gb-1838-08-04-01

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Louis Kleinwächter an Felix Mendelssohn Bartholdy in Berlin <lb/>Prag, 4. August 1838 In meinem letzten Schreiben versprach ich, Ihnen von dem Resultate der hiesigen Aufführung Ihres herrlichen: „Paullus “ ungesäumte Nachricht zu geben. Mit Erfüllung diesr Zusage läßt es mich nicht im Geringesten zögern, und ich fühle Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) Felix Mendelssohn Bartholdy an Louis Kleinwächter in Prag; Leipzig, zwischen dem 29. März und 20. April 1838<a xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" href="/brief-zwei-spalten/fmb-1838-04-20-01/gb-1838-08-04-01" target="_blank">Brief - fmb-1838-04-20-01</a> unbekannt Kleinwächter, Louis (Alois) (1807-1840)Kleinwächter, Louis (Alois) (1807-1840) Transkription: FMB-C Edition: Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. d. 36/10 und GB-Ob, M.D.M. d. d. 36/243. Autograph Louis Kleinwächter an Felix Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Prag, 4. August 1838 In meinem letzten Schreiben versprach ich, Ihnen von dem Resultate der hiesigen Aufführung Ihres herrlichen: „Paullus “ ungesäumte Nachricht zu geben. Mit Erfüllung diesr Zusage läßt es mich nicht im Geringesten zögern, und ich fühle

2 Doppelbl.: S. 1-8 Brieftext.

Louis Kleinwächter

Green Books

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

4. August 1838 Kleinwächter, Louis (Alois) (1807-1840)Kleinwächter, Louis (Alois) (1807–1840) PragBöhmen Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) BerlinDeutschland deutsch
Kleinwächter, Louis (Alois) (1807–1840) Kleinwächter, Louis (Alois) (1807–1840) Prag den 4t August 1838. Hochverehrter Herr!

In meinem letzten Schreiben <name key="PSN0112417" style="hidden" type="author">Kleinwächter, Louis (Alois) (1807–1840)</name> <name key="gb-1838-06-04-01" style="hidden" type="letter">Louis Kleinwächter an Felix Mendelssohn Bartholdy in Köln; Prag, 4. Juni 1838</name> versprach ich, Ihnen von dem Resultate der hiesigen Aufführung Ihres herrlichen: „Paullus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_iputtgjf-lemy-oop4-cxir-w2b5biiytuvt"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"/> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"/> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"/> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"/></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name>[→]Resultate der hiesigen Aufführung Ihres herrlichen: „Paullus“ – Die erste Aufführung von Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium »Paulus« op. 36 (MWV A 14) fand am 4. August 1838 und die zweite Aufführung am 9. September 1838 jeweils im gräflich Waldsteinschen Saal statt. Siehe »Telegraph von Prag«, in: Bohemia Nr. 80 (6. Juli 1838) und »Paulus, Oratorium von Mendelssohn-Bartholdy«, in: Bohemia Nr. 94 (7. August 1838). ungesäumte Nachricht zu geben. Mit Erfüllung diesr Zusage läßt es mich nicht im Geringesten zögern, und ich fühle mich gedrängt, Ihnen noch heute zu sagen, mit welchem Enthusiasmus Ihr wunderschönes Werk auch hier aufgenommen worden ist. So sicher auch die innere Vortrefflichkeit der Sache für den Erfolg Bürgschaft geben konnte, so war ich doch sehr erfreut, durch die That bekräftigt zu sehen, daß auch unser Publikum in der Empfäglichkeit für klassisch Schönes hinter keinen auswärtigen Vorgängern nicht zurückblieb. Leider war der Kreis des Auditoriums |2| nicht so groß, als sonst für Prag zu erwarten wäre; allein die gegenwärtige Jahreszeit welche so viele der Stadt ferne hält, die Nachmittagstunden von 4 – 1/2 7 Uhr, endlich der Werktag an welchem gerade die Production fiel, mußte allerdings die Zahl der Zuhörer in Etwas verringern. Dafür aber war das Publicum, wenngleich extensio kleiner, darum intensio desto gegenwärtiger, und ich erinnere mich nicht, daß seit lange her irgend ein Werk im spirituellen Musikgenre mit so vile Theilnahme und mit so regem Applaus hier