gb-1838-04-03-01
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Frankfurt a. M., 3. April 1838
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
1 Doppelbl.: S. 1-2 Brieftext; S. 3 leer; S. 4 Adresse, 1 Poststempel [FRANKFURT / ? APR / ?], Siegel.
Carl Gollmick
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
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DrFelix MendelssohnLeipzig.
frey.
Sie werden sich wohl wundern, ein Schreiben diesen Inhalts von mir zu erhalten, deshalb bevorworte ich dasselbe durch die Vorstellung, es in einer einsamen Stunde zu lesen. Ohne weitere Vorrede gehe ich als dann zur Sache über, und folge hiermit dem Zuge meines Herzens, und suche in wenig Worte eine Bitte zu fassen von deren Erfüllung in diesem Augenblick das Schicksal vieler Menschen abhängt.
Meine väterliche Familie, seit 20 Jahren größtentheils meiner Sorge anheim gestellt, befindet sich in Cölln und in diesem Moment, durch das Zusammentreffen allen möglichen Ungemachs in dem verzweiflungsvollsten Zustand. Mein alter Vater liegt krank darnieder, die schaamhafte Familie ist von aller Welt verlassen, wenn der Sohn in Francfurt nicht hilft. Aber diesesmal, und grade diesesmal bin ich selbst, die Folge unerwarteter ereignisse schwer empfindend nicht im Stande aus eigenen Mitteln die nöthige und schleunige Hülfe zu schaffen. Vertrauen Sie theurer Herr Mendelssohn dieser Versicherung in ihrem ganzen Umfange ohne die schwer auseinander zu setzenden Zergliederung der Ursachen meines gegenwärtigen Unvermögens, die hier ein solcher Schritt, auch bei den ersten Häusern gethan, meine Unabhängigkeit zumFreunde, die es im ächten Sinn des Wortes sind, und helfen würden, selbst unbemittelt, und Ries der einzige der helfen konnte und würde – raubt mir der Tod. In dieser Finsterniß der Noth erscheint mir Ihr Gedächtniß, mein verehrungswürdiger Herr und Freund, wie ein wahrer Stern. Ich folge diesem innern Zuge (erfüllt von der Ueberzeugung Ihres freundlichen Wohlwollens gegen mich, und von dem Gefühle eines Kunstverwandten genius durchdrungen) und ersuche Sie denn um den Vorschuß einer Summe von 10 – 12 Carol: So viel bedarf ich in diesem Augenblicke um eine verzweifelnde und liebe Familie vom Abgrunde zu retten. Ich selbst aber bekenne mich zu Ihrem Schuldner mit der heiligen Versicherung Ihnen diese Summe im Laufe dieses Sommers redlich und mit der tief empfundendsten Dankbarkeit zurück zu erstatten. Sie machen mich wahrhaft glücklich, wenn Sie mir Gelegenheit geben, meine verlassene Elterliche Familie, meinen alten kranken Vater zu unterstützen. Sie thun, ohne ein Opfer zu bringen, ein Gottgefälliges Werk, und Opfer gebührt mir dem Sohne. Zerstören Sie meinen ahnungsvollen Glauben an Ihren Edelmuth nicht. –
Dies ist nicht Zeit und Ort von Geschäften zu reden, aber vielleicht frische ich durch diesen Gegenstand den schon ausgesprochenen Wunsch in Ihnen wieder auf, mit mir als Dichter in eine künftige Relation zu treten. – Außer den Grenzen dieser Relation, wird meine Dankbarkeit Mittel zu ersinnen wissen, meine literarischen Kräfte und Einflüsse für einen Mann zu nutzen, welcher der Wohlthäter meiner Eltern, und mithin mein eigner geworden ist. Ihrer Antwort sehe ich mit klopfendem Herzen entgegen, und bin mit unbegrenzter Hochachtung
Carl Gollmick
Bitte um tiefes Stillschweigen!
