]> Brief: gb-1838-12-18-01

gb-1838-12-18-01

Hilfe zum Zitier-Tool

Um wichtige Textpassagen (Zitate) zu speichern und auf diese via Hyperlink zu verweisen, markieren Sie bitte den gewünschten Textbereich.

Daraufhin erscheint ein Fenster, in welchem Sie die ausgewählte Textpassage inkl. des Hyperlinks zur weiteren Verwendung in die Zwischenablage kopieren können.


Georg Wilhelm Mackrot an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig <lb></lb>Elberfeld, 18. Dezember 1838 Sie haben mich durch Ihre ausführlichen Mittheilungen über meine Compositions-Versuche zur größten Dankbarkeit verpflichtet, und ich beeile mich, Ihnen dieselbe auszusprechen. Um wie viel mehr bin ich Ihnen dankbar, da Sie die ersten Stunden Ihrer Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) Felix Mendelssohn Bartholdy an Georg Wilhelm Mackrot in Elberfeld; Leipzig, 13. Oktober 1838 unbekannt Mackrot, Georg Wilhelm (1811-1850)Mackrot, Georg Wilhelm (1811-1850) Transkription: FMB-C Edition: Felix Mendelssohn Barholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. 34/167. Autograph Georg Wilhelm Mackrot an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig; Elberfeld, 18. Dezember 1838 Sie haben mich durch Ihre ausführlichen Mittheilungen über meine Compositions-Versuche zur größten Dankbarkeit verpflichtet, und ich beeile mich, Ihnen dieselbe auszusprechen. Um wie viel mehr bin ich Ihnen dankbar, da Sie die ersten Stunden Ihrer

1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext.

Georg Wilhelm Mackrot

Green Books

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

18. Dezember 1838 Mackrot, Georg Wilhelm (1811-1850)counter-resetMackrot, Georg Wilhelm (1811–1850) ElberfeldDeutschland Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) LeipzigDeutschland deutsch
Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850) Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850) Elberfeld, am 18ten Decbr. 1838 Hochzuverehrender Herr Musikdirector!

Sie haben mich durch Ihre ausführlichen Mittheilungen <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1838-10-13-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Georg Wilhelm Mackrot in Elberfeld; Leipzig, 13. Oktober 1838</name> über meine Compositions-Versuche<name key="PSN0113029" style="hidden" type="author">Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850)</name><name key="CRT0111915" style="hidden" type="music">12 deutsche Lieder und Gesänge</name><name key="PSN0113029" style="hidden" type="author">Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850)</name><name key="CRT0111916" style="hidden" type="music">Zwei Quartette</name><name key="PSN0113029" style="hidden" type="author">Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850)</name><name key="CRT0111917" style="hidden" type="music">Klavier-Auszug zum Vater unser (Psalm 1787 von Friedrich Gottlieb Klopstock)</name><name key="PSN0113029" style="hidden" type="author">Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850)</name><name key="CRT0111918" style="hidden" type="music">Konzert-Fantasie für Violoncello »Gruß an den Rhein«</name><name key="PSN0113029" style="hidden" type="author">Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850)</name><name key="CRT0111920" style="hidden" type="music">Air variée für Violoncello und Klavierbegleitung</name> zur größten Dankbarkeit verpflichtet, und ich beeile mich, Ihnen dieselbe auszusprechen. Um wie viel mehr bin ich Ihnen dankbar, da Sie die ersten Stunden Ihrer so sehr erfreulichen GenesungIhrer so sehr erfreulichen Genesung – Felix Mendelssohn Bartholdy war im September 1838 an den Masern erkrankt und zwischenzeitlich, abgesehen von spontan auftretenden Augenschmerzen als Spätfolge der Erkrankung, wieder genesen. dazu anwandten, mich mir Ihrem so inhaltsreichen Schreiben zu erfreuen. In den Nachrichten, die mir aus LeipzigLeipzigDeutschland durch die musikal. Zeitungen<name key="PSN0110112" style="hidden" type="author">Breitkopf & Härtel (bis 1786: Breitkopf), Verlag und Musikalienhandlung in Leipzig</name><name key="CRT0108283" style="hidden" type="periodical">Allgemeine Musikalische Zeitung</name> zukommen, war ich von Ihrem Unwohlsein in Kenntniss gesetzt, und ich bedauerte schon im Stillen, daß ich Sie noch mit meinen Bitten belästigt hatte; – erwartete daher auch keine besondern Mittheilungen, sondern wünschte von ganzem Herzen, daß Ihre Allen so schätzbare Gesundheit recht bald wiederkehren möge. Dank dem Himmel, daß unserer Aller Wünsche in Erfüllung gegangen sind; – und mögen Sie sich immerfort einer dauerhaften Gesundheit erfreuen, nicht bloß um unsertwillen, insofern Sie dadurch nur in den Stand gesetzt sind, das, was Ihre Seele erfüllt, und was Ihr Geist schafft, mitzutheilen; sondern auch um Ihrer selbst willen, daß Sie nicht sich selbst dem Höchsten der Kunst opfern, sondern sich Ihres so segensreichen, schönen Lebens erfreuen mögen.

