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gb-1838-09-13-01

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Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig <lb></lb>Berlin, 13. September 1838 Wäre Deine Phantasie lebendig genug, Dir vorstellen zu können, wie einer entfernten Mama, die ihr liebes Kind krank weiß und für das andre Kind und Enkelchen fürchtet, zu Muthe ist, Du würdest gewiß nicht die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Leipzig, 12. September 1838 Felix Mendelssohn Bartholdy und Cécile Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Leipzig, 4. Oktober 1838 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842) Transkription: FMB-C Edition: Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

GroßbritannienOxfordGB-ObOxford, Bodleian LibraryMusic SectionM.D.M. c. 34, fol. 75-76.AutographLea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig; Berlin, 13. September 1838Wäre Deine Phantasie lebendig genug, Dir vorstellen zu können, wie einer entfernten Mama, die ihr liebes Kind krank weiß und für das andre Kind und Enkelchen fürchtet, zu Muthe ist, Du würdest gewiß nicht die

1 Doppelbl.: S. 1-3 Brieftext; S. 4 Adresse, 1 Poststempel [BERLIN 5-6 / 13/9], Siegel.

Lea Mendelssohn Bartholdy

Green Books, GB-Ob, M.D.M. d. 34/58.

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

13. September 1838 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842) BerlinDeutschland Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) LeipzigDeutschland deutsch
Herrn Musikdirektor Dr. Felix Mendelssohn Bartholdy Leipzig frei
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842) Berlin 13 September 1838

Wäre Deine Phantasie lebendig genug, Dir vorstellen zu können, wie einer entfernten Mama, die ihr liebes KindMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) krank weiß und für das andre Kind und EnkelchenMendelssohn Bartholdy, Carl (seit ca. 1859: Karl) Wolfgang Paul (1838-1897) fürchtet, zu Muthe ist, Du würdest gewiß nicht die Grausamkeit gehabt haben, sie vom 4 bis 10. nach einer Zeile schmachten zu laßen. Zu Deiner Entschuldigung kann ich mir selbst nur anführen, daß ich wohl über die Gebühr ängstlich war, und im Vertrauen auf Dein Wort, Du würdest „oft, wenn auch nicht täglich schreiben“, doch den 3. oder 4. Tag darauf mit Zuversicht eine Anzeige von CécilensMendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853) Befinden, und ob Carlchen, ob nicht gar Du selbst angestecktCécilens Befinden … Carlchen … Du selbst angesteckt – Die gesamte Berliner und Leipziger Familie Mendelssohn Bartholdy war an den Masern erkrankt. seist, erwartete. Die allerschrecklichsten Bilder verfolgten mich bei Deinem Stillschweigen, und ich habe viele nächtliche Stunden in Wachen und Sorge zugebracht. Am 5. Tage sah ich den homme de lettres,homme de lettres – frz., Briefträger. wie RöselRösel, Gottlob Samuel (1769-1843) sagt, spät paßiren, riß schnell das Fenster auf, mit: „haben Sie Brief für mich?“ Ja! geschwind lief ich ihm entgegen, er reichte mir einen schwarz gesiegelten aus WienWienÖsterreich. – Erst einen Tag später war ich von meiner Qual befreit, und zwar durch DavidsDavid, Ernst Victor Carl Ferdinand (1810-1873) und Deinen <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1838-09-12-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Leipzig, 12. September 1838</name> zugleich! Danke ihm aus Herzensgrunde, daß er so pünktlich geantwortet: ich hatte die fixe Idee, Du müßtest, wie RebeckaDirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858), die Masern zum 2. mal haben, sonst könne es nicht fehlen, Du sagtest mir wie es der lieben Cécile ging. Gottlob, daß es ihr nun beßer geht! Die Masern sind bei uns auch sehr leicht gewesen; die lieben Kinder schloßen sich mit Entzücken in die Arme: Seb. geht täglich zur Mittagszeit in den Garten, da das Wetter jetzt, wenigstens auf Stunden, recht schön ist. Rebecka wohnt wieder unten, und die HausGenoßen versammeln sich, Gott sei Dank! wieder Abends bei mir. Es wäre zu bewundern wenn mein Carlchen verschont bliebe. fast hätt ichs Cécilen gewünscht, damit sie nicht länger von ihm getrennt bleiben mußte. Wie steht der liebe Engel mir immer vor Augen! Gott erhalte ihn! Sobald Cécile wieder schreiben darf, wird sie mir von seinen Fortschrittchen erzählen. Der kleine FelixDirichlet (Lejeune Dirichlet), Felix Arnold Constantin (1837-1838) erholt sich sehr, da er viel im Garten |2| ist; er