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gb-1839-02-23-01

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Ferdinand Hiller an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig <lb></lb>Mailand, 23. Februar 1839 Angenehmeres hätte mir gestern Mittag, als ich ziemlich unliebenswürdig an Humor’s auf die Post schlich, nicht leicht zukommen können, als Deine längst ersehnten Zeilen . Es war mir wahrhaft Bedürfniß zu erfahren wie Du Dir Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) Felix Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Mailand; Leipzig, 9. und 10. Februar 1839 Felix Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Mailand; Leipzig, 15. April 1839 Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
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Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. 35/69. Autograph Ferdinand Hiller an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig; Mailand, 23. Februar 1839 Angenehmeres hätte mir gestern Mittag, als ich ziemlich unliebenswürdig an Humor’s auf die Post schlich, nicht leicht zukommen können, als Deine längst ersehnten Zeilen . Es war mir wahrhaft Bedürfniß zu erfahren wie Du Dir

1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext; S. 4 Adresse, 3 Poststempel [F.C.], [MILANO / FEBBRAJO 23], [St.Post /5 MÆRZ / II. 9-12], Siegel.

Ferdinand Hiller.

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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

23. Februar 1839 Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)counter-resetHiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885) MailandItalien Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) LeipzigDeutschland deutsch
Monsieur Felix Mendelssohn-Bartholdy. Leipsic. (Allemagne).
Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885) Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885) Mailand, den 23n Februar 39. Lieber Felix!

Angenehmeres hätte mir gestern Mittag, als ich ziemlich unliebenswürdig an Humor’s auf die Post schlich, nicht leicht zukommen können, als Deine längst ersehnten Zeilen <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1839-02-10-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Mailand; Leipzig, 9. und 10. Februar 1839</name> . Es war mir wahrhaft Bedürfniß zu erfahren wie Du Dir die hiesige défaitedie hiesige défaite – Hiller berichtete Mendelssohn am 12. Januar 1839 aus Mailand (Brief gb-1839-01-12-01), seine Opera seria Romilda sei bei der Uraufführung am 8. Januar 1839 an der Scala durchgefallen. Trotz aller Bitterkeit, mit der er verdeutlichte, dass sein Werk ebenso Opfer einer Intrige wie seiner eigenen Fehleinschätzung der italienischen Theaterpraxis geworden war, resümierte er: »Nun hast Du einen schönen Stoff mir eine Predigt zu halten – mich nach Deutschland zurückkehren zu lassen etc doch bin ich weit von diesem Leben entfernt – Ich habe bei dieser Geschichte enorm vieles gelernt und bin überzeugter als je daß Italien die einzige praktische Schule für Opernkomponisten ist aus mehr Gründen als ich heute auseinander zu setzen Lust habe.«défaite – frz., Niederlage. ansehen würdest – und nun da Deine Ansicht von der Sache so ganz mit der meinen übereinstimmend ist, fühle ich mich doppelt fest und stark in derselben und gehe ruhig meinen Weg weiter. Ehe ich in ItalienItalienItalien das gelernt und erreicht habe, was hier für mich zu lernen und zu erreichen ist, kehre ich, um mich zu freuen, nicht nach DeutschlandDeutschlandDeutschland zurück – dann aber sicher, wenn ein Mensch das Wort gebrauchen darf. Aber Besuche hoffe ich Euch wohl bis dahin einige zu machen – ich erachte und fühle sie gleich nothwendig. Meine MutterHiller, Regine (1783-1839), die ich längst von meiner Philosophie erfüllt habe, findet außerdem in der Achtung die mir der bessere Theil des Publikums hier erzeigt und in der Theilnahme meiner auswärtigen Freunde Stärke und Ersatz – die Zukunft beschäftigt mich ausschließlich, und natürlich sind meine Sinne zuvörderst wieder auf’s Theater gerichtet, um so mehr da ich eine Masse von Erfahrungen von meiner Niederlage mitbrachte und um diesen Preis das Geschehene vielleicht nicht ungeschehn wünschte. Was ich in diesem genre zuvörderst vornehme steht noch nicht fest – ich bin am Wühlen und Suchen. Doch gebe ich meine andern Arbeiten keineswegs auf – an meinem Jeremias<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109304" style="hidden" type="music">Die Zerstörung Jerusalems op. 24 (HW 1.24)</name> habe ich in der letzten Zeit wieder ziemlich viel herumgepfuscht – aber in der entgegengesetzten Atmosphäre in der ich lebe, fühle ich die Kraft nicht, ohne bestimmten Zweck, mich diesem Werke ganz hinzugeben. Du hast mir früher proponirt ihn esHiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885) in LeipzigLeipzigDeutschland aufzuführenmeinem Jeremias … in Leipzig aufzuführen – Ferdinand Hillers Oratorium Die Zerstörung Jerusalems op. 24 wurde am 2. April 1840 im Gewandhaus uraufgeführt (vgl. Hagels, Konzerte in Leipzig, Statistik, S. 1038). – ich habe seit meinem fiasco öfters daran gedacht und gefunden daß es eigentlich eine übertrieben starke Responsabilität für Dich wäre ein solches Werk dem Publikum anzubieten und da werde der Ruf des Autors nach Selbsteinsicht Dich dazu berechtigen. Nun frage ich Dich folgendes – hälst Du für besser diese ganze Geschichte aufzuschieben bis ich einmal hier zu Lande durchgedrungen habe oder (welcher Zeitpunkt freilich kaum abzusehen ist), oder würdest Du nach Durchsicht der Partitur eine Aufführung riskiren. Im letzten Falle ziehe ich mich aufs Land zurück und nach einer zweimonatlichen Einsamkeit glaube ich Dir das Ganze schicken zu können. Sage mir hierüber so bald als möglich Deine Ansicht – sie wird wesentlich dazu beitragen mein Leben für die nächste Zeit bestimme und ordnen zu können. Ich habe vor Kurzem dem DichterSteinheim, Salomon Levi (Ludwig) (Pseud.: Abadjah Ben Amos) (1789-1866) den Text mit meinen Aenderungen geschickt und ich hoffe er wird mich mit |2| die Antwort nicht lange erwarten lassen. Ich könnte dann gleich an’s Werk gehen – daß Du mir den Weg in’s PhilharmonicPhilharmonic SocietyLondonGroßbritannien öffnest, ist wieder einer von den zahlreichen Beweisen Deiner Freundschaft. Es kann mir natürlich nur angenehm seyn dort etwas von mir aufgeführt zu wissen. Aus der <hi rend="latintype">e dur Ouvertüre</hi><name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109287" style="hidden" type="music">Ouvertüre zu Shakespeares Was ihr wollt E-Dur, op. 21 (HW 1.21.1)</name> habe ich mir nie viel gemacht wie Du weißt – ob sie zur Auff. in LondLondonGroßbritannien. geeignet ist mußt Du besser zu beurtheilen wissen als ich. Von der <hi rend="latintype">d moll Ouv.