gb-1839-01-11-01
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Berlin, 11. Januar 1839
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
1 Doppelbl.: S. 1-2 Brieftext; S. 3-4 leer.
Emil von Meysenbug
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Ihr sehr geehrtes
tenJanuar
„wenn Sie im Laufe des nächsten Jahres einen andern Operntext gemacht haben sollten, oder sonst irgend Gedichte für Musik, so würden Sie mich durch deren Zusendung sehr erfreuen, und ich könnte dann hoffen, mit meinen jetzigen Arbeiten weit genug gediehen zu seyn, um wieder neue zu unternehmen u. s. w.“
Ich hielt es hiernach für discret, Sie augenblicklich mit keinem weitern Schreiben zu belästigen, fühlte aber doch das Bedürfniß, Ihnen jetzt nachträglich meinen Dank für die wohlwollende Art auszudrücken, mit welcher Sie damals meine Bestrebungen aufnahmen.
Ihre geneigte Bestimmung „im Laufe des nächsten Jahres“ könnte mir freylich noch einen längern Aufschub der Erfüllung meiner Verbindlichkeit gegen Sie zu gebieten scheinen; denn es ist darin keine bestimmte Zeit zu erkennen. Allein aber diese Unbestimmtheit wird mich zugleich entschuldigen, wenn ich schon jetzt, bald nach Eintritt des verberaumten Jahres, so frey bin, Sie zu gefälliger Einsicht der beyliegenden Arbeit einzuladen. Etwas mehr als Entschuldigung, eine Art von Rechtfertigung, könnte ich sogar in dem Umstande finden, daß dem Vernehmen nach, Ihre neueste SymphonieLeipzig zur Aufführung kommt, und daher zu vermuthen ist, daß Ihre damals gegen mich ausgesprochne Hoffnung auf Erledigung Ihrer vorjährigen Arbeiten wenigstens theilweise in Erfüllung gegangen sey. Ein letzter, die Freyheit, welche ich mir nehme, bestimmender Umstand ist endlich der, daß ich in der That nicht wüßte, welchem andern Deutschen Componisten, außer Ihnen, ich das Gedicht zusenden könnte, das doch einmal beendigt, also in meinen Händen nunmehr unnütz ist.
Über die Arbeit selbst enthalte ich mich, stark und muthig gemacht, durch Ihr leutseliges und höchst gütiges Entgegenkommen, jeder weitere Bemerkung. Ist sie Ihnen recht, so hätt’ ich jedes Wort verloren; und ist sie Ihnen nicht recht, so wäre es eben so, und mein Text mag dann nur immerhin das Schicksal seines Vorgängers vom verwichenen Jahre theilen, welcher noch heute in meinem Pulte, wie in einem Grabe, seines Erlösers harrt. In dieser Beziehung nämlich glaube ich Ihnen gestehen zu müssen, daß, wie den jüngern Componisten mit keinem Gedichte gedient seyn kann, welches sie weder beherrschen noch zur Aufführung bringen können, so ich meinerseits den ältern noch lebenden deutschen Tonsetzern insbesondre Spohr und
(obwohl ich für Erstern zu arbeiten aufgefordert worden bin), meine Arbeit nicht anvertrauen möchte; aus dem Grunde, weil ich beyde, übrigens so verdienstreiche Männer gerade derLindpaintner
DramatischenMusik im vollsten und tiefsten Sinne des Wortes nicht fähig halte. Der beste Beweis, daß ich mit dieser Musik nicht ganz irre, ist wohl der, daß
Lindpaintners
vier bis fünf letzten Opern wenigstensSpohr’s
undFaust
