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gb-1838-04-28-03

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Ferdinand Hiller an Felix Mendelssohn Bartholdy in Berlin <lb></lb>Mailand, 28. April 1838 Es ist wirklich sehr schön von mir, lieber Felix, schon heute Deinen letzten Brief zu beantworten und ein hoher Beweis von der Vortrefflichkeit meines Charakters. Von Dir aber ist es nicht schön gehandelt mir nur Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) Felix Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Mailand; Leipzig, 14. April 1838 Felix Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Bellagio; Berlin, 15. Juli 1838 Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885) Transkription: FMB-C Edition: Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
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Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. 33/131. Autograph Ferdinand Hiller an Felix Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Mailand, 28. April 1838 Es ist wirklich sehr schön von mir, lieber Felix, schon heute Deinen letzten Brief zu beantworten und ein hoher Beweis von der Vortrefflichkeit meines Charakters. Von Dir aber ist es nicht schön gehandelt mir nur

Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext.

Ferdinand Hiller

Green Books

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

28. April 1838 Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)counter-resetHiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885) MailandItalien Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) BerlinDeutschland deutsch
Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885) Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885) Mailand, den 28n April. 1838.

Es ist wirklich sehr schön von mir, lieber Felix, schon heute Deinen letzten Brief <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1838-04-14-02" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Mailand; Leipzig, 14. April 1838</name> zu beantworten und ein hoher Beweis von der Vortrefflichkeit meines Charakters. Von Dir aber ist es nicht schön gehandelt mir nur dann zu schreiben wenn alles gut geht – kaum habe ich noch den Muth Dir und Deiner lieben FrauMendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853) meine herzlichsten Glückwünsche auszudrücken denn sie sind jämmerlich rococorococo – Rokoko, eine Stilrichtung der europäischen Kunst von etwa 1730 bis etwa 1780, hier im übertragenen Sinne verwendet für »veraltet«.. Daß Deine OhrenunpäßlichkeitOhrensunpäßlichkeit – Felix Mendelssohn Bartholdy litt seit Jahren immer wieder an Ohrenschmerzen und Kopfschmerzen. vorüber ist, schließe ich daraus daß Du mir nicht mehr davon sprichst, obschon dies Art im allgemeinen keinen sichern Schluß abgibt. Wie heiter und schön mag es jetzt im Hause Deiner MutterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842) aussehn – vier junge FrauenMendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)Mendelssohn Bartholdy, Pauline Louise Albertine (1814-1879), allerhand kleine Kinder, gute Musik, deutsche Gespräche – wenn ich mir das denke, komme ich mir mitten auf dem Corso wie in einer Wüste vor. Indeß bekomme auch ich bald wieder ein kleines intérieurintérieur – frz., das Innere. – meine gute MutterHiller, Regine (1783-1839) wird Ende May hierseyn um eine Zeitlang, vielleicht eine lange Zeit, mit mir in Italien zuzubringen. Es ist ihr so schlimm zu Muthe wenn sie nicht um mich seyn kann, ich fühlte das so aus zarten Worten ihren Briefen heraus und es war mir oft so quälend daß ich, glaube ich, nach FrankfurtFrankfurt a. M.Deutschland zurückgereist wäre wenn sie sich nicht entschlossen hätte herzukommen. Den nächsten Sommer denke ich nun mit ihr am Komersee recht stille und arbeitsam zuzubringen – was dann werden wird, davon habe ich nur, bis jetzt, die unbestimmtesten Ideen – das meiste kömmt dabei natürlich auf meine musikalischen Arbeiten an. In Beziehung auf letztere geht es mir nicht übel – meine Oper<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109289" style="hidden" type="music">Romilda HW 2.3.1</name>meine Oper – Hiller war nach Italien gereist, um sich dort als Opernkomponist zu beweisen; seine Oper Romilda blieb allerdings erfolglos; siehe Brief fmb-1839-02-10-01 (Brief Nr. 2236) Felix Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Mailand; Leipzig, 9. und 10. Februar 1839. ist ziemlich vorgerückt und wäre es noch mehr, hätte mich nicht in der letzten Zeit mein DichterRossi, Gaetano (1774-1855) etwas stecken lassen, von dem ich eine freilich übertriebene Masse Abänderungen verlangt habe. Auch die Ouvertüre<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109285" style="hidden" type="music">Ouvertüre d-Moll, op. 32 (urspr.: Ouvertüre zum alten Drama »Fernando«)</name>Die Ouvertüre konnte nicht ermittelt werden. Am 21. Februar 1839 dirigierte Felix Mendelssohn Bartholdy sie während eines Gewandhauskonzertes aus dem Manuskript. Im Druck ist sie wohl nie erschienen. ist fix und fertig und die mußt Du in jedem Falle nächsten Winter in einem Deiner Konzerte aufführen.Ouvertüre … aufführen – Am 21. Februar 1839 dirigierte Felix Mendelssohn Bartholdy im Gewandhauskonzert zugunsten der Armen eine Ouvertüre von Hiller aus dem Manuskript. Meinen Psalm<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109294" style="hidden" type="music">Il Signore è il mio pastore (Der Herr ist mein Hirte) (23. Psalm)</name> schicke ich Dir nicht – er ist zwar nicht schlecht aber auch nicht ächt – ich glaube das Mailänder Clima bekömmt ihm besser als das BerlinerBerlinDeutschland oder LeipzigerLeipzigDeutschland. Ende Sommer hoffe ich Dir vielleicht etwas schicken zu können aber viel interessanter wäre es mir Deine neuen Sachen zu sehen als Dir meine mitzutheilen. Ich rathe Dir nicht zu mir Abschriften herzuschicken, aber wenn etwas davon gestochen worden, vergißt Du mich hoffentlich nicht. Zwischen RicordiRicordi, Giovanni (Jean) (1785-1853) und HärtelHärtel, Raymund (1810-1888) finden die ungestörtesten Bullenverbindungen statt – donc rien n’est plus facile,donc rien n’est plus facile – frz., nichts ist einfacher als das. um so mehr als ich wohl noch eine gute Weile in der Lombardei hausen werde, welche zwar der uninteressanteste, aber für meine Musiken bedeutendste Theil v. Italien ist –.