</hi><name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109285" style="hidden" type="music">Ouvertüre d-Moll, op. 32 (urspr.: Ouvertüre zum alten Drama »Fernando«)</name>d moll Ouv. – Die von Mendelssohn geschätzte Konzertouvertüre zum alten Drama Fernando d-Moll, op. 32, war am 19. Januar 1837 im 13. Abonnementkonzert aufgeführt worden, gelangte in der Spielzeit 1838/39 nicht mehr aufs Programm, sondern wurde erst wieder am 14. Dezember 1843 im zehnten Abonnementkonzert gespielt. magst Du getrost Partitur und StimmenPartitur und Stimmen – Aus Brief fmb-1839-03-29-02 (Brief Nr. 2306), Z. 5 und Z. 9, geht hervor, dass Mendelssohn zu beiden Ouvertüren die Stimmen, aber nur zu Fernando auch die Partitur schickte, da die andere offenbar nicht greifbar war. Die Ouvertüren wurden in London durchgespielt, aber nicht zur Aufführung angenommen. schicken – daß ich sie hier nöthig haben könnte, ist eine längst verschwundene Illusion. Du wirst mir einen Gefallen thun beiden Stücken eine Tempo Bezeichnung noch dem Mat. beizufügen. Wer dirigirt diese Musiken? – Auf Deine Compositionen freue ich mich unendlich – schicke sie in jedem Falle hierher. Wahrscheinlich wird meine Mutter, um mir so nahe als möglich zu seyn, sich während meiner italiänischen Herumtreibung in MailandMailandItalien so zu sagen niederlassen – das Leben ist hier gut und ruhig – das Clima bekömmt ihr gut – und sie hat einige ganz angenehme Bekanntschaften. Von FrkftFrankfurt a. M.Deutschland fühlt sie sich, wenn ich nicht dort bin, nicht sonderlich angezogen und Dem. JoyeJoye, Mlle. steht ihr immer mit derselben Liebenswürdigkeit und Treue zur Seite. Beide empfehlen sich Dir, par parenthèsepar parenthèse – frz., in Klammern., aufs Herzlichste –

Hier erwartet man jetzt mit Spannung eine neue Oper v. <hi rend="latintype">Mercadante</hi><name key="PSN0113273" style="hidden" type="author">Mercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795-1870)</name><name key="CRT0112577" style="hidden" type="music">Il bravo, ossia La veneziana</name> – ich glaube Dir schon früher gesagt zu haben daß ich viel Gutes von dem Manne halte. Er hat eine bedeutende Technik und guten Willen den Schlendrian zu verlassen. Wenn es in Deutschland gestochen ist, sieh Dir doch einmal sein giuramento<name key="PSN0113273" style="hidden" type="author">Mercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795–1870)</name><name key="CRT0109959" style="hidden" type="music">Il giuramento</name> an – es sind einige vortreffliche Ensemblestücke drin, schöne Deklamation und verhältnißmäßig wenig Triviales. Auch findet man diese Oper an den meisten Orten zu gelehrt!! Sein neues Werk heißt der <hi rend="latintype">Bravo</hi><name key="PSN0113273" style="hidden" type="author">Mercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795-1870)</name><name key="CRT0112577" style="hidden" type="music">Il bravo, ossia La veneziana</name> und ist dem Drama<name key="PSN0119800" style="hidden" type="author">Anicet-Bourgeois, Auguste (1806-1871)</name><name key="CRT0112519" style="hidden" type="dramatic_work">Le Vénitienne</name> v AntienAnicet-Bourgeois, Auguste (1806-1871) entnommen.eine neue Oper v. Mercadante … der Bravo – Das Libretto der Oper Il bravo, ossia La veneziana verfasste Gaetano Rossi nach dem Schauspiel Le Vénitienne von Auguste Anicet-Bourgeois. Die Uraufführung fand am 9. März 1839 am Teatro alla Scala in Mailand statt. – Wie steht’s denn mit Deiner Oper?Wie steht’s denn mit Deiner Oper? – Felix Mendelssohn Bartholdy trug sich bereits seit mehreren Jahren mit der Idee, eine Oper zu komponieren. Anfangs stand er in Verhandlungen mit Karl von Holtei über ein mögliches Opernlibretto (siehe z. B. Brief fmb-1836-12-04-01), doch kam es zu keiner Zusammenarbeit. Noch im Juni 1837 schrieb Mendelssohn an seinen Freund Eduard Devrient: »Eine Wohnung und einen Operntext! Das ist jetzt mein Feldgeschrei« (siehe Brief fmb-1837-06-02-01). Zu Beginn des Jahres 1838 lehnte er mehrere ihm zugesandte Opernlibretti ab, die Zusammenarbeit mit James Robinson Planché scheiterte ebenfalls um die Jahreswende 1839/40. Planchés Opern-Libretto wurde schließlich an den Komponisten Henry Smart weitergegeben, der seine Vertonung aber aus gesundheitlichen Gründen nicht vollendete. Ist sie englisch oder deutsch? Bist Du schon daran? Ich bewundere Deine Güte, einen ganzen Winter an die Leipziger KonzerteGewandhausLeipzigDeutschland zu verwenden – obschon ich sehr wohl begreife alles was Dir daran angenehm und interessant seyn mag, so fürchte ich doch zuweilen Du mögest es später einmal bereuen. Die Direktion der Musikfeste21. Niederrheinisches Musikfest (1839)DüsseldorfDeutschland darfst Du aber nicht aufgeben – aus vielen Gründen und auch schon aus dem, weil die Andern sie leichtlich ruiniren würden. Wo wird denn das diesjährige gehalten?

|3| Ich bestürme Dich mit Fragen – zu erzählen habe ich heute nicht viel – NourritNourrit, Adolphe (1802-1839) gefällt fortwährend in NeapelNeapelItalien – gefällt sich aber daselbst nicht und wird wahrscheinlich diesen Sommer nach Oberitalien kommen. – PixisPixis, Johann Peter (1788-1874) und FrancillaPixis, Francilla (eigtl. Franziska Helma Göhringer) (1816-1904) studiren in Rom Antiquitäten – auch LisztLiszt, Franz (Ferenc) (1811-1886) ist jetzt dort mit seiner GräfinAgoult, Marie Cathérine Sophie Comtesse d’ (Pseud.: Daniel Stern) (1805-1876), einer kleinen TochterAgoult, Claire Christine d’ (1830-1912) und einem großen Hunde. Er hat mir vor Kurzem geschrieben – scheint noch längere Zeit in Italien bleiben zu wollen – die Geschichte v der NovelloNovello, Clara Anastasia (1818-1908) ist mit durchaus novella – Du siehst wie entfernt von europäischer Civilisation wir hier leben – sollte sie von einem Journalisten Schadenersatz für ein Stück angegriffene Ehredie Geschichte v der Novello … angegriffene Ehre – siehe Zeitung für die elegante Welt 38, 1838, S. 935: »Eine ärgerliche Streitigkeit mit der anwesenden Sängerin Clara Novello macht hier [in Berlin] viel Aufsehen. Karl Eckert […] gab vor einigen Tagen ein Concert. Eckert ist arm, eine Waise, wie Jeder weiß, […] aber nach einigen Tagen hörte man, daß der Ertrag für den jungen Musiker doch nur gering gewesen sei, da Miß Clara Novello, deren Mitwirkung nur gegen ein Honorar von 400 Thlr. zu erkaufen gewesen sei, den größten Theil der Einnahme empfangen habe«. verlangt haben? Sonderbar! Das große musikalische Deutschland macht einen Teufelslärm von einer Sängerin die im gesunkenen Italien mit Recht ausgezischt würde – und die hiesigen Journale haben geschrieben ich verstünde keine Harmonie und mache Fehler im Setzen, während ich in ParisParisFrankreich ein musicien savantmusicien savant – frz., gelehrter Musiker. war. Welch ein lächerliches Wirrwarr!