aufgenommen worden wäre. Die meisten Chöre wurden enthusiastisch aufgenommen, und der Chor „Sei uns gnädig“ in der zweiten Abtheilung wurde vom Publicum sogar wiederholt verlangt. Insbesondere gefielen nebst den beiden Schlußchören und dem fugirten Eingangschore der zweiten Abtheilung die Chöre Nro 8, 15, 26, 29, 35 und 42Kleinwächter, Louis (Alois) (1807–1840), von den |3| Choralen schienen das Publicum insbesondere Nro 9 und Nro 16 zu ergreifen. Unter den Arien sprachen Nro 7 und Nro 20 vorzugsweise an. Die so poetisch tief und schön gegebene Stelle in Nro 15 wo die Stimme des Herrn vortritt, wurde – wie zu erwarten – sehr theilnehmend und warm vom Publicum mitgefühlt und aufgenommen. – Glauben Sie nicht etwa, verehrter Herr, daß ich es mir herausnehmen will, die einzelne Herrlichkeiten Ihrer Schöpfung classificiren oder rangordnen zu wollen, ich will in gegenwärtigen Zeilen nur treu berichten, und dann muß ich freilich das herausheben, was insbesondere gefiel. Nach der Beendigung war der Beifall sehr innig und anhaltend, und es sprach sich allgemein der Wunsch aus, das herrliche Werk nur recht bald wiederholt zu hören, was unbezweifelt wohl auch geschehen wird. Was nun die Aufführung betrifft, so war sie so gut, als es von |4| den hiesigen Kräften nur zu erwarten war, und ich glaube gewiß, daß Sie selbst recht sehr zufrieden gewesen wären. Kapellmeister S Krauß, der das Ganze dirigirte, gab sich insbesondere sehr viele Mühe mit den Proben, was auch das Publikum ehrte, indem es ihn nach der Production vorrief. Nach mehren Clavier und Quintett-Proben waren noch drei sorgsame Ensemble-Proben, so daß auch die feinen Nuancierungen und das geistige Verständniß von Seite der Producenten wohlthuend hervortraten. Das Orchester ward – nebst dem Theaterpersonale – durch die ZöglingePrager KonservatoriumPragBöhmen des ConservatoriumsPrager KonservatoriumPragBöhmen, so wie durch viele tüchtige Dillettanten verstärkt, und ließ nichts Wesentliches zu wünschen übrig. Was den Chor betrifft, so fehlen hier zu Lnade freilich die Hauptelemente nemlich ein Gesangverein, was besonders dadurch fühlbar wird, daß der Sopran- und Alt-Chor |5| [du]rchaus nur mit Knabenstimmern besetzt werden muß. Bei den vielen Kirchensängern, und bei dem Umstande, daß hier insbesondere die Chordirectoren der einzelnen Kirchen sich die Bildung der Chorknaben sehr angelegen sein lassen müssen, wird jedoch dieser Übelstand bedeutend gemildert. Mit der Zeit hoffe ich, wird Prag auch in dieser Beziehung mit dem übrigen musikalischenTeutschland fortschreiten, und einen Gesangverein aus seiner Mitte erstehen lassen! – War nun – wie gesagt – auch der Chor nicht so massengroß, wie ihn die teutschen Musikvereine geben können, so trat dieß doch der Wirkung nicht zu nahe; denn da hier die Oratorien nicht in der Kirche gegeben werden, und da Ihr Paullus insbesondere in dem akustisch gebauten Saale des gräflichen Waldstein’schen PalaisWaldsteinsches PalaisPragBöhmen, wo die Musik ausnehmend gut wirkt, gegeben wurde, so traten die Chormassen hinreichend hervor, ein Mehres wäre |6| sogar für das Locale Uebermaß gewesen. Die Soloparthien hatten Herr KunzKunz, Jakob Friedrich (1799-1879) /:Bass:/ und Madame PodhorskyPodhorsky, Katharina (1807-1889) – beide vom TheaterKöniglich Ständisches TheaterPragBöhmen – und Herr Harransch – ein Studiosus theologiae, mit einer zwar etwas schwachen aber sehr angenehmen Tenorstimme – übernommen, und leisteten Befriedigendes. Mdme Podhorsky ist immer, und insbesondere in solcher Musik ganz ausgezeichnet. Die Tenorparthie mußte erwähnter Dilletant übernehmen, da von unsern beiden Theatertenoren EmmingerEmminger, Josef (1804-1872) auf Urlaub, und DemmerDemmer, Friedrich (1785-1838) ein unmusikalischer Tropf ist. Indessen sang er mit vieler Liebe, und leistete recht Ehrenwerthes. Auch Herr KunzKunz, Jakob Friedrich (1799-1879) – ein fester Sänger mit ausgezeichneter Stimme – sang sehr brav und mit viel Verständniß. Die zweite Baßparthie hatte Herr SchimmelSchimmel, Herr – ein sehr brauchbarer Chorsänger vom Theater und vielfach geübter Kirchensänger – übernommen und wirkte sehr löblich |7| mit. –