macht aber mehr zum Sprechen als zum Laufen. Obenerwähnter Brief der PereiraPereira-Arnstein, Henriette (Judith) (seit 1812) Freifrau von (1780-1859) meldete mir den Tod des Onkel ArnsteinArnstein, Nathan Adam (seit 1795) von (seit 1798) Freiherr von (1748-1838). Er ist am 6. Sept. äußerst sanft entschlafen, nachdem er am 28. August ganz leicht von einem Schlagfluß getroffen worden und sich tags darauf zu erholen schien. Er hat das seltne Alter von 90 Jahren und 5 Monaten erreicht. Während meiner beiden Aufenthalte in Wien habe ich diesem erzguten Manne so unendlich viele Beweise von Freundlichkeit und Hospitalität zu verdanken, daß alle jene Scenen mir lebendig wurden, und ich sein Andenken sehr werth halte. Er besaß jenen süddeutschen gutmüthigen Charakter und jenen oesterreichischen frohen Humor, der das Leben mit ihm gar leicht und frisch machte. Sein fürstliches Vermögen erlaubte ihm, Gastfreiheit im weitesten Sinne stets zu üben. Seine Zärtlichkeit für Euch KinderMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847) und die ächte Anhänglichkeit die er mir stets bewahrte, sind mir eine höchst erfreuliche, dankenswürdige Erinnerung. Nie werde ichs ihm vergeßen, daß er sich, als ich 1813 von seinem Landhause abreiste, versteckt hielt, um nicht Abschied zu nehmen, nachdem er mir für Euch Geschenke gesandt. Daher schreibt sich noch Deine kleine goldne Uhr, die Du hoffentlich Cécilen gegeben, und die wenn auch vielleicht nicht hypermodern, doch als Andenken eines herzensguten Mannes verdient, von Dir beachtet zu werden. Er war übrigens, was seine unerschütterliche Gesundheit, seine lang erhaltne Genußfähigkeit und sein ererbtes sowohl als ungeheuer vermehrtes Vermögen betrifft ein ausgezeichnet glücklicher Mann, dem Sorge und Kummer nie nahe kamen. Und doch fühlte er mit Weichheit und Theilnahme, was in der zahlreichen Familie seiner Frau sich trauriges ereignete. Die guten Wiener LebeMenschen hatten und übten indeß den Grundsatz, den mir dort einmal eine Frau sagte: ce n’est pas la mode à regretter.ce n’est pas la mode à regretter – frz., Es ist nicht die Mode, die man bedauert. Oder wie Frau von VandeulVandeul, Marie-Angélique de, DiderotsDiderot, Denis (1713-1784) Tochter, als von dem Revolutions Gerüchte gesprochen wurde; nous avons passé l’éponge par |3| dessus.nous avons passé l’éponge par dessus – frz., wir haben reinen Tisch gemacht.

Endlich hat DirichletDirichlet (Lejeune Dirichlet), Johann Peter Gustav (1805-1859) heute von Pylades GansGans, Eduard (bis 1825: Elias) (1797-1839) einen Brief aus Genua v. 1 Sept. bekommen: Du weißt, le style épistolairele style épistolaire – frz., der epistolische Schreibstil. ist weniger sein als Fr. v. SévignésSévigné, Marie de Rabutin-Chantal Marquise de (1626-1696) Sache. Man müßte aus jener Wunderstadt wohl Intereßierter berichten können; und doch sind seine Reiseberichte nie ohne prétention.prétention – frz., Anspruch. Sein FerynFeryn, Herr hat aber wieder etwas Schönes geliefert, sein ächt preußisches Wesen Bekundendes! als er auf dem Dampfboot die koloßale Statue des heil. BoromäusBorromäus, Karl erblickte, rief er, Herr Profeßor, was ist das für ein Feldmarschall? – TribertTribert, Louis Pierre (1819-1899) und GansGans, Eduard (bis 1825: Elias) (1797-1839) haben sich in LuzernLuzernSchweiz getrennt; was G.Gans, Eduard (bis 1825: Elias) (1797-1839) bei genauerer Kenntniß von ihm erzählt, gereicht ihm eben nicht zum Lobe. Mit F. HillerHiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885) und deßen MutterHiller, Regine (1783-1839) ist er oft in GenuaGenuaItalien zusammen: er läßt Dich und uns alle grüßen. Daß er an einer Oper, Romilda<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109289" style="hidden" type="music">Romilda HW 2.3.1</name>, und an einem Orator. Jeremias<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109304" style="hidden" type="music">Die Zerstörung Jerusalems op. 24 (HW 1.24)</name> arbeitet, wirst Du wohl durch ihn selber wißen.

Herr FürstFürst, Joseph (1794-1859), der mit diesem Brief zugleich ankommen wird, hat die Güte, Deine Pelzdecke und das gewaschne Kleid für Cécile mitzunehmen. Eben ist auch die broche mit der Muschel und das reparirte Armband gekommen; die gefärbten Sachen sind erst in einigen Tagen fertig. Wenn mein Cécilechen nichts davon nötig braucht, so behalt ich alles bis zu einer Reisegelegenheit; das Porto geht doch immer in die Thalari, und zur Meße, hoff ich, solls mir nicht fehlen.