|2| Also meine Korrespondenz Artikel über das hiesige Theaterwesen amusiren Dich? Desto besser, davon sollst Du zur Genüge bekommen. Erfreulich kann ich es eigentlich nicht nennen, aber lebendig ist es im höchsten Grade – und wenn man auch einen leisen Schauer empfindet unter einer Nation zu leben die den Freischütz<name key="PSN0115645" style="hidden" type="author">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786–1826)</name><name key="CRT0111243" style="hidden" type="music">Der Freischütz op. 77 (WeV C. 7)</name> dunkel vom Hörensagen, von der Jessonda<name key="PSN0115032" style="hidden" type="author">Spohr, Louis (Ludewig) (1784–1859)</name><name key="CRT0110920" style="hidden" type="music">Jessonda WoO 53</name> aber nicht einmal den Namen kennt, so hat dies Genügen an der eigenen Individualität bei, wenn auch nicht der Qualität doch der Quantität nach, starken Bedürfnissen etwas Achtungswürdiges. Im März gab man noch eine neue Opera seria in der Scala, v. CocciaTeatro CocciaNovaraItalien, einem der älteren hiesigen Komponisten, der in TurinTurinItalien angestellt ist. Es war eine Musik, sehr ordentlich geschrieben aber von der erstaunenswürdigsten Langweiligkeit – (eine Richtung die jetzt hier erschrecklich überhand nimmt) ein sehr schön fortgeführtes breites Adagio im ersten Finale war das einzige Stück was Anklang fand und verdiente. Die Oper konnte sich nicht halten und man gab darauf die Semiramis von Rossini<name key="PSN0114299" style="hidden" type="author">Rossini, Gioachino Antonio (1792–1868)</name><name key="CRT0110588" style="hidden" type="music">Semiramide</name> zu dessen Werken als zu klassischen Meisterwerken, man immer greift, wenn man mit den Neuen nicht fortkam –. Zur Wiedereröffnung der ScalaTeatro alla ScalaMailandItalien den 15n dieses, gab man <hi rend="latintype">Ida della Torre</hi><name key="PSN0119445" style="hidden" type="author">Nini, Alessandro (1805–1880)</name><name key="CRT0112134" style="hidden" type="music">Ida della Torre</name>, von einem Maestro NiniNini, Alessandro (1805-1880), der lange in Rußland gewesen und diese Oper letzten Herbst in VenedigVenedigItalien geschrieben. Die dortigen Journale hatten davon gewaltigen Lärm geschlagen und Nini ging seit einigen Monaten hier als großer Mann spazieren. Leider ist aber sein Machwerk nichts als ein compositum von schläfrigen Plattheiten – die Leute scheinen das zu fühlen und ohne ein Zeichen von Opposition schlich sich alles nach und nach leise fort – am Ende waren die Logen wie ausgestorben – ich habe nie etwas ähnliches erlebt. Hier studirt man Zelmira v. Rossini<name key="PSN0114299" style="hidden" type="author">Rossini, Gioachino Antonio (1792–1868)</name><name key="CRT0112135" style="hidden" type="music">Zelmira</name> ein –. Nächste Woche gibt man im CarcanoTeatro CarcanoMailandItalien eine Esmeralda<name key="PSN0119446" style="hidden" type="author">Mazzucato, Alberto (1813–1877)</name><name key="CRT0112136" style="hidden" type="music">Esmeralda</name> von MazzachatiMazzucato, Alberto (1813-1877) Mazzuchati für MantuaMantuaItalien geschrieben – ich bin begierig (oder vielmehr ich bin es nicht) wie ein Italiäner den <hi rend="latintype">Claude <choice resp="editor" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_f15f2bd3-4098-409f-a2fb-5b835dc64d4a"> <sic resp="writer">Fullo</sic> <corr resp="editor">Frollo</corr> </choice></hi><name key="PSN0112135" style="hidden" type="author">Hugo, Victor Marie (1802–1885)</name><name key="CRT0109396" style="hidden" type="dramatic_work">La Esmeralda (Libretto)</name> Claude Fullo – Claude Frollo ist eine Figur aus Victor Hugos Libretto »La Esmeralda«. wird singen lassen. – MercadenteMercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795-1870) hat mit seiner letzten Oper<name key="PSN0113273" style="hidden" type="author">Mercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795–1870)</name><name key="CRT0111978" style="hidden" type="music">Le due illustre rivali</name> in VenedigDie Uraufführung der Oper »Le due illustri rivali« war 1838 im Teatro La Fenice, Venedig. großen succèssuccès – frz., Erfolg. gehabt – es soll tüchtige aber etwas schwerfällige Musik seyn, mit einigen vortrefflichen Stücken, was ich gern glaube, denn MercMercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795-1870). versteht seine Sache und ist wirklich ein Komponist –. |3| Ich muß etwas aussprechen was mir gerade einfällt – ich habe mein Lebtag wenig über Gesangskunst gedacht – die Sänger gefielen oder gefielen mir nicht und ich begnügte mich mir über diese Eindrücke die allgemeinste Rechenschaft abzulegen. Nun habe ich in Italien noch keine ausgezeichnete Leistungen gehört, hingegen eine Masse Niederträchtigkeiten und nichts was sich mit ParisParisFrankreich vergleichen läßt, und doch habe ich ein feineres Gefühl und besseres Urtheil über Singen als solches, als früher und manches was ich voriges Jahr noch ruhig vorüberziehen ließ würde mir ganz unerträglich vorkommen. Dennoch habe ich hier weder viel mit Sängern verkehrt noch außerdem meine Aufmerksamkeit sonderlich darauf gerichtet – aber ich glaube in jedem Lande ist irgend ein Theil musikalischer (wie anderer Bildung) populär und hier ist es das Gesangswesen. Das Salongeplauder, die Äußerungen des Parterre haben mich, mir ganz unbewußt, auf vieles aufmerksam gemacht und mich über manches, ich muß es geradezu sagen, belehrt. Sollte das gewisse Etwas was Dich in Deutschland so anzieht (abgesehen von allem Möglichen) nicht einen ähnlichen Grund haben und darin zu suchen seyn daß in unserm Vaterlande die musikalische Bildung gerade nach der Seite hinHiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885) am verbreitesten ist, die Dir als die höchste erscheint?! Daß man in einem Tonstück eher viel zu viel als viel zu wenig sucht etc. etc.? – mir kömmt’s so vor –. Das führt mich auf zwei Leute, auf Dem. NovelloNovello, Clara Anastasia (1818-1908) und auf HenseltHenselt, Georg Martin Adolph (seit 1876) von (1814-1889). Erstre sang vor einigen Jahren in Paris Händel’scheHändel, Georg Friedrich (1685-1759) Arien<name key="PSN0111693" style="hidden" type="author">Händel, Georg Friedrich (1685–1759)</name><name key="CRT0108953" style="hidden" type="music">Arie</name> sehr schön, neuere Opernmusik ganz schlecht – mag sie nun auch seitdem Fortschritte gemacht haben, so bin ich doch überzeugt man rieth ihr hier Singunterricht zu nehmen und auf’s Theater zu gehen, wenn sie nicht trotz ihres Leipzig-Berliner furoreLeipzig-Berliner furore – Clara Novello gastierte sie seit Herbst 1837 in acht Konzerten in Leipzig. Danach hielt sie sich von Mitte Januar bis Mitte Februar 1838 in Berlin auf und brillierte in mehreren Konzerten und Gesellschaften. ganz spurlos vorübergehen will. Mit Konzertgeben darf sie gar nicht kommen, was mich übrigens nicht verhindern soll ihr möglichst den Hof zu machen – Henselt’s Etüden<name key="PSN0111901" style="hidden" type="author">Henselt, Georg Martin Adolph (seit 1876) von (1814–1889)</name><name key="CRT0111946" style="hidden" type="music">Douze Études caractéristiques de Concert pour le Piano Op. 2</name><name key="PSN0111901" style="hidden" type="author">Henselt, Georg Martin Adolph (seit 1876) von (1814–1889)</name><name key="CRT0111945" style="hidden" type="music">Douze Études de Salon op. 5 (1838)</name> habe ich vor einigen Tagen hier durchgespielt – bei welchem Wiener ConfiseurConfiseur – frz., Hersteller von Pralinen, Teegebäck u. a. mag er die französischen Motto’s gefunden haben die zum poetischen Verständniß |4| seiner Stücke nöthig sind? übrigens geben sie mir ein rechtes Bild des verückten Zustands der heutigen Klaviermusik – Schwierigkeiten die nicht einmal des Effekts halber sondern ästethisch um ihrer selbst willen da sind – die eigentlich den Hauptkern der Erfindung bidlen und dann doch durch eine mühselig darauf geschraubte Melodie in den Hintergrund gestellt und nebensächlich behandelt werden – so daß die Passage die Armuth der Melodie und letztere die Unerquicklichkeit der erstern bemäntelt und man wahrhaft sagen kann, eine Hand wäscht die andere. Das wollte ich nun alles noch auf sich beruhen lassen wenn nicht beinahe alle diese Etüden lediglich Paraphrasen von ein paar ChopinChopin, Fryderyk Franciszek (Frédéric François) (1810-1849)schen wären, meiner Meinung nach aber weit hinter ihren Vorbildern zurückbleiben. Daß HHenselt, Georg Martin Adolph (seit 1876) von (1814-1889). übrigens sehr gut spielt, davon bin ich überzeugt.