Wenn ich an unsern guten Dr FrankFranck, Georg Hermann (1802-1855) denke, was sehr oft geschieht, ärgere ich mich jedesmal von Neuem, daß wir uns letzten Sommer am Comersee verfehlt. Grüße ihn auf’s herzlichste von mir. Ich freue mich um Deinetwillen daß er sich in LeipzigLeipzigDeutschland längere Zeit aufhalten willaufhalten will – Nach Aufenthalten in Berlin und Paris siedelte Hermann Franck 1839 nach Leipzig über, wo er die Redaktion der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« übernahm. – er bringt außer seiner interessanten Persönlichkeit noch eine Hälfte von Europa mit in Euren Kreis. Sollte er mir je eine Viertelstunde schenken wollen, so würde er mir ungemein große Freude machen –. Daß ThalbergThalberg, Sigismund (1812-1871) meiner freundlich gedenkt und meine <hi rend="latintype">des dur étude</hi><name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)</name><name key="CRT0113231" style="hidden" type="music">Etude Des-Dur, op. 15/16</name>des dur étude – Gemeint ist die Etude Des-Dur, op. 15/16, aus den XXIV Études pour le pianoforte von Ferdinand Hiller. spielt, ist sehr hübsch von ihm – letzteres um so mehr als er eine étude geschrieben hat welche durchaus dieselbe Handlung vorstellt. ich bin ganz Deiner Meinung was seine Leistungen betrifft im Vergleich zu den Modernen – hingegen finde ich daß er diesem genre eine noblere tournuretournure – frz., Wendung. (man will französisch sagen.) gegeben hat als HerzHerz, Henri (Heinrich) (1803-1888) und Cons.Cons. – Consorten. Was sagst Du denn zu all den ganzen Geschichten v BerliozBerlioz, Louis Hector (1803-1869), PaganiniPaganini, Niccolò (1782-1840), Cellini<name key="PSN0109886" style="hidden" type="author">Berlioz, Louis Hector (1803–1869)</name><name key="CRT0112521" style="hidden" type="music">Benvenuto Cellini</name> etc? wir leben wahrhaftig in einer verrückten Zeit. – DavidDavid, Ernst Victor Carl Ferdinand (1810-1873) wünsche ich in LondonLondonGroßbritannien so wie überall, alles mögliche Glück und empfehle mich ihm und seiner lieben FrauDavid, Sophie Wilhelmine (1807-1893) auf’s Beste. Auch seiner SchwesterDulcken, Marie Louise (1811-1850), bitte ich ihn, mich ins Gedächtniß zurück zurufen.

In FrkftFrankfurt a. M.Deutschland. geht’s schlecht: das ist nicht anders möglich – es drängen sich dort in einem kleinen Kreise so viele kleinliche Eitelkeiten zusammen daß es ein Jammer ist – Leute die sich darum beneiden bei dem Herrn X. oder der Mad. Z. besser aufgenommen zu seyn |4| – Künstler die im Museum ein großes Publikum und in der DidaskalieDidaskalie – Die »Didaskalia. Blätter für Geist, Gemüth und Publicität« war eine seit 1823 erscheinende Unterhaltungsbeilage zur Tageszeitung »Frankfurter Journal«. ein europäisches Blatt sehen – mein Gott! ich kenne diese Miseren nur zu gut und sie ärgern mich mehr als anderswo weil gescheidte Leute dabei im Spiele sind, und weil nicht einmal Leben darin ist und weil sie mir den Geschmack an meiner hübschen Vaterstadt ganz verdorben haben. Und nun lebe wohl, lieber Felix und habe Dank für alles Liebe und Schöne, ... was mir Dein Brief gebracht hat – schreibe mir bald wieder und wären es auch nur einige Zeilen. Deiner schönen und guten CäcilieMendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853) meine herzlichsten Grüße – willst Du sie nicht mit dem kleinen Knaben zusammenMendelssohn Bartholdy, Carl (seit ca. 1859: Karl) Wolfgang Paul (1838-1897) malen lassen? Das müßte sehr schön werden, ich will nicht sagen wie! – à propos, von meiner Oper<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109289" style="hidden" type="music">Romilda HW 2.3.1</name> sind einige Stücke im Klavierauszug gestochen die ich Dir gelegentlich schicken werde – wahrscheinlich wirst Du sie v. FrktFrankfurt a. M.Deutschland. aus erhalten – ein Largo im finale ist das einzige was Dir hoffentlich gefallen wird – mir hat es bei der Aufführung große Freude gemacht und sogar das Publikum klatschte bongré, malgré in die Hände. Und nun nochmals adieu – ich fange nicht in so fashionabler Entfernung v. Rande zu schreiben an, um am Ende mich dahin flüchten zu können –. Bald mehr von Deinem

Ferdinand H.
            Mailand, den 23n Februar 39. Lieber Felix!
Angenehmeres hätte mir gestern Mittag, als ich ziemlich unliebenswürdig an Humor’s auf die Post schlich, nicht leicht zukommen können, als Deine längst ersehnten Zeilen . Es war mir wahrhaft Bedürfniß zu erfahren wie Du Dir die hiesige défaite ansehen würdest – und nun da Deine Ansicht von der Sache so ganz mit der meinen übereinstimmend ist, fühle ich mich doppelt fest und stark in derselben und gehe ruhig meinen Weg weiter. Ehe ich in Italien das gelernt und erreicht habe, was hier für mich zu lernen und zu erreichen ist, kehre ich, um mich zu freuen, nicht nach Deutschland zurück – dann aber sicher, wenn ein Mensch das Wort gebrauchen darf. Aber Besuche hoffe ich Euch wohl bis dahin einige zu machen – ich erachte und fühle sie gleich nothwendig. Meine Mutter, die ich längst von meiner Philosophie erfüllt habe, findet außerdem in der Achtung die mir der bessere Theil des Publikums hier erzeigt und in der Theilnahme meiner auswärtigen Freunde Stärke und Ersatz – die Zukunft beschäftigt mich ausschließlich, und natürlich sind meine Sinne zuvörderst wieder auf’s Theater gerichtet, um so mehr da ich eine Masse von Erfahrungen von meiner Niederlage mitbrachte und um diesen Preis das Geschehene vielleicht nicht ungeschehn wünschte. Was ich in diesem genre zuvörderst vornehme steht noch nicht fest – ich bin am Wühlen und Suchen. Doch gebe ich meine andern Arbeiten keineswegs auf – an meinem Jeremias habe ich in der letzten Zeit wieder ziemlich viel herumgepfuscht – aber in der entgegengesetzten Atmosphäre in der ich lebe, fühle ich die Kraft nicht, ohne bestimmten Zweck, mich diesem Werke ganz hinzugeben. Du hast mir früher proponirt ihn es in Leipzig aufzuführen – ich habe seit meinem fiasco öfters daran gedacht und gefunden daß es eigentlich eine übertrieben starke Responsabilität für Dich wäre ein solches Werk dem Publikum anzubieten und da werde der Ruf des Autors nach Selbsteinsicht Dich dazu berechtigen. Nun frage ich Dich folgendes – hälst Du für besser diese ganze Geschichte aufzuschieben bis ich einmal hier zu Lande durchgedrungen habe oder (welcher Zeitpunkt freilich kaum abzusehen ist), oder würdest Du nach Durchsicht der Partitur eine Aufführung riskiren. Im