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gb-1837-12-29-01

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Ferdinand Hiller an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig <lb></lb> Mailand, 26. und 29. Dezember 1837 Uebertrieben reizend finde ich Dich, lieber Felix, mir Korrespondenz-Pünktlichkeit anzuempfehlen und mich drei Monate lang auf eine Antwort warten zu lassen. Wenn Du mir das noch einmal anthust, schicke ich Dir einige Deiner trefflichen Phrasen Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) Felix Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Mailand; Leipzig, 9. Dezember 1837 Felix Mendelssohn Bartholdy und Cécile Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Mailand; Leipzig, 20. Januar 1838 Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885) Transkription: FMB-C Edition: Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

GroßbritannienOxfordGB-ObOxford, Bodleian LibraryMusic SectionM.D.M. c. 34, fol. 65-66.AutographFerdinand Hiller an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig; Mailand, 26. und 29. Dezember 1837Uebertrieben reizend finde ich Dich, lieber Felix, mir Korrespondenz-Pünktlichkeit anzuempfehlen und mich drei Monate lang auf eine Antwort warten zu lassen. Wenn Du mir das noch einmal anthust, schicke ich Dir einige Deiner trefflichen Phrasen

1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext.

Ferdinand Hiller

Green Books, GB-Ob, M.D.M. d. 32/173.

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

26. und 29. Dezember 1837 Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)counter-resetHiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885) Mailand Italien Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Leipzig Deutschland deutsch
Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885) Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885) Mailand den 26ten Dec. 37.

Uebertrieben reizend finde ich Dich, lieber Felix, mir Korrespondenz-Pünktlichkeit anzuempfehlen und mich drei Monate lang auf eine Antwort <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1837-09-01-03" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Innsbruck; London, 1. September 1837</name> warten zu lassen.drei Monate lang auf eine Antwort warten zu lassen – siehe Brief gb-1837-09-25-01 Ferdinand Hiller an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig, Innsbruck, 25. September 1837, und Brief gb-1837-11-20-01 Ferdinand Hiller an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig, Mailand, 20. November 1837. Wenn Du mir das noch einmal anthust, schicke ich Dir einige Deiner trefflichen Phrasen mit Frakturschrift auf eine Pergamentrolle gezeichnet, die magst Du Dir dann über Deinem Schreibetisch aufhängen und dann am bösen Gewissen leiden. Ueberhaupt bist Du viel zu glücklich – für einen großen deutschen Komponisten schickt sich das gar nicht (vollends wenn er in Deutschland lebt) und ist wider allen Brauch und Herkommen. Ich lasse das so hingehen, um Deiner schönen, lieben, guten CäcilieMendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853) willen, denn für die wäre mir’s wahhaft leid, wärest Du unzufrieden – und so schließe ich denn alle diese mürrischen Bemerkungen mit einem herzlichen Frankfurter Prosit Neujahr! und wünsche auf’s Jahr 1838 und auf alle folgenden, Dir und den Deinen soviel Glück und Freude als Ihr nur aus halten könnt.

Wie mir’s geht, willst Du wissen? Benone,Benone – ital., ziemlich gut. antworte ich Dir auf ächt mailändisch. Auf Corsia dei ServiMailandItalien habe ich eine allerliebste kleine Wohnung, im 3ten Stock, bestehend aus einem Vorzimmer, zwei Zimmerlein und einem Balkon, hübsch meublirt und überaus comfortable. Da wird nun gelesen, geschrieben, komponirt, gespielt – dahin kommt zuweilen RossiniRossini, Gioachino Antonio (1792-1868) und trinkt eine Tasse Kaffee mit mir, oder LisztLiszt, Franz (Ferenc) (1811-1886) schlägt mir das Klavier entzwei, oder Freund PixisPixis, Johann Peter (1788-1874) hat eine Kommission gemacht oder zu machen. Ueber diese Koryphäen der hiesigen musikalischen Welt muß ich Dir nun nähere Détails geben und fange, wie natürlich und schicklich mit mir selber an. Der hiesige Lebensschlendrian bekommt mir sehr gut und gibt mir eine Gemüthsruhe und Heiterkeit, wie ich sie noch selten empfunden. Es ist den Menschen hier im Allgemeinen um nichts zu thun als ihre Tage behaglich und lustig hinzubringen – kann er das und hat auch obendrein etwas Höheres im Sinn so ist man geborgen und kommt sich noch ganz respektabel vor. Hier ist keine Rede von jener Pariser Agitation wo man Ihn trinkt mit obligater Weltgeschichte und Klavier capriccios schreiben soll, inspiré par les discours de W. Thieroinspiré par les discours de W. Thiero – frz., inspiriert durch die Reden von W. Thiero. – eine komplete Windstille für welche die Haydt’schenHaydn, Franz Joseph (1732-1809) Pizzicato’s schon zu stark wären. Du mußt mir nun |2| unglücklicherweise zugestehen daß uns Musikern nichts erspießlicher seyn kann und wenn die italiänischen Komponisten nicht sehr schöne Sachen schreiben so ist es lediglich ihre Schuld. Mir bekommts, wie schon gesagt, sehr gut und ich habe Freude an mir und meiner Kunst. Mancherley habe ich schon geschrieben, wovon weiter unten mehr – indeß steure ich hauptsächlich direkt auf auf den italiänischen Maestro los und werde hoffentlich in wenig Tagen anfangen können mich in ein Libretto auf eine Zeitlang zu vergraben. Du siehst ich habe keine Zeit verloren das zu erlangen was ich wollte – ob ich daran überhaupt recht thue muß die Zeit lehren.