LisztLiszt, Franz (Ferenc) (1811-1886) ist, wie Du wohl schon weißt, nach WienWienÖsterreich gereist und hat dort zwei Konzerte, eines en bénefice de sa génerosité,en bénefice de sa génerosité – frz., zugunsten seiner Großzügigkeit. das zweite en ben. de sa bourseen bénefice de sa bourse – frz., zugunsten seines Geldbeutels. gegeben – er muß furore gemacht haben – solche Oktaven haben die Wiener noch nicht erlebt. Wohl bekomm’s ihm! – RossiniRossini, Gioachino Antonio (1792-1868) ist in BolognaBolognaItalien, NourritNourrit, Adolphe (1802-1839) in NeapelNeapelItalien, PixisPixis, Friedrich Wilhelm (1785-1842) in PiacenzaPiacenzaItalien wo FrancillaPixis, Francilla (eigtl. Franziska Helma Göhringer) (1816-1904) als prima donna assolutaprima donna assoluta – ital., die wichtigste Sopranistin eines Ensembles. eine Oper v. MercadenteMercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795-1870) und eine andere v. BelliniBellini, Giovanni (?-1516) singt – Ich bin mithin allein hier noch übrig, indeß geht mir’s darum nicht schlechter – mein Flügel v. ErardÉrard, Klavierfabrik in Paris und London ist angekommen und ich mache diesen Sommer vielleicht etwas Fingerübungen – es kömmt mir gar zu reizend vor, den Mailänderinnen Klavier vorzuspielen – sie sind so hübsch, so hübsch – ich könnte meine tugendhaftesten Principien hier verlieren – Nun ist es Zeit zu schließen – ich erwarte Berliner Zustände und das bald – wirst Du Dich denn nicht an eine Oper machen?eine Oper machen – Felix Mendelssohn Bartholdy trug sich bereits seit mehreren Jahren mit der Idee, eine Oper zu komponieren. Anfangs stand er in Verhandlungen mit Karl von Holtei über ein mögliches Opernlibretto (siehe z. B. Brief fmb-1836-12-04-01). Doch es kam zu keiner Zusammenarbeit. Noch im Juni 1837 schrieb Mendelssohn an seinen Freund Eduard Devrient: »Eine Wohnung und einen Operntext! Das ist jetzt mein Feldgeschrei« (Brief fmb-1837-06-02-01). Zu Beginn des Jahres 1838 lehnte er mehrere ihm zugesandte Opernlibretti ab, eine Zusammenarbeit mit James Robinson Planché scheiterte um die Jahreswende 1839/40.

Empfehle mich den Deinen aufs beste – Deinem Bruder PaulMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874) meine herzlichsten Grüße – bessere Dich, bessere Dich! und bleibe gut Deinem Deinigen –

Ferdinand Hiller.
            Mailand, den 28n April. 1838. Es ist wirklich sehr schön von mir, lieber Felix, schon heute Deinen letzten Brief zu beantworten und ein hoher Beweis von der Vortrefflichkeit meines Charakters. Von Dir aber ist es nicht schön gehandelt mir nur dann zu schreiben wenn alles gut geht – kaum habe ich noch den Muth Dir und Deiner lieben Frau meine herzlichsten Glückwünsche auszudrücken denn sie sind jämmerlich rococo. Daß Deine Ohrenunpäßlichkeit vorüber ist, schließe ich daraus daß Du mir nicht mehr davon sprichst, obschon dies Art im allgemeinen keinen sichern Schluß abgibt. Wie heiter und schön mag es jetzt im Hause Deiner Mutter aussehn – vier junge Frauen, allerhand kleine Kinder, gute Musik, deutsche Gespräche – wenn ich mir das denke, komme ich mir mitten auf dem Corso wie in einer Wüste vor. Indeß bekomme auch ich bald wieder ein kleines intérieur – meine gute Mutter wird Ende May hierseyn um eine Zeitlang, vielleicht eine lange Zeit, mit mir in Italien zuzubringen. Es ist ihr so schlimm zu Muthe wenn sie nicht um mich seyn kann, ich fühlte das so aus zarten Worten ihren Briefen heraus und es war mir oft so quälend daß ich, glaube ich, nach Frankfurt zurückgereist wäre wenn sie sich nicht entschlossen hätte herzukommen. Den nächsten Sommer denke ich nun mit ihr am Komersee recht stille und arbeitsam zuzubringen – was dann werden wird, davon habe ich nur, bis jetzt, die unbestimmtesten Ideen – das meiste kömmt dabei natürlich auf meine musikalischen Arbeiten an. In Beziehung auf letztere geht es mir nicht übel – meine Oper ist ziemlich vorgerückt und wäre es noch mehr, hätte mich nicht in der letzten Zeit mein Dichter etwas stecken lassen, von dem ich eine freilich übertriebene Masse Abänderungen verlangt habe. Auch die Ouvertüre ist fix und fertig und die mußt Du in jedem Falle nächsten Winter in einem Deiner Konzerte aufführen. Meinen Psalm schicke ich Dir nicht – er ist zwar nicht schlecht aber auch nicht ächt – ich glaube das Mailänder Clima bekömmt ihm besser als das Berliner oder Leipziger. Ende Sommer hoffe ich Dir vielleicht etwas schicken zu können aber viel interessanter wäre es mir Deine neuen Sachen zu sehen als Dir meine mitzutheilen. Ich rathe Dir nicht zu mir Abschriften herzuschicken, aber wenn etwas davon gestochen worden, vergißt Du mich hoffentlich nicht. Zwischen Ricordi und Härtel finden die ungestörtesten Bullenverbindungen statt – donc rien n’est plus facile, um so mehr als ich wohl noch eine gute Weile in der Lombardei hausen werde, welche zwar der uninteressanteste, aber für meine Musiken bedeutendste Theil v. Italien ist –.