, wohl der schönsten Sachen, doch nun und niemals auf das Publikum als solches hinreißend, seelenerschütternd, unwiderstehlich wirken. Aber dramatische Musik hat auf Niemanden zu wirken, als auf das Publikum; und wahrlich, kein Dichter oder Musiker wird sich durch den Beyfallsdonner eines electrisirten Parterre’s beleidigt finden. Ich habe mit Begeisterung für meinen Stoff gearbeitet, und glaube, daß auch dessen musikalische Behandlung nur gelingen kann, wenn derselbe im Stande ist, den Componisten in Flammen zu setzen. Aber solcher Enthusiasmus erfordert vielleicht selbst die Blüthe männlicher Kraft, wie Sie Ihnen, und ich darf wohl hinzusetzen, auch mir, der ich nur wenige Monate älter, als Sie selbst, bin, eigen ist. Ferner aber bin ich nicht ohne Vorbereitung an die Sache gegangen; sondern, so wie ich mir zuerst eine eigenthümliche, wohlklingende, Gesangreiche Sprache zu bilden gewußt habe (welche wieder für die Oper ganz anders seyn muß, kürzer, kerniger, interjectiver als für lyrische Poesie), so habe ich das Theater lange genug betrachtet, um dessen Wirkungen und die Art, wie dieJessonda
tenAkts zu lang, obwohl ich in der That nicht weniger Worte finden konnte, um die ganze Sache der Gefühle, welche die Situation vorgab, zu durchlaufen. Ferner schließen
tenund 4
tenist dieses nun wohl unbedenklich, weil dort ohnehin der Chor „Auf in den Kampf, entbrannt, ihr Flammen,“ kurz vorhergegangen, hier aber die Verwirrung und Auflösung aller Verhältnisse kein Stillstehen des Chors zum Behufe des Gesangs gestattet. Was endlich den
Rienzi’sUntergang und
Mariasheldenmüthiger Selbstopferung sich ledern mache würde; hier war es besser, dem Componisten volle Freyheit zu gönnen, durch die Schluß-Symphonie
allein, von der Handlung und den weniger angegebenen Worten begleitet, die mächtigste Wirkung hervorzubringen.
Natürlich: was ist überhaupt
Im Übrigen mich ganz auf mein früheres Schreiben beziehend, dessen Wünsche ich hierdurch wiederhole, (nur daß ich die erbotene Anonymität in eine, auf meine Vornamen gebaute Pseudonymität verwandelt habe, welcher unschuldige Scherz Sie in Stand setzen wird, jedem Frager nach dem Verfasser das Gedichts zu antworten) bin ich mit der vollkommensten Hochachtung
Dr. von Meysenbug.
pr. addr.Mohrenstraße
tenJanuar
Hochverehrtester Herr! Ihr sehr geehrtes Schreiben vom 14ten Januar vor. J. an mich enthielt, in Erwiderung der Anfrage, welche ich mir damals, unter Beyfügung eines Operngedichts, kurz vorher erlaubt hatte, folgende Stelle: „wenn Sie im Laufe des nächsten Jahres einen andern Operntext gemacht haben sollten, oder sonst irgend Gedichte für Musik, so würden Sie mich durch deren Zusendung sehr erfreuen, und ich könnte dann hoffen, mit meinen jetzigen Arbeiten weit genug gediehen zu seyn, um wieder neue zu unternehmen u. s. w. “ Ich hielt es hiernach für discret, Sie augenblicklich mit keinem weitern Schreiben zu belästigen, fühlte aber doch das Bedürfniß, Ihnen jetzt nachträglich meinen Dank für die wohlwollende Art auszudrücken, mit welcher Sie damals meine Bestrebungen aufnahmen. Ihre geneigte Bestimmung „im Laufe des nächsten Jahres“ könnte mir freylich noch einen längern Aufschub der Erfüllung meiner Verbindlichkeit gegen Sie zu gebieten scheinen; denn es ist darin keine bestimmte Zeit zu erkennen. Allein aber diese Unbestimmtheit wird mich zugleich entschuldigen, wenn ich schon jetzt, bald nach Eintritt des verberaumten Jahres, so frey bin, Sie zu gefälliger Einsicht der beyliegenden Arbeit einzuladen. Etwas mehr als Entschuldigung, eine Art von Rechtfertigung, könnte ich sogar in dem Umstande finden, daß dem Vernehmen nach, Ihre neueste Symphonie in den ersten Tagen des Jahres in Leipzig zur Aufführung kommt, und daher zu vermuthen ist, daß Ihre damals gegen mich ausgesprochne Hoffnung auf Erledigung Ihrer vorjährigen Arbeiten wenigstens theilweise in