Rossini macht hier den Musikliebhaber und Direktor,Rossini macht hier den Musikliebhaber und Direktor – Von 1836 bis 1848 wirkte Gioachino Rossini in Bologna als Direktor des Musiklyzeums. Die Leitung der beiden Opernhäuser in Neapel, dem Teatro San Carlo und dem Teatro del Fondo, die er seit 1815 inne hatte, musste er 1830 aufgeben, da der französische König im Verlauf der Julirevolution abdankte. womit er zwar andere gesellschaftliche Zwecke verbindet, indeß bringt er doch etwas Leben in die hiesige musikalische Welt. Jeden Freitag Abend versammelt er bei sich die besten Liebhaber und Künstler und führt da z. Th. eine Auswahl seiner besten Sachen, oft deutsche Musiker auf. Unter den erstern, mir weniger bekanntern, hat mich ein Finale aus der donna del lago<name key="PSN0114299" style="hidden" type="author">Rossini, Gioachino Antonio (1792–1868)</name><name key="CRT0110577" style="hidden" type="music">La donna del lago</name> als großes Effektstück frappirt (ich glaube es könnte Dir in ein Konzert passen) unter letztern citire ich Dir die Schöpfung<name key="PSN0111789" style="hidden" type="author">Haydn, Franz Joseph (1732–1809)</name><name key="CRT0109080" style="hidden" type="music">Die Schöpfung Hob. XXI : 2</name>, das Finale aus Don Juan<name key="PSN0113466" style="hidden" type="author">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756–1791)</name><name key="CRT0110089" style="hidden" type="music">Don Giovanni KV 527</name> etc. Alles das geht sehr leidlich, z. Th. gut – ein paar Grafen Belgiojoso, die Sterne der hiesigen Dilettanti, singen wirklich vortrefflich, dann machen sich natürlich alle Sänger v. Orchester eine Ehre draus bei Rossini zu singen. Mir zeigt sich R.Rossini, Gioachino Antonio (1792-1868) wahrhaft freundschaftlich gefällig und nützlich und wenn er so fortfährt muß ich ihm sehr dankbar seyn. Da er mich bat etwas Kleines für seine Dilettanten zu komponiren, habe ich den Psalm „Der Herr ist mein Hirte“<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109294" style="hidden" type="music">Il Signore è il mio pastore (Der Herr ist mein Hirte) (23. Psalm)</name> italiänisch in Musik gesetzt, einige Chöre, Solis etc. – das Ganze mag über 20 Minuten dauern – Wir werden es vielleicht nächsten Freitag aufführen. Da höre ich Dich nun lachen: Daß Hiller für Rossini in Mailand italiänische Psalmen schreibt – qu’importe!qu’importe – frz., schon gut. es wird eines bezwecken daß man mich für einen Komponisten erklären wird; wollte ich mich als Klavierspieler hinstellen so wär ich halb verloren. – – – Ich meine als künftiger Opernkomponist, denn überdem würde es mir auch ganz unpassend vorkommen zu spielen, seitdem sich Liszt hat hier hören lassen. Er ist ein wunderbares Talent – und obschon es große Sensation erregt hat, so können sie ihn hier gar nicht begreifen |3| weil sie von der Instrumentalmusik eigentlich gar nichts verstehen und ihn seinen Stücke nicht genug chant italienchant italien – frz., Italienischer Gesang. (so nennt man hier Melodie) vorkommt. L.Liszt, Franz (Ferenc) (1811-1886) resumirt alles bisherige Klavirspiel – er macht was er will. An seinen Etuden<name key="PSN0112894" style="hidden" type="author">Liszt, Franz (Ferenc) (1811–1886)</name><name key="CRT0112290" style="hidden" type="music">Etüden</name> wird sich die Klavierspielende Welt schwach und matt arbeiten und wer weiß ob er nicht einige Schwindsüchtige auf seinem Gewissen haben wird. Ich muß hinzufügen, daß mehrer davon sehr großartig gedacht und gefühlt sind und daß er überhaupt auf dem Wege ist sich als Komponist zu finden. Da er eigentlich in ComoComoItalien wohnt, habe ich ihn seit Deinem Briefe <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1837-09-01-03" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Innsbruck; London, 1. September 1837</name> nicht gesehen – er wird sich gewiß sehr freuen zu hören daß Du seiner freundlich gedenkst.

Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885) Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885) den 29ten

PixisPixis, Johann Peter (1788-1874) bleibt noch abzumachen – er ist, wie Du Dir wohl denken kannst, nur seiner Franzilla wegen hier und war ziemlich verdrießlich als letztere bei Annäherung des Carnevals noch keine scritturascrittura – ital., Schreiben. erhalten hatte. Nun hat sich aber die Sache auf’s Beste gewendet denn sie ist vorige Woche hier für die Scala engagirt worden was für eine junge Sängerin in Italien bei weitem das nobelste Auftreten ist – ich wünsche mir herzlich es möge ihr alles aufs Beste gelingen, denn sie ist trotz ihrer Kunstreisen durch Italien DeutschlandHiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885) ein gutes unverdorbenes Kind geblieben und ihr Talent sagt mir sehr zu. Eine natürliche Ideenassocation bringt mich hier auf Clara NovelloNovello, Clara Anastasia (1818-1908). Es war ein Meisterstreich von Dir sie nach Leipzig zu bringen und die Sachsen in Fanatismus zu treiben – aber es wird Dir schlecht gehen wenn Du sie wirst remplacirenremplaciren – ersetzen. müssen. Empfehle mich Bestens der MutterNovello, Mary Sabilla (1787-1854) und TochterNovello, Clara Anastasia (1818-1908) bekannter Weise, die übrigen auf andre Art. Wann werden sie eigentlich nach Italien kommen und wohin werden sie gehen und wo werden sie bleiben?

Gestern Abend war die Eröffnung der ScalaTeatro alla ScalaMailandItalien für die Carnevals-Saison. Ein so ungeheures Haus, vollgestopft bis in die engsten Winkel bildet doch einen imposanten Anblick. Man gab die letzte Carnevals Oper vom |4| vorigen Jahr, <hi rend="latintype">il giuramento</hi>, v. <hi rend="latintype">Mercadante</hi><name key="PSN0113273" style="hidden" type="author">Mercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795–1870)</name><name key="CRT0109959" style="hidden" type="music">Il giuramento</name>, nach dem ersten Akt ein großes Ballet, und am Ende des 3ten ein kleines – und 7 Uhr fing die Wirthschaft an und um halb eins ging man nach Hause. Die Oper<name key="PSN0113273" style="hidden" type="author">Mercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795–1870)</name><name key="CRT0109959" style="hidden" type="music">Il giuramento</name> die ganz tüchtig geschrieben ist, hat nicht genug faßliche Melodien für die Leute hier – mir ist sie nicht neu genug, aber die guten Intentionen des Komponisten sind unverkennbar. Sie hatte, was die Franzosen einen succés d’éstimesuccés d’éstime – frz., Erfolgsgeschichte. nennen würden. Das große Ballet wurde mit dem größten Rechte ausgelacht und ausgepfiffen (das war mein Hauptspaß) – das kleine gefiel. Für die Scala diesen Winter schreiben CocciaCoccia, Carlo (1782-1873), RicciRicci, Federico (1809-1877) und SchoberlechnerSchoberlechner, Franz de Paula Jakob (1797-1843) (der Pianist und Gatte der prima donnaSchoberlechner, Sophie (1807-1863) die sehr gut und kräftig singt) neue Opern für TurinTurinItalien Bacceri, für VenedigVenedigItalien DonizettiDonizetti, Domenico Gaetano Maria (1797-1848) und MercadanteMercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795-1870) etc. etc. – das alles zusammen bildet doch ein sehr lebendiges Theatertreiben und es würde mit unsrer deutschen Oper ganz anders aussehen wenn gute bedeutende Theater jährlich nur eine neue Oper bei einem deutschen Komponisten bestellten aber die Courage hat man nicht. Und das Publikum hat am Ende jetzt kaum Muth genug eine solche einheimische Oper hübsch oder langweilig zu finden. –

Vom alten CherubiniCherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842) erhielt ich vor kurzem einen sehr lieben Brief worin er mir unter anderen schreibt: quant à moi je me porte très bien. Je viens dache par un’ 6ième quartuor et un quintetto. Cela m’occupe er m’amuse, car j’y mets le moindre prétention.quant à moi je me porte très bien. Je viens dache par un’ 6ième quartuor et un quintetto. Cela m’occupe er m’amuse, car j’y mets le moindre prétention – frz., Mir geht es sehr gut. Ich habe gerade ein sechstes Quartett und ein Quintett geschrieben. Das beschäftigt mich und macht mir Spaß, denn ich habe nicht den geringsten Anspruch darauf. Ein merkwürdiger Greis!

