien Sie mit dem <persName xml:id="persName_9e3257f4-7412-4406-908f-51937dd16998">Dichter<name key="PSN0113896" style="hidden" type="person">Planché, James Robinson (1796-1880)</name></persName> noch immer nicht über die Aenderungen am Text im Reinen.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_136ebd35-b55a-4a37-99b9-4c942bd5fd64" xml:lang="de">nicht über die Aenderungen am Text im Reinen – Felix Mendelssohn Bartholdy trug sich bereits seit mehreren Jahren mit der Idee, eine Oper zu komponieren. Anfangs stand er in Verhandlungen mit Karl von Holtei über ein mögliches Opernlibretto (z. B. fmb-1836-12-04-01). Doch es kam zu keiner Zusammenarbeit. Noch im Juni 1837 schreibt Mendelssohn an seinen Freund Eduard Devrient: »Eine Wohnung und einen Operntext! Das ist jetzt mein Feldgeschrei« (fmb-1837-06-02-01). Zu Beginn des Jahres 1838 lehnte er mehrere ihm zugesandte Opernlibretti ab, eine Zusammenarbeit mit James Robinson Planché scheiterte um die Jahreswende 1839/40. Die Zusammenarbeit mit Joseph Fürst wegen eines Opernlibrettos hatte Mendelssohns Mutter Lea Mendelssohn Bartholdy mit wiederholten Anläufen in die Weg geleitet.</note> Das <title xml:id="title_519b7efe-b73f-42a1-bcbf-f626784a0bdb">Buch<name key="PSN0113896" style="hidden" type="author">Planché, James Robinson (1796–1880)</name><name key="CRT0110329" style="hidden" type="dramatic_work">The Brothers (auch: Edward III and the Siege of Calais / Eduard III. und die Belagerung von Calais) (Libretto)</name></title>, so wie ich es kenne, sei ein besonders gutes, wie ich denn ein gutes Opernbuch<seg type="pagebreak"> |2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> überhaupt zu den schweren Aufgaben zähle, aber es war doch eins, meiner Meinung nach, nicht so, daß die Oper am Buche hätte schreiben können. Ihre Musik w<unclear reason="covering" resp="FMBC">ürde</unclear> bei jedem Buche, selbst bei Besseren, Mängel zu übertragen haben; Sei<unclear reason="covering" resp="FMBC">en</unclear> Sie drum froh, daß sie auch dazu geeignet ist. Einige Ihrer Ausstell<unclear reason="covering" resp="FMBC">ungen</unclear> schienen mir <title xml:id="title_cf575117-3e6d-4d8d-862a-d905c290673a">dazu<name key="PSN0111259" style="hidden" type="author">Fürst, Joseph (1794–1859)</name><name key="CRT0108750" style="hidden" type="literature">Der wiederkehrende griechische Kaiser (Librettoentwurf)</name></title> gar nicht aus der Sache hervorgehend, sondern eher durch äußerliche Motive veranlasst. So z. B. gleich die, den Anfang betreffende. Es ist gewiß, und ich selbst sprach es Ihnen aus, daß man dabei an die Marktfeier aus „<title xml:id="title_72084779-c8b1-4e3e-8347-5f8004f839ea">die Stumme<name key="PSN0109578" style="hidden" type="author">Auber, Daniel-François-Esprit (1782–1871)</name><name key="CRT0107680" style="hidden" type="music">La Muette de Portici (auch: Masaniello) AWV 16</name></title>“ erinnert werden kann, aber einmal wird der Dichter kaum eine lebendigere finden können, und dann, was thut er? Von Ihnen in Musik gesetzt wird die Scene mus.<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_53364be2-cb24-4def-a12f-73ede62ccaa0" xml:lang="de">mus. – musikalisch.