Unser erster rückkehrender Zugvogel war Antonie NoeldechenNöldechen, Antonie Charlotte (1813-1896); sie erzählt, daß KöpkeKöpke, Gustav (1805-1859) und FrauKöpke, Sophie Julie Wilhelmine (1806-?) nur in poor health sind. Uebrigens wird in GlogauGlogauDeutschland, so wie durch ganz Deutschland ungeheuer viel musicirt; Deine 4stimmigen Lieder<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_jf1iqcj2-byr3-5iyg-nbfv-yx0u0lemxqym"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="collective_sources" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="collective_prints" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100634" style="hidden">Sechs vierstimmige Lieder für Sopran, Alt, Tenor und Bass im Freien zu singen, 1. Heft, 1838; enthält MWV F 10, F 4, F 5, F 6, F 7 und F 9<idno type="MWV">SD 18</idno><idno type="op">41</idno></name> haben sie auf Empfehlung der Mde. SchlegelSchlegel, gesch. Veit, Dorothea Friederike (bis 1815 Brendel) (seit 1815) von (1764-1839), die sie in jenen glücklichen Tagen bei uns gehört, sehr studirt. – Sag mir, ob Cécilens liebe Augen in voller Integrität, d.h. klarer, lieber, wundervoller Schönheit sind? sie soll sie ja nicht anstrengen, und weder malen, noch schneidern, sticken, flicken! Ist sie schon wieder ein lieber espiègle, tanzt sie Ballet, macht sie Hasenschnütchen? espiègle – frz., Schlingel, Schalk.Herze mir Deinen JungenMendelssohn Bartholdy, Carl (seit ca. 1859: Karl) Wolfgang Paul (1838-1897) ab, und küße die CeßelMendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853).

            Berlin 13 September 1838 Wäre Deine Phantasie lebendig genug, Dir vorstellen zu können, wie einer entfernten Mama, die ihr liebes Kind krank weiß und für das andre Kind und Enkelchen fürchtet, zu Muthe ist, Du würdest gewiß nicht die Grausamkeit gehabt haben, sie vom 4 bis 10. nach einer Zeile schmachten zu laßen. Zu Deiner Entschuldigung kann ich mir selbst nur anführen, daß ich wohl über die Gebühr ängstlich war, und im Vertrauen auf Dein Wort, Du würdest „oft, wenn auch nicht täglich schreiben“, doch den 3. oder 4. Tag darauf mit Zuversicht eine Anzeige von Cécilens Befinden, und ob Carlchen, ob nicht gar Du selbst angesteckt seist, erwartete. Die allerschrecklichsten Bilder verfolgten mich bei Deinem Stillschweigen, und ich habe viele nächtliche Stunden in Wachen und Sorge zugebracht. Am 5. Tage sah ich den homme de lettres, wie Rösel sagt, spät paßiren, riß schnell das Fenster auf, mit: „haben Sie Brief für mich?“ Ja! geschwind lief ich ihm entgegen, er reichte mir einen schwarz gesiegelten aus Wien. – Erst einen Tag später war ich von meiner Qual befreit, und zwar durch Davids und Deinen zugleich! Danke ihm aus Herzensgrunde, daß er so pünktlich geantwortet: ich hatte die fixe Idee, Du müßtest, wie Rebecka, die Masern zum 2. mal haben, sonst könne es nicht fehlen, Du sagtest mir wie es der lieben Cécile ging. Gottlob, daß es ihr nun beßer geht! Die Masern sind bei uns auch sehr leicht gewesen; die lieben Kinder schloßen sich mit Entzücken in die Arme: Seb. geht täglich zur Mittagszeit in den Garten, da das Wetter jetzt, wenigstens auf Stunden, recht schön ist. Rebecka wohnt wieder unten, und die HausGenoßen versammeln sich, Gott sei Dank! wieder Abends bei mir. Es wäre zu bewundern wenn mein Carlchen verschont bliebe. fast hätt ichs Cécilen gewünscht, damit sie nicht länger von ihm getrennt bleiben mußte. Wie steht der liebe Engel mir immer vor Augen! Gott erhalte ihn! Sobald Cécile wieder schreiben darf, wird sie mir von seinen Fortschrittchen erzählen. Der kleine Felix erholt sich sehr, da er viel im Garten ist; er macht aber mehr zum Sprechen als zum Laufen. Obenerwähnter Brief der Pereira meldete mir den Tod des Onkel Arnstein. Er ist am 6. Sept. äußerst sanft