gb-1838-11-15-01
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Braunschweig, 15. November 1838
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
1 Doppelbl.: S. 1-3 Brieftext; S. 4 Adresse.
Wolfgang Robert Griepenkerl
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
D
rFelix MendelssohnLeipzig
Wohl werden Sie mir ein Recht einräumen, an Sie zu schreiben, und Ihnen beikommendes
tenSept. d. J.
So habe ich denn zuerst um Entschuldigung zu bitten, dass ich es wagte, in meinem Buch Ihre musikalische Autorität indirekt mit aufzuführen. Ich konnte Sie in diesem kleinen Rahmen nicht fehlen lassen, ohne – eben einen Fehler zu begehen. Eine spätere Arbeit über den heutigen Zustand der Musik wird sich direkt an Sie wenden. Und mögten manche schon in dieser Novelle größeste Gedanken bei Ihnen ihre besondere Anwendung finden.
Den „Phönix“ mögen Sie mir verzeihen.nach der Metamorphose, sondern den Zustand während derselben. Dieser eigenthümliche Reiz ist der Hebel, durch den Sie Alles zu sich hinaufziehen. Noch sind Sie ein verstandener Prophet, von fast Allen verstanden. Es wird die Zeit kommen, wo Sie höher steigen als die Lerche; und nur Einzelne Ihren Gesang hören und verstehen werden. Dass Ihnen Alle nachkommen, erleben Sie vielleicht nicht mehr.
Glauben Sie, dass das, was in Kapitel 4 meines Buches über Kunst gesagt und in Kapitel 15 ausgeführtaller Erscheinungen Religion gewonnen wird, ein Prozess, den die Weltgeschichte nach allen Richtungen hin vor uns aufspielt. Die Kunst ist Religion der Geschicke, nicht Geschichte der Religion.
Doch was habe ich gewagt! Statt im Vorzimmer zu bleiben und dem persönlich nicht gekannten Manne gegenüber eine mühsam gesponnene Unterhaltung zu führen – drängte ich in die Werkstatt des Künstlers selber, an den einsamen Tisch, wo er den großen Zusammenklang der Welt in den verschiedenen Stimmen verfolgt, begreift und wiedergiebt. Verzeihen Sie
Wolfg Rob Griepenkerl.
Hochgeehrtester Herr! Wohl werden Sie mir ein Recht einräumen, an Sie zu schreiben, und Ihnen beikommendes Buch zu überreichen, wenn Sie erfahren, dass ich am 15ten Sept. d. J. nach Leipzig kam, mich Ihnen persönlich vorzustellen, und unter Ihrer Direkzion den Paulus zu hören. Sie wissen, dass mir die Masern, von denen Sie befallen wurden, meine schönste Reisefreudefreude raubten. Mehr als zehn Tage Aufenthalt waren mir leider nicht vergönnt; und so nahm ich nur das große Paulus-Bild von Ihnen mit und ein anderes, bei Breitkopf und Härtel erschienenes. Letzteres giebt mir nicht das Recht, aber den Muth, Ihnen zu schreiben. So habe ich denn zuerst um Entschuldigung zu bitten, dass ich es wagte, in meinem Buch Ihre musikalische Autorität indirekt mit aufzuführen. Ich konnte Sie in diesem kleinen Rahmen nicht fehlen lassen, ohne – eben einen Fehler zu begehen. Eine spätere Arbeit über den heutigen Zustand der Musik wird sich direkt an Sie wenden. Und mögten manche schon in dieser Novelle größeste Gedanken bei Ihnen ihre besondere Anwendung finden. Den „Phönix“ mögen Sie mir verzeihen. Denn der Felix, welcher den Paulus schuf, ist ein Phönix, der aus der Asche des Alten in das Morgenroth einer neuen Welt hineinfliegt. Das Werk bezeichnet nicht den Zustand nach der Metamorphose, sondern den Zustand während derselben. Dieser eigenthümliche Reiz ist der Hebel, durch den