letzten Falle ziehe ich mich aufs Land zurück und nach einer zweimonatlichen Einsamkeit glaube ich Dir das Ganze schicken zu können. Sage mir hierüber so bald als möglich Deine Ansicht – sie wird wesentlich dazu beitragen mein Leben für die nächste Zeit bestimme und ordnen zu können. Ich habe vor Kurzem dem Dichter den Text mit meinen Aenderungen geschickt und ich hoffe er wird mich mit die Antwort nicht lange erwarten lassen. Ich könnte dann gleich an’s Werk gehen – daß Du mir den Weg in’s Philharmonic öffnest, ist wieder einer von den zahlreichen Beweisen Deiner Freundschaft. Es kann mir natürlich nur angenehm seyn dort etwas von mir aufgeführt zu wissen. Aus der e dur Ouvertüre habe ich mir nie viel gemacht wie Du weißt – ob sie zur Auff. in Lond. geeignet ist mußt Du besser zu beurtheilen wissen als ich. Von der d moll Ouv. magst Du getrost Partitur und Stimmen schicken – daß ich sie hier nöthig haben könnte, ist eine längst verschwundene Illusion. Du wirst mir einen Gefallen thun beiden Stücken eine Tempo Bezeichnung noch dem Mat. beizufügen. Wer dirigirt diese Musiken? – Auf Deine Compositionen freue ich mich unendlich – schicke sie in jedem Falle hierher. Wahrscheinlich wird meine Mutter, um mir so nahe als möglich zu seyn, sich während meiner italiänischen Herumtreibung in Mailand so zu sagen niederlassen – das Leben ist hier gut und ruhig – das Clima bekömmt ihr gut – und sie hat einige ganz angenehme Bekanntschaften. Von Frkft fühlt sie sich, wenn ich nicht dort bin, nicht sonderlich angezogen und Dem. Joye steht ihr immer mit derselben Liebenswürdigkeit und Treue zur Seite. Beide empfehlen sich Dir, par parenthèse, aufs Herzlichste –
Hier erwartet man jetzt mit Spannung eine neue Oper v. Mercadante – ich glaube Dir schon früher gesagt zu haben daß ich viel Gutes von dem Manne halte. Er hat eine bedeutende Technik und guten Willen den Schlendrian zu verlassen. Wenn es in Deutschland gestochen ist, sieh Dir doch einmal sein giuramento an – es sind einige vortreffliche Ensemblestücke drin, schöne Deklamation und verhältnißmäßig wenig Triviales. Auch findet man diese Oper an den meisten Orten zu gelehrt!! Sein neues Werk heißt der Bravo und ist dem Drama v Antien entnommen. – Wie steht’s denn mit Deiner Oper? Ist sie englisch oder deutsch? Bist Du schon daran? Ich bewundere Deine Güte, einen ganzen Winter an die Leipziger Konzerte zu verwenden – obschon ich sehr wohl begreife alles was Dir daran angenehm und interessant seyn mag, so fürchte ich doch zuweilen Du mögest es später einmal bereuen. Die Direktion der Musikfeste darfst Du aber nicht aufgeben – aus vielen Gründen und auch schon aus dem, weil die Andern sie leichtlich ruiniren würden. Wo wird denn das diesjährige gehalten?
 Ich bestürme Dich mit Fragen – zu erzählen habe ich heute nicht viel – Nourrit gefällt fortwährend in Neapel – gefällt sich aber daselbst nicht und wird wahrscheinlich diesen Sommer nach Oberitalien kommen. – Pixis und Francilla studiren in Rom Antiquitäten – auch Liszt ist jetzt dort mit seiner Gräfin, einer kleinen Tochter und einem großen Hunde. Er hat mir vor Kurzem geschrieben – scheint noch längere Zeit in Italien bleiben zu wollen – die Geschichte v der Novello ist mit durchaus novella – Du siehst wie entfernt von europäischer Civilisation wir hier leben – sollte sie von einem Journalisten Schadenersatz für ein Stück angegriffene Ehre verlangt haben? Sonderbar! Das große musikalische Deutschland macht einen Teufelslärm von einer Sängerin die im gesunkenen Italien mit Recht ausgezischt würde – und die hiesigen Journale haben geschrieben ich verstünde keine Harmonie und mache Fehler im Setzen, während ich in Paris ein musicien savant war. Welch ein lächerliches Wirrwarr!
Wenn ich an unsern guten Dr Frank denke, was sehr oft geschieht, ärgere ich mich jedesmal von Neuem, daß wir uns letzten Sommer am Comersee verfehlt. Grüße ihn auf’s herzlichste von mir. Ich freue mich um Deinetwillen daß er sich in Leipzig längere Zeit aufhalten will – er bringt außer seiner interessanten Persönlichkeit noch eine Hälfte von Europa mit in Euren Kreis. Sollte er mir je eine Viertelstunde schenken wollen, so würde er mir ungemein große Freude machen –. Daß Thalberg meiner freundlich gedenkt und meine des dur étude spielt, ist sehr hübsch von ihm – letzteres um so mehr als er eine étude geschrieben hat welche durchaus dieselbe Handlung vorstellt. ich bin ganz Deiner Meinung was seine Leistungen betrifft im Vergleich zu den Modernen – hingegen finde ich daß er diesem genre eine noblere tournure (man will französisch sagen. ) gegeben hat als Herz und Cons. Was sagst Du denn zu all den ganzen Geschichten v Berlioz, Paganini, Cellini etc? wir leben wahrhaftig in einer verrückten Zeit. – David wünsche ich in London so wie überall, alles mögliche Glück und empfehle mich ihm und seiner lieben Frau auf’s Beste. Auch seiner Schwester, bitte ich ihn, mich ins Gedächtniß zurück zurufen.
In Frkft. geht’s schlecht: das ist nicht anders möglich – es drängen sich dort in einem kleinen Kreise so viele kleinliche Eitelkeiten zusammen daß es ein Jammer ist – Leute die sich darum beneiden bei dem Herrn X. oder der Mad. Z. besser aufgenommen zu seyn – Künstler die im Museum ein großes Publikum und in der Didaskalie ein europäisches Blatt sehen – mein Gott! ich kenne diese Miseren nur zu gut und sie ärgern mich mehr als anderswo weil gescheidte Leute dabei im Spiele sind, und weil nicht einmal Leben darin ist und weil sie mir den Geschmack an meiner hübschen Vaterstadt ganz verdorben haben. Und nun lebe wohl, lieber Felix und habe Dank für alles Liebe und Schöne, .. . was mir Dein Brief gebracht hat – schreibe mir bald wieder und wären es auch nur einige Zeilen. Deiner schönen und guten Cäcilie meine herzlichsten Grüße – willst Du sie nicht mit dem kleinen Knaben zusammen malen lassen? Das müßte sehr schön werden, ich will nicht sagen wie! – à propos, von meiner Oper sind einige Stücke im Klavierauszug gestochen die ich Dir gelegentlich schicken werde – wahrscheinlich wirst Du sie v. Frkt. aus erhalten – ein Largo im finale ist das einzige was Dir hoffentlich gefallen wird – mir hat es bei der Aufführung große Freude gemacht und sogar das Publikum klatschte bongré, malgré in die Hände. Und nun nochmals adieu – ich fange nicht in so fashionabler Entfernung v. Rande zu schreiben an, um am Ende mich dahin flüchten zu können –. Bald mehr von Deinem
Ferdinand H.          