 Also meine Korrespondenz Artikel über das hiesige Theaterwesen amusiren Dich? Desto besser, davon sollst Du zur Genüge bekommen. Erfreulich kann ich es eigentlich nicht nennen, aber lebendig ist es im höchsten Grade – und wenn man auch einen leisen Schauer empfindet unter einer Nation zu leben die den Freischütz dunkel vom Hörensagen, von der Jessonda aber nicht einmal den Namen kennt, so hat dies Genügen an der eigenen Individualität bei, wenn auch nicht der Qualität doch der Quantität nach, starken Bedürfnissen etwas Achtungswürdiges. Im März gab man noch eine neue Opera seria in der Scala, v. Coccia, einem der älteren hiesigen Komponisten, der in Turin angestellt ist. Es war eine Musik, sehr ordentlich geschrieben aber von der erstaunenswürdigsten Langweiligkeit – (eine Richtung die jetzt hier erschrecklich überhand nimmt) ein sehr schön fortgeführtes breites Adagio im ersten Finale war das einzige Stück was Anklang fand und verdiente. Die Oper konnte sich nicht halten und man gab darauf die Semiramis von Rossini zu dessen Werken als zu klassischen Meisterwerken, man immer greift, wenn man mit den Neuen nicht fortkam –. Zur Wiedereröffnung der Scala den 15n dieses, gab man Ida della Torre, von einem Maestro Nini, der lange in Rußland gewesen und diese Oper letzten Herbst in Venedig geschrieben. Die dortigen Journale hatten davon gewaltigen Lärm geschlagen und Nini ging seit einigen Monaten hier als großer Mann spazieren. Leider ist aber sein Machwerk nichts als ein compositum von schläfrigen Plattheiten – die Leute scheinen das zu fühlen und ohne ein Zeichen von Opposition schlich sich alles nach und nach leise fort – am Ende waren die Logen wie ausgestorben – ich habe nie etwas ähnliches erlebt. Hier studirt man Zelmira v. Rossini ein –. Nächste Woche gibt man im Carcano eine Esmeralda von MazzachatiMazzucato, Alberto (1813-1877) für Mantua geschrieben – ich bin begierig (oder vielmehr ich bin es nicht) wie ein Italiäner den Claude Fullo Frollo wird singen lassen. – Mercadente hat mit seiner letzten Oper in Venedig großen succès gehabt – es soll tüchtige aber etwas schwerfällige Musik seyn, mit einigen vortrefflichen Stücken, was ich gern glaube, denn Merc. versteht seine Sache und ist wirklich ein Komponist –. Ich muß etwas aussprechen was mir gerade einfällt – ich habe mein Lebtag wenig über Gesangskunst gedacht – die Sänger gefielen oder gefielen mir nicht und ich begnügte mich mir über diese Eindrücke die allgemeinste Rechenschaft abzulegen. Nun habe ich in Italien noch keine ausgezeichnete Leistungen gehört, hingegen eine Masse Niederträchtigkeiten und nichts was sich mit Paris vergleichen läßt, und doch habe ich ein feineres Gefühl und besseres Urtheil über Singen als solches, als früher und manches was ich voriges Jahr noch ruhig vorüberziehen ließ würde mir ganz unerträglich vorkommen. Dennoch habe ich hier weder viel mit Sängern verkehrt noch außerdem meine Aufmerksamkeit sonderlich darauf gerichtet – aber ich glaube in jedem Lande ist irgend ein Theil musikalischer (wie anderer Bildung) populär und hier ist es das Gesangswesen. Das Salongeplauder, die Äußerungen des Parterre haben mich, mir ganz unbewußt, auf vieles aufmerksam gemacht und mich über manches, ich muß es geradezu sagen, belehrt. Sollte das gewisse Etwas was Dich in Deutschland so anzieht (abgesehen von allem Möglichen) nicht einen ähnlichen Grund haben und darin zu suchen seyn daß in unserm Vaterlande die musikalische Bildung gerade nach der Seite hin am verbreitesten ist, die Dir als die höchste erscheint?! Daß man in einem Tonstück eher viel zu viel als viel zu wenig sucht etc. etc. ? – mir kömmt’s so vor –. Das führt mich auf zwei Leute, auf Dem. Novello und auf Henselt. Erstre sang vor einigen Jahren in Paris Händel’sche Arien sehr schön, neuere Opernmusik ganz schlecht – mag sie nun auch seitdem Fortschritte gemacht haben, so bin ich doch überzeugt man rieth ihr hier Singunterricht zu nehmen und auf’s Theater zu gehen, wenn sie nicht trotz ihres Leipzig-Berliner furore ganz spurlos vorübergehen will. Mit Konzertgeben darf sie gar nicht kommen, was mich übrigens nicht verhindern soll ihr möglichst den Hof zu machen – Henselt’s Etüden habe ich vor einigen Tagen hier durchgespielt – bei welchem Wiener Confiseur mag er die französischen Motto’s gefunden haben die zum poetischen Verständniß seiner Stücke nöthig sind? übrigens geben sie mir ein rechtes Bild des verückten Zustands der heutigen Klaviermusik – Schwierigkeiten die nicht einmal des Effekts halber sondern ästethisch um ihrer selbst willen da sind – die eigentlich den Hauptkern der Erfindung bidlen und dann doch durch eine mühselig darauf geschraubte Melodie in den Hintergrund gestellt und nebensächlich behandelt werden – so daß die Passage die Armuth der Melodie und letztere die Unerquicklichkeit der erstern bemäntelt und man wahrhaft sagen kann, eine Hand wäscht die andere. Das wollte ich nun alles noch auf sich beruhen lassen wenn nicht beinahe alle diese Etüden lediglich Paraphrasen von ein paar Chopinschen wären, meiner Meinung nach aber weit hinter ihren Vorbildern zurückbleiben. Daß H. übrigens sehr gut spielt, davon bin ich überzeugt.
Liszt ist, wie Du wohl schon weißt, nach Wien gereist und hat dort zwei Konzerte, eines en bénefice de sa génerosité, das zweite en ben. de sa bourse gegeben – er muß furore gemacht haben – solche Oktaven haben die Wiener noch nicht erlebt. Wohl bekomm’s ihm! – Rossini ist in Bologna, Nourrit in Neapel, Pixis in Piacenza wo Francilla als prima donna assoluta eine Oper v. Mercadente und eine andere v. Bellini singt – Ich bin mithin allein hier noch übrig, indeß geht mir’s darum nicht schlechter – mein Flügel v. Erard ist angekommen und ich mache diesen Sommer vielleicht etwas Fingerübungen – es kömmt mir gar zu reizend vor, den Mailänderinnen Klavier vorzuspielen – sie sind so hübsch, so hübsch – ich könnte meine tugendhaftesten Principien hier verlieren – Nun ist es Zeit zu schließen – ich erwarte Berliner Zustände und das bald – wirst Du Dich denn nicht an eine Oper machen?
Empfehle mich den Deinen aufs beste – Deinem Bruder Paul meine herzlichsten Grüße – bessere Dich, bessere Dich! und bleibe gut Deinem Deinigen –
Ferdinand Hiller.          
