gb-1838-05-04-01
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Berlin, 4. Mai 1838
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext.
Joseph Fürst
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Ich sende Ihnen Mendelssohn
Faliwiliwiliwom’s, und vielleicht eben wegen seines
Faliwiliwiliwom’s, nicht ab. –
Sollte denn aber überhaupt ein geschichtlicher Stoff sich zu einem Opernbuche eignen, wenn er, weit entfernt etwas klare, einfache, leicht übersichtliche Zustände zu bieten, aber, aber auch aus dem Zeitgeiste, den Zuständen eines ganzen Volks, ja aus seiner ganzen Geschichte vollkommen zu begreifen ist! Ich meine, zu einem Buche, das von einem deutschen – nur wie nennen wir’s gleich? – Textdreher für einen deutschen Komponisten geschrieben wird? – Aber ich thue dem deutschen Buchschreiber Unrecht. Eben weil der kein Textdreher ist, gelingt’s ihm weniger als einem Franzosen. Von einem Gustav Wasa bedient der sich eben der Umstände, daß Gustav es von den Schweden mit Hülfe des Landvolks von einem fremden Tyrannen befreite. Ich sage schon zu viel, ich sage: Schweden. Denn daß ein leichter schwedischer Hauch über dem Buche wehen wird, begreife ich sehr. Dafür, daß Gustav obsiegt wird das auch keine andere Nothwendigkeit ergeben, als daß er und seine Geliebte doch König und Königin werden müssen. Doch möchte jener, etwa als Page zu den Dalekerten, begleiten |3| ihn einigemal retten in gla gäbe allerliebste kleine französische Soubretten-Duettchen u. s. w. usw. und ein treffliches Quintett, inclusive Aktschluß, denke ich mir dadurch herbeigeführt, daß Olave Douranson, aber auch weil er einigen Unrath zu wittern glaubte, und daher nun in der Nacht Thronräuber, Thronprätendenten, Königin-Page, verliebte Bäuerin, von denen keiner und keine sich bei Lebensgefahr sich verrathen darf, mit der Stallpeitsche auseinanderzettelte. Das Quintett (Olave Douranson – Lablache oder der leider selige Spitzfeder – ) machen fureur, und die fast auch ganz geschickt geschriebene Oper hätte solchen Erfolg in Berlin en Prusse so schnell und eifrig einstudirt würde, als
Aber der Deutsche! – Schweden – Katholizismus – aufdämmern des Protestantismus – Seeluft – heldenmüthige Frauen – Odin – Thor – Bauernkönig – das nicht zu definirende, selbst die Tragödie in Verlegenheit setzende, Christian, unerklärbar wie der Wahnsinn, der weder ein Prinzip repräsentirt noch eines hat, mit dem seine eigene Parthei höchstens in Couzagnie werden und glauben will, und der auch, da ihr das mislingt, leichter vom Thron und aus dem Reiche gejagt wird, als eine irgend charakterfeste Katze aus einer nur natürlich warmen Küche!