Besondere Anerkennung bin ich Ihnen für die genaue Durchsicht der zugeschickten Musikalien schuldig. Das fühlte ich wohl, daß dieselbe vielfache Mängel enthielten; allein sie waren geschrieben, und ich selbst konnte mir keine Rechenschaft von dem noch Mangelnden |2| geben; darum halte ich auch Ihren gütigen Tadel werth und ich werde mich bemühen, bei künftigen Versuchen das zu vermeiden, worauf Sie mich besonders aufmerksam gemacht haben. Daß ich es überhaupt noch unternehmen darf, etwas zu schreiben, dazu ermuntert michMackrot, Georg Wilhelm (1811–1850) aber auch sehr, daß auch Sie einigen Beruf in mir dafür erkennen, und daß Sie doch Einiges, wenn es auch nur wenig ist, für etwas Gelungenes halten. So habe ich doch nicht allen Muth verloren, – und Sie haben in sich bei der mühevollen Durchsicht vielleicht noch einige Hoffnung für mich auftauchen sehen.

Mit Freuden gehe ich daher Ihren Vorschlag ein, mit rechtem Fleiß das Studium der besten Meister zu beginnen, – um am Ende das mir noch Fehlende zu erreichen; aber wir sind so reich an vortrefflichen Musikstücken, daß es mir schwer fällt, aus dem Vielen gerade wieder das Beste aus zu wählen. Ich habe zwar den Anfang schon mit BeethovenBeethoven, Ludwig van (1770-1827) gemacht, – spiele für Clavier fast weiter nichts als seine Sonaten<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770–1827)</name><name key="CRT0108073" style="hidden" type="music">Sonate</name> – studire sie –, um Einzelnes nach Ihrem gütigen Rathe auswendig zu können, was mir auch nicht so schwer fällt, als ich anfangs glaubte. Das schöne Quatuor in F. Op. 18 N<hi rend="superscript">o</hi> 1.<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770–1827)</name><name key="CRT0108084" style="hidden" type="music">Streichquartett F-Dur, op. 18/1</name> habe ich mir in Partitur gesetzt, – und ich suche mich mir der Anordnung, mit der Aufeinanderfolge der Hauptsätze und ihrer Verarbeitung so vertraut zu machen, daß mir der Plan zum Muster dienen könnte. Auch den höhern Sinn des Ganzen suche ich in mich aufzunehmen, um mich auf des Meisters Standpunct zu erheben.

Sie sehen, wie schnell ich bereit gewesen bin, Ihnen zu folgen, aber um Eines möchte ich Sie noch ersuchen, nämlich, um ein kleines Verzeichniss derjenigen Sachen, die mir am nützlichsten sein könnten, die mich am meisten förderten – mit welchen Meistern ich anfangen – und mit welchen ich enden sollte. Sie glauben kaum, wie wohlthuend und wie beruhigend einem das Arbeiten ist, besonders, wenn man sich dabei des Rathes eines erfahrenen Meisters erfreut. Ist man sich selbst überlassem, so glaubt man am Ende immer |3| man wäre auf solchem Wege, und dieser Gedanke schon verbitet einem das rüstige Vorarbeiten.

Daß der Geschmack in meinem Arbeiten bisher noch nicht geläutert war, dazu glaube ich schon die Gründe aufgefunden zu haben. Ich hörte nicht genug gute Musik, – wie wohl ich schon Manches studirte. Zu dem Erstern fehlte es mir an Gelegenheit. Meine Bildung war eine mehr theoretische als practische. Dazu habe ich, was ich auch geschrieben habe, ohne Hilfe eines Instruments componirt. Ich habe dabei vielleicht nur mein Wissen geübt, – und bin dabei einer willkührlichen Eingebung gefolgt. Nun weiß ich wohl, was Sie damit sagen wollen, – Studium der besten Muster –, ruhig im Sinn prüfen. Das Alles habe ich wohl gefühlt, aber es ist mir nicht klar geworden. Durch Sie ist mir da ein Stern aufgegangen, dem ich zu folgen gern bereit bin, wenn Sie nur so gut wären und mich dabei gütigst weiter unterstützen wollten. Welche Mittel soll ich noch anwenden, um meinen Geschmack zu bilden? – Wie soll ich meinen Chorsatz verbessern? – Habe ich die Stimmen für sich oder unter einander falsch behandelt? – Fast glaube ich, daß die Mittelstimmen zu wenig selbstständig gehalten sind? –