Nun habe ich Ihnen verehrter Herr den Bericht gegeben, der freilich etwas breit ausfiel, weßhalb ich sehr um Vergebung bitte. Soll ich Ihnen noch sagen, wie sehr und innig mich selbst Ihr herrlich schönes Werk ergriffen? O nein! das brauchen Sie nicht erst zu hören, es muß Ihnen Ihr eigenes Sein laut sagen, daß Sie zu jedem musikalisch Gebildeten in einer Sprache gesprochen, die bis zur innersten Seele geht, und alle Saiten des Innerlebens miterklingen macht! Darum kein Wort darüber, was mir ohnehin Ihnen gegenüber wie Arroganz vorkäme, keine Auseinandersetzung der Einzelheiten die insbesondere mich ergriffen und emporgetragen haben, da das Ganze als wundervoller Bau mir vor der Seele steht! Nur ein kurzes Wort mögen Sie mir gestatten, ein Wort des Dankes für den Seelengenuß edelster Art, der mir und uns Allen, die wir heute Ihr Werk bewundern konnten, durch Ihren Genius in so |8| reichem Maße zu Theil ward! Möge der gütige Himmel noch lange Zum Segen der Kunst, und zur Ehre Teutschlands den Meister in rüstiger Kraft erhalten, der Solches zu vollbringen berufen ward! Dann können wir ruhig dem schnöden Modetreiben der Afterkunst zusehen, denn so lange solche Kraft wirkt, so lange solche Werke auferstehen, kann sie nicht vergehen, die eine ewig unvergängliche Wahrheit! –

Indem ich wiederholt ersuche, meine unaufgeforderte Berichterstattung gütigst zu entschuldigen bleibe ich mit dem Gefühle ungeheuchelter Bewunderung und Hochachtung ergeben Dr Louis Kleinwächter
Kleinwächter, Louis (Alois) (1807–1840) Kleinwächter, Louis (Alois) (1807–1840)

Bemerken muß ich nochKleinwächter, Louis (Alois) (1807–1840) als sachgetreuer Referent, daß insbesondere Herr OrchesterDirector PixisPixis, Friedrich Wilhelm (1785-1842) sehr thätig zum Wohlgelingen der Production mitwirkte.

            Prag den 4t August 1838. Hochverehrter Herr!
In meinem letzten Schreiben versprach ich, Ihnen von dem Resultate der hiesigen Aufführung Ihres herrlichen: „Paullus “ ungesäumte Nachricht zu geben. Mit Erfüllung diesr Zusage läßt es mich nicht im Geringesten zögern, und ich fühle mich gedrängt, Ihnen noch heute zu sagen, mit welchem Enthusiasmus Ihr wunderschönes Werk auch hier aufgenommen worden ist. So sicher auch die innere Vortrefflichkeit der Sache für den Erfolg Bürgschaft geben konnte, so war ich doch sehr erfreut, durch die That bekräftigt zu sehen, daß auch unser Publikum in der Empfäglichkeit für klassisch Schönes hinter keinen auswärtigen Vorgängern nicht zurückblieb. Leider war der Kreis des Auditoriums nicht so groß, als sonst für Prag zu erwarten wäre; allein die gegenwärtige Jahreszeit welche so viele der Stadt ferne hält, die Nachmittagstunden von 4 – 1/2 7 Uhr, endlich der Werktag an welchem gerade die Production fiel, mußte allerdings die Zahl der Zuhörer in Etwas verringern. Dafür aber war das Publicum, wenngleich extensio kleiner, darum intensio desto gegenwärtiger, und ich erinnere mich nicht, daß seit lange her irgend ein Werk im spirituellen Musikgenre mit so vile Theilnahme und mit so regem Applaus hier aufgenommen worden wäre. Die meisten Chöre wurden enthusiastisch aufgenommen, und der Chor „Sei uns gnädig“ in der zweiten Abtheilung wurde vom Publicum sogar wiederholt verlangt. Insbesondere gefielen nebst den beiden Schlußchören und dem fugirten Eingangschore der zweiten Abtheilung die Chöre Nro 8, 15, 26, 29, 35 und 42, von den Choralen schienen das Publicum insbesondere Nro 9 und Nro 16 zu ergreifen. Unter den Arien sprachen Nro 7 und Nro 20 vorzugsweise an. Die so poetisch tief und schön gegebene Stelle in Nro 15 wo die Stimme des Herrn vortritt, wurde – wie zu erwarten – sehr theilnehmend und warm vom Publicum mitgefühlt und aufgenommen. – Glauben Sie nicht etwa, verehrter Herr, daß ich es mir herausnehmen will, die einzelne