Erfüllung gegangen sey. Ein letzter, die Freyheit, welche ich mir nehme, bestimmender Umstand ist endlich der, daß ich in der That nicht wüßte, welchem andern Deutschen Componisten, außer Ihnen, ich das Gedicht zusenden könnte, das doch einmal beendigt, also in meinen Händen nunmehr unnütz ist. Über die Arbeit selbst enthalte ich mich, stark und muthig gemacht, durch Ihr leutseliges und höchst gütiges Entgegenkommen, jeder weitere Bemerkung. Ist sie Ihnen recht, so hätt’ ich jedes Wort verloren; und ist sie Ihnen nicht recht, so wäre es eben so, und mein Text mag dann nur immerhin das Schicksal seines Vorgängers vom verwichenen Jahre theilen, welcher noch heute in meinem Pulte, wie in einem Grabe, seines Erlösers harrt. In dieser Beziehung nämlich glaube ich Ihnen gestehen zu müssen, daß, wie den jüngern Componisten mit keinem Gedichte gedient seyn kann, welches sie weder beherrschen noch zur Aufführung bringen können, so ich meinerseits den ältern noch lebenden deutschen Tonsetzern insbesondre Spohr und Lindpaintner (obwohl ich für Erstern zu arbeiten aufgefordert worden bin), meine Arbeit nicht anvertrauen möchte; aus dem Grunde, weil ich beyde, übrigens so verdienstreiche Männer gerade der Dramatischen Musik im vollsten und tiefsten Sinne des Wortes nicht fähig halte. Der beste Beweis, daß ich mit dieser Musik nicht ganz irre, ist wohl der, daß Lindpaintners Opern sammt und sonders so gut wie nirgends gegeben werden, und, wo es doch geschieht, wirkungslos vorübergehen; mit Spohr’s vier bis fünf letzten Opern wenigstens es ebenso gegangen ist, und selbst der ältere Faust und Jessonda, wohl der schönsten Sachen, doch nun und niemals auf das Publikum als solches hinreißend, seelenerschütternd, unwiderstehlich wirken. Aber dramatische Musik hat auf Niemanden zu wirken, als auf das Publikum; und wahrlich, kein Dichter oder Musiker wird sich durch den Beyfallsdonner eines electrisirten Parterre’s beleidigt finden. Ich habe mit Begeisterung für meinen Stoff gearbeitet, und glaube, daß auch dessen musikalische Behandlung nur gelingen kann, wenn derselbe im Stande ist, den Componisten in Flammen zu setzen. Aber solcher Enthusiasmus erfordert vielleicht selbst die Blüthe männlicher Kraft, wie Sie Ihnen, und ich darf wohl hinzusetzen, auch mir, der ich nur wenige Monate älter, als Sie selbst, bin, eigen ist. Ferner aber bin ich nicht ohne Vorbereitung an die Sache gegangen; sondern, so wie ich mir zuerst eine eigenthümliche, wohlklingende, Gesangreiche Sprache zu bilden gewußt habe (welche wieder für die Oper ganz anders seyn muß, kürzer, kerniger, interjectiver als für lyrische Poesie), so habe ich das Theater lange genug betrachtet, um dessen Wirkungen und die Art, wie die Anfangs-Arie des 4ten Akts zu lang, obwohl ich in der That nicht weniger Worte finden konnte, um die ganze Sache der Gefühle, welche die Situation vorgab, zu durchlaufen. Ferner schließen von fünf Akten drey ohne Chorgesang; bei dem 2ten und 4ten ist dieses nun wohl unbedenklich, weil dort ohnehin der Chor „Auf in den Kampf, entbrannt, ihr Flammen, “ kurz vorhergegangen, hier aber die Verwirrung und Auflösung aller Verhältnisse kein Stillstehen des Chors zum Behufe des Gesangs gestattet. Was endlich den Schluß des letzten Akts betrifft, so scheint es mir auch, daß ein Chor nach Rienzi’s Untergang und Marias heldenmüthiger Selbstopferung sich ledern mache würde; hier war es besser, dem Componisten volle Freyheit zu gönnen, durch