Francfurtd:
3
/
4
N4.
oGeehrtester Herr und Freund. Sie werden sich wohl wundern, ein Schreiben diesen Inhalts von mir zu erhalten, deshalb bevorworte ich dasselbe durch die Vorstellung, es in einer einsamen Stunde zu lesen. Ohne weitere Vorrede gehe ich als dann zur Sache über, und folge hiermit dem Zuge meines Herzens, und suche in wenig Worte eine Bitte zu fassen von deren Erfüllung in diesem Augenblick das Schicksal vieler Menschen abhängt. Meine väterliche Familie, seit 20 Jahren größtentheils meiner Sorge anheim gestellt, befindet sich in Cölln und in diesem Moment, durch das Zusammentreffen allen möglichen Ungemachs in dem verzweiflungsvollsten Zustand. Mein alter Vater liegt krank darnieder, die schaamhafte Familie ist von aller Welt verlassen, wenn der Sohn in Francfurt nicht hilft. Aber diesesmal, und grade diesesmal bin ich selbst, die Folge unerwarteter ereignisse schwer empfindend nicht im Stande aus eigenen Mitteln die nöthige und schleunige Hülfe zu schaffen. Vertrauen Sie theurer Herr Mendelssohn dieser Versicherung in ihrem ganzen Umfange ohne die schwer auseinander zu setzenden Zergliederung der Ursachen meines gegenwärtigen Unvermögens, die Sie auch ohnehin nicht interessiren können, und darum der Menschenfreund nicht bedarf. – In dem Schritte den ich jezt thue, liegt ja ohnehin eine ganze Ueberzeugung, daß meine Verhältnisse mir keinen andern Schritt gestatten. Ich schwanke zwischen den Verpflichtungen gegen meine Eltern und denen, gegen meine eigene zahlreiche Familie – und da mich mein ganzes Gefühl mit allen Kräften hinreißt das zu thun was mir heilig ist, und so Noth thut, so suche ich beide Pflichten hierdurch im Einklange mit einander zu bringen. Meine bürgerliche Stellung verbietet mir mich vor jederman blos zu geben; auch weis ich recht wohl, welchem barbarischen Geldaristochratismus ich gegenüber stehe, und wie wenige Sinn für ein edles Zutrauen geben; ferner wie hier ein solcher Schritt, auch bei den ersten Häusern gethan, meine Unabhängigkeit zum Publikum zerreißen würde. Zudem sind meine Freunde, die es im ächten Sinn des Wortes sind, und helfen würden, selbst unbemittelt, und Ries der einzige der helfen konnte und würde – raubt mir der Tod. In dieser Finsterniß der Noth erscheint mir Ihr Gedächtniß, mein verehrungswürdiger Herr und Freund, wie ein wahrer Stern. Ich folge diesem innern Zuge (erfüllt von der Ueberzeugung Ihres freundlichen Wohlwollens gegen mich, und von dem Gefühle eines Kunstverwandten genius durchdrungen) und ersuche Sie denn um den Vorschuß einer Summe von 10 – 12 Carol: So viel bedarf ich in diesem Augenblicke um eine verzweifelnde und liebe Familie vom Abgrunde zu retten. Ich selbst aber bekenne mich zu Ihrem Schuldner mit der heiligen Versicherung Ihnen diese Summe im Laufe dieses Sommers redlich und mit der tief empfundendsten Dankbarkeit zurück zu erstatten. Sie machen mich wahrhaft glücklich, wenn Sie mir Gelegenheit geben, meine verlassene Elterliche Familie, meinen alten kranken Vater zu unterstützen. Sie thun, ohne ein Opfer zu bringen, ein Gottgefälliges Werk, und denn das Opfer gebührt mir dem Sohne. Zerstören Sie meinen ahnungsvollen Glauben an Ihren Edelmuth nicht. – Dies ist nicht Zeit und Ort von Geschäften zu reden, aber vielleicht frische ich durch diesen Gegenstand den schon ausgesprochenen Wunsch in Ihnen wieder auf, mit mir als Dichter in eine künftige Relation zu treten. – Außer den Grenzen dieser Relation, wird meine Dankbarkeit Mittel zu ersinnen wissen, meine literarischen Kräfte und Einflüsse für einen Mann zu nutzen, welcher der Wohlthäter meiner Eltern, und mithin mein eigner geworden ist. Ihrer Antwort sehe ich mit klopfendem Herzen entgegen, und bin mit unbegrenzter Hochachtung Ihr aufrichtig Ergeb: Freund Carl Gollmick Bitte um tiefes Stillschweigen! Francfurt d: 3/4 38. Große Gallenstraße No 4.
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Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1838-04-03" xml:id="date_873b2e12-f149-4188-a160-cac477c8a737">3. 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