Das Alles sind Fragen, die Sie in mir angeregt haben, und die ich mir nicht ganz klar beantworten kann. Ich glaube kaum, daß es irgend eine Theorie der Musik giebt, die mir da als Leiter dienen könnte. Wie gern wollte ich mich mir derselben bekannt machen, wenn Sie die Güte hätten, mir irgend ein solches gutes Werk vorzuschlagen. Wenn es im Herzen nicht drängt und treibt, aus dem werden freilich die besten Theorien keinen guten Componisten machen; aber ich möchte gern das Schönste und Beste, was in dieser Hinsicht geschrieben ist, kennen lernen, um meine Sehnsucht nach dem Höchsten zu befriedigen, um einen eigenen Maaßstab zu gewinnen, der mich bei dem, was ich anfinge, leiten könnte. Sie haben bei Ihrer musikalischen Bildung gewiss Gelegenheit gehabt, das |4| Ausgezeichnetste kennen zu lernen, und zu Ihnen wende ich mich daher mit meinem ganzen Vertrauen.

Diesen Winter wollte ich nun recht zum Studiren benutzen, und ich werde daher wol die vorgehabte Reise noch so lange aufschieben, bis ich selbst reifer und geläuterter vor den Augen der musikalischen Welt auftreten darf. Ihnen bin ich indessen sehr dankbar für Ihre gütige Bereitwilligkeit, mir bei meinem Aufenthalte in LeipzigLeipzigDeutschland zu einem öffentlichen Auftreten zu verhelfen,in Leipzig zu einem öffentlichen Auftreten zu verhelfen – Zu einer öffentlichen Aufführung von Werken Georg Wilhelm Mackrots ist es zu Lebzeiten Felix Mendelssohn Bartholdys offensichtlich nicht gekommen. – und ich bedaure es sehr, daß ich nicht dort sein kann, um mich Ihrer Prüfung auch in dieser Hinsicht zu unterwerfen.

In Betreff der Herausgabe von vielleicht sechs Liedern<name key="PSN0113029" style="hidden" type="author">Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850)</name><name key="CRT0111915" style="hidden" type="music">12 deutsche Lieder und Gesänge</name>, habe ich mich noch nicht entschlossen, da ich die Manuscripte noch nicht zurück erhalten habe, die wahrscheinlich aus Warschau in Leipzig liegen geblieben sind. Hr. PetzoldPetzold, Carl Eugen (1813-1889) hat mir aber versprochen, den jetzigen Inhaber derselben daran zu erinnern. Ich habe wohl wieder mehr Lieder und Gesänge mit Clavierbegleitung fertig; aber ich will sie noch einige Zeit ruhen lassen, und sie dann wieder vornehmen, um mich selbst kennen zu lernen, und meine Schwächen zu verbessern.

So, edler Meister, hätte ich wieder einmal meinem Herzen Luft gemacht, das durch Ihre werthen Mittheilungen sichtbar gehoben ist. Wie oft habe ich Ihren schönen Brief <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1838-10-13-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Georg Wilhelm Mackrot in Elberfeld; Leipzig, 13. Oktober 1838</name> gelesen, und ich werde denselben auch bald auswendig können. Welche edle, schöne Seele spricht mir freundlich und ermunternd entgegen! Ja, Sie dürfen überzeugt sein, daß ich nicht so sehr für mich eingenommen bin, als daß ich nicht Alles, was Sie mir mittheilen, als zu meinem Besten erkennen sollte. Bewahren Sie mir auch für die Zukunft Ihre freundschaftliche Aufmerksamkeit, und seien Sie überzeugt von der Hochachtung und Verehrung, mit welcher ich verharre als

