gb-1839-09-21-02
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Braunschweig, 21. September 1839
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 Doppelbl.: S. 1-13 Brieftext; S. 14-16 leer.
Eduard Otto
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Mitten in dem bunten Gewühle und Treiben unseres
Bei der Trennung von einem langjährigen treuen Gefährten mögen wir wohl gern einen Moment hinwegeilen, der uns an die Vergänglichkeit auch dessen mahnt, was uns durch Zeit und Umgang lieb und werth geworden. Ist es uns dagegen nur wenige kurze Augenblicke beschieden, mit einem schon lange verehrten und lange ersehnten Manne einmal auch persönlich zu verkehren, dann hält sich das Herz leicht in seinen Rechten für betrogen, geht von dem
So überwinde ich denn lieber, nach fast vierzehntägigem Zögerns Scheu, zum ersten Male an einen – berühmten Mann zu schreiben! War ich doch auch selbst Zeuge davon, wie er am Abend seiner coronage den längst errungenen Lorbeer ablehnte, und mit welcher großmüthigen Wärme er gegen den Geburtsadel der „Genias“ und Ihre Ansprüche und Bestrebungen der kleinen fleißigen „Talente“ in Schutz nahm: – Sie werden darum, lieber Herr Doctor, über dem lauten Jubel
Eher könnte es Sie, gerade bei Ihrer viel- und hartgeprüften Bescheidenheit, verletzen oder doch befremden, daß ich auf wenigeSie vielleicht meinen, übertriebenen Werth lege, und ich glaube, schon um Lippen und Augen jenes ironische Lächeln zu sehen, mit welchem Sie Sich anschicken, wieder einmal die überschwenglichen confessions eines Dilettante innamorato, wo nicht gar furioso entgegen zu nehmen, oder wohl gar die Duldermiene, mit welcher Sie Sich, den Huldigungen der
Sie wissen nicht, lieber Herr, und können es natürlich nicht wissen, was dem Abend des Zahlen umzukehren, ohne je den Sinn der Worte umkehren zu können, dabei aber nur desto feiner von allen Regungen kleinlicher Eifersucht, die dem Nachstrebenden so oft den reinen Kunstgenuß verkümmern, sich stets seinen jugendlich frischen Sinn für die Werke der Meister bewahrt und
Schon als Knabe habe ich viel gelesen und mir viel erzählen lassen von dem Knaben
ermir zuerst, ich glaube durch seine Tante
ichmich mehr dem praktischen zugewendet, zunächst an das, was ich schon von Ihnen besaß, an Ihre Claviersachen; (die
ichdurch besondere Tradition von ihm Gutes und Schönes wußte, nebenbei mich selbst ein wenig interessant und wichtig zu machen. Auf viele Weise mußte ich denn auch an mir allmählich und unmerklich sogar die wunderliche Selbsttäuschung erfahren, daß ich zwischen meinem Lieblinge und mir zuletzt gar nicht mehr genau distinguierte,
seineWerke, die
ichmöglichst überall zuerst zu Gehör zu bringen mich piquirte, mir gewissermaßen wie eigene vorkamen, auf die ich mir selbst ein wenig zu Gute that, und daß ich den
Ihnengespendeten Beifall mit einer gewissen Satisfaction unbedenklich auch für mich selbst eincassirte, – ein argloser Betrug des Herzens, dem er sich überall, wo es einmal entschiedenen Antheil genommen hat, gern hingiebt und
Begreifen Sie es nun, lieber Herr Doctor, wie sehr ich nach so vertrautem Umgange eines selben :/juristischen/: Menschenalters mit Ihren Werken auf Ihre persönliche Bekanntschaft gespannt war? – Daß ich aber diese nicht auf dem breiten Alltagswege conventioneller Förmlichkeit machte, daß gerade der sans’ façon Beethoven, dem ich schon so vieles zu danken habe, mich auch hier gleich medias in res fortriß, – nun ich habe es dem Herrn Doctor Felix schon einmal schwarz auf weiß gesagt, daß ich mit ihm an jenem Abend ein wenig die Rollen getauscht habe, daß ich auch einmal :/durch gefälligen Besitz von
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meinemmusicalischen Leben Epoche macht, in seinem schönsten Brillantfeuer gestrahlt habe, während der
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Daß ich einen pontischen Ausdruck für meine Empfindung – in dem musikalischen Werken so viel es da möglich ist, durchzufühlen glaube, – keiner Entschuldigung.
Doch ganz der Herzensergießungen, die, so treu sie auch gemeint sind, Ihnen MüllerSie nur wollten, sich vielleicht schon binnen kurzer Frist ausführen lassen würde.).
Bitten übergegangen bin, und mit Ihnen bei dem Herrn Doctor bisjetzt so willfähriges Gehör gefunden habe, so bin ich auch noch so kühn, eine frühere Bitte für mich und die hiesigen Damen, – denen ich dabei als Vorbitter wohl vorangehen muß, – in geneigte Erinnerung zu bringen; … die um ein quatre mains, welches wir, lieber Herr Doctor, da ich Ihr Arrangement Ihres
à 4 mains“, wie beim Gesange das „
a 2 voci“, wenn sie es auch vor der Welt nicht recht haben wollen, doch von Grund Ihres Herzens das liebste, das „allerliebste“
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v. Löhneysen/: den Platz an Ihrer Linken einzunehmen, – wie sehr es die Gräfin
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Aber ich muß Ihnen wohl endlich Lebewohl sagen! –Und da mir nun der Augenblick des Scheidens mit seinem ganzen Ernste wirklich vor die Seele tritt, so erlauben Sie mir, nur noch einmal eines Freundes zu gedenken, von dem ich – auch beim Abschiede! – einen mich noch bei jeder Rückerinnerung tief ergreifenden Beweis erhalten habe, nicht bloß wie schnell, sondern auch wie fest und dauernd hier die Tonkunst ihre Bande knüpft! Pour Mal, zuletzt durch den
Doch ich will lieber, wie der recht praktische mein Fuß dem Ihrigen nicht wieder auf demselben Pfade begegnen, so glauben Sie mir, lieber Herr Doctor,an und von Felix Mendelssohn mir unvergänglich sein wird, und daß, wenn ich selbst vielleicht einmal etwas mehr für die Kunst versuchen sollte, als unter Ihrem Kommando die Bratschen in Reih’ und Glied
diesemalso gilt mein Händedruck, und nur von ihm, aber mit desto tieferer Bewegung, scheidet jetzt und scheidet auch nicht
dissentt. Schreiber dieser muthmaßt, daß der Ausdruck sich eigentlich auf
dieSonate /besonders Ihren ersten Satz/ beziehe, welche – von allen Ihren mir vor dem
ichkann und will ihn überall keiner Sünde zeihen, vollends nicht, seitdem der
Dichterdes Paulus
Braunschweig, den 21. September 1839. Mein hochverehrter Herr Doctor! Mitten in dem bunten Gewühle und Treiben unseres Musikfestes haben Sie einer der tausend flüchtigen Bekanntschaften, welche sich in jenen Tagen an dem Gefeierten vorüber drängten, ein so freundliches Andenken gewidmet, daß die innige Freude darüber mir nur durch Ein schmerzliches Gefühl getrübt wird. – Durch das Bedauern, daß es mir nicht vergönnt war, persönlich mit Dank und Lebewohl von Ihnen zu scheiden. Bei der Trennung von einem langjährigen treuen Gefährten mögen wir wohl gern einen Moment hinwegeilen, der uns an die Vergänglichkeit auch dessen mahnt, was uns durch Zeit und Umgang lieb und werth geworden. Ist es uns dagegen nur wenige kurze Augenblicke beschieden, mit einem schon lange verehrten und lange ersehnten Manne einmal auch persönlich zu verkehren, dann hält sich das Herz leicht in seinen Rechten für betrogen, geht von dem Wermuth des Abschiedes auch nur Ein Tropfen verloren. Ueberdieß haben Sie, lieber Herr Doctor, gerade durch Ihren freundlichen Scheidegang, ohne es zu wissen und zu wollen, in meinem Innersten Saiten berührt, welche mit meinem ganzen musicalischen –, also mindestens mit einem halben Leben auf’s Innerste zusammenhängen, und wenn Gott nicht seinem ärgsten Feinde den Seelenzustand in sich verschlossenen Geistes und Mißmuths wünschen mag, so würde ich es nicht minder peinlich empfinden, sollte ich die Äußerungen des Dankes und der Freude, welche ich jahrelang wie verschwiegene Zeugen meiner liebsten musicalischen Herzensangelegenheiten in mir getragen, gerade in dem Augenblick da ein freundliches Wort des Gefeierten selbst sie in’s Leben ruft, wieder stumm, und vielleicht für immer in mich verschließen müßte. So überwinde ich denn lieber, nach fast vierzehntägigem Zögerns Scheu, zum ersten Male an einen – berühmten Mann zu schreiben! War ich doch auch selbst Zeuge davon, wie er am Abend seiner coronage den längst errungenen Lorbeer ablehnte, und mit welcher großmüthigen Wärme er gegen den Geburtsadel der „Genias“ und Ihre Ansprüche und Bestrebungen der kleinen fleißigen „Talente“ in Schutz nahm: – Sie werden darum, lieber Herr Doctor, über dem lauten Jubel Braunschweigs den leisen Nachruf eines etwas verzagten Kunstjüngers nicht überhören und – nicht mißverstehen, dem Sie ja selbst so zuvorkommend ein Lebewohl zugerufen! Eher könnte es Sie, gerade bei Ihrer viel- und hartgeprüften Bescheidenheit, verletzen oder doch befremden, daß ich auf wenige Noten und Worte von Ihrer Hand, die von Ihrer Seite nur eine sehr freundlichen Aufmerksamkeit sein konnten, einen, wie Sie vielleicht meinen, übertriebenen Werth lege, und ich glaube, schon um Lippen und Augen jenes ironische Lächeln zu