– Und dabei schließt die Oper mehr als irgend eine Gattung des Dramas, ähnlich wiederkehrende Handlungen und Ereignisse aus, eine Schlacht, ein Sieg, nochmehr, ferner muß eine Geschichtearme Deutsche! –
So werde ich aber drum – im Ernst gesprochen – nie einen Solchen nennen, der sich irgend einer Ihrer Zwecke in Bewegung setzte. Ja hoch erfreuen würde es mich, irgendwie dazu beitragen zu können, daß Sie erreichen was Ihnen zu erreichen wünschenswerth ist. – Auch nicht einmal von “Gustav Wasa“ abrathen, habe ich mit allem Obigen wollen ; ich habe nur meine Bedenken ausgesprochen. Theilen Sie sie nicht, und schließt mein Zagen unbedingt
JFürst
Mai1838
Ich sende Ihnen verehrter Herr Mendelssohn hierbei diejenigen beiden Bände von Geijers schwedischer Geschichte, in welchen über Gustav Wasa und seine Zeit etwas zu finden ist. Keinesfalls werden Sie, wenn Sie sich einmal zu diesem Stoffe hinneigen, ganz ohne Interesse für Sie sein. Den ersten Band schicke ich bloß einiger einzelner Stellen im sechsten und siebenten Kapitel wegen. Von Gustav Wasa selbst ist nur im ersten dieser Kapitel, und zwar S. 246. 247. 251. die Rede, aber in dem siebenten ist in Beziehung auf Sitten, Gebräuche und Volkscharakter sehr Anziehendes enthalten, und Sie werden es nur flüchtig zu durchlaufen haben, um dieses zu finden. Das Lied S. 300. „sehe ich nicht minder“ ob das, im 2ten Theil, dessen erstes Kapitel allein Sie für Ihren Zweck interessiren kann, Seite 21 stehende, wie mir scheint nicht getreu und geschickt übertragen, in Ihrem künftigen Buche unvertilgbar figuriren, und Ihre Komposition derselben von Dalekareischen Erz, Granitfels, Föhrenwald, Morden und, Freiheitsinn, Siegesmuth und Freundeslohn in jedem Takte geschwängert. Kenne ich Sie recht, so lassen Sie selbst von dem kurzen, düsterlustigen Lied auf S. 22. trotz seines Faliwiliwiliwom’s, und vielleicht eben wegen seines Faliwiliwiliwom’s, nicht ab. – Archenholz hat eine Geschichte Gustav’s Wasa geschrieben. Kennen Sie sie? – Der guten Geschichte mag nicht viel darin sein, aber der guten Geschichten wahrscheinlich manche. Ich wüsste mir das Buch nur aus der Königl. Bibliothek zu verschaffen. Ich habe mir aber – lachen Sie immerhin – Kotzebue’s Gustav Wasa aus einer Leihbibliothek kommen lassen. Ich war der Ansicht, daß sich an diesem Effektmacher darüber wie man Geschichte zu einer Oper verarbeite, etwas lernen lasse. Es ist auch aus seiner Behandlung dieses Stoffs etwas zu lernen, und vielleicht grade nur für die Oper. denn wie lahm auch die Motive, auf welche er die Effekte basirt, welche die Herzen und Thränendrüsen seines Publikums in Bewegung setzen sollen, fast immer von Seiten der aesthetischen und meist sogar der ethischen Moral sind – entschuldigen Sie der Kürze der Zeit die Ausdrücke, in der Naehe werden wir uns wohl verstehn – so läßt sich ihnen theils mitunter das zu kurze Bein leicht etwas ausrecken, theils muß auch in der Oper in Beziehung auf Motive Manches mehr auf Glauben genommen werden, als im recitirenden Drama. – Sollte denn aber überhaupt ein geschichtlicher Stoff sich zu einem Opernbuche eignen, wenn er, weit entfernt etwas klare, einfache, leicht übersichtliche Zustände zu bieten, aber, aber auch aus dem Zeitgeiste, den Zuständen eines ganzen Volks, ja aus seiner ganzen Geschichte vollkommen zu begreifen ist! Ich meine, zu einem Buche, das von einem deutschen – nur wie nennen wir’s gleich? – Textdreher für einen deutschen Komponisten geschrieben wird? – Aber ich thue dem deutschen Buchschreiber Unrecht. Eben weil der kein Textdreher ist, gelingt’s ihm weniger als einem Franzosen. Von einem Gustav Wasa bedient der sich eben der Umstände, daß Gustav es von den Schweden