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Es war mir wahrhaft Bedürfniß zu erfahren wie Du Dir</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_25877bad-3887-4a2c-9a3c-545a77ec1fb9">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="fmb-1839-02-10-01" type="precursor" xml:id="title_b2c6a890-eb94-4fef-ba64-8229dcbd50f4">Felix Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Mailand; Leipzig, 9. und 10. Februar 1839</title> <title key="fmb-1839-04-15-02" type="successor" xml:id="title_45c25f58-d249-48f3-8a42-4509209a7193">Felix Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Mailand; Leipzig, 15. April 1839</title> <author key="PSN0112003">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0112003" resp="writer">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName xml:id="placeName_51a023bb-da43-4fe4-871f-287a32a8cc70"> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript" xml:id="sourceDesc_8922eef7-969e-4d27-aa9d-2bba2e3a7190"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. d. 35/69.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="gb-1839-02-23-01" type="letter" xml:id="title_0233ff61-785d-4a8c-8630-dab3b1bf563e">Ferdinand Hiller an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig; Mailand, 23. Februar 1839</title> <incipit>Angenehmeres hätte mir gestern Mittag, als ich ziemlich unliebenswürdig an Humor’s auf die Post schlich, nicht leicht zukommen können, als Deine längst ersehnten Zeilen . Es war mir wahrhaft Bedürfniß zu erfahren wie Du Dir</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc><p>1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext; S. 4 Adresse, 3 Poststempel [F.C.], [MILANO / FEBBRAJO 23], [St.Post /5 MÆRZ / II. 9-12], Siegel.</p><handDesc hands="1"><p>Ferdinand Hiller.</p></handDesc><accMat><listBibl><bibl type="none"></bibl></listBibl></accMat></physDesc> <history> <provenance><p>Green Books</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation><date cert="high" when="1839-02-23" xml:id="date_b054a4e7-f12e-4416-9b03-2c2dde84af03">23. Februar 1839</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0112003" resp="author" xml:id="persName_8074d75e-2bee-4a41-9fed-beaf9fdb05eb">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0112003" resp="writer">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_b7d7e493-5bcf-45f7-97bf-2fa0a12b50af"> <settlement key="STM0100180">Mailand</settlement><country>Italien</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_e8d9c0da-ffd6-4d54-8d81-2ccc3c5e5ec0">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_483ad385-4562-4d5b-bed7-1e5beceba30e"> <settlement key="STM0100116">Leipzig</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"></revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_7eb719c1-ad90-4455-8ccb-77577e884d53"> <head> <address> <addrLine><hi rend="latintype">Monsieur Felix Mendelssohn-Bartholdy</hi>.</addrLine> <addrLine><hi rend="latintype">Leipsic</hi>.</addrLine> <addrLine><hi rend="latintype">(Allemagne)</hi>.</addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_36371619-afde-4c80-9143-0fceb9621df6"> <docAuthor key="PSN0112003" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_b33d9dcb-e44e-4001-85b8-ab6c77dd3eaf">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112003" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_423c3f51-a513-4958-87dc-9ef16420257a">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</docAuthor> <dateline rend="right">Mailand, den <date cert="high" when="1839-02-23" xml:id="date_3fbd5eac-fa02-4018-a913-86cbf23ebae5">23<hi rend="superscript">n</hi> <hi rend="latintype">Februar</hi> 39</date>.</dateline> <salute rend="left">Lieber <hi rend="latintype">Felix</hi>!</salute> <p style="paragraph_without_indent">Angenehmeres hätte mir <date cert="high" when="1839-02-22" xml:id="date_983ac6d7-8b94-44dd-a1d2-efd2b213f0f9">gestern</date> Mittag, als ich ziemlich unliebenswürdig an Humor’s auf die Post schlich, nicht leicht zukommen können, als <title xml:id="title_aa5b3a2f-e67b-4bcb-a85d-00f028c56a6a">Deine längst ersehnten Zeilen <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1839-02-10-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Mailand; Leipzig, 9. und 10. Februar 1839</name> </title>. Es war mir wahrhaft Bedürfniß zu erfahren wie Du Dir die hiesige <hi rend="latintype">défaite</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_d300db2f-93cc-48d5-9ecd-50083a380db2" xml:lang="fr ">die hiesige défaite – Hiller berichtete Mendelssohn am 12. Januar 1839 aus Mailand (Brief gb-1839-01-12-01), seine Opera seria Romilda sei bei der Uraufführung am 8. Januar 1839 an der Scala durchgefallen. Trotz aller Bitterkeit, mit der er verdeutlichte, dass sein Werk ebenso Opfer einer Intrige wie seiner eigenen Fehleinschätzung der italienischen Theaterpraxis geworden war, resümierte er: »Nun hast Du einen schönen Stoff mir eine Predigt zu halten – mich nach Deutschland zurückkehren zu lassen etc doch bin ich weit von diesem Leben entfernt – Ich habe bei dieser Geschichte enorm vieles gelernt und bin überzeugter als je daß Italien die einzige praktische Schule für Opernkomponisten ist aus mehr Gründen als ich heute auseinander zu setzen Lust habe.«</note><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_7ad92cdd-aa39-4fe6-a8fa-ac602d402666" xml:lang="fr ">défaite – frz., Niederlage.</note> ansehen würdest – und nun da Deine Ansicht von der Sache so ganz mit der meinen übereinstimmend ist, fühle ich mich doppelt fest und stark in derselben und gehe ruhig meinen Weg weiter. Ehe ich in <placeName xml:id="placeName_92905154-7e36-4248-ae74-53a31d44cccd">Italien<settlement key="STM0104792" style="hidden" type="area">Italien</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> das gelernt und erreicht habe, was hier für mich zu lernen und zu erreichen ist, kehre ich, um mich zu <hi n="1" rend="underline">freuen</hi>, nicht nach <placeName xml:id="placeName_52fffffa-ad25-4cca-80fb-6a4651b28b7a">Deutschland<settlement key="STM0104839" style="hidden" type="area">Deutschland</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> zurück – dann aber <hi n="1" rend="underline">sicher</hi>, wenn ein Mensch das Wort gebrauchen darf. Aber Besuche hoffe ich Euch wohl bis dahin einige zu machen – ich erachte und fühle sie gleich nothwendig. Meine <persName xml:id="persName_83b15e55-719f-4705-850b-a11f080397fc">Mutter<name key="PSN0112008" style="hidden" type="person">Hiller, Regine (1783-1839)</name></persName>, die ich längst von meiner Philosophie erfüllt habe, findet außerdem in der Achtung die mir der bessere Theil des Publikums hier erzeigt und in der Theilnahme meiner auswärtigen Freunde Stärke und Ersatz – die Zukunft beschäftigt mich ausschließlich, und natürlich sind meine Sinne zuvörderst wieder auf’s Theater gerichtet, um so mehr da ich eine Masse von Erfahrungen von meiner Niederlage mitbrachte und um diesen Preis das Geschehene vielleicht nicht ungeschehn wünschte. <hi n="1" rend="underline">Was</hi> ich in diesem <hi rend="latintype">genre</hi> zuvörderst vornehme steht noch nicht fest – ich bin am Wühlen und Suchen. Doch gebe ich meine andern Arbeiten keineswegs auf – an meinem <hi rend="latintype"><title xml:id="title_c9b7ea28-663f-4d3f-bff6-1dcc7ffea421">Jeremias<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109304" style="hidden" type="music">Die Zerstörung Jerusalems op. 24 (HW 1.24)</name></title></hi> habe ich in der letzten Zeit wieder ziemlich viel herumgepfuscht – aber in der entgegengesetzten Atmosphäre in der ich lebe, fühle ich die Kraft nicht, ohne bestimmten Zweck, mich diesem Werke ganz hinzugeben. Du hast mir früher proponirt <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_ab8d24cf-d56c-4532-9bd7-feea0344ffa8">ihn</del> <add place="above">es<name key="PSN0112003" resp="writers_hand" style="hidden">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name></add> in <placeName xml:id="placeName_eb1baa9a-78b2-4680-88ec-120197c1cdf2">Leipzig<settlement key="STM0100116" style="hidden" type="locality">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> aufzuführen<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_35217ede-7de7-49b4-96e2-fc5eb237b1bd" xml:lang="de">meinem Jeremias … in Leipzig aufzuführen – Ferdinand Hillers Oratorium Die Zerstörung Jerusalems op. 24 wurde am 2. April 1840 im Gewandhaus uraufgeführt (vgl. Hagels, Konzerte in Leipzig, Statistik, S. 1038).