sehen, mit welchem Sie Sich anschicken, wieder einmal die überschwenglichen confessions eines Dilettante innamorato, wo nicht gar furioso entgegen zu nehmen, oder wohl gar die Duldermiene, mit welcher Sie Sich, den Huldigungen der Braunschweiger und – Halberstädter endlich glücklich entronnen, auf eine letzte, schwerste Prüfung Ihrer Anspruchslosigkeit gefaßt machen. Sie wissen nicht, lieber Herr, und können es natürlich nicht wissen, was dem Abend des 3. September in dem Tonleben eines Dilettanten vorging, welcher sich noch gerade schon bequemen muß, in den Worten des Dichters: „Schon 23 Jahr’! Und nichts etc. “ die Zahlen umzukehren, ohne je den Sinn der Worte umkehren zu können, dabei aber nur desto feiner von allen Regungen kleinlicher Eifersucht, die dem Nachstrebenden so oft den reinen Kunstgenuß verkümmern, sich stets seinen jugendlich frischen Sinn für die Werke der Meister bewahrt und vor allen Ihrigen, mit welchen er aufgewachsen, neben den Beschützern seines etwas verödeten Heerdes dankbar aufgestellt hat. Sie können deshalb auch nicht begreifen, wie schnell da Ein Blättchen auch nur flüchtig hingeworfen, die lange genährte Glut entzünden mußte! Schon als Knabe habe ich viel gelesen und mir viel erzählen lassen von dem Knaben Felix, dem es an wunderbarer frühreifer Ausbildung nur Mozart zuvorgethan und der, als er kaum 3 zählte, schon mehr für das Clavierquartett geleistet hatte, als selbst Beethoven seiner Zeit durch in in seinen ersten 3 Werken für das Claviertrio. Selbst nicht ganz frei von Träumen einer musicalischen Zukunft, nahm ich an allem, was Felix Mendelssohn betraf, das innerste Interesse, hatte schon längst entschieden für ihn Parthei ergriffen, als in der großen musicalischen Welt die Partheien sich noch nicht über die Hoffnungen, zu welchen der heranwachsende Jüngling berechtigte, für und wider stritten, und jeder kleine Beitrag zu seiner Bildungsgeschichte war mir eine Gabe von größter Wichtigkeit. So machte ich unter anderen akademischen Freunden, welche die Musik schnell – aus ganz Europa – zusammen führte, noch schneller die Bekanntschaft des Danzigers Eduard Gnuschke, da er mir zuerst, ich glaube durch seine Tante Schoppenhauer, von Felix Mendelssohn genauere und zuverlässige Kunde zu geben vermochte. Wie oft haben wir damals im Gespräche die Schule bei Zelter, Hummel, Weber etc. mit Felix durchgemacht, sich durch den Bach – das Meer, da wo es am tiefsten ist – ihm nach alle flotte Burschen gesteuert, und während Gnuschke gern prophezeite, was Sie unserem Jahrhunderte noch alles werden würden, :/nur nicht, daß der musicalische Uebersetzer des Don Quichotte einst dem größten aller Apostel verherrlichen werde/: – hielt ich mich mehr dem praktischen zugewendet, zunächst an das, was ich schon von Ihnen besaß, an Ihre Claviersachen; (die Violinquartette waren mir doch etwas zu schwer), und von jenem, der den siebzehnjährigen Fuchse an Jahren ebenso sehr, wie an Reife des musicalischen Urtheils überlegen war, in meiner Vorliebe bestärkt, pflege ich nun zuversichtlich in den Kreisen, welche größer oder kleiner ein jeder Dilettant um sich bildet, Ihre siegreiche Fahne auf, ritt den Leuten Ihren Zelter :/op. 2 /: als mein Paradepferd vor und predigte ihnen hinterher meinen neuen Heiland, um durch Mittheilung dessen, was nur ich durch besondere Tradition von ihm Gutes und Schönes wußte, nebenbei mich selbst ein wenig interessant und wichtig zu machen. Auf viele Weise mußte ich denn auch an mir allmählich und unmerklich sogar die wunderliche Selbsttäuschung erfahren, daß ich zwischen meinem Lieblinge und mir zuletzt gar nicht mehr genau distinguierte, seine Werke, die ich möglichst überall zuerst zu Gehör zu bringen mich piquirte, mir gewissermaßen wie eigene vorkamen, auf die ich mir selbst ein wenig zu Gute that, und daß ich den Ihnen gespendeten Beifall mit einer gewissen Satisfaction unbedenklich auch für mich selbst eincassirte, – ein argloser Betrug des Herzens, dem er sich überall, wo es einmal entschiedenen Antheil genommen hat, gern hingiebt und wohl hingeben darf! – Begreifen Sie es nun, lieber Herr Doctor, wie sehr ich nach so vertrautem Umgange eines selben :/juristischen/: Menschenalters mit Ihren Werken auf Ihre persönliche Bekanntschaft gespannt war? – Daß ich aber diese nicht auf dem breiten Alltagswege conventioneller Förmlichkeit machte, daß gerade der sans’ façon Beethoven, dem ich schon so vieles zu danken habe, mich auch hier gleich medias in res fortriß, – nun ich habe es dem Herrn Doctor Felix schon einmal schwarz auf weiß gesagt, daß ich mit ihm an jenem Abend ein wenig die Rollen getauscht habe, daß ich auch einmal :/durch gefälligen Besitz von Nr. 24/: der „Glückliche“ gewesen bin! Ich könnte noch hinzufügen, daß ich mit dem ersten volti subito der Beethovenschen Sonate auch in meinem Tonleben eine andere –, die Lichtseite aufgeschlagen und daß jedes folgende Blatt sich zu einem Kranze von Erinnerungen gereiht habe, in welchen Sie selbst Ihr Abschiedsblättchen als eine mir unverwelkliche Blüthe geschlungen, daß der Himmel selbst nicht bloß zur Paulusaufführung ein sichbares Zeichen gegeben, sondern auch zu dem Ereignisse, welches in meinem musicalischen Leben Epoche macht, in seinem schönsten Brillantfeuer gestrahlt habe, während der Beethovensche Vier und Zwanzig Pfünder“ die erste Lesung gegeben, und dergl. Aber auch der Schein von Idolatoren mit dem, was mir lieb und werth geworden, ist mir zuwider und wie ich während Ihrer Anwesenheit, – treu meinem Vorsatz folgte, mich großen Männern nicht aufzudrängen, – mit meinem vollen Herzen gegen Sie zurückgehalten und geschwiegen habe, so gestehe ich Ihnen auch jetzt nur, kurz und schlicht, obschon nicht ohne Glut auf den Wangen und darum schwarz auf weiß, (denn litterae non eruberrunt) : daß Sie mich durch Ihr Blättchen sehr glücklich gemacht haben! – Enthält es aber nicht auch für alles, was mir und unserem kurzen und – wie Sie nun wissen – langen wechselseitigen Verkehr der würdig geworden ist, eine sinnvolle Bezeichnung? – Komme ich mir doch fast wie die zweite Stimme eines Canon vor, die bisher dem Ohr und dem Auge unbemerkt, in den Noten still verborgen, allen Ihren Werken treu gefolgt ist, und nun plötzlich auf das Zauberwort des Meisters: „a due!“ in Klang und Schrift vollständig hervortritt! – „Und das Mondlicht“, von mir, dem der Harzwald Vater, und die Insel Fünen Mutterland ist, schon immer gern als ein heimatliches Zeichen voll ernster tiefer Deutung begrüßt, – erschien es mir nicht an jenem Abend als ein λαμπρός Φεγγος, als ein sinnvolles Bild der διοσδοτος αιγλα, der τεχνα selbst, welche mir plötzlich ihre Strahlenseite zuwandte, daß alles frühere Kunstleben fast wie ein σκιας ὀναρ hinter mir lag? – „Und die Sonate!“ Hat Beethoven wohl eine andere gedichtet, welche in milder Lieblichkeit mehr ein treuer Ausdruck und Erguß des ἀνδρων μειλιχος αἰων genannt zu werden war, diente? – Doch Verzeihung, daß ich Ihnen hier nach meiner Weise interpretiert habe, was Ihnen, most learned Sir, aus Ihrem Pindar längst bekannt ist: Επαμεροι· Τι δε τις; τι δ`οὐ τις; σκιας ὀναρ ἀνθρωπος. ἀλλ` ὁταν αἰγλα διοσδοτος ἐλθῃ, λαμπρον φεγγος, ἐπεστιν ἀνδρων και μειλιχος* αἰων. Daß ich einen pontischen Ausdruck für meine Empfindung – in dem Sänger der Pythischen Feste suche, bedarf ohnehin bei Ihrer Vorliebe, für alte griechische Poesie, – welche ich selbst in Ihren musikalischen Werken so viel es da möglich ist, durchzufühlen glaube, – keiner Entschuldigung. Braunschweig’s Musikfest ist mir mehr geworden, als ein Pythisches, mehr als ein Olympisches Festspiel, da ich auf demselben – ich kann es nur als Probe meiner Selbstverleugnung ansehen, – ein Denkblatt errungen habe, welche mir, wie Sie ja nun selbst wohl sehen, mehr sagt, als eine Pindarsche Ode! – – Doch ganz der Herzensergießungen, die, so treu sie auch gemeint sind, Ihnen gleichwol nur der Wiederhall tausend ähnlicher sein werden. – Um Ihnen statt dessen etwas zu bringen, worauf Sie wohl einigen Werth legen: Herzliche Grüße vom unserem, Carl Müller, dem echt deutschen Geiger, der, denk’ ich, Braunschweig wieder einmal alle Ehre gemacht hat und zugleich die Bitte, recht bald wieder zu kommen! – Ich füge :/ und in ganz n /: hinzu: Für immer!! – (was wenn Sie nur wollten, sich vielleicht schon binnen kurzer Frist ausführen lassen würde. ). Da ich nun aber einmal zu den Bitten übergegangen bin, und mit Ihnen bei dem Herrn Doctor bisjetzt so willfähriges Gehör gefunden habe, so bin ich auch noch so kühn, eine frühere Bitte für mich und die hiesigen Damen, – denen ich dabei als Vorbitter wohl vorangehen muß, – in geneigte Erinnerung zu bringen; … die um ein quatre mains, welches wir, lieber Herr Doctor, da ich Ihr Arrangement Ihres Octetts doch nicht als ein Original passieren lassen kann, von Ihnen