die Schluß-Symphonie allein, von der Handlung und den weniger angegebenen Worten begleitet, die mächtigste Wirkung hervorzubringen. Natürlich: was ist überhaupt mein Text, ohne seine Verklärung durch die ewigen, himmlischen Melodieen? Können diese schon, wie doch geschehen, mittelmäßige oder schlechte Gedichte auf der Bühne erhalten: so bedarf ihrer doch einer Arbeit, die sich Größeres zum Ziele gesetzt hatte, um ihrer selbst willen noch mehr. Möchte es mir gelingen, Ihren guten Willen in dieser Begeisterung für mich zu gewinnen; denn ich weiß, daß nur dieses mir Noth thut. Im Übrigen mich ganz auf mein früheres Schreiben beziehend, dessen Wünsche ich hierdurch wiederhole, (nur daß ich die erbotene Anonymität in eine, auf meine Vornamen gebaute Pseudonymität verwandelt habe, welcher unschuldige Scherz Sie in Stand setzen wird, jedem Frager nach dem Verfasser das Gedichts zu antworten) bin ich mit der vollkommensten Hochachtung Ihr ergebener Dr. von Meysenbug. pr. addr. Mohrenstraße No. 34 Berlin d 11ten Januar. 1839.
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Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation><date cert="high" when="1839-01-11" xml:id="date_9bdf2bab-c4d8-4b99-a557-16f429d205a4">11. 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Allein aber diese Unbestimmtheit wird mich zugleich entschuldigen, wenn ich schon jetzt, bald nach Eintritt des verberaumten Jahres, so frey bin, Sie zu gefälliger Einsicht der beyliegenden Arbeit einzuladen. 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Ein letzter, die Freyheit, welche ich mir nehme, bestimmender Umstand ist endlich der, daß ich in der That nicht wüßte, welchem andern Deutschen Componisten, außer Ihnen, ich das Gedicht zusenden könnte, das doch einmal beendigt, also in meinen Händen nunmehr unnütz ist.</p> <p>Über die Arbeit selbst enthalte ich mich, stark und muthig gemacht, durch Ihr leutseliges und höchst gütiges Entgegenkommen, jeder weitere Bemerkung. Ist sie Ihnen recht, so hätt’ ich jedes Wort verloren; und ist sie Ihnen nicht recht, so wäre es eben so, und mein Text mag dann nur immerhin das Schicksal seines Vorgängers vom verwichenen Jahre theilen, welcher noch heute in meinem Pulte, wie in einem Grabe, seines Erlösers harrt. 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Aber dramatische Musik hat auf Niemanden zu wirken, als auf das Publikum; und wahrlich, kein Dichter oder Musiker wird sich durch den Beyfallsdonner eines electrisirten Parterre’s beleidigt finden. Ich habe mit Begeisterung für meinen Stoff gearbeitet, und glaube, daß auch dessen musikalische Behandlung nur gelingen kann, wenn derselbe im Stande ist, den Componisten in Flammen zu setzen. Aber solcher Enthusiasmus erfordert vielleicht selbst die Blüthe männlicher Kraft, wie Sie Ihnen, und ich darf wohl hinzusetzen, auch mir, der ich nur wenige Monate älter, als Sie selbst, bin, eigen ist. Ferner aber bin ich nicht ohne Vorbereitung an die Sache gegangen; sondern, so wie ich mir zuerst eine eigenthümliche, wohlklingende, Gesangreiche Sprache zu bilden gewußt habe (welche wieder für die Oper ganz anders seyn muß, kürzer, kerniger, interjectiver als für lyrische Poesie), so habe ich das Theater lange genug betrachtet, um dessen Wirkungen und die Art, wie die <title xml:id="title_2837e717-1145-4d27-b843-188496b92cfe">Anfangs-Arie<name key="PSN0113320" style="hidden" type="author">Meysenbug, Emil Heinrich Freiherr von (seit 