Herrlichkeiten Ihrer Schöpfung classificiren oder rangordnen zu wollen, ich will in gegenwärtigen Zeilen nur treu berichten, und dann muß ich freilich das herausheben, was insbesondere gefiel. Nach der Beendigung war der Beifall sehr innig und anhaltend, und es sprach sich allgemein der Wunsch aus, das herrliche Werk nur recht bald wiederholt zu hören, was unbezweifelt wohl auch geschehen wird. Was nun die Aufführung betrifft, so war sie so gut, als es von den hiesigen Kräften nur zu erwarten war, und ich glaube gewiß, daß Sie selbst recht sehr zufrieden gewesen wären. Kapellmeister S Krauß, der das Ganze dirigirte, gab sich insbesondere sehr viele Mühe mit den Proben, was auch das Publikum ehrte, indem es ihn nach der Production vorrief. Nach mehren Clavier und Quintett-Proben waren noch drei sorgsame Ensemble-Proben, so daß auch die feinen Nuancierungen und das geistige Verständniß von Seite der Producenten wohlthuend hervortraten. Das Orchester ward – nebst dem Theaterpersonale – durch die Zöglinge des Conservatoriums, so wie durch viele tüchtige Dillettanten verstärkt, und ließ nichts Wesentliches zu wünschen übrig. Was den Chor betrifft, so fehlen hier zu Lnade freilich die Hauptelemente nemlich ein Gesangverein, was besonders dadurch fühlbar wird, daß der Sopran- und Alt-Chor durchaus nur mit Knabenstimmern besetzt werden muß. Bei den vielen Kirchensängern, und bei dem Umstande, daß hier insbesondere die Chordirectoren der einzelnen Kirchen sich die Bildung der Chorknaben sehr angelegen sein lassen müssen, wird jedoch dieser Übelstand bedeutend gemildert. Mit der Zeit hoffe ich, wird Prag auch in dieser Beziehung mit dem übrigen musikalischenTeutschland fortschreiten, und einen Gesangverein aus seiner Mitte erstehen lassen! – War nun – wie gesagt – auch der Chor nicht so massengroß, wie ihn die teutschen Musikvereine geben können, so trat dieß doch der Wirkung nicht zu nahe; denn da hier die Oratorien nicht in der Kirche gegeben werden, und da Ihr Paullus insbesondere in dem akustisch gebauten Saale des gräflichen Waldstein’schen Palais, wo die Musik ausnehmend gut wirkt, gegeben wurde, so traten die Chormassen hinreichend hervor, ein Mehres wäre sogar für das Locale Uebermaß gewesen. Die Soloparthien hatten Herr Kunz /:Bass:/ und Madame Podhorsky – beide vom Theater – und Herr Harransch – ein Studiosus theologiae, mit einer zwar etwas schwachen aber sehr angenehmen Tenorstimme – übernommen, und leisteten Befriedigendes. Mdme Podhorsky ist immer, und insbesondere in solcher Musik ganz ausgezeichnet. Die Tenorparthie mußte erwähnter Dilletant übernehmen, da von unsern beiden Theatertenoren Emminger auf Urlaub, und Demmer ein unmusikalischer Tropf ist. Indessen sang er mit vieler Liebe, und leistete recht Ehrenwerthes. Auch Herr Kunz – ein fester Sänger mit ausgezeichneter Stimme – sang sehr brav und mit viel Verständniß. Die zweite Baßparthie hatte Herr Schimmel – ein sehr brauchbarer Chorsänger vom Theater und vielfach geübter Kirchensänger – übernommen und wirkte sehr löblich mit. –
Nun habe ich Ihnen verehrter Herr den Bericht gegeben, der freilich etwas breit ausfiel, weßhalb ich sehr um Vergebung bitte. Soll ich Ihnen noch sagen, wie sehr und innig mich selbst Ihr herrlich schönes Werk ergriffen? O nein! das brauchen Sie nicht erst zu hören, es muß Ihnen Ihr eigenes Sein laut sagen, daß Sie zu jedem musikalisch Gebildeten in einer Sprache gesprochen, die bis zur innersten Seele geht, und alle Saiten des Innerlebens miterklingen macht! Darum kein Wort darüber, was mir ohnehin Ihnen gegenüber wie Arroganz vorkäme, keine Auseinandersetzung der Einzelheiten die insbesondere mich ergriffen und emporgetragen haben, da das Ganze als wundervoller Bau mir vor der Seele steht! Nur ein kurzes Wort mögen Sie mir gestatten, ein Wort des Dankes für den Seelengenuß edelster Art, der mir und uns Allen, die wir heute Ihr Werk bewundern konnten, durch Ihren Genius in so reichem Maße zu Theil ward! Möge der gütige Himmel noch lange Zum Segen der Kunst, und zur Ehre Teutschlands den Meister in rüstiger Kraft erhalten, der Solches zu vollbringen berufen ward! Dann können wir ruhig dem schnöden Modetreiben der Afterkunst zusehen, denn so lange solche Kraft wirkt, so lange solche Werke auferstehen, kann sie nicht vergehen, die eine ewig unvergängliche Wahrheit! –