zu meiner Verwunderung bisjetzt noch nicht besitzen. – Aber Sie haben, wie ich aus einem Ihrer 3 letzten, mir bisjetzt vorenthaltenen Briefen an unseren Secretair Robert ersehen habe, zunächst eine Sinfonie zu vollenden; reisen bald nach Wien; im Winter wird mehr musicirt, als componirt; usw. – Nun wir wollen auch, wenn wir nur damit die Doppelsonate verdienen können, gern noch lange, lange warten! – meine Wenigkeit wenigstens… aber auch nicht gar länger als :/ und das ist also eigentlich gar nicht lange/:… bis op. 54! – Warum? – Weil ich gerade nur so lange an den Noten meines Canons zu zählen habe! –, was ich bloß deshalb wiederhole, weil es mir nicht entgangen ist, wie sehr Sie, vermuthlich vom Organon und Generalbasse her, die Bedeutung der Ziffern zu respectieren wissen, und ich es für mehr, als bloßen Zufall halte, daß z. b. op. 7 just 7 Nummern enthält, nur daß der 42. Psalm gerade op. 42 geworden ist. – Aber alle klugen Berechungen werden mir am Ende doch nicht helfen. Denn ich werde bei der Sache, schon meiner schönen Bittschwestern wegen, wohl ganz übersehen werden und den Braunschweiger Damen…! Freilich ist und bleibt Ihnen am Clavier das „à 4 mains“, wie beim Gesange das „a 2 voci“, wenn sie es auch vor der Welt nicht recht haben wollen, doch von Grund Ihres Herzens das liebste, das „allerliebste“ genre. Allein seitdem sie beim Paulus einmal gelernt haben, Ihnen alles aus und abzusehen, werden sie Ihnen nun auch alles nachsehen; und darüber wird das 4 mains ganz in Vergessenheit kommen! – So muß ich mich denn nach anderen Bundesgenossen umthun! Und da ich gerade aus der Vernachlässigung des 4 mains folgern darf, daß Ihre Frau Gemahlin – :/welche Sie, hochgeehrter Herr Doctor, hoffentlich in besten Wohlsein angetroffen haben werden!/: – nicht Clavierspielerin ist, und mir auch von allen den Damen, mit welchen Sie sich hier unterhalten haben; keine einzige unbegreifliche Weise über diesen, doch auch für sie sehr wichtigen Punkt hat Auskunft geben können, so muß ich mich schon an das halten, was ich aus Ihrem eigenen Munde weiß, – nämlich, daß Sie mit Ihrer Fräulein Schwester früher oft 4/ms. gespielt haben. Diese erlaube ich mir deshalb, obschon unbekannter Weise, aber durch die Noth wohl entschuldigt, höflichst zu ersuchen, sich für die Braunschweiger Damen bei dem Herrn Bruder zuweilen zu verwenden. Im Vertrauen auf diese Fürsprache habe ich auch schon auf Ihrem Bilde, welches, mit allerlei υπομνήματα bunt verziert, jetzt vor mir hängt, ein trauliches Plätzchen „für das erbetene quatremains! (op. 55 ?) “: offen gelassen. Bitte lassen Sie das Plätzchen nicht – und auch nicht zu lange – leer! Noch muß ich, hochgeehrter Herr, um mich aller meiner Aufträge zu entledigen, Sie nachträglich davon in Kenntnis setzen, wie sehr eine Dame, welche von mir im Auftrage des Vereins eingeladen war, bei dem Diner nach der Paulusaufführung :/statt Fr. v. Löhneysen/: den Platz an Ihrer Linken einzunehmen, – wie sehr es die Gräfin Oberg bedauert hat, daß sie – um sie selbst, jedoch ohne Auftrag reden oder vielmehr schreiben zu lassen – „die nähere gewöhnliche Bekanntschaft des hochbegabten interessanten Componisten, dessen Kunst uns in diesen Tagen so reiche Genüsse verschaffte, nicht habe machen können“, da der Graf durch Geschäfte auf seinen Gütern von dem Feste zurückgehalten wurde. Ich füge hinzu, daß ich Ihr Bedauern aufrichtig theile, weil ich diese Dame fast wie eine zweite Mutter verehre. – Aber ich muß Ihnen wohl endlich Lebewohl sagen! –Und da mir nun der Augenblick des Scheidens mit seinem ganzen Ernste wirklich vor die Seele tritt, so erlauben Sie mir, nur noch einmal eines Freundes zu gedenken, von dem ich – auch beim Abschiede! – einen mich noch bei jeder Rückerinnerung tief ergreifenden Beweis erhalten habe, nicht bloß wie schnell, sondern auch wie fest und dauernd hier die Tonkunst ihre Bande knüpft! Eduard Gnuschke, vom dem ich nur Namen und Vaterstadt kenne, (was fragt der Student und vollends der Tonfreund nach den übrigen Philistereien dieses Lebens?) hatte mir nachdem wir in Göttingen geschieden waren, ein Pour Mal, zuletzt durch den Maler Reinert, geschrieben, war dann aber für mich verschollen, bis mir vor einigen Jahren hier ein Heft von ihm componierter Lieder, adressirt: S. F. H. Eduard Otto, Jurist, in Blankenburg am Harz – zugeschickt wurde, aus welchen mir ein Blättchen von anonymer, wie es schien –, weiblicher Hand entgegenfiel: „Auf dem Sterbebette – lautete die Trauerpost – habe sich der für seine Freunde zu früh Vollendete seiner fernen Lieben erinnert und gewünscht, daß ihnen als ein Andenken an ihn die beikommenden Versuche mitgetheilt würden. “ – Da ich die erste genauere Bekanntschaft mit Ihnen, lieber Herr Doctor, zu danken habe, so durfte ich seiner treuen Anhänglichkeit eben hier wohl ein kleines Denkmal setzen. – Doch ich will lieber, wie der recht praktische Carl Müller, des so fröhlichen Wiedersehens gedenken! Dazu sind ja wohl erfreuliche Augenblicke vorhanden. Haben Sie doch Braunschweig kaum kennen lernen! Und hat Ihnen nicht hier der Harz mit seinem ehrwürdigen kahlen Scheitel freundlich in das Fenster geguckt und Ihnen in die blaue Ferne nach meinen heimatlichen Bergen gewinkt? Also lassen Sie im nächsten Jahr nicht auf Sich warten. Und wenn auch Tondichter und Tonkünstler einmal ganz daheim bleiben, Sie sind uns auch ohne jene nicht minder willkommen! Reisen Sie statt dessen mit Weib und Kind, und beschauen Sie Sich einmal Stadt, Land und Gebirge, auf dem ich ziemlich Bescheid weiß! – Bis dahin aber, wie überhaupt, schonen Sie, lieber Herr, Ihre Kraft, daß sie nicht vor der Zeit aufgerieben werde, und unser Aller Freude sich einmal zu früh in desto größeres Leid verwandele! Und sollte es im Rathe des Himmels beschlossen sein, daß wenigstens mein Fuß dem Ihrigen nicht wieder auf demselben Pfade begegnen, so glauben Sie mir, lieber Herr Doctor, daß die freundliche Erinnerung an und von Felix Mendelssohn mir unvergänglich sein wird, und daß, wenn ich selbst vielleicht einmal etwas mehr für die Kunst versuchen sollte, als unter Ihrem Kommando die Bratschen in Reih’ und Glied zu stellen, oder Ihnen am Flügel umzublättern, – (Sie sehen, ich kann nicht bloß bitten, sondern auch drehen!) – jene Erinnerung den besten Theil davon gethan hat. ! – Und nun, – da es geschieden sein muß! – leben Sie denn wohl, lieber – Felix! Die großen und berühmten Herrn – ich meine den Tondichter und den Tonkünstler, – von welchen ich mich ohnehin nicht besonders und officiell in diesen Tagen verabschieden werde, darf ich in diesem Augenblicke ja wohl einmal ignoriren. Habe ich Sie doch schon hier so oft über dem Menschen vergessen! Nur diesem also gilt mein Händedruck, und nur von ihm, aber mit desto tieferer Bewegung, scheidet jetzt und scheidet auch nicht Ihr treuer Verehrer Eduard Otto. μειλιχος DD. dissentt. Schreiber dieser muthmaßt, daß der Ausdruck sich eigentlich auf die Sonate /besonders Ihren ersten Satz/ beziehe, welche – von allen Ihren mir vor dem Musikfeste reißend abgeborgten Werken mir zufällig allein geblieben – nicht ganz zufällig, als stumme Bitte um dem Vortrag einer eigenen Composition, unter der Beethovenschen Sonate lag. Zwar hat der Vater dieses sein Kind selbst eine „Sünde“ genannt. Ich habe jedoch eine solche nirgends in ihr entdecken können, es mußte dann für eine Sünde, für ein Werk der schwarzen Kunst gehalten werden, daß in derselben das Unmögliche möglich gemacht und dabei das wilde und unbändige Kind der Freiheit, welches Recitativ heißt, zum ersten Male in die Fesseln der strengsten Fuge geschlagen ist. Denn muß aber auch der Enthusiasmus des Publikums in Braunschweig :/über dessen Kälte, Intolleranz und Mißtrauen gegen fremde Künstler sonst mit Recht bittere Klage geführt wird/: beide Aufführungen des Paulus dem Tausendkünstler als eine verwirklichte Unmöglichkeit, als eine Sünde angerechnet werden, für welche derselbe am Nachmittag des 7. Septembers nach Rechtswegen öffentlich gesteinigt ist. Doch ich kann und will ihn überall keiner Sünde zeihen, vollends nicht, seitdem der Abt von Riddagshausen, welcher ein gelehrter Theologe sei und die Sache gründlich verstehen soll, (mein Schwager) durch Auslegung des fein gegliederten Textes auch vor dem Dichter des Paulus mir einen wahrhaft heiligen Respect eingeflößt hat. Ich will diesem also den Text gar nicht lesen, auf den er sich ohnehin besser versteht, wünsche mir vielmehr eine ganze Sündfluth von ihm und habe diese Episode von op. 6 in der Geschichte der Beethovenschen Sonate hauptsächlich nur deshalb berührt, um dem hochgeehrten und hochgelehrten Herrn ein b, … für ein a zu machen, das, für seine lieben Noten (ganzer 54, wobei ich die meiner Stimme noch nicht einmal mitzähle, ) ihm doch auch wenigstens Eine – Noten wieder zu schicken.