entschlafen, nachdem er am 28. August ganz leicht von einem Schlagfluß getroffen worden und sich tags darauf zu erholen schien. Er hat das seltne Alter von 90 Jahren und 5 Monaten erreicht. Während meiner beiden Aufenthalte in Wien habe ich diesem erzguten Manne so unendlich viele Beweise von Freundlichkeit und Hospitalität zu verdanken, daß alle jene Scenen mir lebendig wurden, und ich sein Andenken sehr werth halte. Er besaß jenen süddeutschen gutmüthigen Charakter und jenen oesterreichischen frohen Humor, der das Leben mit ihm gar leicht und frisch machte. Sein fürstliches Vermögen erlaubte ihm, Gastfreiheit im weitesten Sinne stets zu üben. Seine Zärtlichkeit für Euch Kinder und die ächte Anhänglichkeit die er mir stets bewahrte, sind mir eine höchst erfreuliche, dankenswürdige Erinnerung. Nie werde ichs ihm vergeßen, daß er sich, als ich 1813 von seinem Landhause abreiste, versteckt hielt, um nicht Abschied zu nehmen, nachdem er mir für Euch Geschenke gesandt. Daher schreibt sich noch Deine kleine goldne Uhr, die Du hoffentlich Cécilen gegeben, und die wenn auch vielleicht nicht hypermodern, doch als Andenken eines herzensguten Mannes verdient, von Dir beachtet zu werden. Er war übrigens, was seine unerschütterliche Gesundheit, seine lang erhaltne Genußfähigkeit und sein ererbtes sowohl als ungeheuer vermehrtes Vermögen betrifft ein ausgezeichnet glücklicher Mann, dem Sorge und Kummer nie nahe kamen. Und doch fühlte er mit Weichheit und Theilnahme, was in der zahlreichen Familie seiner Frau sich trauriges ereignete. Die guten Wiener LebeMenschen hatten und übten indeß den Grundsatz, den mir dort einmal eine Frau sagte: ce n’est pas la mode à regretter. Oder wie Frau von Vandeul, Diderots Tochter, als von dem Revolutions Gerüchte gesprochen wurde; nous avons passé l’éponge par dessus.
Endlich hat Dirichlet heute von Pylades Gans einen Brief aus Genua v. 1 Sept. bekommen: Du weißt, le style épistolaire ist weniger sein als Fr. v. Sévignés Sache. Man müßte aus jener Wunderstadt wohl Intereßierter berichten können; und doch sind seine Reiseberichte nie ohne prétention. Sein Feryn hat aber wieder etwas Schönes geliefert, sein ächt preußisches Wesen Bekundendes! als er auf dem Dampfboot die koloßale Statue des heil. Boromäus erblickte, rief er, Herr Profeßor, was ist das für ein Feldmarschall? – Tribert und Gans haben sich in Luzern getrennt; was G. bei genauerer Kenntniß von ihm erzählt, gereicht ihm eben nicht zum Lobe. Mit F. Hiller und deßen Mutter ist er oft in Genua zusammen: er läßt Dich und uns alle grüßen. Daß er an einer Oper, Romilda, und an einem Orator. Jeremias arbeitet, wirst Du wohl durch ihn selber wißen.
Herr Fürst, der mit diesem Brief zugleich ankommen wird, hat die Güte, Deine Pelzdecke und das gewaschne Kleid für Cécile mitzunehmen. Eben ist auch die broche mit der Muschel und das reparirte Armband gekommen; die gefärbten Sachen sind erst in einigen Tagen fertig. Wenn mein Cécilechen nichts davon nötig braucht, so behalt ich alles bis zu einer Reisegelegenheit; das Porto geht doch immer in die Thalari, und zur Meße, hoff ich, solls mir nicht fehlen.
Unser erster rückkehrender Zugvogel war Antonie Noeldechen; sie erzählt, daß Köpke und Frau nur in poor health sind. Uebrigens wird in Glogau, so wie durch ganz Deutschland ungeheuer viel musicirt; Deine 4stimmigen Lieder haben sie auf Empfehlung der Mde. Schlegel, die sie in jenen glücklichen Tagen bei uns gehört, sehr studirt. – Sag mir, ob Cécilens liebe Augen in voller Integrität, d. h. klarer, lieber, wundervoller Schönheit sind? sie soll sie ja nicht anstrengen, und weder malen, noch schneidern, sticken, flicken! Ist sie schon wieder ein lieber espiègle, tanzt sie Ballet, macht sie Hasenschnütchen? Herze mir Deinen Jungen ab, und küße die Ceßel.          