            <TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="gb-1838-04-28-02" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="gb-1838-04-28-02" xml:id="title_93a9622d-1fd7-4302-9b95-8b90c3398a56">Ferdinand Hiller an Felix Mendelssohn Bartholdy in Berlin <lb></lb>Mailand, 28. April 1838</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_1e9d9e0a-27bf-4ce3-be4c-433b4065fd12">Es ist wirklich sehr schön von mir, lieber Felix, schon heute Deinen letzten Brief zu beantworten und ein hoher Beweis von der Vortrefflichkeit meines Charakters. 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Juli 1838</title> <author key="PSN0112003">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0112003" resp="writer">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition"></name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName xml:id="placeName_5b895735-a753-4a74-a550-99efec210bf7"> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. d. 33/131. </idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="gb-1838-04-28-03" type="letter" xml:id="title_17bb7d06-8952-4000-b660-e5e646438aa3">Ferdinand Hiller an Felix Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Mailand, 28. April 1838</title> <incipit>Es ist wirklich sehr schön von mir, lieber Felix, schon heute Deinen letzten Brief zu beantworten und ein hoher Beweis von der Vortrefflichkeit meines Charakters. Von Dir aber ist es nicht schön gehandelt mir nur</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext.</p> <handDesc hands="1"> <p>Ferdinand Hiller</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl></accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1838-04-28" xml:id="date_80c069cc-13d8-406e-8491-e724372baf76">28. April 1838</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0112003" resp="author" xml:id="persName_22314ee0-fef9-4e9f-815e-f63e15b2573a">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0112003" resp="writer">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_20218242-c7b9-421e-a3ad-03afff639ba8"> <settlement key="STM0100180">Mailand</settlement><country>Italien</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_49b29dba-ad7d-4595-a900-6eeb9a453ccc">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_34c6d513-a487-40a1-b880-243e5b198f79"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_c945454a-e23c-41cc-9b3c-220e1e22e7ed"> <docAuthor key="PSN0112003" resp="author" style="hidden">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112003" resp="writer" style="hidden">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</docAuthor> <dateline rend="right">Mailand, den <date cert="high" when="1838-04-28" xml:id="date_5dc940b7-2bf1-45d0-b6ac-8af2204c4ceb">28<hi rend="superscript">n</hi> April. 1838</date>.</dateline> <p style="paragraph_without_indent">Es ist wirklich sehr schön von mir, <seg type="salute">lieber Felix</seg>, schon heute Deinen letzten <title xml:id="title_49292474-bc62-458a-af69-b09709fbdb79">Brief <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1838-04-14-02" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Mailand; Leipzig, 14. April 1838</name> </title> zu beantworten und ein hoher Beweis von der Vortrefflichkeit meines Charakters. Von Dir aber ist es nicht schön gehandelt mir nur dann zu schreiben wenn alles gut geht – kaum habe ich noch den Muth Dir und Deiner lieben <persName xml:id="persName_400594cf-bf6a-4682-9270-2508196e47b9">Frau<name key="PSN0113252" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> meine herzlichsten Glückwünsche auszudrücken denn sie sind jämmerlich <hi rend="latintype">rococo</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_0bb04c64-7458-4d11-ae64-7b9eb41cfc0b" xml:lang="de">rococo – Rokoko, eine Stilrichtung der europäischen Kunst von etwa 1730 bis etwa 1780, hier im übertragenen Sinne verwendet für »veraltet«.</note>. Daß Deine Ohrenunpäßlichkeit<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_9fb6dbc8-d235-4da6-b87b-7f7353a179d3" xml:lang="de">Ohrensunpäßlichkeit – Felix Mendelssohn Bartholdy litt seit Jahren immer wieder an Ohrenschmerzen und Kopfschmerzen.</note> vorüber ist, schließe ich daraus daß Du mir nicht mehr davon sprichst, obschon dies Art im allgemeinen keinen sichern Schluß abgibt. Wie heiter und schön mag es jetzt im Hause Deiner <persName xml:id="persName_37c25716-a02c-4ee0-9eef-517856cef006">Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> aussehn – <persName xml:id="persName_c9225653-66bd-4aff-91d4-d1dec66dc46a">vier junge Frauen<name key="PSN0113252" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name><name key="PSN0110673" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)</name><name key="PSN0111893" style="hidden" type="person">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name><name key="PSN0113264" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Pauline Louise Albertine (1814-1879)</name></persName>, allerhand kleine Kinder, gute Musik, deutsche Gespräche – wenn ich mir das denke, komme ich mir mitten auf dem Corso wie in einer Wüste vor. Indeß bekomme auch ich bald wieder ein kleines <hi rend="latintype">intérieur</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_27c9f8b6-d171-4278-b2be-640edacef840" xml:lang="fr ">intérieur – frz., das Innere.</note> – meine gute <persName xml:id="persName_763159ef-bea9-4365-8e72-702881635810">Mutter<name key="PSN0112008" style="hidden" type="person">Hiller, Regine (1783-1839)</name></persName> wird Ende May hierseyn um eine Zeitlang, vielleicht eine lange Zeit, mit mir in Italien zuzubringen. Es ist ihr so schlimm zu Muthe wenn sie nicht um mich seyn kann, ich fühlte das so aus zarten Worten ihren Briefen heraus und es war mir oft so quälend daß ich, glaube ich, nach <placeName xml:id="placeName_c69e476d-dbae-4a4f-bbf0-ae0f2ff4e567">Frankfurt<settlement key="STM0100204" style="hidden" type="locality">Frankfurt a. M.</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> zurückgereist wäre wenn sie sich nicht entschlossen hätte herzukommen. Den nächsten Sommer denke ich nun mit ihr am Komersee recht stille und arbeitsam zuzubringen – was dann werden wird, davon habe ich nur, bis jetzt, die unbestimmtesten Ideen – das meiste kömmt dabei natürlich auf meine musikalischen Arbeiten an. In Beziehung auf letztere geht es mir nicht übel – meine <title xml:id="title_dce5e903-db00-47a3-8db8-b4fc0c94fdf5">Oper<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109289" style="hidden" type="music">Romilda HW 2.3.1</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_a3b492ea-04dd-4dac-977f-6cf7ece4ce30" xml:lang="de">meine Oper – Hiller war nach Italien gereist, um sich dort als Opernkomponist zu beweisen; seine Oper Romilda blieb allerdings erfolglos; siehe Brief fmb-1839-02-10-01 (Brief Nr. 2236) Felix Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Mailand; Leipzig, 9. und 10. Februar 1839. </note> ist ziemlich vorgerückt und wäre es noch mehr, hätte mich nicht in der letzten Zeit mein <persName xml:id="persName_1444e455-4205-4059-a30f-ceff0f122c10">Dichter<name key="PSN0119444" style="hidden" type="person">Rossi, Gaetano (1774-1855)</name></persName> etwas stecken lassen, von dem ich eine freilich übertriebene Masse Abänderungen verlangt habe. Auch die <hi rend="latintype"><title xml:id="title_ac067b10-8021-40a6-aac9-7a4bad4f7ec9">Ouvertüre<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109285" style="hidden" type="music">Ouvertüre d-Moll, op. 32 (urspr.: Ouvertüre zum alten Drama »Fernando«)</name></title></hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_70856098-2ded-44fa-ab25-8718bea337fb" xml:lang="de">Die Ouvertüre konnte nicht ermittelt werden. Am 21. Februar 1839 dirigierte Felix Mendelssohn Bartholdy sie während eines Gewandhauskonzertes aus dem Manuskript. Im Druck ist sie wohl nie erschienen. </note> ist fix und fertig und die mußt Du in jedem Falle nächsten Winter in einem Deiner Konzerte aufführen.