Es ist mir sehr ärgerlich daß man aus Versehen, meine alte schlechte Simphonie zu FetisFétis, François-Joseph (1784-1871) aus ParisParisFrankreich geschickt hat. Thue mir den FreundschaftsDienst sie dem SchumannSchumann, Robert Alexander (1810-1856) zu übergeben, denn sie soll und darf nicht in gebildeten Händen bleiben! Sey so gut und laß auch meine <hi rend="latintype">Fer<del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_7d172a65-e942-43b9-b5a2-8001601f63de">di</del>nando</hi> Ouvertüre<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109285" style="hidden" type="music">Ouvertüre d-Moll, op. 32 (urspr.: Ouvertüre zum alten Drama »Fernando«)</name> noch einmal spielenlaß auch meine Fernando Ouvertüre noch einmal spielen – Ferdinand Hillers Ouvertüre d-Moll, op. 32, wurde am 19. Januar 1837 im 13. Abonnementkonzert uraufgeführt. mit den Abkürzungen und schreibe mir wie sie Dir jetzt gefällt – sie ist nun einmal mein Lieblingsstück. – Und nun schließe ich über Hals und Kopf sonst ist kein Ende abzusehen – DavidDavid, Ernst Victor Carl Ferdinand (1810-1873) und seiner FrauDavid, Sophie Wilhelmine (1807-1893) meinen besten Grüße. Auch SchumannSchumann, Robert Alexander (1810-1856) bitte ich mich zu empfehlen. Dein Ferdinand

|1| Meine herzlichsten Grüße Deiner lieben FrauMendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853). Da Du selbst eingestehst die ihrigen nicht gehörig lieblich ausrichten zu können, so dächte ich Du überließest ein anderes Mal ihr selbst diese Madame infinementinfinement – frz., unendlich. !!Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)