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Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1838-09-13" xml:id="date_d62b290a-1d73-4da2-9b11-cb813a5d681f">13. September 1838</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0113260" resp="author" xml:id="persName_5a4f0e59-436f-4e80-a054-2126a055c059">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0113260" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_d57905f0-20fb-446d-8b19-6c34b8f4a0a6"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_1c5d85e5-b0ec-48c9-8a5e-b006234aca08">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_36e1b549-2c53-48ff-8b8b-0585890a1c64"> <settlement key="STM0100116">Leipzig</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"></revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_bd1e3ee2-49c7-4f66-976c-7f9a154faafe"> <head> <address> <addrLine>Herrn Musikdirektor</addrLine> <addrLine><hi rend="latintype">Dr</hi>. Felix Mendelssohn Bartholdy</addrLine> <addrLine>Leipzig</addrLine> <addrLine>frei</addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_ce83426b-af04-4c65-b11d-0a18f16b607a"> <docAuthor key="PSN0113260" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113260" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</docAuthor> <dateline rend="right">Berlin <date cert="high" when="1838-09-13" xml:id="date_a66df79b-804d-410f-a75b-c7ab3cea16d5">13 September </date></dateline> <dateline rend="right"><date cert="high" when="1838-09-13" xml:id="date_21a7f05f-ea07-4487-8dfa-e2ce1ef55a20">1838</date></dateline> <p style="paragraph_without_indent">Wäre Deine Phantasie lebendig genug, Dir vorstellen zu können, wie einer entfernten Mama, die ihr liebes <persName xml:id="persName_df7f247b-3d73-4fd2-a6d0-b114b98b71e7">Kind<name key="PSN0000001" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name></persName> krank weiß und für das andre <persName xml:id="persName_b5de8b90-94bd-473e-99de-3bd79ee93743">Kind und Enkelchen<name key="PSN0113251" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Carl (seit ca. 1859: Karl) Wolfgang Paul (1838-1897)</name></persName> fürchtet, zu Muthe ist, Du würdest gewiß nicht die Grausamkeit gehabt haben, sie vom <date cert="high" when="1838-09-04" xml:id="date_f5cf5a2a-1432-47c0-9d7f-9ffebb5255e4">4</date> bis <date cert="high" when="1838-09-10" xml:id="date_09cc0166-57e1-4c82-aa5c-cb4df4786564">10.</date> nach einer Zeile schmachten zu laßen. Zu Deiner Entschuldigung kann ich mir selbst nur anführen, daß ich wohl über die Gebühr ängstlich war, und im Vertrauen auf Dein Wort, Du würdest „oft, wenn auch nicht täglich schreiben“, doch den 3. oder 4. Tag darauf mit Zuversicht eine Anzeige von <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_12faa623-2de6-4113-981f-70b077ba07db">Cécilens<name key="PSN0113252" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName></hi> Befinden, und ob Carlchen, ob nicht gar Du selbst angesteckt<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_5ab5356f-167a-47f0-8162-f5acecec1abc" xml:lang="de">Cécilens Befinden … Carlchen … Du selbst angesteckt – Die gesamte Berliner und Leipziger Familie Mendelssohn Bartholdy war an den Masern erkrankt.</note> seist, erwartete. Die allerschrecklichsten Bilder verfolgten mich bei Deinem Stillschweigen, und ich habe viele nächtliche Stunden in Wachen und Sorge zugebracht. Am 5. Tage sah ich den <hi n="1" rend="underline"><hi rend="latintype">homme de lettres</hi></hi>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_99d787e2-53f2-4df0-b624-45a45a9263ce" xml:lang="fr ">homme de lettres – frz., Briefträger.</note> wie <persName xml:id="persName_f20ad9fa-6729-437f-bb5a-4ab3ac16d939">Rösel<name key="PSN0114280" style="hidden" type="person">Rösel, Gottlob Samuel (1769-1843)</name></persName> sagt, spät <gap quantity="2" reason="uncertain_reading" unit="characters"></gap> paßiren, riß schnell das Fenster auf, mit: „haben Sie Brief für mich?