Ihr ergebenster G. W. Mackrot.
            Elberfeld, am 18ten Decbr. 1838 Hochzuverehrender Herr Musikdirector!
Sie haben mich durch Ihre ausführlichen Mittheilungen über meine Compositions-Versuche zur größten Dankbarkeit verpflichtet, und ich beeile mich, Ihnen dieselbe auszusprechen. Um wie viel mehr bin ich Ihnen dankbar, da Sie die ersten Stunden Ihrer so sehr erfreulichen Genesung dazu anwandten, mich mir Ihrem so inhaltsreichen Schreiben zu erfreuen. In den Nachrichten, die mir aus Leipzig durch die musikal. Zeitungen zukommen, war ich von Ihrem Unwohlsein in Kenntniss gesetzt, und ich bedauerte schon im Stillen, daß ich Sie noch mit meinen Bitten belästigt hatte; – erwartete daher auch keine besondern Mittheilungen, sondern wünschte von ganzem Herzen, daß Ihre Allen so schätzbare Gesundheit recht bald wiederkehren möge. Dank dem Himmel, daß unserer Aller Wünsche in Erfüllung gegangen sind; – und mögen Sie sich immerfort einer dauerhaften Gesundheit erfreuen, nicht bloß um unsertwillen, insofern Sie dadurch nur in den Stand gesetzt sind, das, was Ihre Seele erfüllt, und was Ihr Geist schafft, mitzutheilen; sondern auch um Ihrer selbst willen, daß Sie nicht sich selbst dem Höchsten der Kunst opfern, sondern sich Ihres so segensreichen, schönen Lebens erfreuen mögen.
Besondere Anerkennung bin ich Ihnen für die genaue Durchsicht der zugeschickten Musikalien schuldig. Das fühlte ich wohl, daß dieselbe vielfache Mängel enthielten; allein sie waren geschrieben, und ich selbst konnte mir keine Rechenschaft von dem noch Mangelnden geben; darum halte ich auch Ihren gütigen Tadel werth und ich werde mich bemühen, bei künftigen Versuchen das zu vermeiden, worauf Sie mich besonders aufmerksam gemacht haben. Daß ich es überhaupt noch unternehmen darf, etwas zu schreiben, dazu ermuntert mich aber auch sehr, daß auch Sie einigen Beruf in mir dafür erkennen, und daß Sie doch Einiges, wenn es auch nur wenig ist, für etwas Gelungenes halten. So habe ich doch nicht allen Muth verloren, – und Sie haben in sich bei der mühevollen Durchsicht vielleicht noch einige Hoffnung für mich auftauchen sehen.
Mit Freuden gehe ich daher Ihren Vorschlag ein, mit rechtem Fleiß das Studium der besten Meister zu beginnen, – um am Ende das mir noch Fehlende zu erreichen; aber wir sind so reich an vortrefflichen Musikstücken, daß es mir schwer fällt, aus dem Vielen gerade wieder das Beste aus zu wählen. Ich habe zwar den Anfang schon mit Beethoven gemacht, – spiele für Clavier fast weiter nichts als seine Sonaten – studire sie –, um Einzelnes nach Ihrem gütigen Rathe auswendig zu können, was mir auch nicht so schwer fällt, als ich anfangs glaubte. Das schöne Quatuor in F. Op. 18 No 1. habe ich mir in Partitur gesetzt, – und ich suche mich mir der Anordnung, mit der Aufeinanderfolge der Hauptsätze und ihrer Verarbeitung so vertraut zu machen, daß mir der Plan zum Muster dienen könnte. Auch den höhern Sinn des Ganzen suche ich in mich aufzunehmen, um mich auf des Meisters Standpunct zu erheben.
Sie sehen, wie schnell ich bereit gewesen bin, Ihnen zu folgen, aber um Eines möchte ich Sie noch ersuchen, nämlich, um ein kleines Verzeichniss derjenigen Sachen, die mir am nützlichsten sein könnten, die mich am meisten förderten – mit welchen Meistern ich anfangen – und mit welchen ich enden sollte. Sie glauben kaum, wie wohlthuend und wie beruhigend einem das Arbeiten ist, besonders, wenn man sich dabei des Rathes eines erfahrenen Meisters erfreut. Ist man sich selbst überlassem, so glaubt man am Ende immer man wäre auf solchem Wege, und dieser Gedanke schon verbitet einem das rüstige Vorarbeiten.
Daß der Geschmack in meinem Arbeiten bisher noch nicht geläutert war, dazu glaube ich schon die Gründe aufgefunden zu haben. Ich hörte nicht genug gute Musik, – wie wohl ich schon Manches studirte. Zu dem Erstern fehlte es mir an Gelegenheit. Meine Bildung war eine mehr theoretische als practische. Dazu habe ich, was ich auch geschrieben habe, ohne Hilfe eines Instruments componirt. Ich habe dabei vielleicht nur mein Wissen geübt, – und bin dabei einer willkührlichen Eingebung gefolgt. Nun weiß ich wohl, was Sie damit sagen wollen, – Studium der besten Muster –, ruhig im Sinn prüfen. Das Alles habe ich wohl gefühlt, aber es ist mir nicht klar geworden. Durch Sie ist mir da ein Stern aufgegangen, dem ich zu folgen gern bereit bin, wenn Sie nur so gut wären und mich dabei gütigst weiter unterstützen wollten. Welche Mittel soll ich noch anwenden, um meinen Geschmack zu bilden? – Wie soll ich meinen Chorsatz verbessern? – Habe ich die Stimmen für sich oder unter einander falsch behandelt? – Fast glaube ich, daß die Mittelstimmen zu wenig selbstständig gehalten sind? –