</note> halb soviel Aehnlichkeit mit jen<unclear reason="covering" resp="FMBC">em</unclear> haben, als im Buche gelesen, dann jedenfalls wird die musikalische Behandlung von der des Drangehen so ganz verschieden sein, daß sie nicht einmal dem <choice resp="editor" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_e3c8efcc-268c-4876-8615-406e481a0344"> <sic resp="writer">Gekanten</sic> <corr resp="editor">Gekannten</corr> </choice> in den Zuhörern Raum lassen wird, sie hätten da irgend mit ihm konkurriren wollen. Und solch ein Heros ist doch <persName xml:id="persName_ee590ba9-2bc1-455f-8a1e-f70f94f73570">Auber<name key="PSN0109578" style="hidden" type="person">Auber, Daniel-François-Esprit (1782-1871)</name></persName> nimmermehr, daß <hi n="1" rend="underline">Sie</hi> sich unfrei fühlen sollten, wenn Sie einen Vorwurf ähnlich einem, den Auber schon behandelt hat, zu behandeln hätten. An der andern von Ihnen gewünschten Aenderung aber möchte vollends guter Wille wie Vermögen des Dichters scheitern, an der nämlich, daß er eine der ersten Personen in eine komische verwandte. Wünschenswerth genug mag es sein, daß der Brief Ihnen Gelegenheit gäbe, auch Ihren Humor zu entfalten, den ich so hoch stelle, daß mir nichts erfreulicher gewesen wäre, als wenn Sie Sich für eine komische Oper entschieden hätten, auch mag diesem Stoff ein komischer Gegenstand zu den ernsten Personen vortheilhaft sein; aber so ist doch auch zu bedenken, was ein Autor überhaupt ändern kann, und was er ändern kann ohne selbst durch die That den Organismus seines Werks für verfehlt zu erklären. Sie selbst wissen, ein Buch zu finden, das Ihren Anforderungen irgend genügt, und unter welchen förderlichen Bedingungen Ihnen andererseits dieses, gewiß n<unclear reason="covering" resp="FMBC">icht</unclear> gradezu schlechte, geboten wird. </p> <p>Nicht auf das persönliche Vertrauen, welches Sie mir eben in dieser Angelegenheit geschenkt haben, noch auf die aufrichtige Theilnahme, welche ich überhaupt für Alles empfinde was Sie schaffen, würde ich wahrlich das Recht bequemen Ihnen darüber gewissermaßen anmahnend zu schreiben; ich gründe das meine vielmehr auf das, welches Jeder, der Kunst hochstellt, wie es ihr gebührt und zugleich die Ihre hochstellt wie es ihr gebührt, und dem nur irgend Gele<seg type="pagebreak">|3|<pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg>genheit gegeben ist, ein Wort zu Ihnen gelangen zu lassen, aber in der betreffenden Beziehung hat. Sie wissen, wie sehr eine gute Oper Noth thut, welche der herrschenden, verderblich falschen Richtung mit siegender Gewalt in den Weg tritt, und haben nicht einmal mehr den Einwand, gute würdige Musik bleibe wirkungslos, denn Sie haben gesehn, wie Ihr „<title xml:id="title_9d929532-5573-41d1-9841-41e958275cbe">Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_uywsjqp1-a1iw-ydy3-64sp-kv5lid1dgz8m"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title>“ sich selbst da sein Publikum zu schaffen wußte, wo die Frivolität in der Musik ihren Hauptsitz in Deutschland aufgeschlagen hat. Es wird aber Niemanden auf der Welt etwas auf andere Weise gegeben, als <hi rend="latintype">titulo onoraro</hi>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_5bc0c191-a981-43c5-9979-13111c23ad43" xml:lang="la ">titulo onoraro – lat., Ehrentitel.</note> wenn er auch keinen Vertrag deshalb zu unterzeichnen, und selbst wenn man den Gaben für diese Welt, eben ihrer willkürlich erscheinenden Vertheilung wegen, einer Gnadenwahl zuschreibt, so schließt das, wie ich den Begriff fasse, diese Bedingung nicht aus; denn die Gnade besteht weniger darin, daß man Gaben empfängt, weil sie, nicht gehörig benutzt, sich gegen den Empfänger selber kehren, – sondern darin, daß man vermöge ihrer viel zu leisten im Stande ist. Wollen Sie nun die in Beziehung auf Sie <gap quantity="1" reason="uncertain_reading" unit="words"></gap> Gnadenwahl nicht freyentlich zurückweisen, wem läge dann mehr Leistung ob, als Ihnen? Und erfüllen Sie dies in Hinsicht auf einen der schönsten und wirksamsten