</note> – ich habe seit meinem <hi rend="latintype">fiasco</hi> öfters daran gedacht und gefunden daß es eigentlich eine übertrieben starke Responsabilität für Dich wäre ein solches Werk dem Publikum anzubieten und da werde der Ruf des Autors nach Selbsteinsicht Dich dazu berechtigen. Nun frage ich Dich folgendes – hälst Du für besser diese ganze Geschichte aufzuschieben bis ich einmal hier zu Lande durchgedrungen habe oder (welcher Zeitpunkt freilich kaum abzusehen ist), oder würdest Du nach Durchsicht der Partitur eine Aufführung riskiren. Im letzten Falle ziehe ich mich aufs Land zurück und nach einer zweimonatlichen Einsamkeit glaube ich Dir das Ganze schicken zu können. Sage mir hierüber so bald als möglich Deine Ansicht – sie wird wesentlich dazu beitragen mein Leben für die nächste Zeit bestimme und ordnen zu können. Ich habe vor Kurzem dem <persName xml:id="persName_bbe923ca-b5a4-4f5a-a2e5-3cab5d8029b1">Dichter<name key="PSN0115103" style="hidden" type="person">Steinheim, Salomon Levi (Ludwig) (Pseud.: Abadjah Ben Amos) (1789-1866)</name></persName> den Text mit meinen Aenderungen geschickt und ich hoffe er wird mich <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_c5b63bbc-8d75-48f5-80ee-df476e8e6565">mit</del><seg type="pagebreak"> |2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> die Antwort nicht lange erwarten lassen. Ich könnte dann gleich an’s Werk gehen – daß Du mir den Weg in’s <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_1e557161-8c91-458e-afd4-3fd7e4625232">Philharmonic<name key="NST0100287" style="hidden" subtype="" type="institution">Philharmonic Society</name><settlement key="STM0100126" style="hidden" type="locality">London</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName></hi> öffnest, ist wieder einer von den zahlreichen Beweisen Deiner Freundschaft. Es kann mir natürlich nur angenehm seyn dort etwas von mir aufgeführt zu wissen. Aus der <title xml:id="title_94a36251-ea77-4048-80ef-3f195b25abde"><hi rend="latintype">e dur Ouvertüre</hi><name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109287" style="hidden" type="music">Ouvertüre zu Shakespeares Was ihr wollt E-Dur, op. 21 (HW 1.21.1)</name></title> habe ich mir nie viel gemacht wie Du weißt – ob sie zur Auff. in <placeName xml:id="placeName_28bf7383-aae8-4c4e-a4f4-d38f1f60b6b0">Lond<settlement key="STM0100126" style="hidden" type="locality">London</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName>. geeignet ist mußt Du besser zu beurtheilen wissen als ich. Von der <title xml:id="title_409ea9c4-fb68-49ca-8ebe-aa38037210b7"><hi rend="latintype">d moll Ouv.</hi><name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109285" style="hidden" type="music">Ouvertüre d-Moll, op. 32 (urspr.: Ouvertüre zum alten Drama »Fernando«)</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_eaf6a7ba-be5c-4568-b021-d0d85a6f722d" xml:lang="de">d moll Ouv. – Die von Mendelssohn geschätzte Konzertouvertüre zum alten Drama Fernando d-Moll, op. 32, war am 19. Januar 1837 im 13. Abonnementkonzert aufgeführt worden, gelangte in der Spielzeit 1838/39 nicht mehr aufs Programm, sondern wurde erst wieder am 14. Dezember 1843 im zehnten Abonnementkonzert gespielt.</note> magst Du getrost Partitur und Stimmen<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_54fec147-bf74-4d58-a275-e6d93cb48e38" xml:lang="de">Partitur und Stimmen – Aus Brief fmb-1839-03-29-02 (Brief Nr. 2306), Z. 5 und Z. 9, geht hervor, dass Mendelssohn zu beiden Ouvertüren die Stimmen, aber nur zu Fernando auch die Partitur schickte, da die andere offenbar nicht greifbar war. Die Ouvertüren wurden in London durchgespielt, aber nicht zur Aufführung angenommen.</note> schicken – daß ich sie hier nöthig haben könnte, ist eine längst verschwundene Illusion. Du wirst mir einen Gefallen thun beiden Stücken eine <hi rend="latintype">Tempo</hi> Bezeichnung noch dem Mat. beizufügen. Wer dirigirt diese Musiken? – Auf Deine Compositionen freue ich mich unendlich – schicke sie in jedem Falle hierher. Wahrscheinlich wird meine Mutter, um mir so nahe als möglich zu seyn, sich während meiner italiänischen Herumtreibung in <placeName xml:id="placeName_7d7e86e4-4dcf-49cd-8274-aadf53f8078e">Mailand<settlement key="STM0100180" style="hidden" type="locality">Mailand</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> so zu sagen niederlassen – das Leben ist hier gut und ruhig – das Clima bekömmt ihr gut – und sie hat einige ganz angenehme Bekanntschaften. Von <placeName xml:id="placeName_1e9feb85-8b0d-483d-9f05-4e7b9096f0a5">Frkft<settlement key="STM0100204" style="hidden" type="locality">Frankfurt a. M.</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> fühlt sie sich, wenn ich nicht dort bin, nicht sonderlich angezogen und <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_d26354d0-1fd4-4545-93a3-ae2d95b1a784">Dem. Joye<name key="PSN0112280" style="hidden" type="person">Joye, Mlle.</name></persName></hi> steht ihr immer mit derselben Liebenswürdigkeit und Treue zur Seite. Beide empfehlen sich Dir, <hi rend="latintype">par parenthèse</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_adf8031a-791a-4170-8ee0-5edde86baa81" xml:lang="fr ">par parenthèse – frz., in Klammern.</note>, aufs Herzlichste – </p> <p>Hier erwartet man jetzt mit Spannung eine neue <title xml:id="title_bc48747f-7393-4509-b902-3331d08a3fd2">Oper v. <hi rend="latintype">Mercadante</hi><name key="PSN0113273" style="hidden" type="author">Mercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795-1870)</name><name key="CRT0112577" style="hidden" type="music">Il bravo, ossia La veneziana</name></title> – ich glaube Dir schon früher gesagt zu haben daß ich viel Gutes von dem Manne halte. Er hat eine bedeutende Technik und guten Willen den Schlendrian zu verlassen. Wenn es in Deutschland gestochen ist, sieh Dir doch einmal sein <hi rend="latintype"><title xml:id="title_a1c38613-1c17-4c2a-b427-5fb87b75d1e3">giuramento<name key="PSN0113273" style="hidden" type="author">Mercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795–1870)</name><name key="CRT0109959" style="hidden" type="music">Il giuramento</name></title></hi> an – es sind einige vortreffliche Ensemblestücke drin, schöne Deklamation und verhältnißmäßig wenig Triviales. Auch findet man diese Oper an den meisten Orten zu gelehrt!! Sein neues Werk heißt der <title xml:id="title_c3995f66-d67f-4153-bbf7-37480acc5087"><hi rend="latintype">Bravo</hi><name key="PSN0113273" style="hidden" type="author">Mercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795-1870)</name><name key="CRT0112577" style="hidden" type="music">Il bravo, ossia La veneziana</name></title> und ist dem <title xml:id="title_db19f4bb-6b3f-4b59-95d3-3d7e487febe9">Drama<name key="PSN0119800" style="hidden" type="author">Anicet-Bourgeois, Auguste (1806-1871)</name><name key="CRT0112519" style="hidden" type="dramatic_work">Le Vénitienne</name></title> v <persName xml:id="persName_75c8823b-a6be-4bbb-96a1-085ee48b8931">Antien<name key="PSN0119800" style="hidden" type="person">Anicet-Bourgeois, Auguste (1806-1871)</name></persName> entnommen.