Das Alles sind Fragen, die Sie in mir angeregt haben, und die ich mir nicht ganz klar beantworten kann. Ich glaube kaum, daß es irgend eine Theorie der Musik giebt, die mir da als Leiter dienen könnte. Wie gern wollte ich mich mir derselben bekannt machen, wenn Sie die Güte hätten, mir irgend ein solches gutes Werk vorzuschlagen. Wenn es im Herzen nicht drängt und treibt, aus dem werden freilich die besten Theorien keinen guten Componisten machen; aber ich möchte gern das Schönste und Beste, was in dieser Hinsicht geschrieben ist, kennen lernen, um meine Sehnsucht nach dem Höchsten zu befriedigen, um einen eigenen Maaßstab zu gewinnen, der mich bei dem, was ich anfinge, leiten könnte. Sie haben bei Ihrer musikalischen Bildung gewiss Gelegenheit gehabt, das Ausgezeichnetste kennen zu lernen, und zu Ihnen wende ich mich daher mit meinem ganzen Vertrauen.
Diesen Winter wollte ich nun recht zum Studiren benutzen, und ich werde daher wol die vorgehabte Reise noch so lange aufschieben, bis ich selbst reifer und geläuterter vor den Augen der musikalischen Welt auftreten darf. Ihnen bin ich indessen sehr dankbar für Ihre gütige Bereitwilligkeit, mir bei meinem Aufenthalte in Leipzig zu einem öffentlichen Auftreten zu verhelfen, – und ich bedaure es sehr, daß ich nicht dort sein kann, um mich Ihrer Prüfung auch in dieser Hinsicht zu unterwerfen.
In Betreff der Herausgabe von vielleicht sechs Liedern, habe ich mich noch nicht entschlossen, da ich die Manuscripte noch nicht zurück erhalten habe, die wahrscheinlich aus Warschau in Leipzig liegen geblieben sind. Hr. Petzold hat mir aber versprochen, den jetzigen Inhaber derselben daran zu erinnern. Ich habe wohl wieder mehr Lieder und Gesänge mit Clavierbegleitung fertig; aber ich will sie noch einige Zeit ruhen lassen, und sie dann wieder vornehmen, um mich selbst kennen zu lernen, und meine Schwächen zu verbessern.
So, edler Meister, hätte ich wieder einmal meinem Herzen Luft gemacht, das durch Ihre werthen Mittheilungen sichtbar gehoben ist. Wie oft habe ich Ihren schönen Brief gelesen, und ich werde denselben auch bald auswendig können. Welche edle, schöne Seele spricht mir freundlich und ermunternd entgegen! Ja, Sie dürfen überzeugt sein, daß ich nicht so sehr für mich eingenommen bin, als daß ich nicht Alles, was Sie mir mittheilen, als zu meinem Besten erkennen sollte. Bewahren Sie mir auch für die Zukunft Ihre freundschaftliche Aufmerksamkeit, und seien Sie überzeugt von der Hochachtung und Verehrung, mit welcher ich verharre als
Ihr ergebenster G. W. Mackrot.          
            <TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="gb-1838-12-18-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="gb-1838-12-18-01" xml:id="title_a5bbe2dc-bdde-4f88-bfec-c0634ecc6356">Georg Wilhelm Mackrot an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig <lb></lb>Elberfeld, 18. Dezember 1838</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_066b5b82-afcd-4d88-8843-90a3f721410b">Sie haben mich durch Ihre ausführlichen Mittheilungen über meine Compositions-Versuche zur größten Dankbarkeit verpflichtet, und ich beeile mich, Ihnen dieselbe auszusprechen. Um wie viel mehr bin ich Ihnen dankbar, da Sie die ersten Stunden Ihrer</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_75174161-fddf-4a31-a219-a6a701310991">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="fmb-1838-10-13-01" type="precursor" xml:id="title_afec8369-16a0-48b6-b3a5-342d754f86e2">Felix Mendelssohn Bartholdy an Georg Wilhelm Mackrot in Elberfeld; Leipzig, 13. Oktober 1838</title> <title key="unknown" type="successor" xml:id="title_4867a990-ddd8-4b84-add9-640538d03e73">unbekannt</title> <author key="PSN0113029">Mackrot, Georg Wilhelm (1811-1850)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0113029" resp="writer">Mackrot, Georg Wilhelm (1811-1850)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition"></name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Barholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName xml:id="placeName_3aeb2eb9-3cb2-4a2a-95e2-de45a5675943"> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. d. 34/167.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="gb-1838-12-18-01" type="letter" xml:id="title_05fa4a01-7e5d-458c-8e62-e8f4b22a09c5">Georg Wilhelm Mackrot an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig; Elberfeld, 18. Dezember 1838</title> <incipit>Sie haben mich durch Ihre ausführlichen Mittheilungen über meine Compositions-Versuche zur größten Dankbarkeit verpflichtet, und ich beeile mich, Ihnen dieselbe auszusprechen. Um wie viel mehr bin ich Ihnen dankbar, da Sie die ersten Stunden Ihrer</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext.</p> <handDesc hands="1"> <p>Georg Wilhelm Mackrot</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl></accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1838-12-18" xml:id="date_66805c46-d9eb-472a-8819-8d456968f6f6">18. Dezember 1838</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0113029" resp="author" xml:id="persName_40908b06-d768-4028-b27a-49230ced412b">Mackrot, Georg Wilhelm (1811-1850)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0113029" resp="writer">Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_1d6bed6c-6c96-412e-9c2d-e0d308be77e1"> <settlement key="STM0100108">Elberfeld</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_a66233b1-a162-4e95-bebb-f7370480b53d">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_c76b8eb1-b0fe-4794-b90f-d0dfe0338d8d"> <settlement key="STM0100116">Leipzig</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_6f264c73-8f1a-4f1a-aa49-9d78b411a807"> <docAuthor key="PSN0113029" resp="author" style="hidden">Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113029" resp="writer" style="hidden">Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850)</docAuthor> <dateline rend="right"><hi rend="latintype">Elberfeld</hi>, am <date cert="high" when="1838-12-18" xml:id="date_9263af7a-e705-4bde-8b62-5138f85bf997">18<hi rend="superscript">ten</hi> <hi rend="latintype">Decbr</hi>. 1838</date></dateline> <salute rend="left">Hochzuverehrender Herr Musikdirector!</salute> <p style="paragraph_without_indent">Sie haben mich durch Ihre ausführlichen <title xml:id="title_2ee47239-5348-49da-83d4-79e9925925aa">Mittheilungen <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1838-10-13-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Georg Wilhelm Mackrot in Elberfeld; Leipzig, 13. Oktober 1838</name> </title> über meine <title xml:id="title_07968d31-d28c-4117-b5a9-9d69d05fb3c0">Compositions-Versuche<name key="PSN0113029" style="hidden" type="author">Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850)</name><name key="CRT0111915" style="hidden" type="music">12 deutsche Lieder und Gesänge</name><name key="PSN0113029" style="hidden" type="author">Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850)</name><name key="CRT0111916" style="hidden" type="music">Zwei Quartette</name><name key="PSN0113029" style="hidden" type="author">Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850)</name><name key="CRT0111917" style="hidden" type="music">Klavier-Auszug zum Vater unser (Psalm 1787 von Friedrich Gottlieb Klopstock)</name><name key="PSN0113029" style="hidden" type="author">Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850)</name><name key="CRT0111918" style="hidden" type="music">Konzert-Fantasie für Violoncello »Gruß an den Rhein«</name><name key="PSN0113029" style="hidden" type="author">Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850)</name><name key="CRT0111920" style="hidden" type="music">Air variée für Violoncello und Klavierbegleitung</name></title> zur größten Dankbarkeit verpflichtet, und ich beeile mich, Ihnen dieselbe auszusprechen. Um wie viel mehr bin ich Ihnen dankbar, da Sie die ersten Stunden Ihrer so sehr erfreulichen Genesung<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_05879d86-8393-4341-8a20-fba67a2a3c8a" xml:lang="de">Ihrer so sehr erfreulichen Genesung – Felix Mendelssohn Bartholdy war im September 1838 an den Masern erkrankt und zwischenzeitlich, abgesehen von spontan auftretenden Augenschmerzen als Spätfolge der Erkrankung, wieder genesen. </note> dazu anwandten, mich mir Ihrem so inhaltsreichen Schreiben zu erfreuen. In den Nachrichten, die mir aus <placeName xml:id="placeName_aae22df3-0a7e-4d75-97c2-83e9ad950f35">Leipzig<settlement key="STM0100116" style="hidden" type="locality">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> durch die <title xml:id="title_1122c577-c476-4b90-af16-69a6eed4139e">musikal. Zeitungen<name key="PSN0110112" style="hidden" type="author">Breitkopf &amp; Härtel (bis 1786: Breitkopf), Verlag und Musikalienhandlung in Leipzig</name><name key="CRT0108283" style="hidden" type="periodical">Allgemeine Musikalische Zeitung</name></title> zukommen, war ich von Ihrem Unwohlsein in Kenntniss gesetzt, und ich bedauerte schon im Stillen, daß ich Sie noch mit meinen Bitten belästigt hatte; – erwartete daher auch keine besondern Mittheilungen, sondern wünschte von ganzem Herzen, daß Ihre Allen so schätzbare Gesundheit recht bald wiederkehren möge. Dank dem Himmel, daß unserer Aller Wünsche in Erfüllung gegangen sind; – und mögen Sie sich immerfort einer dauerhaften Gesundheit erfreuen, nicht bloß um unsertwillen, insofern Sie dadurch nur in den Stand gesetzt sind, das, was Ihre Seele erfüllt, und was Ihr Geist schafft, mitzutheilen; sondern auch um Ihrer selbst willen, daß Sie nicht sich selbst dem Höchsten der Kunst opfern, sondern sich Ihres so segensreichen, schönen Lebens erfreuen mögen.