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Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName xml:id="placeName_69398d4a-1235-459c-ba77-9bbcd5ba39af"> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript" xml:id="sourceDesc_4a6e614b-a0fa-4dd3-b2b2-e6987823688d"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. d. 36/58.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="gb-1839-09-21-02" type="letter" xml:id="title_12ff32db-28ea-4de4-a00e-877523c8a198">Eduard Otto an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig; Braunschweig, 21. September 1839</title> <incipit>Mitten in dem bunten Gewühle und Treiben unseres Musikfestes haben Sie einer der tausend flüchtigen Bekanntschaften, welche sich in jenen Tagen an dem Gefeierten vorüber drängten, ein so freundliches Andenken gewidmet, daß die innige Freude</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>4 Doppelbl.: S. 1-13 Brieftext; S. 14-16 leer.</p> <handDesc hands="1"> <p>Eduard Otto</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="other">Namensliste mit 16 Braunschweiger Damen.</bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc> <projectDesc> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p> </projectDesc> <editorialDecl> <p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p> </editorialDecl> </encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1839-09-21" xml:id="date_4b3d17c4-48ef-47e0-90df-31e975a12405">21. September 1839</date> </creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0113709" resp="author" xml:id="persName_720614b8-6eb3-4135-8526-b477a9b795a6">Otto, Eduard</persName> <note>counter-reset</note><persName key="PSN0113709" resp="writer">Otto, Eduard</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_bfbb4e3f-b0ca-43b7-bc68-f99deac0baeb"> <settlement key="STM0100373">Braunschweig</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_04ac9669-199c-42f6-84d5-008e1a5b6dc6">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_de7f9bde-9eb5-4d8b-9fa6-fa1bccc59758"> <settlement key="STM0100116">Leipzig</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"></revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_138c9cb8-300d-4e11-b558-b22411e720b3"> <docAuthor key="PSN0113709" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_69a54cc0-0193-4455-b348-de8fc4fa2e0e">Otto, Eduard</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113709" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_d6834ecb-723b-4f08-aa5e-265fdc8eae09">Otto, Eduard</docAuthor> <dateline rend="right">Braunschweig, den <date cert="high" when="1839-09-21" xml:id="date_7129aa57-a555-42de-8e6d-ed2ac0d52d08">21. September 1839</date>.</dateline> <salute rend="center">Mein hochverehrter Herr Doctor!</salute> <p style="paragraph_without_indent">Mitten in dem bunten Gewühle und Treiben unseres <placeName xml:id="placeName_20bff795-e255-4bd7-ac52-3cfb1ce7046c">Musikfestes<name key="NST0100564" style="hidden" subtype="" type="institution">Musikfest (1839)</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> haben Sie einer der tausend flüchtigen Bekanntschaften, welche sich in jenen Tagen an dem Gefeierten vorüber drängten, ein so freundliches Andenken gewidmet,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_e05c0c7b-d582-42c7-bb92-be8f0349c94a" xml:lang="de">ein so freundliches Andenken gewidmet – Offensichtlich hat Mendelssohn Eduard Otto während des Braunschweiger Musikfestes (6. bis 8. September 1839) ein mit einer Widmung versehendes Notenblatt seines Aufführungsmaterials geschenkt (siehe unten »daß ich auf wenige Noten und Worte von Ihrer Hand«). Otto war offensichtlich in dieses Fest aktiv eingebundenen, unter anderem blätterte er für Mendelssohn die Noten um (siehe unten). Es könnte sich aber auch bzw. zusätzlich um Beethovens Klaviersonate Nr. 24 Fis-Dur, op. 78, gehandelt haben (siehe unten, Z.: »durch gefälligen Besitz von Nr. 24 ... in welchen Sie selbst Ihr Abschiedsblättchen als eine mir unverwelkliche Blüthe geschlungen«). </note> daß die innige Freude darüber mir nur durch Ein schmerzliches Gefühl getrübt wird. – Durch das Bedauern, daß es mir nicht vergönnt war, persönlich mit Dank und Lebewohl von Ihnen zu scheiden.</p> <p>Bei der Trennung von einem langjährigen treuen Gefährten mögen wir wohl gern einen Moment hinwegeilen, der uns an die Vergänglichkeit auch dessen mahnt, was uns durch Zeit und Umgang lieb und werth geworden. Ist es uns dagegen nur wenige kurze Augenblicke beschieden, mit einem schon lange verehrten und lange ersehnten Manne einmal auch persönlich zu verkehren, dann hält sich das Herz leicht in seinen Rechten für betrogen, geht von dem<seg type="pagebreak"> |2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> Wermuth des Abschiedes auch nur Ein Tropfen verloren. Ueberdieß haben Sie, lieber Herr Doctor, gerade durch Ihren freundlichen Scheideg<unclear reason="covering" resp="FMBC">ang,</unclear> ohne es zu wissen und zu wollen, in meinem Innersten Saiten berührt, welche mit meinem ganzen musicalischen – , also mindestens mit einem halben Leben auf’s Innerste zusammenhängen, und wenn Gott nicht seinem ärgsten Feinde den Seelenzustand in sich verschlossenen Ge<unclear reason="covering" resp="FMBC">istes</unclear> und Mißmuths wünschen mag, so würde ich es nicht minder peinlich empfinden, sollte ich die Äußerungen des Dankes und der Freude, welche ich jahrelang wie verschwiegene Zeugen meiner liebsten musicalischen Herzensangelegenheiten in mir getragen, gerade in dem Augenblick da ein freundliches Wort des Gefeierten selbst sie in’s Leben ruft, wieder stumm, und vielleicht für immer in mich verschließen müßte.</p> <p>So überwinde ich denn lieber, nach fast vierzehntägigem Zögerns Scheu, zum ersten Male an einen – berühmten Mann zu schreiben! War ich doch auch selbst Zeuge davon, wie er am Abend seiner <hi rend="latintype">coronage</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_8f56a321-073c-4e2f-9bc4-69742f130a7a" xml:lang="en">coronage – engl., Krönung.</note> den längst errungenen Lorbeer ablehnte,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_5944b476-2d84-4aa2-8151-2b62b02c47ef" xml:lang="de">den längst errungenen Lorbeer ablehnte – Mendelssohn hatte sich gegen eine Ehrung mit einem Lorbeerkranz gewehrt, da ihm solche Würdigungen unangenehm waren; siehe auch seinen entsprechenden Bericht in Brief fmb-1839-09-11-01 (Brief Nr. 2417) und in Brief fmb-1839-09-12-02 (Brief Nr. 2419). Verkenius berichtete z. B. in seinem Brief an Mendelssohn vom 10. Juni 1838 bezüglich des 20. Niederrheinischen Musikfestes 1838 in Köln: »Die Kölnische Zeitung enthält einen vom Comité ausgehenden Bericht über das Musikfest, worinn Sie ›allzubescheiden‹ genannt werden mit Beziehung auf das Ausweichung [!] Ihrer Lorbeerbekränzung; dieses hat nun wieder ein neues Zerwürfniß unter denjenigen, die Ihr Benehmen durchaus billigten, und der Gegenparthei, den mit dem Verfahren des Comités nicht zufriedenen, herbeigeführt« (Brief gb-1838-06-10-01). </note> und mit welcher großmüthigen Wärme er gegen den Geburtsadel der „Genias“ und Ihre Ansprüche und Bestrebungen der kleinen fleißigen „Talente“ in Schutz nahm: – Sie werden darum, lieber Herr Doctor, über dem lauten Jubel <placeName xml:id="placeName_e2a7cb2b-b75d-40cd-a65a-1e24b7ee3209">Braunschweigs<settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> den leisen Nachruf eines etwas verzagten Kunstjüngers nicht überhören und – nicht mißverstehen, dem Sie ja selbst so zuvorkommend ein Lebewohl zugerufen! </p> <p>Eher könnte es Sie, gerade bei Ihrer viel- und hartgeprüften Bescheidenheit, verletzen oder doch befremden, daß ich auf wenige<seg type="pagebreak"> |3|<pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg> Noten und Worte von Ihrer Hand,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_4df7662f-92f8-479d-a92a-0809fad3ce4d" xml:lang="de">Noten und Worte von Ihrer Hand – vermutlich Aufführungsmaterial zum Oratorium Paulus op. 36 (MWV A 14). </note> die von Ihrer Seite nur eine sehr freundlichen Aufmerksamkeit sein konnten, einen, wie <hi n="1" rend="underline">Sie</hi> vielleicht meinen, übertriebenen Werth lege, und ich glaube, schon um Lippen und Augen jenes ironische Lächeln zu sehen, mit welchem Sie Sich anschicken, wieder einmal die überschwenglichen <hi rend="latintype">confessions</hi> eines <hi rend="latintype">Dilettante innamorato</hi>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_21288663-94ee-40f2-82aa-b4a9a3436116" xml:lang="it ">Dilettante innamorato – ital., Verliebter Amateur.</note> wo nicht gar <hi rend="latintype">furioso</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_ab6961a9-cba7-43cf-81fe-e4a118eb5a9a" xml:lang="it ">furioso – ital., wütend.</note> entgegen zu nehmen, oder wohl gar die Duldermiene, mit welcher Sie Sich, den Huldigungen der <placeName xml:id="placeName_2324ef03-1814-4a30-9858-f337e7cbd708">Braunschweiger<name key="NST0100564" style="hidden" subtype="" type="institution">Musikfest (1839)</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> und – <placeName xml:id="placeName_80a1bf0b-ea26-4c39-b37c-05a35ba5e855">Halberstädter<settlement key="STM0103663" style="hidden" type="locality">Halberstadt</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_1c1664c2-b7dd-4d2e-9dff-5ba71493e121" xml:lang="de">Halberstädter – Mendelssohn machte auf seiner Reise zum Musikfest nach Braunschweig einen Zwischenhalt in Halberstadt. Siehe z. B. Brief fmb-1839-08-19-01 Felix Mendelssohn Bartholdy an Wolfgang Robert Griepenkerl in Braunschweig, Leipzig, zwischen dem 12. und 19. August 1839.</note> endlich glücklich entronnen , auf eine letzte, schwerste Prüfung Ihrer Anspruchslosigkeit gefaßt machen.</p> <p>Sie wissen nicht, lieber Herr, und können es natürlich nicht wissen, was dem Abend des <date cert="high" when="1839-09-03" xml:id="date_54c0d998-379d-4a71-8585-fc8efb90e149">3. September</date> in dem Tonleben eines Dilettanten vorging, welcher sich noch gerade schon bequemen muß, in den Worten des Dichters: „Schon 23 Jahr’! Und nichts etc.