            Mailand den 26ten Dec. 37. Uebertrieben reizend finde ich Dich, lieber Felix, mir Korrespondenz-Pünktlichkeit anzuempfehlen und mich drei Monate lang auf eine Antwort warten zu lassen. Wenn Du mir das noch einmal anthust, schicke ich Dir einige Deiner trefflichen Phrasen mit Frakturschrift auf eine Pergamentrolle gezeichnet, die magst Du Dir dann über Deinem Schreibetisch aufhängen und dann am bösen Gewissen leiden. Ueberhaupt bist Du viel zu glücklich – für einen großen deutschen Komponisten schickt sich das gar nicht (vollends wenn er in Deutschland lebt) und ist wider allen Brauch und Herkommen. Ich lasse das so hingehen, um Deiner schönen, lieben, guten Cäcilie willen, denn für die wäre mir’s wahhaft leid, wärest Du unzufrieden – und so schließe ich denn alle diese mürrischen Bemerkungen mit einem herzlichen Frankfurter Prosit Neujahr! und wünsche auf’s Jahr 1838 und auf alle folgenden, Dir und den Deinen soviel Glück und Freude als Ihr nur aus halten könnt.
Wie mir’s geht, willst Du wissen? Benone, antworte ich Dir auf ächt mailändisch. Auf Corsia dei Servi habe ich eine allerliebste kleine Wohnung, im 3ten Stock, bestehend aus einem Vorzimmer, zwei Zimmerlein und einem Balkon, hübsch meublirt und überaus comfortable. Da wird nun gelesen, geschrieben, komponirt, gespielt – dahin kommt zuweilen Rossini und trinkt eine Tasse Kaffee mit mir, oder Liszt schlägt mir das Klavier entzwei, oder Freund Pixis hat eine Kommission gemacht oder zu machen. Ueber diese Koryphäen der hiesigen musikalischen Welt muß ich Dir nun nähere Détails geben und fange, wie natürlich und schicklich mit mir selber an. Der hiesige Lebensschlendrian bekommt mir sehr gut und gibt mir eine Gemüthsruhe und Heiterkeit, wie ich sie noch selten empfunden. Es ist den Menschen hier im Allgemeinen um nichts zu thun als ihre Tage behaglich und lustig hinzubringen – kann er das und hat auch obendrein etwas Höheres im Sinn so ist man geborgen und kommt sich noch ganz respektabel vor. Hier ist keine Rede von jener Pariser Agitation wo man Ihn trinkt mit obligater Weltgeschichte und Klavier capriccios schreiben soll, inspiré par les discours de W. Thiero – eine komplete Windstille für welche die Haydt’schen Pizzicato’s schon zu stark wären. Du mußt mir nun unglücklicherweise zugestehen daß uns Musikern nichts erspießlicher seyn kann und wenn die italiänischen Komponisten nicht sehr schöne Sachen schreiben so ist es lediglich ihre Schuld. Mir bekommts, wie schon gesagt, sehr gut und ich habe Freude an mir und meiner Kunst. Mancherley habe ich schon geschrieben, wovon weiter unten mehr – indeß steure ich hauptsächlich direkt auf auf den italiänischen Maestro los und werde hoffentlich in wenig Tagen anfangen können mich in ein Libretto auf eine Zeitlang zu vergraben. Du siehst ich habe keine Zeit verloren das zu erlangen was ich wollte – ob ich daran überhaupt recht thue muß die Zeit lehren.
Rossini macht hier den Musikliebhaber und Direktor, womit er zwar andere gesellschaftliche Zwecke verbindet, indeß bringt er doch etwas Leben in die hiesige musikalische Welt. Jeden Freitag Abend versammelt er bei sich die besten Liebhaber und Künstler und führt da z. Th. eine Auswahl seiner besten Sachen, oft deutsche Musiker auf. Unter den erstern, mir weniger bekanntern, hat mich ein Finale aus der donna del lago als großes Effektstück frappirt (ich glaube es könnte Dir in ein Konzert passen) unter letztern citire ich Dir die Schöpfung, das Finale aus Don Juan etc. Alles das geht sehr leidlich, z. Th. gut – ein paar Grafen Belgiojoso, die Sterne der hiesigen Dilettanti, singen wirklich vortrefflich, dann machen sich natürlich alle Sänger v. Orchester eine Ehre draus bei Rossini zu singen. Mir zeigt sich R. wahrhaft freundschaftlich gefällig und nützlich und wenn er so fortfährt muß ich ihm sehr dankbar seyn. Da er mich bat etwas Kleines für seine Dilettanten zu komponiren, habe ich den Psalm „Der Herr ist mein Hirte“ italiänisch in Musik gesetzt, einige Chöre, Solis etc. – das Ganze mag über 20 Minuten dauern – Wir werden es vielleicht nächsten Freitag aufführen. Da höre ich Dich nun lachen: Daß Hiller für Rossini in Mailand italiänische Psalmen schreibt – qu’importe! es wird eines bezwecken daß man mich für einen Komponisten erklären wird; wollte ich mich als Klavierspieler hinstellen so wär ich halb verloren. – – – Ich meine als künftiger Opernkomponist, denn überdem würde es mir auch ganz unpassend vorkommen zu spielen, seitdem sich Liszt hat hier hören lassen. Er ist ein wunderbares Talent – und obschon es große Sensation erregt hat, so können sie ihn hier gar nicht begreifen weil sie von der Instrumentalmusik eigentlich gar nichts verstehen und ihn seinen Stücke nicht genug chant italien (so nennt man hier Melodie) vorkommt. L. resumirt alles bisherige Klavirspiel – er macht was er will. An seinen Etuden wird sich die Klavierspielende Welt schwach und matt arbeiten und wer weiß ob er nicht einige Schwindsüchtige auf seinem Gewissen haben wird. Ich muß hinzufügen, daß mehrer davon sehr großartig gedacht und gefühlt sind und daß er überhaupt auf dem Wege ist sich als Komponist zu finden. Da er eigentlich in Como wohnt, habe ich ihn seit Deinem Briefe nicht gesehen – er wird sich gewiß sehr freuen zu hören daß Du seiner freundlich gedenkst.