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_5a88ebde-428c-457f-9f01-2a0ee4eada02" xml:lang="de">Ouvertüre … aufführen – Am 21. Februar 1839 dirigierte Felix Mendelssohn Bartholdy im Gewandhauskonzert zugunsten der Armen eine Ouvertüre von Hiller aus dem Manuskript.</note> Meinen <title xml:id="title_084d3a64-2b3a-4da3-ac4a-d4fad408130f">Psalm<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109294" style="hidden" type="music">Il Signore è il mio pastore (Der Herr ist mein Hirte) (23. Psalm)</name></title> schicke ich Dir nicht – er ist zwar nicht schlecht aber auch nicht ächt – ich glaube das Mailänder Clima bekömmt ihm besser als das <placeName xml:id="placeName_cc776a67-d070-4c68-a73d-2127474e08c8">Berliner<settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> oder <placeName xml:id="placeName_a112aefd-c2e8-4138-b20c-f8ae815e7a27">Leipziger<settlement key="STM0100116" style="hidden" type="locality">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>. Ende Sommer hoffe ich Dir vielleicht etwas schicken zu können aber viel interessanter wäre es mir Deine neuen Sachen zu sehen als Dir meine mitzutheilen. Ich rathe Dir nicht zu mir Abschriften herzuschicken, aber wenn etwas davon gestochen worden, vergißt Du mich hoffentlich nicht. Zwischen <persName xml:id="persName_c9a565a2-4460-44be-ac1b-227e8997a3bd">Ricordi<name key="PSN0114178" style="hidden" type="person">Ricordi, Giovanni (Jean) (1785-1853)</name></persName> und <persName xml:id="persName_c20485c6-a462-4f5d-9c3e-9786a3ab71cb">Härtel<name key="PSN0111726" style="hidden" type="person">Härtel, Raymund (1810-1888)</name></persName> finden die ungestörtesten Bullenverbindungen statt – <hi rend="latintype">donc rien n’est plus facile</hi>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_600d8890-ac64-41b5-a91d-0405035428cf" xml:lang="fr ">donc rien n’est plus facile – frz., nichts ist einfacher als das.</note> um so mehr als ich wohl noch eine gute Weile in der <hi rend="latintype">Lombardei</hi> hausen werde, welche zwar der uninteressanteste, aber für meine Musiken bedeutendste Theil v. Italien ist –.</p> <p><seg type="pagebreak"> |2| <pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg>Also meine Korrespondenz Artikel über das hiesige Theaterwesen amusiren Dich? Desto besser, davon sollst Du zur Genüge bekommen. Erfreulich kann ich es eigentlich nicht nennen, aber lebendig ist es im höchsten Grade – und wenn man auch einen leisen Schauer empfindet unter einer Nation zu leben die den <title xml:id="title_aff41fb5-0ff6-4902-9151-f21e973cd930">Freischütz<name key="PSN0115645" style="hidden" type="author">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786–1826)</name><name key="CRT0111243" style="hidden" type="music">Der Freischütz op. 77 (WeV C. 7)</name></title> dunkel vom Hörensagen, von der <title xml:id="title_c7479a0e-a1a4-49f1-a4da-45aff92880de">Jessonda<name key="PSN0115032" style="hidden" type="author">Spohr, Louis (Ludewig) (1784–1859)</name><name key="CRT0110920" style="hidden" type="music">Jessonda WoO 53</name></title> aber nicht einmal den Namen kennt, so hat dies Genügen an der eigenen Individualität bei, wenn auch nicht der Qualität doch der Quantität nach, starken Bedürfnissen etwas Achtungswürdiges. Im März gab man noch eine neue <hi rend="latintype">Opera seria</hi> in der <placeName xml:id="placeName_6746ab33-f52c-4e57-8367-8e853881f661"><hi rend="latintype">Scala</hi>, v. <hi rend="latintype">Coccia</hi><name key="NST0104275" style="hidden" subtype="" type="institution">Teatro Coccia</name><settlement key="STM0104274" style="hidden" type="locality">Novara</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName>, einem der älteren hiesigen Komponisten, der in <placeName xml:id="placeName_2280a13d-cb42-49dc-95db-75f55427836a">Turin<settlement key="STM0104276" style="hidden" type="locality">Turin</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> angestellt ist. Es war eine Musik, sehr ordentlich geschrieben aber von der erstaunenswürdigsten Langweiligkeit – (eine Richtung die jetzt hier erschrecklich überhand nimmt) ein sehr schön fortgeführtes breites <hi rend="latintype">Adagio</hi> im ersten Finale war das einzige Stück was Anklang fand und verdiente. Die Oper konnte sich nicht halten und man gab darauf die <title xml:id="title_e861143b-c005-4325-b123-892c136e59b9">Semiramis von Rossini<name key="PSN0114299" style="hidden" type="author">Rossini, Gioachino Antonio (1792–1868)</name><name key="CRT0110588" style="hidden" type="music">Semiramide</name></title> zu dessen Werken als zu <hi n="1" rend="underline">klassischen Meisterwerken</hi>, man immer greift, wenn man mit den Neuen nicht fortkam –. Zur Wiedereröffnung der <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_0bb41989-4e08-494a-b508-3d73e9446afd">Scala<name key="NST0100751" style="hidden" subtype="" type="institution">Teatro alla Scala</name><settlement key="STM0100180" style="hidden" type="locality">Mailand</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName></hi> den <date cert="high" when="1838-04-15" xml:id="date_ef0b2512-c49f-4706-875d-589534e66eee">15<hi rend="superscript">n</hi></date> dieses, gab man <title xml:id="title_ab527d72-4988-43fc-b915-0063488bbbd1"><hi rend="latintype">Ida della Torre</hi><name key="PSN0119445" style="hidden" type="author">Nini, Alessandro (1805–1880)</name><name key="CRT0112134" style="hidden" type="music">Ida della Torre</name></title>, von einem <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_132eddbd-0ae9-4d26-93b2-3ba8392b27f8">Maestro Nini<name key="PSN0119445" style="hidden" type="person">Nini, Alessandro (1805-1880)</name></persName></hi>, der lange in Rußland gewesen und diese Oper letzten Herbst in <placeName xml:id="placeName_8f8f3fe8-a949-45e9-bac4-f48202e5b683">Venedig<settlement key="STM0100176" style="hidden" type="locality">Venedig</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> geschrieben. Die dortigen Journale hatten davon gewaltigen Lärm geschlagen und <hi rend="latintype">Nini</hi> ging seit einigen Monaten hier als großer Mann spazieren. Leider ist aber sein Machwerk nichts als ein <hi rend="latintype">compositum</hi> von schläfrigen Plattheiten – die Leute scheinen das zu fühlen und ohne ein Zeichen von Opposition schlich sich alles nach und nach leise fort – am Ende waren die <hi rend="latintype">Logen</hi> wie ausgestorben – ich habe nie etwas ähnliches erlebt. Hier studirt man <title xml:id="title_55bf303b-d84c-415b-9503-d1695c9c5eb9">Zelmira v. Rossini<name key="PSN0114299" style="hidden" type="author">Rossini, Gioachino Antonio (1792–1868)</name><name