“ die <hi n="1" rend="underline">Zahlen</hi> umzukehren, ohne je den <hi n="1" rend="underline">Sinn</hi> der <hi n="1" rend="underline">Worte</hi> umkehren zu können, dabei aber nur desto feiner von allen Regungen kleinlicher Eifersucht, die dem Nachstrebenden so oft den reinen Kunstgenuß verkümmern, sich stets seinen jugendlich frischen Sinn für die Werke der Meister bewahrt und <add place="above">vor allen<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> Ihrigen, mit welchen er aufgewachsen, neben den Beschützern seines etwas verödeten Heerdes dankbar aufgestellt hat. Sie können deshalb auch nicht begreifen, wie schnell da Ein Blättchen auch nur flüchtig hingeworfen, die lange genährte Glut entzünden mußte!</p> <p>Schon als Knabe habe ich viel gelesen und mir viel erzählen lassen von dem Knaben <persName xml:id="persName_5e63df0e-91a8-428d-aca0-32bcf09b2f4d">Felix<name key="PSN0000001" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name></persName>, dem es an wunderbarer frühreifer Ausbildung nur <persName xml:id="persName_24353d50-a3c9-45bf-9c0f-06e8f1c45323">Mozart<name key="PSN0113466" style="hidden" type="person">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791)</name></persName> zuvorgethan und der, als er kaum <title xml:id="title_f03c415c-5bb9-42c5-b2e1-f6e6d9547890">3<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_7fletaxt-hxki-0j1s-avtx-1dok6lq97qi2"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="chamber_music_with_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100372" style="hidden">Quartett Nr. 1 c-Moll für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, 20. September bis 18. Oktober 1822<idno type="MWV">Q 11</idno><idno type="op">1</idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_qfzlsa2j-mjyt-pycx-y30s-afffoq2xlulj"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="chamber_music_with_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100374" style="hidden">Quartett Nr. 2 f-Moll für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, 9. November 1823 bis [Anfang 1824]<idno type="MWV">Q 13</idno><idno type="op">2</idno></name><list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_gy8aengw-0dlq-faa7-gpok-lvqpdihaew81"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="chamber_music_with_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100377" style="hidden">Quartett Nr. 3 h-Moll für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, 7. Oktober 1824 bis 18. Januar 1825<idno type="MWV">Q 17</idno><idno type="op">3</idno></name></title><corr resp="editor">13</corr><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_7e60a06a-8d75-4fb7-bb49-05fc3e8a9816" xml:lang="de">3 – Otto meinte offensichtlich drei Werke und nicht das Lebensalter Mendelssohns, siehe den folgenden Kommentar. </note> zählte, schon mehr für das Clavierquartett geleistet<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_aa6d1138-1f0c-4da0-8be8-9be9c2d3690a" xml:lang="de">als er kaum 3 zählte, schon mehr für das Clavierquartett geleistet – Mendelssohn schrieb sein erstes Klavierquartett mit 13 Jahren (Quartett Nr. 1 c-Moll für Klavier, Violine, Viola und Violoncello op. 1, MWV Q 11; komponiert 20. September bis 18. Oktober 1822). </note> hatte, als selbst <persName xml:id="persName_b2364ad9-7291-4943-86fd-5b885f08a27e">Beethoven<name key="PSN0109771" style="hidden" type="person">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName> seiner Zeit <unclear reason="deletion" resp="FMBC">durch</unclear> <add place="above">in<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add><seg type="pagebreak"> |4|<pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg> in seinen ersten <title xml:id="title_31e4b990-19da-4ef5-be8f-ce21d168044e">3 Werken für das Claviertrio<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770–1827)</name><name key="CRT0112724" style="hidden" type="music">Drei Trios für Klavier, Violine und Violoncello (Es-Dur, G-Dur, c-Moll) op. 1</name></title>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_84606396-9919-4541-90c3-28fcc29be94f" xml:lang="de">in seinen ersten 3 Werken für das Claviertrio – Die drei großen Klavertrios entstanden 1794 bis 1795, als Beethoven bereits 24/25 Jahre alt war.</note> Selbst nicht ganz frei von Träumen einer musicalischen Zukunft, nahm ich an allem, was Felix Mendelssohn betraf, das innerste Interesse, hatte schon längst entschieden für ihn Parthei ergriffen, als in der großen musicalischen Welt die Partheien sich n<unclear reason="covering" resp="FMBC">och</unclear> nicht über die Hoffnungen, zu welchen der heranwachsende Jüngling berech<unclear reason="covering" resp="FMBC">tigte,</unclear> für und wider stritten, und jeder kleine Beitrag zu seiner Bildungsgeschichte war mir eine Gabe von größter Wichtigkeit. So machte ich unter anderen akademischen Freunden, welche die Musik schnell – aus ganz Europa – zusammen führte, noch schneller die Bekanntschaft des <placeName xml:id="placeName_0f15b291-f4c8-48c6-8c93-be2d4d2356e6">Danzigers<settlement key="STM0103333" style="hidden" type="locality">Danzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> <persName xml:id="persName_df5a9832-9415-474d-894d-1791d1b282dc">Eduard Gnuschke<name key="PSN0111407" style="hidden" type="person">Gnuschke, Johann Eduard (1804-1834)</name></persName>, da <hi n="1" rend="underline">er</hi> mir zuerst, ich glaube durch seine Tante <persName xml:id="persName_8b6620c9-02aa-4c3d-9105-b6ccf11f10a5">Schoppenhauer<name key="PSN0114677" style="hidden" type="person">Schopenhauer, Luise Adelaide (Adele) (1797-1849)</name></persName>, von Felix Mendelssohn genauere und zuverlässige Kunde zu geben vermochte. Wie oft haben wir damals im Gespräche die Schule bei <persName xml:id="persName_a3107b4c-56d6-4939-944a-ed85f3c0071a">Zelter<name key="PSN0115916" style="hidden" type="person">Zelter, Carl Friedrich (1758-1832)</name></persName>, <persName xml:id="persName_06c8ee31-7c37-4db2-b385-8f6ff743827a">Hummel<name key="PSN0112147" style="hidden" type="person">Hummel, Johann Nepomuk (1778-1837)</name></persName>, <persName xml:id="persName_58e7dd22-35c4-49b5-abd5-bace8873b868">Weber<name key="PSN0115645" style="hidden" type="person">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786-1826)</name></persName> etc. mit Felix durchgemacht, sich durch den Bach – das Meer, da wo es am tiefsten ist – ihm nach alle flotte Burschen gesteuert, und während Gnuschke gern prophezeite, was Sie unserem Jahrhunderte noch alles werden würden, :/nur <gap quantity="1" reason="covering" unit="words"></gap> nicht, daß <title xml:id="title_d451d46e-7c74-4ade-a815-aa4a0759890f">der musicalische Uebersetzer des Don Quichotte<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_qvfkesxs-uxgh-xday-0coa-hamrabhn4g4s"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="stage_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="singspiels_and_operas" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100324" style="hidden">Die Hochzeit des Camacho, Komische Oper in zwei Akten, 11. Juni 1824 bis 10. August 1825; [1826/1827]<idno type="MWV">L 5</idno><idno type="op">10</idno></name></title> einst dem größten aller Apostel verherrlichen werde/: – hielt <hi n="1" rend="underline">ich</hi> mich mehr dem praktischen zugewendet, zunächst an das, was ich schon von Ihnen besaß, an Ihre Claviersachen; (die <title xml:id="title_3516285d-70c4-4499-aa60-7f8fb7a4b9f4">Violinquartette<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_ri5cpopm-badj-mrty-hveo-vc0ht3ayqusx"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="unidentified_and_unspecified_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100970" style="hidden">Quartette für zwei Violinen, Viola und Violoncello<idno type="MWV"></idno><idno type="op"></idno></name></title> waren mir doch etwas zu schwer), und von <persName xml:id="persName_7d28944f-9456-4f87-a976-e69b1030f4f1">jenem<name key="PSN0000001" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name></persName>, der den <persName xml:id="persName_eab5fbe3-7b7b-4cf0-9a4f-471f9eaaa80f">siebzehnjährigen Fuchse<name key="PSN0113709" style="hidden" type="person">Otto, Eduard</name></persName> an Jahren ebenso sehr, wie an Reife des musicalischen Urtheils überlegen war, in meiner Vorliebe bestärkt, pflege ich nun zuversichtlich in den Kreisen, welche größer oder kleiner ein jeder Dilettant um sich bildet, Ihre siegreiche Fahne auf, ritt <seg type="pagebreak">|5|<pb n="5" type="pagebreak"></pb></seg> den Leuten Ihren Zelter :/<title xml:id="title_77c94b42-7f52-4b85-8033-350f28b3a89c">op.2<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_0dlfsxlm-wnts-gywk-2can-8qiaprdspu7y"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="chamber_music_with_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100374" style="hidden">Quartett Nr. 2 f-Moll für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, 9. November 1823 bis [Anfang 1824]<idno type="MWV">Q 13</idno><idno type="op">2</idno></name></title>/: als mein Paradepferd vor und predigte ihnen hinterher meinen neuen <persName xml:id="persName_680c84bf-0547-4e11-8102-a5adc9aa93fc">Heiland<name key="PSN0000001" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name></persName>, um durch Mittheilung dessen, was nur <hi n="1" rend="underline">ich</hi> durch besondere Tradition von ihm Gutes und Schönes wußte, nebenbei mich selbst ein wenig interessant und wichtig zu machen. Auf viele Weise mußte ich denn auch an mir allmählich und unmerklich sogar die wunderliche Selbsttäuschung erfahren, daß ich zwischen meinem Lieblinge und mir zuletzt gar nicht mehr genau distinguierte, <hi n="1" rend="underline">seine</hi> Werke, die <hi n="1" rend="underline">ich</hi> möglichst überall zuerst zu Gehör zu bringen mich piquirte,<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_992f3119-5418-45d9-ac82-2b5987aea639" xml:lang="de">piquirte – herausstrich, in den Vordergrund setzte. </note> mir gewissermaßen wie eigene vorkamen, auf die ich mir selbst ein wenig zu Gute that, und daß ich den <hi n="1" rend="underline">Ihnen</hi> gespendeten Beifall mit einer gewissen Satisfaction unbedenklich auch für mich selbst eincassirte, – ein argloser Betrug des Herzens, dem er sich überall, wo es einmal entschiedenen Antheil genommen hat, gern hingiebt und <add place="above">wohl<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> hingeben darf! – </p> <p>Begreifen Sie es nun, lieber Herr Doctor, wie sehr <hi n="1" rend="underline">ich</hi> nach so vertrautem Umgange eines selben :/juristischen/: Menschenalters<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_cb13062b-d6d5-4971-94dd-2924852f6fe0" xml:lang="de">eines selben :/juristischen/: Menschenalters – Eduard Otto war gleichaltrig mit Mendelssohn.