Indem ich wiederholt ersuche, meine unaufgeforderte Berichterstattung gütigst zu entschuldigen bleibe ich mit dem Gefühle ungeheuchelter Bewunderung und Hochachtung ergeben Dr Louis Kleinwächter
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August 1838</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0112417" resp="author" xml:id="persName_f92746a6-7387-444e-b85f-7e98f7e39004">Kleinwächter, Louis (Alois) (1807-1840)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0112417" resp="writer">Kleinwächter, Louis (Alois) (1807–1840)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_63c9b95c-1ddc-4e1a-9a84-c02d5bf1d6f3"> <settlement key="STM0100589">Prag</settlement><country>Böhmen</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_91dd7f1c-32bd-4f42-b224-a57acb7221db">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_fb5c48c6-634f-4b3d-adc2-5393d5b2b2dd"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_13221437-fead-457a-9d21-1a5310b39586"> <docAuthor key="PSN0112417" resp="author" style="hidden">Kleinwächter, Louis (Alois) (1807–1840)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112417" resp="writer" style="hidden">Kleinwächter, Louis (Alois) (1807–1840)</docAuthor> <dateline rend="right"><hi rend="latintype">Prag</hi> den <date cert="high" when="1838-08-04" xml:id="date_26020482-a20e-4447-9ad6-a6a4e553769d">4<hi rend="superscript">t</hi> <hi rend="latintype">August</hi></date> </dateline> <dateline rend="right"><date cert="high" when="1838-08-04" xml:id="date_be194f79-0e8a-47ca-9577-65bc7476b081">1838</date>.</dateline> <salute rend="left">Hochverehrter Herr!</salute> <p style="paragraph_without_indent">In meinem letzten <title xml:id="title_4f26bfb5-e7e5-41cd-9562-a08344e81ab0">Schreiben <name key="PSN0112417" style="hidden" type="author">Kleinwächter, Louis (Alois) (1807–1840)</name> <name key="gb-1838-06-04-01" style="hidden" type="letter">Louis Kleinwächter an Felix Mendelssohn Bartholdy in Köln; Prag, 4. Juni 1838</name> </title> versprach ich, Ihnen von dem Resultate der hiesigen Aufführung Ihres herrlichen: „<title xml:id="title_ff8652fa-95a8-4eb5-ad72-19ebfc61fc87">Paullus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_iputtgjf-lemy-oop4-cxir-w2b5biiytuvt"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title>“<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_d2493be8-4343-4c84-805f-00e6d26d828f" xml:lang="de">Resultate der hiesigen Aufführung Ihres herrlichen: „Paullus“ – Die erste Aufführung von Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium »Paulus« op. 36 (MWV A 14) fand am 4. August 1838 und die zweite Aufführung am 9. September 1838 jeweils im gräflich Waldsteinschen Saal statt. Siehe »Telegraph von Prag«, in: Bohemia Nr. 80 (6. Juli 1838) und »Paulus, Oratorium von Mendelssohn-Bartholdy«, in: Bohemia Nr. 94 (7. August 1838).</note> ungesäumte Nachricht zu geben. Mit Erfüllung diesr Zusage läßt es mich nicht im Geringesten zögern, und ich fühle mich gedrängt, Ihnen noch heute zu sagen, mit welchem Enthusiasmus Ihr wunderschönes Werk auch hier aufgenommen worden ist. So sicher auch die innere Vortrefflichkeit der Sache für den Erfolg Bürgschaft geben konnte, so war ich doch sehr erfreut, durch die That bekräftigt zu sehen, daß auch unser Publikum in der Empfäglichkeit für klassisch Schönes hinter keinen auswärtigen Vorgängern nicht zurückblieb. Leider war der Kreis des <hi rend="latintype">Auditoriums</hi><seg type="pagebreak"> |2| <pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> nicht so groß, als sonst für Prag zu erwarten wäre; allein die gegenwärtige Jahreszeit welche so