den 29ten Pixis bleibt noch abzumachen – er ist, wie Du Dir wohl denken kannst, nur seiner Franzilla wegen hier und war ziemlich verdrießlich als letztere bei Annäherung des Carnevals noch keine scrittura erhalten hatte. Nun hat sich aber die Sache auf’s Beste gewendet denn sie ist vorige Woche hier für die Scala engagirt worden was für eine junge Sängerin in Italien bei weitem das nobelste Auftreten ist – ich wünsche mir herzlich es möge ihr alles aufs Beste gelingen, denn sie ist trotz ihrer Kunstreisen durch Italien Deutschland ein gutes unverdorbenes Kind geblieben und ihr Talent sagt mir sehr zu. Eine natürliche Ideenassocation bringt mich hier auf Clara Novello. Es war ein Meisterstreich von Dir sie nach Leipzig zu bringen und die Sachsen in Fanatismus zu treiben – aber es wird Dir schlecht gehen wenn Du sie wirst remplaciren müssen. Empfehle mich Bestens der Mutter und Tochter bekannter Weise, die übrigen auf andre Art. Wann werden sie eigentlich nach Italien kommen und wohin werden sie gehen und wo werden sie bleiben?
Gestern Abend war die Eröffnung der Scala für die Carnevals-Saison. Ein so ungeheures Haus, vollgestopft bis in die engsten Winkel bildet doch einen imposanten Anblick. Man gab die letzte Carnevals Oper vom vorigen Jahr, il giuramento, v. Mercadante, nach dem ersten Akt ein großes Ballet, und am Ende des 3ten ein kleines – und 7 Uhr fing die Wirthschaft an und um halb eins ging man nach Hause. Die Oper die ganz tüchtig geschrieben ist, hat nicht genug faßliche Melodien für die Leute hier – mir ist sie nicht neu genug, aber die guten Intentionen des Komponisten sind unverkennbar. Sie hatte, was die Franzosen einen succés d’éstime nennen würden. Das große Ballet wurde mit dem größten Rechte ausgelacht und ausgepfiffen (das war mein Hauptspaß) – das kleine gefiel. Für die Scala diesen Winter schreiben Coccia, Ricci und Schoberlechner (der Pianist und Gatte der prima donna die sehr gut und kräftig singt) neue Opern für Turin Bacceri, für Venedig Donizetti und Mercadante etc. etc. – das alles zusammen bildet doch ein sehr lebendiges Theatertreiben und es würde mit unsrer deutschen Oper ganz anders aussehen wenn gute bedeutende Theater jährlich nur eine neue Oper bei einem deutschen Komponisten bestellten aber die Courage hat man nicht. Und das Publikum hat am Ende jetzt kaum Muth genug eine solche einheimische Oper hübsch oder langweilig zu finden. –
Vom alten Cherubini erhielt ich vor kurzem einen sehr lieben Brief worin er mir unter anderen schreibt: quant à moi je me porte très bien. Je viens dache par un’ 6ième quartuor et un quintetto. Cela m’occupe er m’amuse, car j’y mets le moindre prétention. Ein merkwürdiger Greis!
Es ist mir sehr ärgerlich daß man aus Versehen, meine alte schlechte Simphonie zu Fetis aus Paris geschickt hat. Thue mir den FreundschaftsDienst sie dem Schumann zu übergeben, denn sie soll und darf nicht in gebildeten Händen bleiben! Sey so gut und laß auch meine Ferdinando Ouvertüre noch einmal spielen mit den Abkürzungen und schreibe mir wie sie Dir jetzt gefällt – sie ist nun einmal mein Lieblingsstück. – Und nun schließe ich über Hals und Kopf sonst ist kein Ende abzusehen – David und seiner Frau meinen besten Grüße. Auch Schumann bitte ich mich zu empfehlen. Dein Ferdinand
 Meine herzlichsten Grüße Deiner lieben Frau. Da Du selbst eingestehst die ihrigen nicht gehörig lieblich ausrichten zu können, so dächte ich Du überließest ein anderes Mal ihr selbst diese Madame infinement !!          
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Januar 1838</title> <author key="PSN0112003">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0112003" resp="writer">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">  </name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName xml:id="placeName_b861648f-b18e-4798-8420-b36389db40bc"> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript" xml:id="sourceDesc_8679c12b-995e-4474-8dce-21e363e7fce1"> <msDesc><msIdentifier><country>Großbritannien</country><settlement>Oxford</settlement><institution key="RISM">GB-Ob</institution><repository>Oxford, Bodleian Library</repository><collection>Music Section</collection><idno type="signatur">M.D.M. c. 34, fol. 65-66.</idno></msIdentifier><msContents><msItem><idno type="autograph">Autograph</idno><title key="gb-1837-12-29-01" type="letter" xml:id="title_c050fd4d-b227-46ca-a98c-80d8bccbade8">Ferdinand Hiller an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig; Mailand, 26. und 29. Dezember 1837</title><incipit>Uebertrieben reizend finde ich Dich, lieber Felix, mir Korrespondenz-Pünktlichkeit anzuempfehlen und mich drei Monate lang auf eine Antwort warten zu lassen. Wenn Du mir das noch einmal anthust, schicke ich Dir einige Deiner trefflichen Phrasen</incipit></msItem></msContents><physDesc><p>1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext.</p><handDesc hands="1"><p>Ferdinand Hiller</p></handDesc><accMat><listBibl><bibl type="none"></bibl></listBibl></accMat></physDesc><history><provenance> <p>Green Books, GB-Ob, M.D.M. d. 32/173.</p> </provenance></history></msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1837-12-26" xml:id="date_4dbbb23d-866b-429e-a0c3-6768db6a76ec">26.