</note> mit Ihren Werken auf Ihre persönliche Bekanntschaft gespannt war? – Daß ich aber diese nicht auf dem breiten Alltagswege conventioneller Förmlichkeit machte, daß gerade der <hi rend="latintype">sans’ façon</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_255e5483-1379-4c91-8bd2-d7889c11bc09" xml:lang="fr ">sans’ façon – frz., ungezwungene.</note> Beethoven, dem ich schon so vieles zu danken habe, mich auch hier gleich <hi rend="latintype">medias in res</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_33a6903e-5f8e-4f78-bf81-7fb0b849881c" xml:lang="la ">medias in res – lat., mitten in die Dinge.</note> fortriß, – nun ich habe es dem Herrn Doctor <hi rend="latintype">Felix</hi> schon einmal schwarz auf weiß gesagt, daß ich mit ihm an jenem Abend ein wenig die Rollen getauscht habe, daß ich auch einmal :/durch gefälligen Besitz von <title xml:id="title_98b30447-7ceb-4ebc-91e0-a09560cfeff1">Nr. 24<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770–1827)</name><name key="CRT0112732" style="hidden" type="music">Klaviersonate Fis-Dur, op. 78</name></title>/: der „Glückliche“ gewesen bin! Ich könnte noch hinzufügen, daß ich mit dem ersten <hi rend="latintype">volti subito</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_b66b7a92-a0b6-4d4b-8728-4b7b50aa20c7" xml:lang="it ">volti subito – ital., wende sofort um (gemeint ist das Notenblatt).</note> der <title xml:id="title_48660369-3a53-41f7-a9f5-1b7424f2193b">Beethovenschen Sonate<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770–1827)</name><name key="CRT0112732" style="hidden" type="music">Klaviersonate Fis-Dur, op. 78</name></title> auch in<seg type="pagebreak"> |6|<pb n="6" type="pagebreak"></pb></seg> meinem Tonleben eine andere – , die Lichtseite aufgeschlagen und daß jedes folgende Blatt sich zu einem Kranze von Erinnerungen gereiht habe, in welchen Sie selbst Ihr Abschiedsblättchen als eine <add place="above">mir<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> unverwelkliche Blüthe geschlungen,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_3c52e6ec-7651-4a71-9a64-dcb36ca23d69" xml:lang="de">in welchen Sie selbst Ihr Abschiedsblättchen als eine mir unverwelkliche Blüthe geschlungen – siehe Kommentar zu Z.: ein so freundliches Andenken gewidmet.</note> daß der Himmel selbst nicht bloß zur <title xml:id="title_eff2bdea-3543-46c5-b2ee-7b1c0de2b040">Paulusaufführung<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_zpntwwra-dag9-qyx7-vwnr-iizb00tm5ycf"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title> ein sichbares Zeichen gegeben, sondern auch zu dem Ereignisse, welches in <hi n="1" rend="underline">meinem</hi> musicalischen Leben Epoche macht, in seinem schönsten Brillantfeuer gestrahlt habe, während der <title xml:id="title_7967d64c-b458-4224-af62-8c19d08f8e63">Beethovensche Vier und Zwanzig Pfün<unclear reason="covering" resp="FMBC">der“</unclear><name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770–1827)</name><name key="CRT0112732" style="hidden" type="music">Klaviersonate Fis-Dur, op. 78</name></title> die erste Lesung gegeben, und dergl. Aber auch der Schein von Idolator<unclear reason="covering" resp="FMBC">en</unclear><note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_bc879432-cc58-42c5-98d5-05532805f907" xml:lang="de">Idolatoren – Götzenanbetung, Götzendiener.</note> mit dem, was mir lieb und werth geworden, ist mir zuwider und wie ich während Ihrer Anwesenheit, – treu meinem Vorsatz folgte, mich großen Männern nicht aufzudrängen, – mit meinem vollen Herzen gegen Sie zurückgehalten und geschwiegen habe, so gestehe ich Ihnen auch jetzt nur, kurz und schlicht, obschon nicht ohne Glut auf den Wangen und darum schwarz auf weiß, (denn <hi rend="latintype"><hi n="1" rend="underline">litterae</hi> non eruberrunt</hi>):<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_5bfcad13-8123-4de4-8c1a-a50f0ca81006" xml:lang="la ">litterae non eruberrunt – lat. (erubuerunt, erubere), Buchstaben haben nicht errötet / Buchstaben haben sich nicht geschämt.</note> daß Sie mich durch Ihr Blättchen sehr glücklich gemacht haben! –</p> <p>Enthält es aber nicht auch für alles, was mir und unserem kurzen und – wie Sie nun wissen – langen wechselseitigen Verkehr der würdig geworden ist, eine sinnvolle Bezeichnung? – Komme ich <gap quantity="1" reason="covering" unit="words"></gap> mir doch fast wie die zweite Stimme eines Canon vor, die bisher dem Ohr und dem Auge unbemerkt, in den Noten still verborgen, allen Ihren Werken treu gefolgt ist, und nun plötzlich auf das Zauberwort des Meisters: „<hi rend="latintype">a due</hi>!“<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_5c3a141d-1d44-4f4d-a63f-fa74f2a69bcb" xml:lang="it ">a due – ital., zu zwei.</note> in Klang und Schrift vollständig hervortritt! – „Und das Mondlicht“, von mir, <seg type="pagebreak"> |7|<pb n="7" type="pagebreak"></pb></seg> dem der <placeName xml:id="placeName_8ca1d58a-e67d-40d1-aa12-4b8d5c65f811">Harzwald<settlement key="STM0105066" style="hidden" type="region">Harzwald</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> Vater, und die Insel <placeName xml:id="placeName_8eec8748-c201-4959-9ea6-fd8718c48355">Fünen<settlement key="STM0105067" style="hidden" type="area">Fünen</settlement><country style="hidden">Dänemark</country></placeName> Mutterland ist, schon immer gern als ein heimatliches Zeichen voll ernster tiefer Deutung begrüßt, – erschien es mir nicht an jenem Abend als ein <foreign xml:id="foreign_874a326b-c871-42d5-9612-30fd20540cc9" xml:lang="grch">λαμπρός Φεγγος</foreign>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_6630ae49-9a4b-4c41-ae7c-37776b0c89f0" xml:lang="grc ">λαμπρός Φεγγος – griech., glänzender Schein.</note> als ein sinnvolles Bild der <foreign xml:id="foreign_9c30d8d9-a260-4e59-8df6-7120e58f133d" xml:lang="grch">διοσδοτος αιγλα</foreign>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_1e8f6c6f-8258-4a04-8a8d-c3118996ec40" xml:lang="grc ">διοσδοτος αιγλα – griech., von Zeus gegebener Glanz.</note> der <foreign xml:id="foreign_089d189f-1145-43b5-ac3d-3345562f2a3d" xml:lang="grc">τεχνα</foreign><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_320e9845-b19e-4b85-98c4-3c0cc4cb653d" xml:lang="grc ">τεχνα – griech. τέχνη, die Kunst.</note> selbst, welche mir plötzlich ihre Strahlenseite zuwandte, daß alles frühere Kunstleben fast wie ein <foreign xml:id="foreign_b863b358-fccd-4d32-b8c6-a4135012663e" xml:lang="grc">σκιας ὀναρ</foreign><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_f16cdb9d-6872-40ad-95cb-86963f50e906" xml:lang="grc ">σκιας ὀναρ – griech., Traum von einem Schatten.</note> hinter mir lag? – „Und die Sonate!“ Hat Beethoven wohl eine andere gedichtet, welche in milder Lieblichkeit mehr ein treuer Ausdruck und Erguß des <foreign xml:id="foreign_12ce39a5-84bd-4387-a642-2aad69b56708" xml:lang="grc">ἀνδρων μειλιχος αἰων</foreign><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_8da97583-39aa-4c30-9e43-dc2c8796e5f4" xml:lang="grc ">ἀνδρων μειλιχος αἰων – griech., Menschen sanftes Leben.</note> genannt zu werden war, diente? – Doch Verzeihung, daß ich Ihnen hier nach <hi n="1" rend="underline">meiner</hi> Weise interpretiert habe, was Ihnen, <hi rend="latintype">most learned Sir</hi>, aus <title xml:id="title_8f37ba40-1177-4969-95be-061f27818931">Ihrem Pindar<name key="PSN0117832" style="hidden" type="author">Pindar (522–455)</name><name key="CRT0112730" style="hidden" type="literature">Pythische Oden 8</name></title> längst bekannt ist:<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_8b2605a7-09d5-46ba-adf1-f5faa5e044c6" xml:lang="de">aus Ihrem Pindar längst bekannt ist – Pindar, Pythische Oden 8, Z. 95-97.</note></p> <p> <lg rend="left" type="verse" xml:id="lg_9b3fcfb6-e46c-447b-b02f-b4cff4dfc3ff"> <l xml:id="l_f6b38945-c8d4-4e87-8cea-683af41c72ad"> <foreign xml:id="foreign_054d1c6d-a8c1-4185-9a5b-7b0a8422b493" xml:lang="grc">Επαμεροι· Τι δε τις; τι δ`οὐ τις; </foreign> </l> <l rend="indentation" xml:id="l_fc739c66-1710-467f-8f55-0fc7805451a2"> <foreign xml:id="foreign_c4806143-fda0-448b-9005-1a1cd542bc66" xml:lang="grc">σκιας ὀναρ ἀνθρωπος. ἀλλ` ὁταν αἰγλα </foreign> </l> <l xml:id="l_c77fe9d5-f7db-4b15-91e8-a61d5e7b19af"> <foreign xml:id="foreign_17e2f166-2856-4021-83ad-805e26b946a6" xml:lang="grc">διοσδοτος ἐλθῃ,</foreign> </l> <l xml:id="l_2303c253-fc26-4a5c-9173-99c5f50258e8"> <foreign xml:id="foreign_024a7bfd-1426-4b6c-8621-f0784bf46678" xml:lang="grc">λαμπρον φεγγος, ἐπεστιν ἀνδρων</foreign> </l> <l xml:id="l_65ccf116-c5f7-4f34-b64e-09328356678b"><foreign xml:id="foreign_513830f9-4143-4e9c-b58b-3ad2e0ce235e" xml:lang="grc">και μειλιχος</foreign><ref target="#fn1" type="Footnotes_reference" xml:id="fnr1">*</ref> <foreign xml:id="foreign_a40663b4-a8d3-4ef8-b2a7-370769dd03aa" xml:lang="grc">αἰων</foreign>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_0a89c9de-6207-40ad-8b15-c59a6098a127" xml:lang="grc ">Kreaturen eines Tages! Was ist ein Mann? Was ist er nicht? / Ein Traum von einem Schatten ist der Mensch. Doch wann immer die von / Zeus gegebene Helligkeit kommt, / ruht ein strahlendes Licht auf den Menschen / und ein sanftes Leben. </note></l> </lg> </p> <p>Daß ich einen pontischen Ausdruck für meine Empfindung – in dem <persName xml:id="persName_b6f8ced2-a982-4540-926b-db0509ed7a54">Sänger<name key="PSN0117832" style="hidden" type="person">Pindar (522-455)</name></persName> der Pythischen Feste<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_96ed07d8-2646-4630-bceb-acb14ed6261f" xml:lang="de">Pythischen Feste – die zu Ehren der Sieger der Apollon abgehaltenen Pythischen Spiele in Delphi (Pytho).</note> suche, bedarf ohnehin bei Ihrer Vorliebe,<seg type="pagebreak"> |8|<pb n="8" type="pagebreak"></pb></seg> für alte griechische Poesie, – welche ich selbst in Ihren <hi n="1" rend="underline">musikalischen</hi> Werken so viel es da möglich ist, durchzufühlen glaube, – keiner Entschuldigung. <placeName xml:id="placeName_996dd1b0-eb23-4552-86cb-a4f8e470c710">Braunschweig’s Musikfest<name key="NST0100564" style="hidden" subtype="" type="institution">Musikfest (1839)</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> ist mir mehr geworden, als ein Pythisches, mehr als ein Olympisches Festspiel, da ich auf demselben – ich kann es nur als Probe meiner Selbstverleugnung ansehen, – ein Denkblatt errungen habe,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_d653a33f-347a-4254-8454-3fce975d7797" xml:lang="de">ein Denkblatt errungen habe – siehe Kommentar zu Z.: ein so freundliches Andenken gewidmet.