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_30335e2c-2cf7-44c9-abfc-d9c4f09e4b56" xml:lang="de">eine neue Oper v. Mercadante … der Bravo – Das Libretto der Oper Il bravo, ossia La veneziana verfasste Gaetano Rossi nach dem Schauspiel Le Vénitienne von Auguste Anicet-Bourgeois. Die Uraufführung fand am 9. März 1839 am Teatro alla Scala in Mailand statt.</note> – Wie steht’s denn mit Deiner Oper?<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_4435f88a-bd41-4e7e-8e72-e0c46002fd12" xml:lang="de">Wie steht’s denn mit Deiner Oper? – Felix Mendelssohn Bartholdy trug sich bereits seit mehreren Jahren mit der Idee, eine Oper zu komponieren. Anfangs stand er in Verhandlungen mit Karl von Holtei über ein mögliches Opernlibretto (siehe z. B. Brief fmb-1836-12-04-01), doch kam es zu keiner Zusammenarbeit. Noch im Juni 1837 schrieb Mendelssohn an seinen Freund Eduard Devrient: »Eine Wohnung und einen Operntext! Das ist jetzt mein Feldgeschrei« (siehe Brief fmb-1837-06-02-01). Zu Beginn des Jahres 1838 lehnte er mehrere ihm zugesandte Opernlibretti ab, die Zusammenarbeit mit James Robinson Planché scheiterte ebenfalls um die Jahreswende 1839/40. Planchés Opern-Libretto wurde schließlich an den Komponisten Henry Smart weitergegeben, der seine Vertonung aber aus gesundheitlichen Gründen nicht vollendete.</note> Ist sie englisch oder deutsch? Bist Du schon daran? Ich bewundere Deine Güte, einen ganzen Winter an die <placeName xml:id="placeName_fdebfe14-2fec-4e23-a0e5-60adf8679f4e">Leipziger Konzerte<name key="NST0100117" style="hidden" subtype="Abonnementkonzerte, Konzerte" type="institution">Gewandhaus</name><settlement key="STM0100116" style="hidden" type="locality">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> zu verwenden – obschon ich sehr wohl begreife alles was Dir daran angenehm und interessant seyn mag, so fürchte ich doch zuweilen Du mögest es später einmal bereuen. Die <placeName xml:id="placeName_f7d32f48-d86d-4427-aff0-541161b16ef7">Direktion der Musikfeste<name key="NST0100734" style="hidden" subtype="" type="institution">21. Niederrheinisches Musikfest (1839)</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="locality">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> darfst Du aber nicht aufgeben – aus vielen Gründen und auch schon aus dem, weil die Andern sie leichtlich ruiniren würden. Wo wird denn das diesjährige gehalten? </p> <p><seg type="pagebreak">|3|<pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg> Ich bestürme Dich mit Fragen – zu erzählen habe ich heute nicht viel – <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_7b50d80f-198b-48d9-9e3f-1d81ad7ec99a">Nourrit<name key="PSN0113618" style="hidden" type="person">Nourrit, Adolphe (1802-1839)</name></persName></hi> gefällt fortwährend in <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_bae7f62d-3791-4d48-ad61-a02f6ab0bd46">Neapel<settlement key="STM0100178" style="hidden" type="locality">Neapel</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName></hi> – gefällt sich aber daselbst nicht und wird wahrscheinlich diesen Sommer nach Oberitalien kommen. – <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_aa3c90b0-45f9-4427-afbc-581b5b754f99">Pixis<name key="PSN0113894" style="hidden" type="person">Pixis, Johann Peter (1788-1874)</name></persName></hi> und <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_8e4c831d-943a-4c32-8207-5a9ce58cbe67">Francilla<name key="PSN0113893" style="hidden" type="person">Pixis, Francilla (eigtl. Franziska Helma Göhringer) (1816-1904)</name></persName></hi> studiren in Rom Antiquitäten – auch <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_0557ef33-c3e0-4b4c-b24c-5fa692546ffe">Liszt<name key="PSN0112894" style="hidden" type="person">Liszt, Franz (Ferenc) (1811-1886)</name></persName></hi> ist jetzt dort mit seiner <persName xml:id="persName_fe448677-8152-4d0b-973c-e4e461412ef8">Gräfin<name key="PSN0109401" style="hidden" type="person">Agoult, Marie Cathérine Sophie Comtesse d’ (Pseud.: Daniel Stern) (1805-1876)</name></persName>, einer kleinen <persName xml:id="persName_8206907b-fdf4-4e15-a09b-0e8b2dc2cb50">Tochter<name key="PSN0119802" style="hidden" type="person">Agoult, Claire Christine d’ (1830-1912)</name></persName> und einem großen Hunde. Er hat mir vor Kurzem geschrieben – scheint noch längere Zeit in Italien bleiben zu wollen – die Geschichte v der <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_6e1111a1-7084-47b9-b09c-6e830de313c4">Novello<name key="PSN0113621" style="hidden" type="person">Novello, Clara Anastasia (1818-1908)</name></persName></hi> ist mit durchaus <hi rend="latintype">novella</hi> – Du siehst wie entfernt von europäischer <hi rend="latintype">Civilisation</hi> wir hier leben – sollte sie von einem Journalisten Schadenersatz für ein Stück angegriffene Ehre<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_393335a4-f4c0-4710-8313-abffb96a1d23" xml:lang="de">die Geschichte v der Novello … angegriffene Ehre – siehe Zeitung für die elegante Welt 38, 1838, S. 935: »Eine ärgerliche Streitigkeit mit der anwesenden Sängerin Clara Novello macht hier [in Berlin] viel Aufsehen. Karl Eckert […] gab vor einigen Tagen ein Concert. Eckert ist arm, eine Waise, wie Jeder weiß, […] aber nach einigen Tagen hörte man, daß der Ertrag für den jungen Musiker doch nur gering gewesen sei, da Miß Clara Novello, deren Mitwirkung nur gegen ein Honorar von 400 Thlr. zu erkaufen gewesen sei, den größten Theil der Einnahme empfangen habe«.</note> verlangt haben? Sonderbar! Das große musikalische Deutschland macht einen Teufelslärm von einer Sängerin die im gesunkenen Italien mit Recht ausgezischt würde – und die hiesigen Journale haben geschrieben ich verstünde keine <hi n="1" rend="underline"><hi rend="latintype">Harmonie</hi></hi> und mache Fehler im Setzen, während ich in <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_e46d0414-cd2d-4c3f-a2bb-c42b9076944a">Paris<settlement key="STM0100105" style="hidden" type="locality">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName></hi> ein <hi rend="latintype">musicien savant</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_f52169c7-d4f4-4c26-a856-f36073b8b322" xml:lang="fr ">musicien savant – frz., gelehrter Musiker.</note> war. Welch ein lächerliches Wirrwarr!