“ Ja! geschwind lief ich ihm entgegen, er reichte mir einen schwarz gesiegelten aus <hi n="1" rend="underline"><placeName xml:id="placeName_44f6d656-0ed9-4d2b-bf1d-c8023048a36d">Wien<settlement key="STM0100145" style="hidden" type="locality">Wien</settlement><country style="hidden">Österreich</country></placeName></hi>. – Erst einen Tag später war ich von meiner Qual befreit, und zwar durch <persName xml:id="persName_3fbd14d1-b6ae-45bf-a580-6757d81f2b2c">Davids<name key="PSN0110564" style="hidden" type="person">David, Ernst Victor Carl Ferdinand (1810-1873)</name></persName> und <title xml:id="title_fba448b7-ec7a-46c9-b38b-5ce822a1fba6">Deinen <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1838-09-12-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Leipzig, 12. September 1838</name> </title> zugleich! Danke ihm aus Herzensgrunde, daß er so pünktlich geantwortet: ich hatte die fixe Idee, Du müßtest, wie <persName xml:id="persName_5cb3d093-e57a-4332-8f19-5a95430e781d">Rebecka<name key="PSN0110673" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName>, die Masern zum 2. mal haben, sonst könne es nicht fehlen, Du sagtest mir wie es der lieben <hi rend="latintype">Cécile</hi> ging. Gottlob, daß es ihr nun beßer geht! Die Masern sind bei uns auch sehr leicht gewesen; die lieben Kinder schloßen sich mit Entzücken in die Arme: Seb. geht täglich zur Mittagszeit in den Garten, da das Wetter jetzt, wenigstens auf Stunden, recht schön ist. Rebecka wohnt wieder unten, und die HausGenoßen versammeln sich, Gott sei Dank! wieder Abends bei mir. Es wäre zu bewundern wenn mein Carlchen verschont bliebe. fast hätt ichs <hi rend="latintype">Cécilen</hi> gewünscht, damit sie nicht länger von ihm getrennt bleiben mußte. Wie steht der liebe Engel mir immer vor Augen! Gott erhalte ihn! Sobald <hi rend="latintype">Cécile</hi> wieder schreiben darf, wird sie mir von seinen Fortschrittchen erzählen. Der kleine <persName xml:id="persName_53928a47-0dbe-492f-9519-4c67cd8e2546">Fel<unclear reason="paper_destruction" resp="UT">ix</unclear><name key="PSN0110669" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Felix Arnold Constantin (1837-1838)</name></persName><unclear reason="paper_destruction" resp="UT"> erho</unclear>lt sich sehr, da er viel im Garten<seg type="pagebreak"> |2| <pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg>ist; er macht aber mehr <gap quantity="2" reason="paper_destruction" unit="words"></gap> zum Sprechen als zum Laufen. Obenerwähnter Brief der <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_0e9a8387-31bc-4af3-948e-eb754aa75c73">Pereira<name key="PSN0113804" style="hidden" type="person">Pereira-Arnstein, Henriette (Judith) (seit 1812) Freifrau von (1780-1859)</name></persName></hi> meldete mir den Tod des Onke<unclear reason="covering" resp="UT">l</unclear> <persName xml:id="persName_312f463d-cc2f-4b52-a89a-189f431ddfd4">Arnstein<name key="PSN0109543" style="hidden" type="person">Arnstein, Nathan Adam (seit 1795) von (seit 1798) Freiherr von (1748-1838)</name></persName>. Er ist am <date cert="high" when="1838-09-06" xml:id="date_f32ab64e-8515-4f44-9cf7-42e90a51dcc1">6. Sept.</date> äußerst sanft entschlafen, nachdem er am <date cert="high" when="1838-08-28" xml:id="date_773765a8-5d6a-4c43-877e-be8364c7f2d5">28. August</date> ganz leicht von einem Schlagfluß getroffen worden und sich tags darauf zu erholen schien. Er hat das seltne Alter von 90 Jahren und 5 Monaten erreicht. Während meine<unclear reason="covering" resp="UT">r</unclear> beiden Aufenthalte in Wien habe ich diesem erzguten Manne so unendlich viele Beweise von Freundlichkeit und Hospitalität zu verdanken, daß alle jene Scenen mir lebendig wurden, und ich sein Andenken sehr werth halte. Er besaß jenen süddeutsche<unclear reason="covering" resp="UT">n</unclear> gutmüthigen Charakter und jenen oesterreichischen frohen Humor, der das Leben mit ihm gar leicht und frisch machte. Sein fürstliche<unclear reason="covering" resp="UT">s</unclear> Vermögen erlaubte ihm, Gastfreiheit im weitesten Sinne stets zu üben. Seine Zärtlichkeit für Euch <persName xml:id="persName_c9ca30ee-ed68-4ff3-853c-2fdb8073e529">Kinder<name key="PSN0000001" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PSN0113263" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name><name key="PSN0110673" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)</name><name key="PSN0111893" style="hidden" type="person">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> und die ächte Anhänglichkeit die er mir stets bewahrte, sind mir eine höchst erfreuliche, dankenswürdige Erinnerung. Nie werde ichs ihm vergeßen, daß er sich, als ich 1813 von seinem Landhause abreiste, versteckt hielt, um nicht Abschied zu nehmen, nachdem er mir für Euch Geschenke gesandt. Daher schreibt sich noch Deine kleine goldne Uhr, die Du hoffentlich <hi rend="latintype">Cécilen</hi> gegeben, und die wenn auch vielleicht nicht <hi rend="latintype">hypermodern</hi>, doch als Andenken eines herzensguten Mannes verdient, von Dir beachtet zu werden. Er war übrigens, was seine unerschütterliche