</note> welche mir <gap quantity="1" reason="deletion" unit="words"></gap>, wie Sie ja nun selbst wohl sehen, mehr sagt, als eine Pindarsche Ode! – – </p> <p>Doch ganz der Herzensergießungen, die, so treu sie auch gemeint sind, Ihnen <choice resp="editor" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_6c11ff9f-5dce-4c81-af1c-a8c5e4729a8f"><sic resp="writer">gleichwol</sic><corr resp="editor">gleichwohl</corr></choice> nur der Wiederhall tausend ähnlicher sein werden. – Um Ihnen statt dessen etwas zu bringen, worauf Sie wohl einigen Werth legen: Herzliche Grüße vom unserem, <persName xml:id="persName_c69b0736-c55a-4b8c-885f-fad4cef960a1">Carl <hi rend="latintype">Müller</hi><name key="PSN0113490" style="hidden" type="person">Müller, Carl Friedrich (I) (1797-1873)</name></persName>, dem echt deutschen Geiger, der, denk’ ich, <placeName xml:id="placeName_95dec8e9-68ca-4588-bbd1-42e899ee7b5c">Braunschweig<settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> wieder einmal alle Ehre gemacht hat und zugleich die Bitte, recht bald wieder zu kommen! – Ich füge :/ und <gap quantity="1" reason="uncertain_reading" unit="words"></gap> in ganz n /: hinzu: Für immer!! – (was wenn <hi n="1" rend="underline">Sie</hi> nur wollten, sich vielleicht schon binnen kurzer Frist ausführen lassen würde.). </p> <p><seg type="pagebreak">|9|<pb n="9" type="pagebreak"></pb></seg> Da ich nun aber einmal zu den <hi n="1" rend="underline">Bitten</hi> übergegangen bin, und mit Ihnen bei dem Herrn Doctor bisjetzt so willfähriges Gehör gefunden habe, so bin ich auch noch so kühn, eine frühere Bitte für mich und die hiesigen Damen, – denen ich dabei als Vorbitter wohl vorangehen muß, – in geneigte Erinnerung zu bringen; … die um ein <hi rend="latintype">quatre mains</hi>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_bcceaf21-1598-40d3-87ef-76a4de718348" xml:lang="fr ">quatre mains – frz., vierhändig.</note> welches wir, lieber Herr Doctor, da ich Ihr Arrangement Ihres <title xml:id="title_667ff88d-32e2-428b-bfce-20614c584d1f">Octetts<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_codylauh-zfmu-zuif-4nfa-ywcfbhprmlhv"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="chamber_music_works_without_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100391" style="hidden">Oktett Es-Dur für vier Violinen, zwei Violen und zwei Violoncelli, 15. Oktober 1825<idno type="MWV">R 20</idno><idno type="op">20</idno></name></title> doch nicht als ein Original passieren lassen kann, von Ihnen zu meiner Verwunderung <choice resp="editor" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_e7b9b600-d94f-4e53-bdae-489ada2dc719"><sic resp="writer">bisjetzt</sic><corr resp="editor">bis jetzt</corr></choice> noch nicht besitzen. – Aber Sie haben, wie ich aus einem Ihrer 3 letzten, mir bisjetzt vorenthaltenen Briefen an unseren Secretair <persName xml:id="persName_95061554-8e39-4a3a-940c-5a81834e8479">Robert<name key="PSN0111546" style="hidden" type="person">Griepenkerl, Wolfgang Robert (1810-1868)</name></persName> ersehen habe, zunächst eine <title xml:id="title_3aed6344-4a68-4448-a1db-6443a0956ae7">Sinfonie<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_aztluc48-ig5c-t3jx-gxnn-mkjxmskuwpws"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="symphonies" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100343" style="hidden">Sinfonie B-Dur für Orchester, Fragment, [ca. 1838 bis 1840]<idno type="MWV">N 17</idno><idno type="op"></idno></name></title> zu vollenden; reisen bald nach <placeName xml:id="placeName_2de5b760-cf76-4499-afbe-2c32dbc71adc">Wien<name key="NST0105029" style="hidden" subtype="" type="institution">Musikfest (1839)</name><settlement key="STM0100145" style="hidden" type="locality">Wien</settlement><country style="hidden">Österreich</country></placeName>; im Winter wird mehr musicirt, als componirt; usw. – Nun wir wollen auch, wenn wir nur damit die Doppelsonate verdienen können, gern noch lange, lange warten! – meine Wenigkeit wenigstens… aber auch nicht gar länger als :/ und das ist also eigentlich gar nicht lange/:… bis op. 54! – Warum? – Weil ich gerade nur so lange an den Noten meines Canons zu zählen habe! – , was ich bloß deshalb wiederhole, weil es mir nicht entgangen ist, wie sehr Sie, vermuthlich vom Organon und Generalbasse her, die Bedeutung der Ziffern zu respectieren wissen, und ich es für mehr, als bloßen Zufall halte, daß z.b. <title xml:id="title_efee3c92-22de-4e77-a10d-b257d53e1bf2">op. 7<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_hfrv6wp4-zck6-izpg-iuof-n2zmyrbxm4g0"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="collective_sources" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="collective_prints" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100617" style="hidden">Sieben Charakterstücke für Klavier, 1827; enthält MWV U 56, U 44, U 59, U 55, U 60, U 61 und U 62<idno type="MWV">SD 1</idno><idno type="op">7</idno></name></title> just 7 Nummern enthält, nur daß der <title xml:id="title_65442472-24af-4643-80a9-d8f34ae70033">42. Psalm<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_lsv7illk-rbhm-fza9-isov-9cddavcycx4q"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100115" style="hidden">Der 42. Psalm »Wie der Hirsch schreit« für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, April bis Juli 1837; 22. Dezember 1837<idno type="MWV">A 15</idno><idno type="op">42</idno></name></title> gerade op. 42 geworden ist. – Aber alle klugen Berechungen werden mir am Ende doch nicht helfen. Denn ich werde bei der Sache, schon meiner<seg type="pagebreak"> |10|<pb n="10" type="pagebreak"></pb></seg> schönen Bittschwestern wegen, wohl ganz übersehen <add place="above">werden<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> und den Braunschweiger Damen…! Freilich ist und bleibt Ihnen am Clavier das „<hi rend="latintype">à 4 mains</hi>“, wie beim Gesange das „<hi rend="latintype">a 2 voci</hi>“,<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_1845aaef-b5d2-4b6d-af41-093375e44b3a" xml:lang="it ">a 2 voci – ital., für zwei Stimmen.</note> wenn sie es auch vor der Welt nicht recht haben wollen, doch von Grund Ihres Herzens das liebste, das „allerliebste“ <hi rend="latintype">genre</hi>. Allein seitdem sie beim <title xml:id="title_3da45305-52b1-480e-9316-15af8fab430b">Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_tfpfezjp-mweo-3j6s-u7jm-7qjvyruya75j"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title> einmal gelernt haben, Ihnen alles aus und abzusehen, werden sie Ihnen nun auch alles nachsehen; und darüber wird das <hi rend="latintype">4 mains</hi> ganz in Vergessenheit kommen! – So muß ich mich denn nach anderen Bundesgenossen umthun! Und da ich gerade aus der Vernachlässigung des <hi rend="latintype">4 mains</hi> folgern darf, daß Ihre Frau <persName xml:id="persName_8f34a306-7d78-4dcc-9475-de4e24cde3c6">Gemahlin<name key="PSN0113252" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> – :/welche Sie, hochgeehrter Herr Doctor, hoffentlich in besten Wohlsein angetroffen haben werden!/: – nicht Clavierspielerin ist, und mir auch von allen den Damen, mit welchen Sie sich hier unterhalten haben; keine einzige unbegreifliche Weise über diesen, doch auch für sie sehr wichtigen Punkt hat Auskunft geben können, so muß ich mich schon an das halten, was ich aus Ihrem eigenen Munde weiß, – nämlich, daß Sie mit Ihrer Fräulein Schwester früher oft 4/ms.<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_15554328-9fad-4f9f-9243-5f1d63245958" xml:lang="fr ">4/ms – quatre mains.</note> gespielt haben. Diese erlaube ich mir deshalb, obschon unbekannter Weise, aber durch die Noth wohl entschuldigt, höflichst zu ersuchen, sich für die Braunschweiger Damen bei dem Herrn Bruder zuweilen zu verwenden. Im Vertrauen auf diese Fürsprache habe ich auch schon auf Ihrem Bilde, welches, mit allerlei <foreign xml:id="foreign_dcd443f2-ce86-4d3e-bd34-8d686ca90095" xml:lang="grc">υπομνήματα</foreign><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_5ce67a89-22ac-48d7-97f6-3834a9ebddb9" xml:lang="grc ">υπομνήματα – griech., Kommentare, Notizen.</note> bunt verziert, jetzt vor mir hängt, ein trauliches Plätzchen „für das erbetene <hi rend="latintype">quatremains</hi>! (<title xml:id="title_ab370252-a551-4119-b0de-23d401ce33e2"><hi rend="latintype">op</hi>. 55<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_44zxyjtg-qi01-5ofp-dfs5-dqafgyf2yz3b"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="stage_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="music_for_plays_and_other_stage_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100333" style="hidden">Musik zu Antigone für Solostimmen, Männerchor und Orchester, [September bis Mitte Oktober 1841]<idno type="MWV">M 12</idno><idno type="op">55</idno></name></title>?)“: offen gelassen. Bitte lassen Sie das Plätzchen nicht – und auch nicht zu lange – leer!