key="CRT0112135" style="hidden" type="music">Zelmira</name></title> ein –. Nächste Woche gibt man <gap quantity="1" reason="deletion" unit="words"></gap> im <placeName xml:id="placeName_d551213d-9cde-41f0-9c0e-e9d0ca41849d">Carcano<name key="NST0104277" style="hidden" subtype="" type="institution">Teatro Carcano</name><settlement key="STM0100180" style="hidden" type="locality">Mailand</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> eine <title xml:id="title_c644fc8c-5d9e-4a75-a75a-63ade0d4360c">Esmeralda<name key="PSN0119446" style="hidden" type="author">Mazzucato, Alberto (1813–1877)</name><name key="CRT0112136" style="hidden" type="music">Esmeralda</name></title> von <choice resp="editor" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_9dcc9d51-b22f-4c0b-906d-19551c123c82"> <sic resp="writer"><persName xml:id="persName_66cea2aa-b5ba-4a8a-8294-db29fad2471c">Mazzachati<name key="PSN0119446" style="hidden" type="person">Mazzucato, Alberto (1813-1877)</name></persName></sic> <corr resp="editor">Mazzuchati</corr> </choice> für <placeName xml:id="placeName_a35e75a4-f2a7-46c6-bef3-8630647de2eb">Mantua<settlement key="STM0104278" style="hidden" type="locality">Mantua</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName> geschrieben – ich bin begierig (oder vielmehr ich bin es nicht) wie ein Italiäner den <title xml:id="title_f5d72e3c-25cb-4d9c-b502-5c416c81c975"><hi rend="latintype">Claude <choice resp="editor" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_f15f2bd3-4098-409f-a2fb-5b835dc64d4a"> <sic resp="writer">Fullo</sic> <corr resp="editor">Frollo</corr> </choice></hi><name key="PSN0112135" style="hidden" type="author">Hugo, Victor Marie (1802–1885)</name><name key="CRT0109396" style="hidden" type="dramatic_work">La Esmeralda (Libretto)</name></title><hi rend="latintype"> <note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_06a244c9-17fe-4341-8484-e0d32e1f0659" xml:lang="de">Claude Fullo – Claude Frollo ist eine Figur aus Victor Hugos Libretto »La Esmeralda«. </note> </hi>wird singen lassen. – <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_d076331e-0958-4769-b4ad-3a545a393b81">Mercadente<name key="PSN0113273" style="hidden" type="person">Mercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795-1870)</name></persName></hi> hat mit seiner letzten <title xml:id="title_c54d62c0-5792-480b-978d-1e9394eb1f2c">Oper<name key="PSN0113273" style="hidden" type="author">Mercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795–1870)</name><name key="CRT0111978" style="hidden" type="music">Le due illustre rivali</name></title> in Venedig<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_07c1c1e2-9f04-476c-a835-950dc027ddf9" xml:lang="de">Die Uraufführung der Oper »Le due illustri rivali« war 1838 im Teatro La Fenice, Venedig.</note> großen <hi rend="latintype">succès</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_2748f67b-5a60-42b9-9d32-4c052aa2cda8" xml:lang="fr ">succès – frz., Erfolg.</note> gehabt – es soll tüchtige aber etwas schwerfällige Musik seyn, mit einigen vortrefflichen Stücken, was ich gern glaube, denn <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_d4882fa8-5c4e-4304-b3ac-ec4685df414f">Merc<name key="PSN0113273" style="hidden" type="person">Mercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795-1870)</name></persName></hi>. versteht seine Sache und ist wirklich ein Komponist –.<seg type="pagebreak"> |3| <pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg>Ich muß etwas aussprechen was mir gerade einfällt – ich habe mein Lebtag wenig über Gesangskunst gedacht – die Sänger gefielen oder gefielen mir nicht und ich begnügte mich mir über diese Eindrücke die allgemeinste Rechenschaft abzulegen. Nun habe ich in Italien noch keine ausgezeichnete Leistungen gehört, hingegen eine Masse Niederträchtigkeiten und nichts was sich mit <placeName xml:id="placeName_86cd906d-34b1-48bd-ba33-38c36ea4491c">Paris<settlement key="STM0100105" style="hidden" type="locality">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName> vergleichen läßt, und doch habe ich ein feineres Gefühl und besseres Urtheil über <hi n="1" rend="underline">Singen</hi> als solches, als früher und manches was ich voriges Jahr noch ruhig vorüberziehen ließ würde mir ganz unerträglich vorkommen. Dennoch habe ich hier weder viel mit Sängern verkehrt noch außerdem meine Aufmerksamkeit sonderlich darauf gerichtet – aber ich glaube in jedem Lande ist irgend ein Theil musikalischer (wie anderer Bildung) populär und hier ist es das Gesangswesen. Das Salongeplauder, die Äußerungen des <hi rend="latintype">Parterre</hi> haben mich, mir ganz unbewußt, auf vieles aufmerksam gemacht und mich über manches, ich muß es geradezu sagen, belehrt. Sollte das gewisse Etwas was Dich in Deutschland so anzieht (abgesehen von allem Möglichen) nicht einen ähnlichen Grund haben und darin zu suchen seyn daß in unserm Vaterlande die musikalische Bildung gerade nach der Seite <add place="above">hin<name key="PSN0112003" resp="writers_hand" style="hidden">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name></add> am verbreitesten ist, die Dir als die höchste erscheint?! Daß man in einem Tonstück eher viel zu viel als viel zu wenig sucht etc. etc.? – mir kömmt’s so vor –. Das führt mich auf zwei Leute, auf <hi rend="latintype">Dem. <persName xml:id="persName_ba6fcba7-1555-42a5-ae5a-89229a47dcae">Novello<name key="PSN0113621" style="hidden" type="person">Novello, Clara Anastasia (1818-1908)</name></persName></hi> und auf <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_efdf19d0-c773-4bbe-b4f3-9ac6e33f2cf7">Henselt<name key="PSN0111901" style="hidden" type="person">Henselt, Georg Martin Adolph (seit 1876) von (1814-1889)</name></persName></hi>. Erstre sang vor einigen Jahren in Paris <persName xml:id="persName_9b59a6b6-a52f-494b-8356-ca56932a95d5">Händel’sche<name key="PSN0111693" style="hidden" type="person">Händel, Georg Friedrich (1685-1759)</name></persName> <hi rend="latintype"><title xml:id="title_eded2a35-e45a-4f83-83f0-c60f37c87d03">Arien<name key="PSN0111693" style="hidden" type="author">Händel, Georg Friedrich (1685–1759)</name><name key="CRT0108953" style="hidden" type="music">Arie</name></title></hi> sehr schön, neuere Opernmusik ganz schlecht – <gap quantity="1" reason="deletion" unit="words"></gap> mag sie nun auch seitdem Fortschritte gemacht haben, so bin ich doch überzeugt man rieth ihr hier Singunterricht zu nehmen und auf’s Theater zu gehen, wenn sie nicht trotz ihres Leipzig-Berliner <hi rend="latintype">furore</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_4a6f8793-d869-4086-b53f-031ac300166f" xml:lang="de">Leipzig-Berliner furore – Clara Novello gastierte sie seit Herbst 1837 in acht Konzerten in Leipzig. Danach hielt sie sich von Mitte Januar bis Mitte Februar 1838 in Berlin auf und brillierte in mehreren Konzerten und Gesellschaften. </note> ganz spurlos vorübergehen will. Mit Konzertgeben darf sie gar nicht kommen, was mich übrigens nicht verhindern soll ihr möglichst den Hof zu machen – <hi rend="latintype">Henselt’s <title xml:id="title_5c56fd15-92d2-4818-8d64-09c3d98aae6e">Etüden<name key="PSN0111901" style="hidden" type="author">Henselt, Georg Martin Adolph (seit 1876) von (1814–1889)</name><name key="CRT0111946" style="hidden" type="music">Douze Études caractéristiques de Concert pour le Piano Op. 2</name><name key="PSN0111901" style="hidden" type="author">Henselt, Georg Martin Adolph (seit 1876) von (1814–1889)</name><name key="CRT0111945" style="hidden" type="music">Douze Études de Salon op. 5 (1838)</name></title></hi> habe ich vor einigen Tagen hier durchgespielt – bei welchem Wiener <hi rend="latintype">Confiseur</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_a2630d78-8c54-427c-97d0-949e626a1bfe" xml:lang="fr ">Confiseur – frz., Hersteller von Pralinen, Teegebäck u. a.