Zweige Ihrer Kunst, der so offenkundig erkrankt ist und dafür wollt, wenngleich Gaukler ihm Ihre Blumen von Goldpapier aufheften, um den Hauptglauben zu machen, nun blühe er erst recht und recht glänzend, und welchem aber Sie im Stande wären, neues wahrhaftes Leben einzuhauchen? Ist es erhört, daß Jemand, der in seinem zehnten Jahre vielleicht schon alle schwere Technik seiner Kunst überwunden hatte, und innerlich voller Musik ist, lange in das eingetreten, in welchem künstlerische Ruhe und Erfahrung die Schlußsteine zu seinem Tempel fügen mussten, noch mit einem größeren, zur Verbreitung geeigneten Werke in der lebendigsten Gattung seiner Kunst zurückbleibt? Und warum? weil er dazu einer anderen Kunst bedarf, die er seinen Zwecken nie ganz dienstbar findet,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_16ebe7bc-5db0-4bc3-9c18-19a12ac32d0f" xml:lang="de">die er seinen Zwecken nie ganz dienstbar findet – Zeitlebens versuchte Mendelssohn eine Oper zu komponieren, scheiterte jedoch jedesmal nur scheinbar an dem Text. Sehr wahrscheinlich wusste er jedoch, dass die Oper nicht sein Metier war. Durch seine sprichwörtliche Unentschlossenheit und sein Unvermögen, nein zu sagen, vergeudete er über die Jahre die Arbeitskraft vieler Librettisten. </note> wie willig sie ihm auch von allen Seiten entgegenkomme. Wäre die Sonne eben so stilistisch, sie ginge nicht auf, wenn der Himmel nicht vorher das kleinste Wölkchen im Osten zurückgezogen hätte. Auch sie könnte etwas dafür anführen. Sie könnte sagen, nun denn erfreue sie die Welt ganz wie sie vermöge, wenn ihr die rosige Glut, mit welcher sie aufsteige, völlig unverkümmert bleibe. Aber sie sagt das nicht, sondern denkt: Ballt ihr Wolken euch zusammen dick und schwarz wie ihr mögt; wenn ich erscheine wird’s der Erde darum Tag, und das eben will ich ja nur, ja euch selbst will ich so in meine Glut tauchen, daß ihr lieblich anzuschauen sein sollt. – </p> <p><seg type="pagebreak">|4|<pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg> Haben Sie den Brief nicht schon früher sehr gelangweilt und geärgert fortgeworfen – es wird darauf ankommen wie Sie geschlafen haben, oder auf die Konstellation des Tages, oder auf sonst etwas auf Erden oder im Himmel – und sind etwa mit <hi rend="latintype">Planché</hi> lang einig,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_632f9ed2-3032-4c3e-a687-2fbac63be27b" xml:lang="de"> sind etwa mit Planché lang einig – Die Zusammenarbeit mit James Robinson Planché scheiterte um die Jahreswende 1839/40.</note> oder haben gar soeben vor Eröffnung des Briefs den letzten Takt des letzten Finals der <title xml:id="title_d86ba0d3-5ca1-4853-aa98-f76b6cba6ffd">Oper<name key="PSN0111259" style="hidden" type="author">Fürst, Joseph (1794–1859)</name><name key="CRT0108750" style="hidden" type="literature">Der wiederkehrende griechische Kaiser (Librettoentwurf)</name></title> im Kopfe fertig gemacht, so werden Sie laut auflachen. Dann aber, ich bitte Sie, lassen Sie mich mitlachen. Ich will so leise lachen, daß Niemand, wer es auch sei, vor dem Ihre Oper wie eine ganz fertige gewappnete und gerüstete Hellas<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_69af5ebe-4a61-4566-bb38-699bce23e9e6" xml:lang="de">Hellas – Hellas Athene ist die Göttin der Weisheit, der Strategie und des Kampfes, der Kunst, des Handwerks und der Handarbeit sowie Schutzgöttin und Namensgeberin der griechischen Stadt Athen.</note> Ihrem Geniehaupte entsprungen sein soll, das Mindeste davon hören wird.