</p> <p><seg type="pagebreak"> |11|<pb n="11" type="pagebreak"></pb></seg> Noch muß ich, hochgeehrter Herr, um mich aller meiner Aufträge zu entledigen, Sie nachträglich davon in Kenntnis setzen, wie sehr eine Dame, welche von mir im Auftrage des Vereins eingeladen war, bei dem Diner nach der Paulusaufführung :/statt Fr. <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_210e53f0-e411-47aa-b994-1c6044b89303">v. Löhneysen<name key="PSN0120026" style="hidden" type="person">Löhneysen, Adolfine Hermine Friederike von (1815-1890)</name></persName></hi>/: den Platz an Ihrer Linken einzunehmen, – wie sehr es die Gräfin <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_6beac336-706f-49dd-a459-0b2bdbb49812">Oberg<name key="PSN0120027" style="hidden" type="person">Oberg, Sophie Marie Charlotte von (1784-1863)</name></persName></hi> bedauert hat, daß sie – um sie selbst, <add place="above">jedoch ohne Auftrag<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> reden oder vielmehr schreiben zu lassen – „die nähere gewöhnliche Bekanntschaft des hochbegabten interessanten Componisten, dessen Kunst uns in diesen Tagen so reiche Genüsse verschaffte, nicht habe machen können“, da der <persName xml:id="persName_b5c6d2c4-a82a-46f9-b38e-06c60df72528">Graf<name key="PSN0119842" style="hidden" type="person">Oberg, Hilmar Ludwig Wilhelm Ernst (seit 1803) Graf von (1776-1861)</name></persName> durch Geschäfte auf seinen Gütern von dem Feste zurückgehalten wurde. Ich füge hinzu, daß ich Ihr Bedauern aufrichtig theile, weil ich diese Dame fast wie eine zweite Mutter verehre. – </p> <p>Aber ich muß Ihnen wohl endlich Lebewohl sagen! –Und da mir nun der Augenblick des Scheidens mit seinem ganzen Ernste wirklich vor die Seele tritt, so erlauben Sie mir, nur noch einmal eines Freundes zu gedenken, von dem ich – auch beim Abschiede! – einen mich noch bei jeder Rückerinnerung tief ergreifenden Beweis erhalten habe, nicht bloß wie schnell, sondern auch wie fest und dauernd hier die Tonkunst ihre Bande knüpft! <persName xml:id="persName_bb5f1601-7d57-4925-a14b-574ddbc3f3eb">Eduard Gnuschke<name key="PSN0111407" style="hidden" type="person">Gnuschke, Johann Eduard (1804-1834)</name></persName>, vom dem ich nur Namen und Vaterstadt kenne, (was fragt der Student und vollends der Tonfreund nach den übrigen Philistereien dieses Lebens?) hatte mir nachdem wir in Göttingen geschieden waren, ein <hi rend="latintype">Pour Mal</hi>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_0f34fdb4-fcb3-43f0-a84a-c3632163c7d3" xml:lang="fr ">Pour Mal – frz., für schlechtes, mit Bösem.</note> zuletzt durch den <persName xml:id="persName_cf60ebea-1dd1-48fa-9807-658f8b629cc1">Maler Reinert<name key="PSN0120028" style="hidden" type="person">Reinert, Herr</name></persName>, geschrieben, war dann aber für mich verschollen, bis mir vor einigen Jahren hier ein Heft von ihm componierter Lieder, adressirt: S.F.<seg type="pagebreak"> |12|<pb n="12" type="pagebreak"></pb></seg> H. Eduard Otto, Jurist, in <placeName xml:id="placeName_6759facb-20ea-4466-8441-efc9a0422f85">Blankenburg<settlement key="STM0104536" style="hidden" type="locality">Blankenburg (Harz)</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> am <placeName xml:id="placeName_0dd4484e-d435-4c53-a9da-45776e293066">Harz<settlement key="STM0104796" style="hidden" type="locality">Harz</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> – zugeschickt wurde, aus welchen mir ein Blättchen von anonymer, wie es schien –, weiblicher Hand entgegenfiel: „Auf dem Sterbebette – lautete die Trauerpost – habe sich der für seine Freunde zu früh Vollendete seiner fernen Lieben erinnert und gewünscht, daß ihnen als ein Andenken an ihn die beikommenden Versuche mitgetheilt würden.“ – Da ich die erste genauere Bekanntschaft mit Ihnen, lieber Herr Doctor, zu danken habe, so durfte ich seiner treuen Anhänglichkeit eben hier wohl ein kleines Denkmal setzen. – </p> <p>Doch ich will lieber, wie der recht praktische <persName xml:id="persName_146ef9d3-4e13-42c9-9190-e47c205d7067">Carl Müller<name key="PSN0113490" style="hidden" type="person">Müller, Carl Friedrich (I) (1797-1873)</name></persName>, des so fröhlichen Wiedersehens gedenken! Dazu sind ja wohl erfreuliche Augenblicke vorhanden. Haben Sie doch <placeName xml:id="placeName_033761e5-ca55-4a65-941e-2e58d652817f">Braunschweig<settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> kaum kennen lernen! Und hat Ihnen nicht hier der <placeName xml:id="placeName_a27de3be-2e67-4a51-a5a3-930f6d493e25">Harz<settlement key="STM0104796" style="hidden" type="area">Harz</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> mit seinem ehrwürdigen kahlen Scheitel freundlich in das Fenster geguckt und Ihnen in die blaue Ferne nach meinen heimatlichen Bergen gewinkt? Also lassen Sie im nächsten Jahr nicht auf Sich warten. Und wenn auch Tondichter und Tonkünstler einmal ganz daheim bleiben, Sie sind uns auch ohne jene nicht minder willkommen! Reisen Sie statt dessen mit Weib und Kind, und beschauen Sie Sich einmal Stadt, Land und Gebirge, auf dem ich ziemlich Bescheid weiß! – Bis dahin aber, wie überhaupt, schonen Sie, lieber Herr, Ihre Kraft, daß sie nicht vor der Zeit aufgerieben werde, und unser Aller Freude sich einmal zu früh in desto größeres Leid verwandele! Und sollte es im Rathe des Himmels beschlossen sein, daß wenigstens <hi n="1" rend="underline">mein</hi> Fuß dem Ihrigen nicht wieder auf demselben Pfade begegnen, so glauben Sie mir, lieber Herr Doctor,<seg type="pagebreak"> |13|<pb n="13" type="pagebreak"></pb></seg> daß die freundliche Erinnerung <hi n="1" rend="underline">an</hi> und <hi n="1" rend="underline">von</hi> Felix Mendelssohn mir unvergänglich sein wird, und daß, wenn ich selbst vielleicht einmal etwas mehr für die Kunst versuchen sollte, als unter Ihrem Kommando die Bratschen in Reih’ und Glied <add place="above">zu<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> stellen, oder Ihnen <add place="above">am Flügel<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> umzublättern, – (Sie sehen, ich kann nicht bloß bitten, sondern auch drehen!) – jene Erinnerung den besten Theil davon gethan hat. </gap>! –</p> <closer rend="left">Und nun, – da es geschieden sein muß! – leben Sie denn wohl, lieber – Felix! Die großen und berühmten Herrn – ich meine den Tondichter und den Tonkünstler, – von welchen ich mich ohnehin nicht besonders und officiell in diesen Tagen verabschieden werde, darf ich in diesem Augenblicke ja wohl einmal ignoriren. Habe ich Sie doch schon hier so oft über dem Menschen vergessen! Nur <hi n="1" rend="underline">diesem</hi> also gilt mein Händedruck, und nur von ihm, aber mit desto tieferer Bewegung, scheidet jetzt und scheidet auch nicht</closer> <signed rend="center">Ihr</signed> <signed rend="right">treuer Verehrer</signed> <signed rend="right">Eduard Otto.</signed> </div> <div type="footnotes_area" xml:id="div_eb5f3fb9-ba39-4fee-903d-e19cdcbe1b9f"> <note n="*" subtype="author" target="fnr1" type="footnote" xml:id="fn1"><seg type="pagebreak">|6|<pb n="6" type="pagebreak"></pb></seg> <foreign xml:id="foreign_62ee9746-6782-4ce1-9de4-40bd0eb57d4f" xml:lang="grc">μειλιχος</foreign><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_68226241-3f66-4667-81df-b8499f52a5c5" xml:lang="grc ">μειλιχος – griech., mild, sanft.</note> DD. <hi rend="latintype">dissentt</hi>. Schreiber dieser muthmaßt, daß der Ausdruck sich eigentlich auf <hi n="1" rend="underline">die</hi> Sonate /besonders Ihren ersten Satz/ beziehe, welche – von allen Ihren mir vor dem <placeName xml:id="placeName_a8a87310-6014-4880-989b-d42f5276aefc">Musikfeste<name key="NST0100564" style="hidden" subtype="" type="institution">Musikfest (1839)</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> reißend abgeborgten Werken mir zufällig allein geblieben – nicht ganz zufällig, als stumme Bitte um <add place="above">dem<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> Vortrag einer eigenen Composition, unter der <title xml:id="title_f59a79a9-18c7-4bc6-88f4-fccb26c9eb65">Beethovenschen Sonate<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770–1827)</name><name key="CRT0112732" style="hidden" type="music">Klaviersonate Fis-Dur, op. 78</name></title> lag. Zwar hat der Vater dieses sein Kind selbst eine „Sünde“ genannt. Ich habe jedoch eine solche nirgends in ihr entdecken können, es mußte dann für eine Sünde, für ein Werk der schwarzen Kunst gehalten werden, daß in derselben das Unmögliche möglich gemacht und dabei das wilde und unbändige Kind der Freiheit, welches Recitativ heißt, zum ersten Male in die Fesseln der strengsten Fuge geschlagen ist. Denn<seg type="pagebreak"> |7|<pb n="7" type="pagebreak"></pb></seg> muß aber auch der Enthusiasmus des Publikums in Braunschweig :/über dessen Kälte, Intol<unclear reason="covering" resp="FMBC">leranz</unclear> und Mißtrauen gegen fremde Künstler sonst mit Recht bittere Klage geführt wird/: beide Aufführungen des <title xml:id="title_a2710952-07b8-45e2-a127-34d58086c309">Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_jgty8jxd-qjhw-nivf-r73r-l9c6wly0vqs4"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title> dem Tausendkünstler als eine verwirklichte Unmöglichkeit, als eine Sünde angerechnet werden, für welche derselbe am Nachmittag des <date cert="high" when="1839-09-07" xml:id="date_2d920905-c1ca-4c59-a02d-53d2a2328783">7. Septembers</date> nach Rechtswegen öffentlich gesteinigt ist. Doch <hi n="1" rend="underline">ich</hi> kann und will ihn überall keiner Sünde zeihen, vollends nicht, seitdem der <persName xml:id="persName_b8bc553d-e091-49a9-8331-ef43125bb02d">Abt von Riddagshausen<name key="PSN0120029" style="hidden" type="person">Bartels, August Christian</name></persName>, welcher ein gelehrter Th<unclear reason="covering" resp="FMBC">eologe</unclear> sei und die Sache gründlich verstehen soll, (mein Schwager) durch Auslegung des fein gegliederten Textes auch vor dem <persName xml:id="persName_bc5de2e3-0fc3-44fe-996e-1f08a662489f"><hi n="1" rend="underline">Dichter</hi> des Paulus<name key="PSN0000001" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name></persName> <add place="above">mir<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> einen wahrhaft heiligen Respect eingeflößt hat. Ich will diesem also den Text gar nicht lesen, auf den er sich ohnehin besser versteht, wünsche mir vielmehr eine ganze Sündfluth von ihm und habe diese Episode von <title xml:id="title_d7841e8f-8181-476f-987f-e240e857b5f5">op. 6<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770–1827)</name><name key="CRT0112733" style="hidden" type="music">Sonate für Klavier zu vier Händen D-Dur, op. 6</name></title> in der Geschichte der <persName xml:id="persName_bf38f38d-c895-44a1-a51f-68c484cb6bdd">Beethovenschen<name key="PSN0109771" style="hidden" type="person">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName> Sonate hauptsächlich nur deshalb berührt, um dem hochgeehrten und hochgelehrten Herrn ein b,… für ein a zu machen, das, für seine lieben Noten (ganzer 54, wobei ich die meiner Stimme noch nicht einmal mitzähle,) <add place="above">ihm<name key="PSN0113709" resp="writers_hand" style="hidden">Otto, Eduard</name></add> doch auch wenigstens Eine – Noten wieder zu schicken.</note> </div> </body> </text></TEI>