</date> und <date cert="high" when="1837-12-29" xml:id="date_74ee4944-ee9b-4ceb-b288-bb14acb32af7">29. Dezember 1837</date> </creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0112003" resp="author" xml:id="persName_4679dfd9-964e-47f5-b8d3-76aecc177fc3">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811-1885)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0112003" resp="writer">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_4606f6e5-26f2-47e2-ae2b-b6f5770f2095"> <settlement key="STM0100180">Mailand</settlement> <country>Italien</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_198b66e9-7dd9-49e1-a623-3b024eba453f">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_7c0928f3-4565-4fe8-a65d-5295e5d84721"> <settlement key="STM0100116">Leipzig</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_6ed50f4c-5510-4f32-8074-b852a1cee59a"> <docAuthor key="PSN0112003" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_188dff98-0505-4551-bc7c-5d2ecc60180f">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112003" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_c0ff1108-0d38-44a6-a2c0-4f8ee3ac3d01">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</docAuthor> <dateline rend="center"><hi rend="latintype">Mailand</hi> den <date cert="high" when="1837-12-26" xml:id="date_e00ed42b-8b77-4b43-b5c3-2ea4a50b3875">26<hi rend="superscript">ten</hi> <hi rend="latintype">Dec</hi>. 37.</date></dateline> <p style="paragraph_without_indent"><hi n="1" rend="underline">Uebertrieben</hi> reizend finde ich Dich, lieber <hi rend="latintype">Felix</hi>, mir Korrespondenz-Pünktlichkeit anzuempfehlen und mich drei Monate lang auf eine <title xml:id="title_a7f53943-e5a0-4945-8539-5325978a8c3f">Antwort <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1837-09-01-03" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Innsbruck; London, 1. September 1837</name> </title> warten zu lassen.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_ea746128-b51b-4222-a572-e227695c2f57" xml:lang="de">drei Monate lang auf eine Antwort warten zu lassen – siehe Brief gb-1837-09-25-01 Ferdinand Hiller an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig, Innsbruck, 25. September 1837, und Brief gb-1837-11-20-01 Ferdinand Hiller an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig, Mailand, 20. November 1837.</note> Wenn Du mir das noch einmal anthust, schicke ich Dir einige Deiner trefflichen Phrasen mit Frakturschrift auf eine Pergamentrolle gezeichnet, die magst Du Dir <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_a31685b2-9b20-43ed-aad8-73ae27094a68">dann</del> über Deinem Schreibetisch aufhängen und dann am bösen Gewissen leiden. Ueberhaupt bist Du viel zu glücklich – für einen großen deutschen Komponisten schickt sich das gar nicht (vollends wenn er in Deutschland lebt) und ist wider allen Brauch und Herkommen. Ich lasse das so hingehen, um Deiner schönen, lieben, guten <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_6f558c7a-bf60-4e14-9c78-acfec313ff02">Cäcilie<name key="PSN0113252" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName></hi> willen, denn für die wäre mir’s wahhaft leid, wärest Du unzufrieden – und so schließe ich denn alle diese mürrischen Bemerkungen mit einem herzlichen Frankfurter Prosit Neujahr! und wünsche auf’s Jahr 18<hi n="1" rend="underline">38</hi> und auf alle folgenden, Dir und den <hi n="1" rend="underline">Deinen</hi> soviel Glück und Freude als Ihr nur aus halten könnt.</p> <p>Wie mir’s geht, willst Du wissen? <hi rend="latintype">Benone</hi>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_02eb8fb5-51f0-44bf-9b61-601f97429d4e" xml:lang="it ">Benone – ital., ziemlich gut.</note> antworte ich Dir auf ächt mailändisch. Auf <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_86c77d25-37fd-4140-9631-c7eeb5f2d535">Corsia dei Servi<settlement key="STM0100180" style="hidden" type="locality">Mailand</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName></hi> habe ich eine allerliebste kleine Wohnung, im 3<hi rend="superscript">ten</hi> Stock, bestehend aus einem Vorzimmer, zwei Zimmerlein und einem <hi n="1" rend="underline">Balkon</hi>, hübsch <hi rend="latintype">meublirt</hi> und überaus <hi rend="latintype">comfortable</hi>. Da wird nun gelesen, geschrieben, komponirt, gespielt – dahin kommt zuweilen <persName xml:id="persName_d0888ce4-2195-4168-bd8e-d37995b86dd1">Rossini<name key="PSN0114299" style="hidden" type="person">Rossini, Gioachino Antonio (1792-1868)</name></persName> und trinkt eine Tasse Kaffee mit mir, oder <persName xml:id="persName_1188f20c-4984-4dc5-bda3-23b1e368a5e8">Liszt<name key="PSN0112894" style="hidden" type="person">Liszt, Franz (Ferenc) (1811-1886)</name></persName> schlägt mir das Klavier entzwei, oder Freund <persName xml:id="persName_57fae326-b37a-47b4-b888-02b3c391b8c5">Pixis<name key="PSN0113894" style="hidden" type="person">Pixis, Johann Peter (1788-1874)</name></persName> hat eine Kommission gemacht oder zu machen. Ueber diese Koryphäen der hiesigen musikalischen Welt muß ich Dir nun nähere <hi rend="latintype">Détails</hi> geben und fange, wie natürlich und schicklich mit mir selber an. Der hiesige Lebensschlendrian bekommt mir sehr gut und gibt mir eine Gemüthsruhe und Heiterkeit, wie ich sie noch selten empfunden. Es ist den Menschen hier im Allgemeinen um nichts zu thun als ihre Tage behaglich und lustig hinzubringen – kann er das und hat auch obendrein etwas Höheres im Sinn so ist man geborgen und kommt sich noch ganz respektabel vor. Hier ist keine Rede von jener Pariser <hi rend="latintype">Agitation</hi> wo man Ihn trinkt mit obligater Weltgeschichte und Klavier <hi rend="latintype">capriccios</hi> schreiben soll, <hi rend="latintype">inspiré par les discours de W. Thiero</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_8844c479-7cb8-4ca2-b6bb-5f3e003981f7" xml:lang="fr ">inspiré par les discours de W. Thiero – frz., inspiriert durch die Reden von W. Thiero.