1834) Rivalier von (1808–1891)</name><name key="CRT0112204" style="hidden" type="dramatic_work">Rienzi (Opernlibretto)</name></title> des 4<hi rend="superscript">ten</hi> Akts zu lang, obwohl ich in der That nicht weniger Worte finden konnte, um die ganze Sache der Gefühle, welche die Situation vorgab, zu durchlaufen. Ferner schließen <title xml:id="title_c8d08174-b78e-49d3-bb49-e31151931dca">von fünf Akten<name key="PSN0113320" style="hidden" type="author">Meysenbug, Emil Heinrich Freiherr von (seit 1834) Rivalier von (1808–1891)</name><name key="CRT0112204" style="hidden" type="dramatic_work">Rienzi (Opernlibretto)</name></title> drey ohne Chorgesang; bei dem 2<hi rend="superscript">ten</hi> und 4<hi rend="superscript">ten</hi> ist dieses nun wohl unbedenklich, weil dort ohnehin der Chor „Auf in den Kampf, entbrannt, ihr Flammen,“ kurz vorhergegangen, hier aber die Verwirrung und Auflösung aller Verhältnisse kein Stillstehen des Chors zum Behufe des Gesangs gestattet. Was endlich den <title xml:id="title_e7594344-33b3-49a8-b423-5da652e01613">Schluß<name key="PSN0113320" style="hidden" type="author">Meysenbug, Emil Heinrich Freiherr von (seit 1834) Rivalier von (1808–1891)</name><name key="CRT0112204" style="hidden" type="dramatic_work">Rienzi (Opernlibretto)</name></title> des letzten Akts betrifft, so scheint es mir auch, daß ein Chor nach <hi rend="latintype">Rienzi’s</hi> Untergang und <hi rend="latintype">Marias</hi> heldenmüthiger Selbstopferung sich ledern mache würde; hier war es besser, dem Componisten volle Freyheit zu gönnen, durch die Schluß-Symphonie <hi n="1" rend="underline">allein</hi>, von der Handlung und den weniger angegebenen Worten begleitet, die mächtigste Wirkung hervorzubringen.</p> <p>Natürlich: was ist überhaupt <title xml:id="title_ec2c4d47-1ca5-4043-8b50-a8613343e34e">mein Text<name key="PSN0113320" style="hidden" type="author">Meysenbug, Emil Heinrich Freiherr von (seit 1834) Rivalier von (1808–1891)</name><name key="CRT0112204" style="hidden" type="dramatic_work">Rienzi (Opernlibretto)</name></title>, ohne seine Verklärung durch die ewigen, himmlischen Melodieen? Können diese schon, wie doch geschehen, mittelmäßige oder schlechte Gedichte auf der Bühne erhalten: so bedarf ihrer doch einer Arbeit, die sich Größeres zum Ziele gesetzt hatte, um ihrer selbst willen noch mehr. Möchte es mir gelingen, Ihren guten Willen in dieser Begeisterung für mich zu gewinnen; denn ich weiß, daß nur dieses mir Noth thut.</p> <p>Im Übrigen mich ganz auf mein früheres Schreiben beziehend, dessen Wünsche ich hierdurch wiederhole, (nur daß ich die erbotene Anonymität in eine, auf meine Vornamen gebaute Pseudonymität verwandelt habe, welcher unschuldige Scherz Sie in Stand setzen wird, jedem Frager nach dem Verfasser das Gedichts zu antworten) bin ich mit der vollkommensten Hochachtung</p> <signed rend="right">Ihr</signed> <signed rend="right">ergebener</signed> <signed rend="right"><hi rend="latintype">Dr. von Meysenbug.</hi></signed> <signed rend="right"><hi rend="latintype">pr. addr.</hi> Mohrenstraße </signed> <signed rend="right">No. 34</signed> <dateline rend="left">Berlin d <date cert="high" when="1839-01-11" xml:id="date_603d2c06-6c15-4167-a16d-d4313b7fc84e">11<hi rend="superscript">ten</hi> Januar</date>. </dateline> <dateline rend="left"><date cert="high" when="1839-01-11" xml:id="date_d3b431a0-a3ce-4596-b590-dceb343cb244">1839</date>.</dateline> </div> </body> </text></TEI>