</note> mag er die französischen <hi rend="latintype">Motto’s</hi> gefunden haben die zum poetischen Verständniß<seg type="pagebreak"> |4| <pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg>seiner Stücke nöthig sind? übrigens geben sie mir ein rechtes Bild des verückten Zustands der heutigen Klaviermusik – Schwierigkeiten die nicht einmal des Effekts halber sondern ästethisch um ihrer selbst willen da sind – die eigentlich den Hauptkern der Erfindung bidlen und dann doch durch eine mühselig darauf geschraubte Melodie in den Hintergrund gestellt und nebensächlich behandelt werden – so daß die Passage die Armuth der Melodie und letztere die Unerquicklichkeit der erstern bemäntelt und man wahrhaft sagen kann, eine Hand wäscht die andere. Das wollte ich nun alles noch auf sich beruhen lassen wenn nicht beinahe alle diese <hi rend="latintype">Etüden</hi> lediglich Paraphrasen von ein paar <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_550e337f-978e-4d0a-aefa-8a8e08377e43">Chopin<name key="PSN0110374" style="hidden" type="person">Chopin, Fryderyk Franciszek (Frédéric François) (1810-1849)</name></persName></hi>schen wären, meiner Meinung nach aber weit hinter ihren Vorbildern zurückbleiben. Daß <persName xml:id="persName_b516e8f6-f7b3-4789-938e-4448466dae95">H<name key="PSN0111901" style="hidden" type="person">Henselt, Georg Martin Adolph (seit 1876) von (1814-1889)</name></persName>. übrigens sehr gut spielt, davon bin ich überzeugt.</p> <p><persName xml:id="persName_2ae777a9-0ee6-4ffb-9257-2f69e9fb8c7b">Liszt<name key="PSN0112894" style="hidden" type="person">Liszt, Franz (Ferenc) (1811-1886)</name></persName> ist, wie Du wohl schon weißt, nach <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_d42fb5fb-a6c6-4b61-8ab2-ce959e210992">Wien<settlement key="STM0100145" style="hidden" type="locality">Wien</settlement><country style="hidden">Österreich</country></placeName></hi> gereist und hat dort zwei Konzerte, eines <hi rend="latintype">en bénefice de sa génerosité</hi>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_c2d62fb0-259b-4c5e-8294-9a893b6677ca" xml:lang="fr ">en bénefice de sa génerosité – frz., zugunsten seiner Großzügigkeit.</note> das zweite <hi rend="latintype">en ben. de sa bourse</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_22fd2d6f-6279-4098-8904-43570ee63f85" xml:lang="fr ">en bénefice de sa bourse – frz., zugunsten seines Geldbeutels.</note> gegeben – er muß <hi rend="latintype">furore</hi> gemacht haben – solche Oktaven haben die Wiener noch nicht erlebt. Wohl bekomm’s ihm! – <persName xml:id="persName_c6189c76-c334-4de1-8312-8b9da7627252">Rossini<name key="PSN0114299" style="hidden" type="person">Rossini, Gioachino Antonio (1792-1868)</name></persName> ist in <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_c35f78ba-4b7f-4ce1-bcde-df16e00dcca9">Bologna<settlement key="STM0103906" style="hidden" type="locality">Bologna</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName></hi>, <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_a23a2d2a-b8cb-450a-94f6-ff59bfdddd2a">Nourrit<name key="PSN0113618" style="hidden" type="person">Nourrit, Adolphe (1802-1839)</name></persName></hi> in <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_5b2709ec-d559-4e91-8150-5f713ce8abd9">Neapel<settlement key="STM0100178" style="hidden" type="locality">Neapel</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName></hi>, <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_c7d6c6f0-f751-4316-9d7a-ab222da77236">Pixis<name key="PSN0119218" style="hidden" type="person">Pixis, Friedrich Wilhelm (1785-1842)</name></persName></hi> in <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_6cdddcd5-d07e-4d4a-a12a-f04838f39a93">Piacenza<settlement key="STM0104279" style="hidden" type="locality">Piacenza</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName></hi> wo <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_87d45f37-ac98-4374-80f8-08efe93518e4">Francilla<name key="PSN0113893" style="hidden" type="person">Pixis, Francilla (eigtl. Franziska Helma Göhringer) (1816-1904)</name></persName></hi> als <hi rend="latintype">prima donna assoluta</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_74c0146f-fab9-4549-b063-f82e1c1b656a" xml:lang="it ">prima donna assoluta – ital., die wichtigste Sopranistin eines Ensembles.</note> eine Oper v. <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_673a892b-b61d-48ff-a3df-7bd80bbfafd2">Mercadente<name key="PSN0113273" style="hidden" type="person">Mercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795-1870)</name></persName></hi> und eine andere v. <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_7ba53c44-8f24-4950-b2f5-074819b5bc69">Bellini<name key="PSN0109793" style="hidden" type="person">Bellini, Giovanni (?-1516)</name></persName></hi> singt – Ich bin mithin allein hier noch übrig, indeß geht mir’s darum nicht schlechter – mein Flügel v. <persName xml:id="persName_f8953ff1-2347-40ba-ab0c-e93af518d4f0">Erard<name key="PSN0110926" style="hidden" type="person">Érard, Klavierfabrik in Paris und London</name></persName> ist angekommen und ich mache diesen Sommer vielleicht etwas Fingerübungen – es kömmt mir gar zu reizend vor, den Mailänderinnen Klavier vorzuspielen – sie sind <gap quantity="1" reason="deletion" unit="words"></gap> so hübsch, so hübsch – ich könnte meine tugendhaftesten Principien hier verlieren – Nun ist es Zeit zu schließen – ich erwarte Berliner Zustände und das bald – wirst Du Dich denn nicht an eine Oper machen?<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_81115451-3a96-4ff5-bcd5-4acb379e2c6a" xml:lang="de">eine Oper machen – Felix Mendelssohn Bartholdy trug sich bereits seit mehreren Jahren mit der Idee, eine Oper zu komponieren. Anfangs stand er in Verhandlungen mit Karl von Holtei über ein mögliches Opernlibretto (siehe z. B. Brief fmb-1836-12-04-01). Doch es kam zu keiner Zusammenarbeit. Noch im Juni 1837 schrieb Mendelssohn an seinen Freund Eduard Devrient: »Eine Wohnung und einen Operntext! Das ist jetzt mein Feldgeschrei« (Brief fmb-1837-06-02-01). Zu Beginn des Jahres 1838 lehnte er mehrere ihm zugesandte Opernlibretti ab, eine Zusammenarbeit mit James Robinson Planché scheiterte um die Jahreswende 1839/40.</note> </p> <p>Empfehle mich den Deinen aufs beste – Deinem Bruder <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_d452cfc5-80e8-4458-a664-f08f37209640">Paul<name key="PSN0113263" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name></persName></hi> meine herzlichsten Grüße – bessere Dich, bessere Dich! und bleibe <hi n="1" rend="underline">gut Deinem</hi> Deinigen – </p> <signed rend="right"><hi rend="latintype">Ferdinand Hiller</hi>.</signed> </div> </body> </text></TEI>