mit Hülfe des Landvolks von einem fremden Tyrannen befreite. Ich sage schon zu viel, ich sage: Schweden. Denn daß ein leichter schwedischer Hauch über dem Buche wehen wird, begreife ich sehr. Dafür, daß Gustav obsiegt wird das auch keine andere Nothwendigkeit ergeben, als daß er und seine Geliebte doch König und Königin werden müssen. Doch möchte jener, etwa als Page zu den Dalekerten, begleiten ihn einigemal retten in Wams und die Liebe einer hübschen, kleinen Dalekerlin auf sich ziehn, es gla gäbe allerliebste kleine französische Soubretten-Duettchen u. s. w. usw. und ein treffliches Quintett, inclusive Aktschluß, denke ich mir dadurch herbeigeführt, daß Christian II und Gustav einmal in einem und demselben Dorfkrug übernachten, dieser in der Nacht mit seiner Pagin entfliehen will, die kleine Darlekerlin, die vor Liebe im Leibe nicht schlafen kann, aber auch auf den Beinen ist, der gute Christian aber auch weil er der kleinen Darlekerlin nachstellt, der Vater derselben, Olave Douranson, aber auch weil er einigen Unrath zu wittern glaubte, und daher nun in der Nacht Thronräuber, Thronprätendenten, Königin-Page, verliebte Bäuerin, von denen keiner und keine sich bei Lebensgefahr sich verrathen darf, mit der Stallpeitsche auseinanderzettelte. Das Quintett (Olave Douranson – Lablache oder der leider selige Spitzfeder – ) machen fureur, und die fast auch ganz geschickt geschriebene Oper hätte solchen Erfolg in Paris, in Frankreich, daß sie in Berlin en Prusse so schnell und eifrig einstudirt würde, als Spontini aus in Italien es irgend zuließe. – Aber der Deutsche! – Schweden – Katholizismus – aufdämmern des Protestantismus – Seeluft – heldenmüthige Frauen – Odin – Thor – Bauernkönig – das nicht zu definirende, selbst die Tragödie in Verlegenheit setzende, Christian, unerklärbar wie der Wahnsinn, der weder ein Prinzip repräsentirt noch eines hat, mit dem seine eigene Parthei höchstens in Couzagnie werden und glauben will, und der auch, da ihr das mislingt, leichter vom Thron und aus dem Reiche gejagt wird, als eine irgend charakterfeste Katze aus einer nur natürlich warmen Küche! – Und dabei schließt die Oper mehr als irgend eine Gattung des Dramas, ähnlich wiederkehrende Handlungen und Ereignisse aus, eine Schlacht, ein Sieg, nochmehr, ferner muß eine Geschichte sie durchziehn mit einer Wurzel und einem Gipfel, welchem sie zusehends entgegenwächst, diese Geschichte soll aber eine aus der wirklichen Geschichte des Helden entnommen, nicht aber wider diese selbst sein. – Und alle diese historische und ästhetische Erfordernisse nun in die bestimmte Anzahl von Musikstücken gebracht, nicht zu viel Chöre, nicht zu wenig, nicht zu viel Arien nicht zu wenig Duette, Terzette, Quartette, Quintette, – der arme Deutsche! – So werde ich aber drum – im Ernst gesprochen – nie einen Solchen nennen, der sich irgend einer Ihrer Zwecke in Bewegung setzte. Ja hoch erfreuen würde es mich, irgendwie dazu beitragen zu können, daß Sie erreichen was Ihnen zu erreichen wünschenswerth ist. – Auch nicht einmal von “Gustav Wasa“ abrathen, habe ich mit allem Obigen wollen ; ich habe nur meine Bedenken ausgesprochen. Theilen Sie sie nicht, und schließt mein Zagen Ihre Ansicht nach nicht nothwendig Untrüglichkeit zur Sache an sich, so befehlen Sie ganz über mich; und wenn redlicher Wille und Unterordnung unter Ihre Wünsche Ihnen vielleicht die größere Fähigkeit wieder bereitweilliger aufwiegen können, so dürfen Sie auf jenen bei mir unbedingt und auf diese soweit rechnen, als für irgend bei einer nicht unbedingt völlig maschinenmäßig auszuführenden Arbeit nicht ohne Unwahrheit versprochen werden kann. Unwandelbar der Ihre JFürst Berlin den 4. Mai 1838.