Sie Alles zu sich hinaufziehen. Noch sind Sie ein verstandener Prophet, von fast Allen verstanden. Es wird die Zeit kommen, wo Sie höher steigen als die Lerche; und nur Einzelne Ihren Gesang hören und verstehen werden. Dass Ihnen Alle nachkommen, erleben Sie vielleicht nicht mehr. Glauben Sie, dass das, was in Kapitel 4 meines Buches über Kunst gesagt und in Kapitel 15 ausgeführt wird, wahr ist? Sie glauben es! Ihr Paulus verräth es, dass Sie den Scheitelpunkt der Kunst anerkennen, wo weltliche Musik zur geistlichen wird, d. h. wo aus dem Zusammen aller Erscheinungen Religion gewonnen wird, ein Prozess, den die Weltgeschichte nach allen Richtungen hin vor uns aufspielt. Die Kunst ist Religion der Geschicke, nicht Geschichte der Religion. Doch was habe ich gewagt! Statt im Vorzimmer zu bleiben und dem persönlich nicht gekannten Manne gegenüber eine mühsam gesponnene Unterhaltung zu führen – drängte ich in die Werkstatt des Künstlers selber, an den einsamen Tisch, wo er den großen Zusammenklang der Welt in den verschiedenen Stimmen verfolgt, begreift und wiedergiebt. Verzeihen Sie mir, hochgeehrtester Herr, und sagen Sie mir, dass Sie verziehen haben. Mit der tiefgefühltesten Hochachtung und Liebe Ew. Wohlgeboren ergebenster Wolfg Rob Griepenkerl. Braunschweig d. 15 Novb. 1838.
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Sie wissen, dass mir die Masern,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_e469703e-2364-45dd-ba5d-7dfea0a08d4a" xml:lang="de">unter Ihrer Direkzion den Paulus … die Masern – Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium Paulus (MWV A 14) wurde am 15. September 1838 in der Universitätskirche zu Leipzig zum zweiten Mal aufgeführt, allerdings unter der Leitung von Ferdinand David, da Felix Mendelssohn Bartholdy an den Masern erkrankt war. Siehe AMZ 40, Nr. 39, 26. September 1838, Sp. 642.</note> von denen Sie befallen wurden, meine schönste Reisefreudefreude raubten. Mehr als zehn Tage Aufenthalt waren mir leider nicht vergönnt; und so nahm ich nur das große Paulus-Bild von Ihnen<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_3a0a5329-468b-42df-a87c-4d5104c3ddea" xml:lang="de">das große Paulus-Bild von Ihnen – Das »große Paulus-Bild« meint offensichtlich das Bild, das sich Griepenkerl unter dem Eindruck des Oratoriums Paulus von Mendelssohn Bartholdy gemacht hatte. </note> mit und ein anderes, bei <persName xml:id="persName_1e0fcdcc-495e-47da-9890-f42a564ce8f9">Breitkopf und Härtel<name key="PSN0110112" style="hidden" type="person">Breitkopf & Härtel (bis 1786: Breitkopf), Verlag und Musikalienhandlung in Leipzig</name></persName> erschienenes.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_ece680b1-4b82-4955-abb8-64d22da21b02" xml:lang="de">ein anderes, bei Breitkopf und Härtel erschienenes – Das Bild des Verlages ist die 1835 bei Breitkopf & Härtel erschienene Lithographie nach einem Gemälde von Theodor Hildebrandt. Eine Reproduktion enthält das Buch von R. Larry Todd, Felix Mendelssohn Bartholdy, wie Anm. 3, S. 348).</note> Letzteres giebt mir nicht das Recht, aber den Muth, Ihnen zu schreiben.