</p> <p>Besondere Anerkennung bin ich Ihnen für die genaue Durchsicht der zugeschickten Musikalien schuldig. Das fühlte ich wohl, daß dieselbe vielfache Mängel enthielten; allein sie waren geschrieben, und ich selbst konnte mir keine Rechenschaft von dem noch Mangelnden<seg type="pagebreak"> |2| <pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg>geben; darum halte ich auch Ihren gütigen Tadel werth und ich werde mich bemühen, bei künftigen Versuchen das zu vermeiden, worauf Sie mich besonders aufmerksam gemacht haben. Daß ich es überhaupt noch unternehmen darf, etwas zu schreiben, dazu ermuntert <add place="above">mich<name key="PSN0113029" resp="writers_hand" style="hidden">Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850)</name></add> aber auch sehr, daß auch Sie einigen Beruf in mir dafür erkennen, und daß Sie doch Einiges, wenn es auch nur wenig ist, für etwas Gelungenes halten. So habe ich doch nicht allen Muth verloren, – und Sie haben in sich bei der mühevollen Durchsicht vielleicht noch einige Hoffnung für mich auftauchen sehen.</p> <p>Mit Freuden gehe ich daher Ihren Vorschlag ein, mit rechtem Fleiß das Studium der besten Meister zu beginnen, – um am Ende das mir noch Fehlende zu erreichen; aber wir sind so reich an vortrefflichen Musikstücken, daß es mir schwer fällt, aus dem Vielen gerade wieder das Beste aus zu wählen. Ich habe zwar den Anfang schon mit <persName xml:id="persName_5025c3b7-e20d-47eb-8e52-6d473ad0e5e9">Beethoven<name key="PSN0109771" style="hidden" type="person">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName> gemacht, – spiele für Clavier fast weiter nichts als seine <title xml:id="title_e48d2350-f03b-47bd-8110-8b2e1059b6d0">Sonaten<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770–1827)</name><name key="CRT0108073" style="hidden" type="music">Sonate</name></title> – studire sie –, um Einzelnes nach Ihrem gütigen Rathe auswendig zu können, was mir auch nicht so schwer fällt, als ich anfangs glaubte. Das schöne Quatuor in <title xml:id="title_0e866bfe-6468-4248-8f39-7c8a11d7129b">F. Op. 18 N<hi rend="superscript">o</hi> 1.<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770–1827)</name><name key="CRT0108084" style="hidden" type="music">Streichquartett F-Dur, op. 18/1</name></title> habe ich mir in Partitur gesetzt, – und ich suche mich mir der Anordnung, mit der Aufeinanderfolge der Hauptsätze und ihrer Verarbeitung so vertraut zu machen, daß mir der Plan zum Muster dienen könnte. Auch den höhern Sinn <gap quantity="1" reason="deletion" unit="words"></gap> des Ganzen suche ich in mich aufzunehmen, um mich auf des Meisters Standpunct zu erheben.</p> <p>Sie sehen, wie schnell ich bereit gewesen bin, Ihnen zu folgen, aber um Eines möchte ich Sie noch ersuchen, nämlich, um ein kleines Verzeichniss derjenigen Sachen, die mir am nützlichsten sein könnten, die mich am meisten förderten – mit welchen Meistern ich anfangen – und mit welchen ich enden sollte. Sie glauben kau<unclear reason="covering" resp="UT">m,</unclear> wie wohlthuend und wie beruhigend einem das Arbeiten ist, bes<unclear reason="covering" resp="UT">on</unclear>ders, wenn man sich dabei des Rathes eines erfahrenen Meister<unclear reason="covering" resp="UT">s</unclear> erfreut. Ist man sich selbst überlassem, so glaubt man am Ende imm<unclear reason="covering" resp="UT">er</unclear> <seg type="pagebreak"> |3| <pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg>man wäre auf solchem Wege, und dieser Gedanke schon verbitet einem das rüstige Vorarbeiten.</p> <p>Daß der Geschmack in meinem Arbeiten bisher noch nicht geläutert war, dazu glaube ich schon die Gründe aufgefunden zu haben. Ich hörte nicht genug gute Musik, – wie wohl ich schon Manches studirte. Zu dem Erstern fehlte es mir an Gelegenheit. Meine Bildung war eine mehr theoretische als practische. Dazu habe ich, was ich auch geschrieben habe, ohne Hilfe eines Instruments componirt. Ich habe dabei vielleicht nur mein Wissen geübt, – und bin dabei einer willkührlichen Eingebung gefolgt. Nun weiß ich wohl, was Sie damit sagen wollen, – Studium der <hi n="1" rend="underline">besten</hi> Muster –, ruhig im Sinn prüfen. Das Alles habe ich wohl gefühlt, aber es ist mir nicht klar geworden. Durch Sie ist mir da ein Stern aufgegangen, dem ich zu folgen gern bereit bin, wenn Sie nur so gut wären und mich dabei gütigst weiter unterstützen wollten. Welche Mittel soll ich noch anwenden, um