</p> <p>Wenn ich an unsern guten <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_5af97a6b-f27d-4e0d-9315-ebfd7fd8934e">D<hi rend="superscript">r</hi> Frank<name key="PSN0111123" style="hidden" type="person">Franck, Georg Hermann (1802-1855)</name></persName></hi> denke, was sehr oft geschieht, ärgere ich mich jedesmal von Neuem, daß wir uns letzten Sommer am Comersee verfehlt. Grüße ihn auf’s herzlichste von mir. Ich freue mich um Deinetwillen daß er sich in <placeName xml:id="placeName_315926e4-7f88-4325-bd1f-06dc93ebab55">Leipzig<settlement key="STM0100116" style="hidden" type="locality">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> längere Zeit aufhalten will<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_8018001d-8715-41a9-a05a-15387c0b730b" xml:lang="de">aufhalten will – Nach Aufenthalten in Berlin und Paris siedelte Hermann Franck 1839 nach Leipzig über, wo er die Redaktion der »Leipziger Allgemeinen Zeitung« übernahm.</note> – er bringt außer seiner interessanten Persönlichkeit noch eine Hälfte von Europa mit in Euren Kreis. Sollte er mir je eine Viertelstunde schenken wollen, so würde er mir ungemein große Freude machen –. Daß <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_501f1c49-3f92-4200-96b2-2d45c993f8d3">Thalberg<name key="PSN0115297" style="hidden" type="person">Thalberg, Sigismund (1812-1871)</name></persName></hi> meiner freundlich gedenkt und meine <title xml:id="title_d347d26b-b4ef-49bc-9df3-f0dcb4a3e324"><hi rend="latintype">des dur étude</hi><name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)</name><name key="CRT0113231" style="hidden" type="music">Etude Des-Dur, op. 15/16</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_cae8264a-7a89-4764-a957-6a7ce26450f8" xml:lang="de">des dur étude – Gemeint ist die Etude Des-Dur, op. 15/16, aus den XXIV Études pour le pianoforte von Ferdinand Hiller.</note> spielt, ist sehr hübsch von ihm – letzteres um so mehr als er eine <hi rend="latintype">étude</hi> geschrieben hat welche durchaus dieselbe Handlung vorstellt. <gap quantity="1" reason="paper_destruction" unit="words"></gap> ich bin ganz Deiner Meinung was seine Leistungen betrifft im Vergleich zu den <gap quantity="1" reason="paper_destruction" unit="words"></gap> Modernen – hingegen finde ich daß er diesem genre eine <hi rend="latintype">noblere tournure</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_b3164066-ce3d-4d6b-a488-44306216f344" xml:lang="fr ">tournure – frz., Wendung.</note> (man will französisch sagen.) gegeben hat als <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_c0ac61d5-0a50-42d1-a2db-e99d46afddc0">Herz<name key="PSN0111939" style="hidden" type="person">Herz, Henri (Heinrich) (1803-1888)</name></persName></hi> und <hi rend="latintype">Cons</hi>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_4ced2e19-ea57-4aec-b0b8-6c5f84c3e14c" xml:lang="de">Cons. – Consorten.</note> Was sagst Du denn zu all den ganzen Geschichten v <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_faccfef1-6228-4b33-935f-743bf5a478d7">Berlioz<name key="PSN0109886" style="hidden" type="person">Berlioz, Louis Hector (1803-1869)</name></persName></hi>, <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_82871d55-8b78-4c9c-8af9-6ea022661039">Paganini<name key="PSN0113722" style="hidden" type="person">Paganini, Niccolò (1782-1840)</name></persName></hi>, <hi rend="latintype"><title xml:id="title_8977b014-d9f1-4124-9321-071ffcd6f358">Cellini<name key="PSN0109886" style="hidden" type="author">Berlioz, Louis Hector (1803–1869)</name><name key="CRT0112521" style="hidden" type="music">Benvenuto Cellini</name></title></hi> etc? wir leben wahrhaftig in einer verrückten Zeit. – <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_59fdc6b1-059e-4c26-b8a3-6ba64ea6c060">David<name key="PSN0110564" style="hidden" type="person">David, Ernst Victor Carl Ferdinand (1810-1873)</name></persName></hi> wünsche ich in <placeName xml:id="placeName_67f36603-dd59-440b-8e85-035f0141acf1">London<settlement key="STM0100126" style="hidden" type="locality">London</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName> so wie überall, alles mögliche Glück und empfehle mich ihm und seiner lieben <persName xml:id="persName_c79f14c3-8a8e-4b5e-a0bc-e109fb09edc2">Frau<name key="PSN0110574" style="hidden" type="person">David, Sophie Wilhelmine (1807-1893)</name></persName> auf’s Beste. Auch seiner <persName xml:id="persName_7d5a72b3-2fa7-401b-bb20-4e20fb588efb">Schwester<name key="PSN0110768" style="hidden" type="person">Dulcken, Marie Louise (1811-1850)</name></persName>, bitte ich ihn, mich ins Gedächtniß zurück zurufen.</p> <p>In <placeName xml:id="placeName_69849b2b-4676-42df-a3a9-7453a427226b">Frkft<settlement key="STM0100204" style="hidden" type="locality">Frankfurt a. M.</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>. geht’s schlecht: das ist nicht anders möglich – es drängen sich dort in einem kleinen Kreise so viele kleinliche Eitelkeiten zusammen daß es ein Jammer ist – Leute die sich darum beneiden bei dem Herrn X. oder der <hi rend="latintype">Mad</hi>. Z. besser aufgenommen zu seyn<seg type="pagebreak"> |4|<pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg> – Künstler die im Museum ein großes Publikum und in der <hi rend="latintype">Didaskalie</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_a6743b99-e02a-441f-9948-93ee70bd380a" xml:lang="de">Didaskalie – Die »Didaskalia. Blätter für Geist, Gemüth und Publicität« war eine seit 1823 erscheinende Unterhaltungsbeilage zur Tageszeitung »Frankfurter Journal«.</note> ein europäisches Blatt sehen – mein Gott! ich kenne diese <hi rend="latintype">Miseren</hi> nur zu gut und sie ärgern mich mehr als anderswo weil gescheidte Leute dabei im Spiele sind, und weil nicht einmal Leben darin ist und weil sie mir den Geschmack an meiner hübschen Vaterstadt ganz verdorben haben. Und nun lebe wohl, lieber Felix und habe Dank für alles Liebe und Schöne, ... was mir Dein Brief gebracht hat – schreibe mir bald wieder und wären es auch nur einige Zeilen. Deiner schönen und guten <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_3150f1af-e599-4290-8371-d9c90fe7e5e1">Cäcilie<name key="PSN0113252" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName></hi> meine herzlichsten Grüße – willst Du sie nicht mit dem kleinen Knaben <persName xml:id="persName_2a526734-17a3-47e8-8275-6c11da07d57d">zusammen<name key="PSN0113251" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Carl (seit ca. 1859: Karl) Wolfgang Paul (1838-1897)</name></persName> malen lassen? Das müßte sehr schön werden, ich will nicht sagen wie! – <hi rend="latintype">à propos</hi>, von meiner <title xml:id="title_116a4c5e-8b34-45c1-a0dd-91cf56547581">Oper<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109289" style="hidden" type="music">Romilda HW 2.3.1</name></title> sind einige Stücke im Klavierauszug gestochen die ich Dir gelegentlich schicken werde – wahrscheinlich wirst Du sie v. <placeName xml:id="placeName_3fa7a015-ebc8-4890-aad3-db22119a932d">Frkt<settlement key="STM0100204" style="hidden" type="locality">Frankfurt a. M.</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>. aus erhalten – ein <hi rend="latintype">Largo</hi> im <hi rend="latintype">finale</hi> ist das einzige was Dir hoffentlich gefallen wird – mir hat es bei der Aufführung große Freude gemacht und sogar das Publikum klatschte <hi rend="latintype">bongré</hi>, <hi rend="latintype">malgré</hi> in die Hände. Und nun nochmals <hi rend="latintype">adieu</hi> – ich fange nicht in so <hi rend="latintype">fashionabler</hi> Entfernung v. Rande zu schreiben an, um am Ende mich dahin flüchten zu können –. Bald mehr von Deinem</p> <signed rend="right"><hi rend="latintype">Ferdinand H</hi>.</signed> </div> </body> </text></TEI>