Gesundheit, seine lang erhaltne Genußfähigkeit und sein ererbtes sowohl als ungeheuer vermehrtes Vermögen betrifft ein ausgezeichnet glücklicher Mann, dem Sorge und Kummer nie nahe kamen. Und doch fühlte er mit Weichheit und Theilnahme, was in der zahlreichen Familie seiner Frau sich trauriges ereignete. Die guten Wiener LebeMenschen hatten und übten indeß den Grundsatz, den mir dort einmal eine Frau sagte: <hi rend="latintype">ce n’est pas la mode à regretter</hi>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_bb738200-c03b-4695-b91b-97b990ce5313" xml:lang="fr ">ce n’est pas la mode à regretter – frz., Es ist nicht die Mode, die man bedauert. </note> Oder wie <persName xml:id="persName_85431abd-5f82-4f84-b7fe-65014e04d050">Frau von <hi rend="latintype">Vandeul</hi><name key="PSN0119251" style="hidden" type="person">Vandeul, Marie-Angélique de</name></persName>, <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_5caf4bdb-0b7b-4a36-9ca0-afa077df59e8">Diderots<name key="PSN0110646" style="hidden" type="person">Diderot, Denis (1713-1784)</name></persName></hi> Tochter, als von <unclear reason="paper_destruction" resp="UT">dem</unclear> Revolutions Gerüchte gesproch<unclear reason="covering" resp="UT">en wurde</unclear>; <hi rend="latintype">nous avons passé l’éponge par</hi><seg type="pagebreak"> |3| <pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg><hi rend="latintype">dessus</hi>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_2590775d-c87d-4b40-8ecd-292e0413b3a7" xml:lang="fr ">nous avons passé l’éponge par dessus – frz., wir haben reinen Tisch gemacht. </note></p> <p>Endlich hat <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_898c6b3b-9ed0-456a-a806-9826016e9bb9">Dirichlet<name key="PSN0110672" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Johann Peter Gustav (1805-1859)</name></persName></hi> heute von <persName xml:id="persName_3593a2aa-4542-4401-bb5d-34f2206e9f1b">Pylades Gans<name key="PSN0111279" style="hidden" type="person">Gans, Eduard (bis 1825: Elias) (1797-1839)</name></persName> einen Brief aus Genua v. <date cert="high" when="1838-09-01" xml:id="date_795f5ca2-981f-408b-809d-5ea591f762da">1 Sept.</date> bekommen: Du weißt, <hi rend="latintype">le style épistolaire</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_413756b2-61a6-40fd-9b1a-37b8dc988ba1" xml:lang="fr ">le style épistolaire – frz., der epistolische Schreibstil.</note> ist weniger sein als Fr. <persName xml:id="persName_26b61489-4042-4e0e-909e-36dff8faa01e">v. <hi rend="latintype">Sévignés</hi><name key="PSN0119054" style="hidden" type="person">Sévigné, Marie de Rabutin-Chantal Marquise de (1626-1696)</name></persName> Sache. Man müßte aus jener Wunderstadt wohl Intereßierter berichten können; und doch sind seine Reiseberichte nie ohne <hi rend="latintype">prétention</hi>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_d91b536c-7e3c-45f4-b3ac-a9a3309cbc44" xml:lang="fr ">prétention – frz., Anspruch.</note> Sein <persName xml:id="persName_a2fe5db9-9479-4c34-aa91-3d9df2597736">Feryn<name key="PSN0119498" style="hidden" type="person">Feryn, Herr</name></persName> hat aber wieder etwas Schönes geliefert, sein ächt preußisches Wesen Bekundendes! als er auf dem Dampfboot die koloßale Statue des heil. <persName xml:id="persName_59e97786-52ee-4a0e-bf8b-eb29d2e353f4">Boromäus<name key="PSN0119252" style="hidden" type="person">Borromäus, Karl</name></persName> erblickte, rief er, Herr Profeßor, was ist das für ein Feldmarschall? – <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_01de5cf4-dd33-4299-943f-8cd4bcd67c77">Tribert<name key="PSN0119493" style="hidden" type="person">Tribert, Louis Pierre (1819-1899)</name></persName></hi> und <persName xml:id="persName_d651eb52-7f90-4af3-bb52-b1b5674f3369">Gans<name key="PSN0111279" style="hidden" type="person">Gans, Eduard (bis 1825: Elias) (1797-1839)</name></persName> haben sich in <placeName xml:id="placeName_af1f41da-08bf-46c8-96f7-5621f10eaa2b">Luzern<settlement key="STM0100377" style="hidden" type="locality">Luzern</settlement><country style="hidden">Schweiz</country></placeName> getrennt; was <persName xml:id="persName_3677f356-ff6c-4913-b554-970529fbd16e">G.