</p> <p>Wie es um die „Johanna von Flandern“<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_e70b98ec-b4bb-4a93-8f5b-c903d44e8f4b" xml:lang="de">Johanna von Flandern ist die weibliche Hauptfigur von Fürsts Libretto »Der wiederkehrende griechische Kaiser«.</note> steht, zu fragen wage ich, auch wenn es sich mit der<title xml:id="title_949bf49a-efe2-4146-9173-97e7206156fb"> <hi rend="latintype">Planché</hi>schen Oper<name key="PSN0113896" style="hidden" type="author">Planché, James Robinson (1796–1880)</name><name key="CRT0110329" style="hidden" type="dramatic_work">The Brothers (auch: Edward III and the Siege of Calais / Eduard III. und die Belagerung von Calais) (Libretto)</name></title> so verhält, wie ich wünsche, nur mit Zögern, da Sie so konsequent über sie schweigen. Daß ich nichts an dem Stück thue ohne Ihre vorgängige Aufforderung sagte ich ihnen schon bei Gelegenheit auf vorletzter Unterhaltung im November vor J<hi rend="superscript">s</hi>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_2b5f547f-92c9-4e80-85b0-92dd41fc6cfe" xml:lang="de">vor Js – vorigen Jahres.</note> und das habe ich auch ernstlich gehalten. Nur als nothwendige Folgerung, aus Ihrem langen Schweigen abzunehmen, Sie hätten die Sache ganz wieder aufgegeben, dazu kann ich mich nachdem wir nach mannichfacher schriftlicher und mündlicher Verhandlung über alles Wesentliche des Inhalts und des Ganges der Handlung einig waren, ni<unclear reason="covering" resp="FMBC">cht</unclear> so gradehin entschließen. Vielleicht schriebe ichs dennoch, und schwiege meinerseits möchte ich nicht verhüten, daß Sie einmal an irgend einem regenigen oder stürmischen Tage auf Ihrem Sopha sitzend riefen: „Sieh nur, <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_f0da4f35-0f14-4274-9734-d9078c828952">Cécile<name key="PSN0113252" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName></hi>, mit dem geht’s mir nun genauso wie mit den Anderen. Da warst du nun selbst<unclear reason="covering" resp="FMBC">igen</unclear> Theil Zeugin, wie ich bis auf die Details des Kaufes mit ihm eingegangen bin, und nun ist’s als sei nichts geschehn, und er lässt nichts von sich hören!“ – Handelte es sich um etwas Anderes, als eben um ein Opernbuch, ich schriebe es wohl leicht, legte Ihnen das Fertige vor, und überließe Ihnen, es anzunehmen oder nicht. Aber so ist es eben eine Arbeit, die ich mit rechter Lust, und drum, auch mit dem mir erreichbarsten Erfolg, nur dann übernähme, wenn ich an Arbeit wüsste, daß es für Sie geschähe. An und und für sich ist ein Opernbuch ein Werk, bei dem man sich, eben weil es den Zwecken einer andern Kunst dienen soll, bei jedem Schritte gehemmt fühlt, und das, wenn es gelingt, im Verhältniß der Mühe und des Zwanges wenig Ehre und Geldvortheil bringt. Jedenfalls wäre mir Ihre Erklärung wünschenswerth; Falls sie auch ablehnend wäre, Sie sind bei mir im Voraus deshalb gerechtfertigt, und kein anderes Gefühl wird in mir rege werden, als das des Bedauerns, das es mir nicht vergönnt<seg type="pagebreak"> |5|<pb n="5" type="pagebreak"></pb></seg> war, in Gemeinschaft mit Ihnen etwas zu produziren. Dann kann ich entweder den Stoff ganz beseitigen, und habe ihn somit in der Art zur Ruhe verwiesen, daß er mich geistig nicht wieder inkommodirt, oder ich bin wieder Herr, ihn auf andere Weise zu verwenden; und selbst zu einem Opernbuche, wenn, wie das wohl zuweilen geschieht, ein Solches von mir gewünscht wird, da ich den Stoff nun einmal als Oper mir gestaltet habe. Wahrscheinlich ist der letzte Fall allerdings nicht, denn nur ein mir <hi n="1" rend="underline">sehr</hi> lebhaft deshalb geäußerter Wunsch, wie ich ihn schwerlich zu erwarten habe, könnte mich vergessen machen, daß er ursprünglich Ihrer musikalischen Behandlung bestimmt war. Sollten Sie andererseits die Sache nicht aufgegeben haben, so bedenken Sie geht noch, daß es nicht gewiß ist, ob ich immer verfügbare Zeit habe. In der nächsten ist dies wenigstens wahrscheinlich. – </p> <p>Von mir selbst und meinem körperlichen und geistigen Ergehn sage ich Ihnen lieber nichts. Solch’ einem hellglänzenden Lebensbilde wie des Ihren muß sich, wenn es irgend zu vermeiden, fremde Trübsal mit ihrem Pesthauche gar nicht nahen.