viele der Stadt ferne hält, die Nachmittagstunden von 4 – <formula rend="fraction_slash"><hi rend="supslash">1</hi><hi rend="barslash">/</hi><hi rend="subslash">2</hi></formula> 7 Uhr, endlich der Werktag an welchem gerade die <hi rend="latintype">Production</hi> fiel, mußte allerdings die Zahl der Zuhörer in Etwas verringern. Dafür aber war das <hi rend="latintype">Publicum</hi>, wenngleich <hi rend="latintype">extensio</hi> kleiner, darum <hi rend="latintype">intensio</hi> desto gegenwärtiger, und ich erinnere mich nicht, daß seit lange her irgend ein Werk im <hi rend="latintype">spirituellen</hi> Musik<hi rend="latintype">genre</hi> mit so vile Theilnahme und mit so regem Applaus hier aufgenommen worden wäre. Die meisten <hi rend="latintype">Chöre</hi> wurden enthusiastisch aufgenommen, und der <hi rend="latintype">Chor</hi> „Sei uns gnädig“ in der zweiten Abtheilung wurde vom Publicum sogar wiederholt verlangt. Insbesondere gefielen nebst den beiden Schluß<hi rend="latintype">chören</hi> und dem fugirten Eingangs<hi rend="latintype">chore</hi> der zweiten Abtheilung die <hi rend="latintype">Chöre</hi> N<hi rend="superscript">ro</hi> 8, 15, 26, 29, 35 <add place="above">und 42<name key="PSN0112417" resp="writers_hand" style="hidden">Kleinwächter, Louis (Alois) (1807–1840)</name></add>, von den<seg type="pagebreak"> |3| <pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg><hi rend="latintype">Choralen</hi> schienen das <hi rend="latintype">Publicum</hi> insbesondere N<hi rend="superscript">ro</hi> 9 und Nro 16 zu ergreifen. Unter den <hi rend="latintype">Arien</hi> sprachen N<hi rend="superscript">ro</hi> 7 und N<hi rend="superscript">ro</hi> 20 vorzugsweise an. Die so poetisch tief und schön gegebene Stelle in N<hi rend="superscript">ro</hi> 15 wo die Stimme des Herrn vortritt, wurde – wie zu erwarten – sehr theilnehmend und warm vom <hi rend="latintype">Publicum</hi> mitgefühlt und aufgenommen. – Glauben Sie nicht etwa, verehrter Herr, daß ich es mir herausnehmen will, die einzelne Herrlichkeiten Ihrer Schöpfung <hi rend="latintype">classificiren</hi> oder rangordnen zu wollen, ich will in gegenwärtigen Zeilen nur treu berichten, und dann muß ich freilich das herausheben, was insbesondere gefiel. Nach der Beendigung war der Beifall sehr innig und anhaltend, und es sprach sich allgemein der Wunsch aus, das herrliche Werk nur recht bald wiederholt zu hören, was unbezweifelt wohl auch geschehen wird. Was nun die Aufführung betrifft, so war sie so gut, als es von<seg type="pagebreak"> |4| <pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg>den hiesigen Kräften nur zu erwarten war, und ich glaube gewiß, daß Sie selbst recht sehr zufrieden gewesen wären. Kapellmeister <hi rend="latintype">S Krauß</hi>, der das Ganze <hi rend="latintype">dirigirte</hi>, gab sich insbesondere sehr viele Mühe mit den Proben, was auch das <hi rend="latintype">Publikum</hi> ehrte, indem es ihn nach der <hi rend="latintype">Production</hi> vorrief. Nach mehren <hi rend="latintype">Clavier</hi> und <hi rend="latintype">Quintett</hi>-Proben waren noch drei sorgsame <hi rend="latintype">Ensemble</hi>-Proben, so daß auch die feinen <hi rend="latintype">Nuancie</hi>rungen und das geistige Verständniß von Seite der <hi rend="latintype">Producenten</hi> wohlthuend hervortraten. Das Orchester ward – nebst dem Theaterpersonale – durch die <placeName xml:id="placeName_608c0562-3c27-4c4d-af86-9aaf7560daae">Zöglinge<name key="NST0103404" style="hidden" subtype="Schüler" type="institution">Prager Konservatorium</name><settlement key="STM0100589" style="hidden" type="locality">Prag</settlement><country style="hidden">Böhmen</country></placeName> des <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_1dcc8967-aff0-4ea2-bb6f-19277b273f8a">Conservatoriums<name key="NST0103404" style="hidden" subtype="" type="institution">Prager Konservatorium</name><settlement key="STM0100589" style="hidden" type="locality">Prag</settlement><country