meinen Geschmack zu bilden? – Wie soll ich meinen Chorsatz verbessern? – Habe ich die Stimmen für sich oder unter einander falsch behandelt? – Fast glaube ich, daß die Mittelstimmen zu wenig selbstständig gehalten sind? – </p> <p>Das Alles sind Fragen, die Sie in mir angeregt haben, und die ich mir nicht ganz klar beantworten kann. Ich glaube kaum, daß es irgend eine Theorie der Musik giebt, die mir da als Leiter dienen könnte. Wie gern wollte ich mich mir derselben bekannt machen, wenn Sie die Güte hätten, mir irgend ein solches gutes Werk vorzuschlagen. Wenn es im Herzen nicht drängt und treibt, aus dem werden freilich die besten Theorien keinen guten Componisten machen; aber ich möchte gern das Schönste und Beste, was in dieser Hinsicht geschrieben ist, kennen lernen, um meine Sehnsucht nach dem Höchsten zu befriedigen, um einen eigenen Maaßstab zu gewinnen, der mich bei dem, was ich anfinge, leiten könnte. Sie haben bei Ihrer musikalischen Bildung gewiss Gelegenheit gehabt, das<seg type="pagebreak"> |4| <pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg>Ausgezeichnetste kennen zu lernen, und zu Ihnen wende ich mich daher mit meinem ganzen Vertrauen. </p> <p>Diesen Winter wollte ich nun recht zum Studiren benutzen, und ich werde daher wol die vorgehabte Reise noch so lange aufschieben, bis ich selbst reifer und geläuterter vor den Augen der musikalischen Welt auftreten darf. Ihnen bin ich indessen sehr dankbar für Ihre gütige Bereitwilligkeit, mir bei meine<unclear reason="covering" resp="UT">m</unclear> Aufenthalte in <placeName xml:id="placeName_88433c97-47e9-4744-9333-b7e4519de025">Leipzig<settlement key="STM0100116" style="hidden" type="locality">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> zu einem öffentlichen Auftreten zu ve<unclear reason="covering" resp="UT">r</unclear>helfen,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_94171b1f-5815-4913-a10c-ff0b6b974b7c" xml:lang="de">in Leipzig zu einem öffentlichen Auftreten zu verhelfen – Zu einer öffentlichen Aufführung von Werken Georg Wilhelm Mackrots ist es zu Lebzeiten Felix Mendelssohn Bartholdys offensichtlich nicht gekommen. </note> – und ich bedaure es sehr, daß ich nicht dort sein kann, u<unclear reason="covering" resp="UT">m</unclear> mich Ihrer Prüfung auch in dieser Hinsicht zu unterwerfen.</p> <p>In Betreff der <title xml:id="title_d5b6e63c-beeb-4724-b396-2b294fe3c5fa">Herausgabe von vielleicht sechs Liedern<name key="PSN0113029" style="hidden" type="author">Mackrot, Georg Wilhelm (1811–1850)</name><name key="CRT0111915" style="hidden" type="music">12 deutsche Lieder und Gesänge</name></title>, habe ich mich noch nicht entschlossen, da ich die Manuscripte noch nicht zurü<unclear reason="covering" resp="UT">ck</unclear> erhalten habe, die wahrscheinlich aus Warschau in Leipzig liegen geblieben sind. Hr. <persName xml:id="persName_34e93fd6-14f3-4169-af0f-920123f69515">Petzold<name key="PSN0119343" style="hidden" type="person">Petzold, Carl Eugen (1813-1889)</name></persName> hat mir aber versprochen, den jetzigen Inhaber derselben daran zu erinnern. Ich habe wohl wieder mehr Lieder und Gesänge mit Clavierbegleitung fertig; aber ich will sie noch einige Zeit ruhen lassen, und sie dann wieder vornehm<unclear reason="covering" resp="UT">en,</unclear> um mich selbst kennen zu lernen, und meine Schwächen zu verbessern<unclear reason="covering" resp="UT">.</unclear></p> <p>So, edler Meister, hätte ich wieder einmal meinem Herzen Luft gemacht, das durch Ihre werthen Mittheilungen sichtbar geh<unclear reason="covering" resp="UT">o</unclear>ben ist. Wie oft habe ich Ihren schönen <title xml:id="title_bdb519d2-ccc1-40fc-8684-bfc87ebd848b">Brief <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1838-10-13-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Georg Wilhelm Mackrot in Elberfeld; Leipzig, 13. Oktober 1838</name> </title> gelesen, und ich wer<unclear reason="covering" resp="UT">de</unclear> denselben auch bald auswendig können. Welche edle, schöne Seele spricht mir freundlich und ermunternd entgegen! Ja, Sie dürfen überzeugt sein, daß ich nicht so sehr für mich eingenommen bin, als daß ich nicht Alles, was Sie mir mittheilen, als zu meinem Besten erkennen sollte. <seg type="closer">Bewahren Sie mir auch für die Zukunft Ihre freundschaftliche Aufmerksamkeit, und seie<unclear reason="covering" resp="UT">n</unclear> Sie überzeugt von der Hochachtung und Verehrung, mit welch<unclear reason="covering" resp="UT">er</unclear> ich verharre als</seg> </p> <closer rend="center">Ihr</closer> <closer rend="right">ergebenster</closer> <signed rend="right"><hi rend="latintype">G. W. Mackrot</hi>.</signed> </div> </body> </text></TEI>