<name key="PSN0111279" style="hidden" type="person">Gans, Eduard (bis 1825: Elias) (1797-1839)</name></persName> bei genauerer Kenntniß von ihm erzählt, gereicht ihm eben nicht zum Lobe. Mit <persName xml:id="persName_b094c4ea-8194-480e-abb4-c72fa1efb342">F. <hi rend="latintype">Hiller</hi><name key="PSN0112003" style="hidden" type="person">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)</name></persName> und deßen <persName xml:id="persName_0bc40e9d-40ae-4be6-acb9-2f91a074d309">Mutter<name key="PSN0112008" style="hidden" type="person">Hiller, Regine (1783-1839)</name></persName> ist er oft in <placeName xml:id="placeName_cf893ec7-edf1-48ee-a798-115418ba4b1f">Genua<settlement key="STM0100179" style="hidden" type="locality">Genua</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> zusammen: er läßt Dich und uns alle grüßen. Daß er an einer <title xml:id="title_f6e79e8b-f54e-4ee0-9be4-a1080264b798">Oper, Romilda<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109289" style="hidden" type="music">Romilda HW 2.3.1</name></title>, und an einem <title xml:id="title_a0ba1059-cde1-4ede-bfbd-0a89cc8d9306">Orator. Jeremias<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109304" style="hidden" type="music">Die Zerstörung Jerusalems op. 24 (HW 1.24)</name></title> arbeitet, wirst Du wohl durch ihn selber wißen.</p> <p>Herr <persName xml:id="persName_7f0dd57b-22d9-453b-862b-30f265e90b89">Fürst<name key="PSN0111259" style="hidden" type="person">Fürst, Joseph (1794-1859)</name></persName>, der mit diesem Brief zugleich ankommen wird, hat die Güte, Deine Pelzdecke und das gewaschne Kleid für <hi rend="latintype">Cécile</hi> mitzunehmen. Eben ist auch die broche mit der Muschel und das reparirte Armband gekommen; die gefärbten Sachen sind erst in einigen Tagen fertig. Wenn mein <hi rend="latintype">Cécilechen</hi> nichts davon nötig braucht, so behalt ich alles bis zu einer Reisegelegenheit; das <hi rend="latintype">Porto</hi> geht doch immer in die Thalari, und zur Meße, hoff ich, solls mir nicht fehlen.</p> <p>Unser erster rückkehrender Zugvogel war <persName xml:id="persName_2ad73452-64d5-490d-88b3-2efae73c0ad5">Antonie Noeldechen<name key="PSN0113613" style="hidden" type="person">Nöldechen, Antonie Charlotte (1813-1896)</name></persName>; sie erzählt, daß <persName xml:id="persName_81531c80-c513-49a6-b298-887da0c52ca4">Köpke<name key="PSN0112489" style="hidden" type="person">Köpke, Gustav (1805-1859)</name></persName> und <persName xml:id="persName_012c9f76-312f-4b9a-8174-012d770953be">Frau<name key="PSN0119253" style="hidden" type="person">Köpke, Sophie Julie Wilhelmine (1806-?)</name></persName> nur in <hi rend="latintype">poor health</hi> sind. Uebrigens wird in <placeName xml:id="placeName_328909b6-3c77-4f96-96aa-102f219da148">Glogau<settlement key="STM0104553" style="hidden" type="locality">Glogau</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, so wie durch ganz Deutschland ungeheuer viel musicirt; <title xml:id="title_ec04801d-85a9-4c7b-a21f-9905dd853e26">Deine 4stimmigen Lieder<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_jf1iqcj2-byr3-5iyg-nbfv-yx0u0lemxqym"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="collective_sources" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="collective_prints" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100634" style="hidden">Sechs vierstimmige Lieder für Sopran, Alt, Tenor und Bass im Freien zu singen, 1. Heft, 1838; enthält MWV F 10, F 4, F 5, F 6, F 7 und F 9<idno type="MWV">SD 18</idno><idno type="op">41</idno></name></title> haben sie auf Empfehlung der Mde. <persName xml:id="persName_8d1611b9-b287-4735-a90b-cb7b7bab8c55">Schlegel<name key="PSN0114561" style="hidden" type="person">Schlegel, gesch. Veit, Dorothea Friederike (bis 1815 Brendel) (seit 1815) von (1764-1839)</name></persName>, die sie in jenen glücklichen Tagen bei uns gehört, sehr studirt. – Sag mir, ob Cécilens liebe Augen in voller Integrität, d.h. klarer, lieber, wundervoller Schönheit sind? sie soll sie ja nicht anstrengen, und weder malen, noch schneidern, sticken, flicken! Ist sie schon wieder ein lieber <hi rend="latintype">espiègle</hi>, tanzt sie Ballet, macht sie Hasenschnütchen? <seg type="closer"><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_454aff02-30e3-49c7-b57a-630ed5e5070d" xml:lang="fr ">espiègle – frz., Schlingel, Schalk.</note>Herze mir Deinen <persName xml:id="persName_167e4ab6-9223-48c9-91d1-e60bcec61e8a">Jungen<name key="PSN0113251" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Carl (seit ca. 1859: Karl) Wolfgang Paul (1838-1897)</name></persName> ab, und küße die <hi n="2" rend="underline"><persName xml:id="persName_7a16ecca-b088-49de-91bf-7f8676f67af6">Ceßel<name key="PSN0113252" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName></hi>.</seg> </p> </div> </body> </text></TEI>