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Leffler, 3 Bde., Hamburg: Friedrich Perthes, 1832, 1834, 1836.</bibl> </listBibl></accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1838-05-04" xml:id="date_744b2829-f341-4a24-999b-549f2fe41616">4. 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Wasa (1496-1560)</name></persName> und seine Zeit etwas zu finden ist. Keinesfalls werden Sie, wenn Sie sich einmal zu diesem Stoffe hinneigen, ganz ohne Interesse für Sie sein. Den ersten Band schicke ich bloß einiger einzelner Stellen im sechsten und siebenten Kapitel wegen. Von Gustav Wasa selbst ist nur im ersten dieser Kapitel, und zwar S. 246. 247. 251. die Rede, aber in dem siebenten ist in Beziehung auf Sitten, Gebräuche und Volkscharakter sehr Anziehendes enthalten, und Sie werden es nur flüchtig zu durchlaufen haben, um dieses zu finden. Das Lied S. 300. „sehe ich nicht minder“ ob das, im 2ten Theil, dessen erstes Kapitel allein Sie für Ihren Zweck interessiren kann, Seite 21 stehende, wie mir scheint nicht getreu und geschickt übertragen, in Ihrem künftigen Buche unvertilgbar figuriren, und Ihre Komposition derselben von Dalekareischen Erz, Granitfels, Föhrenwald, Morden und, Freiheitsinn, Siegesmuth und Freundeslohn in jedem Takte <gap quantity="1" reason="deletion" unit="words"></gap> geschwängert. Kenne ich Sie recht, so lassen Sie selbst von dem kurzen, düsterlustigen Lied auf S. 22. trotz seines <hi rend="latintype">Faliwiliwiliwom’s</hi>, und vielleicht eben wegen seines <hi rend="latintype">Faliwiliwiliwom’s</hi>, nicht ab. –</p> <p><persName xml:id="persName_0ef8c9f1-31f9-4b10-ba40-ae84b52ff1c6">Archenholz<name key="PSN0119447" style="hidden" type="person">Archenholz, Johann Wilhelm von (1741-1812)</name></persName> hat eine <title xml:id="title_6b531c57-a40b-4c61-88c4-48779905da57">Geschichte Gustav’s Wasa<name key="PSN0119447" style="hidden" type="author">Archenholz, Johann Wilhelm von (1741–1812)</name><name key="CRT0112138" style="hidden" type="science">Geschichte Gustavs Wasa</name></title> geschrieben. Kennen Sie sie? – Der guten Geschichte mag nicht viel darin sein, aber der guten Geschichten wahrscheinlich manche. Ich wüsste mir das Buch nur aus der <placeName xml:id="placeName_366650c7-e3f3-42e5-9b33-778c33ec507b">Königl. Bibliothek<name key="NST0103539" style="hidden" subtype="" type="institution">Königliche Bibliothek</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> zu verschaffen. Ich habe mir aber – lachen Sie immerhin – <title xml:id="title_e3fdb7fb-7955-4c79-a42d-df64b4694c1e">Kotzebue’s Gustav Wasa<name key="PSN0112511" style="hidden" type="author">Kotzebue, August Friedrich Ferdinand (seit 1785) von (1761–1819)</name><name key="CRT0112139" style="hidden" type="dramatic_work">Gustav Wasa. Ein Schauspiel in fünf Akten</name></title> aus einer Leihbibliothek kommen lassen. Ich war der Ansicht, daß sich an diesem Effektmacher darüber<seg type="pagebreak"> |2| <pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg>wie man Geschichte zu einer Oper verarbeite, etwas lernen lasse. 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(1481-1559)</name></persName> und Gustav einmal in einem und demselben Dorfkrug übernachten, dieser in der Nacht mit seiner Pagin entfliehen will, die kleine Darlekerlin, die vor Liebe im Leibe nicht schlafen kann, aber auch auf den Beinen ist, der gute Christian aber auch weil er der kleinen Darlekerlin nachstellt, der Vater derselben, <hi rend="latintype">Olave Douranson</hi>, aber auch weil er einigen Unrath zu wittern glaubte, und daher nun in der Nacht Thronräuber, Thronprätendenten, Königin-Page, verliebte Bäuerin, von denen keiner und keine sich bei Lebensgefahr sich verrathen darf, mit der Stallpeitsche auseinanderzettelte. Das Quintett (<hi rend="latintype">Olave Douranson</hi> – <hi rend="latintype">Lablache</hi> oder der leider selige Spitzfeder – ) machen <hi rend="latintype">fureur</hi>, und die fast auch ganz geschickt geschriebene Oper hätte solchen Erfolg in <placeName xml:id="placeName_c408ae34-515b-446c-b9bb-a32295e4b17c">Paris<settlement key="STM0100105" style="hidden" type="locality">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName>, in Frankreich, daß sie in <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_73728539-9ce2-4ff7-8f1b-458abaaf99c6">Berlin<settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> en Prusse</hi> so schnell und eifrig einstudirt würde, als <persName xml:id="persName_73b306ff-6586-4c2e-bb8a-558cc37c40d3">Spontini<name key="PSN0115037" style="hidden" type="person">Spontini, Gaspare Luigi Pacifico (1774-1851)</name></persName> aus <gap quantity="1" reason="uncertain_reading" unit="words"></gap> in Italien es irgend zuließe. –</p> <p>Aber der Deutsche! – Schweden – Katholizismus – aufdämmern des Protestantismus – Seeluft – heldenmüthige Frauen – Odin – Thor – Bauernkönig – das nicht zu definirende, selbst die Tragödie in Verlegenheit setzende, Christian, unerklärbar wie der Wahnsinn, der weder ein Prinzip repräsentirt noch eines hat, mit dem seine eigene Parthei höchstens in Couzagnie werden und glauben will, und der auch, da ihr das mislingt, leichter vom Thron und aus dem Reiche gejagt wird, als eine irgend charakterfeste Katze aus einer nur natürlich warmen Küche! </p> <p>– Und dabei schließt die Oper mehr als irgend eine Gattung des Dramas, ähnlich wiederkehrende Handlungen und Ereignisse aus, eine Schlacht, ein Sieg, nochmehr, ferner muß eine Geschichte<seg type="pagebreak"> |4| <pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg>sie durchziehn mit einer Wurzel und einem Gipfel, welchem sie zusehends entgegenwächst, diese Geschichte soll aber eine aus der wirklichen Geschichte des Helden entnommen, nicht aber wider diese selbst sein. – Und alle diese historische und ästhetische Erfordernisse nun in die bestimmte Anzahl von Musikstücken gebracht, nicht zu viel Chöre, nicht zu wenig, nicht zu viel Arien nicht zu wenig Duette, Terzette, Quartette, Quintette, – der <hi n="1" rend="underline">arme</hi> Deutsche! –</p> <p>So werde ich aber drum – im Ernst gesprochen – nie einen Solchen nennen, der sich irgend einer Ihrer Zwecke in Bewegung setzte. Ja hoch erfreuen würde es mich, irgendwie dazu beitragen zu können, daß Sie erreichen was Ihnen zu erreichen wünschenswerth ist. – Auch nicht einmal von “Gustav Wasa“ abrathen, habe ich mit allem Obigen wollen ; ich habe nur <hi n="1" rend="underline">meine Bedenken</hi> ausgesprochen. Theilen Sie sie nicht, und schließt mein Zagen <add place="above">Ihre Ansicht nach<name key="PSN0111259" resp="writers_hand" style="hidden">Fürst, Joseph (1794–1859)</name></add> nicht nothwendig Untrüglichkeit zur Sache an sich, so befehlen Sie ganz über mich; und wenn redlicher Wille und Unterordnung unter Ihre Wünsche Ihnen vielleicht die größere Fähigkeit wieder bereitweilliger aufwiegen können, so dürfen Sie auf jenen bei mir unbedingt und auf diese soweit rechnen, als für irgend <add place="above">bei<name key="PSN0111259" resp="writers_hand" style="hidden">Fürst, Joseph (1794–1859)</name></add> einer nicht <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_6c6f0b8e-822d-4f8d-9ac7-3a9aabad0acc">unbedingt</del> <add place="above">völlig<name key="PSN0111259" resp="writers_hand" style="hidden">Fürst, Joseph (1794–1859)</name></add> maschinenmäßig auszuführenden Arbeit nicht ohne Unwahrheit versprochen werden kann.</p> <closer rend="left">Unwandelbar</closer> <signed rend="right">der Ihre</signed><signed rend="right"><hi rend="latintype">JFürst</hi></signed> <dateline rend="left">Berlin</dateline> <dateline rend="left">den <date cert="high" when="1838-05-04" xml:id="date_7090da8e-81fe-4e25-a093-477e1a2f4fbd">4. <hi rend="latintype">Mai</hi> 1838</date>.</dateline> </div> </body> </text></TEI>