style="hidden">Böhmen</country></placeName></hi>, so wie durch viele tüchtige <hi rend="latintype">Dillettanten</hi> verstärkt, und ließ nichts Wesentliches zu wünschen übrig. Was den <hi rend="latintype">Chor</hi> betrifft, so fehlen hier zu Lnade freilich die Hauptelemente nemlich ein Gesangverein, was besonders dadurch fühlbar wird, daß der <hi rend="latintype">Sopran</hi>- und <hi rend="latintype">Alt</hi>-<hi rend="latintype">Chor</hi><seg type="pagebreak"> |5| <pb n="5" type="pagebreak"></pb></seg>[du]rchaus nur mit Knabenstimmern besetzt wer<unclear reason="covering" resp="UT">d</unclear>en muß. Bei den vielen Kirchensängern, <unclear reason="covering" resp="UT">u</unclear>nd bei dem Umstande, daß hier insbesondere <unclear reason="covering" resp="UT">d</unclear>ie <hi rend="latintype">Chordirectoren</hi> der einzelnen Kirchen sich die <unclear reason="covering" resp="UT">Bi</unclear>ldung der <hi rend="latintype">Chor</hi>knaben sehr angelegen sein <unclear reason="covering" resp="UT">la</unclear>ssen müssen, wird jedoch dieser Übelstand <unclear reason="covering" resp="UT">be</unclear>deutend gemildert. Mit der Zeit hoffe ich, wird <hi rend="latintype"><unclear reason="covering" resp="UT">Pr</unclear>ag</hi> auch in dieser Beziehung mit dem übri<unclear reason="covering" resp="UT">g</unclear>en musikalischenTeutschland fortschreiten, und einen Gesangverein aus seiner Mitte <unclear reason="covering" resp="UT">e</unclear>rstehen lassen! – War nun – wie gesagt – auch der <hi rend="latintype">Chor</hi> nicht so massengroß, wie ihn die <unclear reason="covering" resp="UT">t</unclear>eutschen Musikvereine geben können, so <unclear reason="covering" resp="UT">t</unclear>rat dieß doch der Wirkung nicht zu nahe; denn da hier die <hi rend="latintype">Oratorien</hi> nicht in der Kirche gegeben werden, und da Ihr <hi rend="latintype">Paullus</hi> insbesondere in <unclear reason="covering" resp="UT">d</unclear>em akustisch gebauten Saale des gräflichen <placeName xml:id="placeName_72294b7e-79c1-4904-89c6-2ee81342a917">Waldstein’schen <hi rend="latintype">Palais</hi><name key="NST0103405" style="hidden" subtype="Konzertsaal" type="institution">Waldsteinsches Palais</name><settlement key="STM0100589" style="hidden" type="locality">Prag</settlement><country style="hidden">Böhmen</country></placeName>, wo die Musik ausnehmend <unclear reason="covering" resp="UT">g</unclear>ut wirkt, gegeben wurde, so traten die <hi rend="latintype">Chor</hi>massen hinreichend hervor, ein Mehres wäre<seg type="pagebreak"> |6| <pb n="6" type="pagebreak"></pb></seg>sogar für das Locale Uebermaß gewesen. Die <hi rend="latintype">Solo</hi>parthien hatten Herr <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_ca618480-1d5d-4139-84b1-09351410f505">Kunz<name key="PSN0119217" style="hidden" type="person">Kunz, Jakob Friedrich (1799-1879)</name></persName></hi> /:Bass:/ und <hi rend="latintype">Madame <persName xml:id="persName_3fb50933-1d5a-441b-8e99-898f6cbacc02">Podhorsky<name key="PSN0119216" style="hidden" type="person">Podhorsky, Katharina (1807-1889)</name></persName></hi> – beide vom <placeName xml:id="placeName_3ded5d2f-7333-47de-b948-191aac8807e1">Theater<name key="NST0103406" style="hidden" subtype="" type="institution">Königlich Ständisches Theater</name><settlement key="STM0100589" style="hidden" type="locality">Prag</settlement><country style="hidden">Böhmen</country></placeName> – und Herr Harransch – ein <hi rend="latintype">Studiosus theologiae</hi>, mit einer zwar etwas schwachen aber sehr angenehmen <hi rend="latintype">Tenor</hi>stimme – übernommen, und leisteten Befriedigendes. <hi rend="latintype">M<hi rend="superscript">dme</hi> Podhorsky</hi> ist immer, und insbesondere in solcher Musik ganz ausgezeichnet. Die <hi rend="latintype">Tenor</hi>parthie mußte erwähnter <hi rend="latintype">Dilletant</hi> übernehmen, da von unsern beiden <hi rend="latintype">Theater</hi>tenoren <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_2dcf8ea4-9d80-4492-9fae-758616f0d2f5">Emminger<name key="PSN0119220" style="hidden" type="person">Emminger, Josef (1804-1872)</name></persName></hi> auf Urlaub, und <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_bd7db334-9261-4930-b20e-92dc1e4a9f3b">Demmer<name key="PSN0119219" style="hidden" type="person">Demmer, Friedrich (1785-1838)</name></persName></hi> ein unmusikalischer Tropf ist. Indessen sang er mit vieler Liebe, und leistete recht Ehrenwerthes. Auch Herr <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_657b5680-23a6-4b39-81b5-d5945b418a4f">Kunz<name key="PSN0119217" style="hidden" type="person">Kunz, Jakob Friedrich (1799-1879)</name></persName></hi> – ein fester Sänger mit ausgezeichneter Stimme – sang sehr brav und mit viel Verständniß. Die zweite Baßparthie hatte Herr <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_2f8cda13-296b-4308-9f18-8abf0141ab51">Schimmel<name key="PSN0119221" style="hidden" type="person">Schimmel, Herr</name></persName></hi> – ein sehr brauchbarer <hi rend="latintype">Chor</hi>sänger vom Theater und vielfach geübter Kirchensänger – übernommen und wirkte sehr löblich<seg type="pagebreak"> |7| <pb n="7" type="pagebreak"></pb></seg>mit. – </p> <p>Nun habe ich Ihnen verehrter Herr den <hi n="1" rend="underline">Bericht</hi> gegeben, der freilich etwas breit ausfiel, weßhalb ich sehr um Vergebung bitte. Soll ich Ihnen noch sagen, wie sehr und innig mich selbst Ihr herrlich schönes Werk ergriffen? O nein! das brauchen <hi n="1" rend="underline">Sie</hi> nicht erst zu hören, es muß Ihnen Ihr eigenes Sein laut sagen, daß Sie zu jedem musikalisch Gebildeten in einer Sprache gesprochen, die bis zur innersten Seele geht, und alle Saiten des Innerlebens miterklingen macht! Darum kein Wort darüber, was mir ohnehin Ihnen gegenüber wie <hi rend="latintype">Arroganz</hi> vorkäme, keine Auseinandersetzung der Einzelheiten die insbesondere mich ergriffen und emporgetragen haben, da das Ganze als wundervoller Bau mir vor der Seele steht! Nur ein kurzes Wort mögen Sie mir gestatten, ein Wort des <hi n="1" rend="underline">Dankes</hi> für den Seelengenuß edelster Art, der mir und uns Allen, die wir heute Ihr Werk bewundern konnten, durch Ihren Genius in so<seg type="pagebreak"> |8| <pb n="8" type="pagebreak"></pb></seg>reichem Maße zu Theil ward! Möge der gütige Himmel noch lange Zum Segen der Kunst, und zur Ehre Teutschlands den Meister in rüstiger Kraft erhalten, der Solches zu vollbringen berufen ward! Dann können wir ruhig dem schnöden Modetreiben der Afterkunst zusehen, denn so lange solche Kraft wirkt, so lange solche Werke auferstehen, kann sie nicht vergehen, die eine ewig unvergängliche Wahrheit! – </p> <closer rend="left">Indem ich wiederholt ersuche, meine unaufgeforderte Berichterstattung gütigst zu entschuldigen </closer> <closer rend="left">bleibe ich mit dem Gefühle ungeheuchelter Bewunderung und Hochachtung ergeben</closer> <signed rend="center"><hi rend="latintype">D<hi rend="superscript">r</hi> Louis Kleinwächter</hi></signed> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_93ba7972-ec7c-4281-8ba3-5de99227cb41"> <docAuthor key="PSN0112417" resp="author" style="hidden">Kleinwächter, Louis (Alois) (1807–1840)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112417" resp="writer" style="hidden">Kleinwächter, Louis (Alois) (1807–1840)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">Bemerken muß ich <add place="above">noch<name key="PSN0112417" resp="writers_hand" style="hidden">Kleinwächter, Louis (Alois) (1807–1840)</name></add> als sachgetreuer Referent, daß insbesondere Herr <hi rend="latintype">OrchesterDirector</hi> <persName xml:id="persName_f32a5e30-9422-47d7-9740-0eed211166fe">Pixis<name key="PSN0119218" style="hidden" type="person">Pixis, Friedrich Wilhelm (1785-1842)</name></persName> sehr thätig zum Wohlgelingen der <hi rend="latintype">Production</hi> mitwirkte.</p> </div> </body> </text></TEI>