</p> <p>So habe ich denn zuerst um Entschuldigung zu bitten, dass ich es wagte, in meinem Buch Ihre musikalische Autorität indirekt mit aufzuführen. Ich konnte Sie in diesem kleinen Rahmen nicht fehlen lassen, ohne – eben einen Fehler zu begehen. Eine spätere Arbeit über den heutigen Zustand der Musik wird sich direkt an Sie wenden. Und mögten manche schon in dieser Novelle größeste Gedanken bei Ihnen ihre besondere Anwendung finden. </p> <p>Den „Phönix“ mögen Sie mir verzeihen.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_cd41322f-ad8b-4de1-9557-0ccba47e8ab3" xml:lang="de">Den „Phönix“ mögen Sie mir verzeihen – Wolfgang Robert Griepenkerl, Das Musikfest oder die Beethovener (Novelle), Wigand, Leipzig 1838, S. 154: »Ich denke dran, Organist! Aber ſagt mir, wer ist der junge Mann hier zur Rechten neben dem Dessauer? Er scheint, an solche Kost gewöhnt, leicht zu verdauen. Unser Dirigent der neunten Symphonie ist’s, der Felix! Phönix wollt Ihr sagen, Organist! rief der Vikarius etwas laut, unverwandten Blickes den Wundervogel anstaunend.«</note> Denn der<seg type="pagebreak"> |2| <pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg>Felix, welcher den Paulus schuf, ist ein Phönix, der aus der Asche des Alten in das Morgenroth einer neuen Welt hineinfliegt. Das Werk bezeichnet nicht den Zustand <hi n="1" rend="underline">nach</hi> der Metamorphose, sondern den Zustand <hi n="1" rend="underline">während</hi> derselben. Dieser eigenthümliche Reiz ist der Hebel, durch den Sie Alles zu sich hinaufziehen. Noch sind Sie ein verstandener Prophet, von fast Allen verstanden. Es wird die Zeit kommen, wo Sie höher steigen als die Lerche; und nur Einzelne Ihren Gesang hören und verstehen werden. Dass Ihnen Alle nachkommen, erleben Sie vielleicht nicht mehr.</p> <p>Glauben Sie, dass das, was in Kapitel 4 meines Buches über Kunst gesagt und in Kapitel 15 ausgeführt<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_c86bece5-5887-407f-b2d3-2e2fec312033" xml:lang="de">in Kapitel 15 ausgeführt – Wolfgang Robert Griepenkerl, Das Musikfest oder die Beethovener. Novelle. Wigand, Leipzig 1838, S. 256-258. </note> wird, wahr ist? Sie glauben es! Ihr Paulus verräth es, dass Sie den Scheitelpunkt der Kunst anerkennen, wo weltliche Musik zur geistlichen wird, d. h. wo aus dem Zusammen <hi n="1" rend="underline">aller</hi> Erscheinungen Religion gewonnen wird,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_8f55631d-b88b-4f6e-a306-70847804dbee" xml:lang="de">wo weltliche Musik zur geistlichen wird, d. h. wo aus dem Zusammen aller Erscheinungen Religion gewonnen wird – Zitat aus Wolfgang Robert Griepenkerl, Das Musikfest oder die Beethovener. Novelle. Wigand, Leipzig 1838, S. 256. </note> ein Prozess, den die Weltgeschichte nach allen Richtungen hin vor uns aufspielt. Die Kunst ist Religion der Geschicke, nicht Geschichte der Religion.</p> <p>Doch was habe ich gewagt! Statt im Vorzimmer zu bleiben und dem persönlich nicht gekannten Manne gegenüber eine mühsam gesponnene Unterhaltung zu führen – drängte ich in die Werkstatt des Künstlers selber, an den einsamen Tisch, wo er den großen Zusammenklang der Welt in den verschiedenen Stimmen verfolgt, begreift und wiedergiebt. Verzeihen Sie<seg type="pagebreak"> |3| <pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg>mir, hochgeehrtester Herr, und sagen Sie mir, dass Sie verziehen haben.</p> <closer rend="center">Mit der tiefgefühltesten Hochachtung und Liebe</closer> <closer rend="center">Ew. 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