</p> <p>Von gemeinsamen Bekannten wusste ich Ihnen nichts mitzutheilen, was ich nicht als Ihnen bekannt vorauszusehen hätte. Daß <persName xml:id="persName_3dd72066-60b4-410b-8d13-ee54b31b83ea">Devrient<name key="PSN0110637" style="hidden" type="person">Devrient, Philipp Eduard (1801-1877)</name></persName> nach <placeName xml:id="placeName_c5d4dc93-9b03-41b7-9101-e7f1ed9b2cca">Paris<settlement key="STM0100105" style="hidden" type="locality">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName> reisen wollte, wissen Sie <add place="above">gewiß<name key="PSN0111259" resp="writers_hand" style="hidden">Fürst, Joseph (1794–1859)</name></add>, denn er hatte es Ihnen, wie es mir gesagt hat, zuvor geschrieben; daß er gereist, und befriedigt von seiner Reise zurückgekehrt ist, wahrscheinlich; daß noch seine aus Paris <title xml:id="title_59e6c714-762d-4261-95d0-3213de8520de">an seine <persName xml:id="persName_92e180c2-684c-4cfb-9f41-017f558ef16d">Frau<name key="PSN0110639" style="hidden" type="person">Devrient, Marie Therese (1803-1882)</name></persName> geschriebene Briefe herausgiebt<name key="PSN0110637" style="hidden" type="author">Devrient, Philipp Eduard (1801–1877)</name><name key="CRT0112735" style="hidden" type="literature">Briefe aus Paris</name></title>, und daß sie in diesen Tagen erscheinen werden, vielleicht <gap quantity="1" reason="covering" unit="words"></gap>. Doch hat ihn in letzter Woche leider ein Verlust getroffen, welchen <unclear reason="covering" resp="FMBC">auch</unclear> Autorfreuden ihm nicht ersetzen können. Nach einem kurzen aber schweren Krankenlager ist <persName xml:id="persName_a6fcc0c7-914d-44a0-b257-a81dd0a152bb">Anna<name key="PSN0110627" style="hidden" type="person">Devrient, Anna Eleonore (1828-1839)</name></persName>, anscheinend das kräftigste seiner Kinder, am <date cert="high" when="1839-09-17" xml:id="date_4e9c3f98-26d8-40fc-92f0-6782e7cd4d6a">letzten Dienstag</date> gegen Mitternacht gestorben. Und das in einer Zeit, wo auch Lorchen wieder in dem bedenklichsten Zustande daniederliegt.</p> <closer rend="left">Empfehlen Sie mich Ihrer liebenswürdigen Frau <persName xml:id="persName_55cbbfb2-9c5d-4499-8a69-970fe432ee09">Gemahlin<name key="PSN0113252" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> bestens, und küssen Sie den kleinen <persName xml:id="persName_03f067d5-206b-462a-9775-04cca1b595c6">Karl<name key="PSN0113251" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Carl (seit ca. 1859: Karl) Wolfgang Paul (1838-1897)</name></persName>, über dessen kindlich anmuthiges Treiben Sebastian einen Brief geschrieben hat, der fast so <add place="above">kindlich<name key="PSN0111259" resp="writers_hand" style="hidden">Fürst, Joseph (1794–1859)</name></add> anmuthig ist wie jener, auch einmal für mich. Gott behüte Sie und die Ihren.</closer> <signed rend="right">Ihr</signed> <signed rend="right">J. Fürst</signed> </div> <div type="sender_address" xml:id="div_11730436-229f-49ef-9a22-eff960949316"> <p style="paragraph_left"> <address> <addrLine>Berlin</addrLine> <addrLine>Johannis-Straße 12.</addrLine> </address> </p> </div> </body> </text></TEI>