</note> – eine komplete Windstille für welche die <persName xml:id="persName_7167880f-c487-4e08-bb1b-1104018b11b1">Haydt’schen<name key="PSN0111789" style="hidden" type="person">Haydn, Franz Joseph (1732-1809)</name></persName> <hi rend="latintype">Pizzicato’s</hi> schon zu stark wären. Du mußt mir nun<seg type="pagebreak"> |2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> unglücklicherweise zugestehen daß uns Musikern nichts erspießlicher seyn kann und wenn die italiänischen Komponisten nicht sehr schöne Sachen schreiben so ist es lediglich ihre Schuld. Mir bekommts, wie schon gesagt, sehr gut und ich habe Freude an mir und meiner Kunst. Mancherley habe ich schon geschrieben, wovon weiter unten mehr – indeß steure ich hauptsächlich direkt auf auf den italiänischen <hi rend="latintype">Maestro</hi> los und werde hoffentlich in wenig Tagen anfangen können mich in ein <hi rend="latintype">Libretto</hi> auf eine Zeitlang zu vergraben. Du siehst ich habe keine Zeit verloren das zu erlangen was ich wollte – ob ich daran überhaupt recht thue muß die Zeit lehren.</p> <p>Rossini macht hier den Musikliebhaber und Direktor,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_f566b484-47ca-4b87-b0f0-5b36668f776f" xml:lang="de">Rossini macht hier den Musikliebhaber und Direktor – Von 1836 bis 1848 wirkte Gioachino Rossini in Bologna als Direktor des Musiklyzeums. Die Leitung der beiden Opernhäuser in Neapel, dem Teatro San Carlo und dem Teatro del Fondo, die er seit 1815 inne hatte, musste er 1830 aufgeben, da der französische König im Verlauf der Julirevolution abdankte. </note> womit er zwar andere gesellschaftliche Zwecke verbindet, indeß bringt er doch etwas Leben in die hiesige musikalische Welt. Jeden Freitag Abend versammelt er bei sich die besten Liebhaber und Künstler und führt da z. Th. eine Auswahl seiner besten Sachen, oft deutsche Musiker auf. Unter den erstern, mir weniger bekanntern, hat mich ein Finale aus der <hi rend="latintype"><title xml:id="title_cc51f769-c6ed-40dc-8111-df2494609161">donna del lago<name key="PSN0114299" style="hidden" type="author">Rossini, Gioachino Antonio (1792–1868)</name><name key="CRT0110577" style="hidden" type="music">La donna del lago</name></title></hi> als großes Effektstück frappirt (ich glaube es könnte Dir in ein Konzert passen) unter letztern citire ich Dir <title xml:id="title_572b123e-9652-4cfe-aeb6-984ae583358a">die Schöpfung<name key="PSN0111789" style="hidden" type="author">Haydn, Franz Joseph (1732–1809)</name><name key="CRT0109080" style="hidden" type="music">Die Schöpfung Hob. XXI : 2</name></title>, das Finale aus <hi rend="latintype"><title xml:id="title_755a86c9-969c-4504-8385-9dade0b19d12">Don Juan<name key="PSN0113466" style="hidden" type="author">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756–1791)</name><name key="CRT0110089" style="hidden" type="music">Don Giovanni KV 527</name></title></hi> etc. Alles das geht sehr leidlich, z. Th. gut – ein paar Grafen Belgiojoso, die Sterne der hiesigen <hi rend="latintype">Dilettanti</hi>, singen wirklich vortrefflich, dann machen sich natürlich alle Sänger v. Orchester eine Ehre draus bei Rossini zu singen. Mir zeigt sich <persName xml:id="persName_a99ce855-ec40-4a0c-b7be-ea1d5556ec18">R.<name key="PSN0114299" style="hidden" type="person">Rossini, Gioachino Antonio (1792-1868)</name></persName> wahrhaft freundschaftlich gefällig und nützlich und wenn er so fortfährt muß ich ihm sehr dankbar seyn. Da er mich bat etwas Kleines für seine <hi rend="latintype">Dilettanten</hi> zu komponiren, habe ich den <title xml:id="title_e1b6f2c8-84ec-4d3e-b1b1-78993d62656e">Psalm „Der Herr ist mein Hirte“<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109294" style="hidden" type="music">Il Signore è il mio pastore (Der Herr ist mein Hirte) (23. Psalm)</name></title> italiänisch in Musik gesetzt, einige Chöre, Solis etc. – das Ganze mag über 20 Minuten dauern – Wir werden es vielleicht nächsten Freitag aufführen. Da höre ich Dich nun lachen: Daß <hi n="1" rend="underline">Hiller</hi> für <hi n="1" rend="underline">Rossini</hi> in <hi n="1" rend="underline">Mailand italiänische Psalmen</hi> schreibt – <hi rend="latintype">qu’importe</hi>!<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_e84c0295-1d3a-4ef8-aac0-3e12e15a73b5" xml:lang="it ">qu’importe – frz., schon gut.</note> es wird eines bezwecken daß man mich für einen Komponisten erklären wird; wollte ich mich als Klavierspieler hinstellen so wär ich halb verloren. – – – Ich meine als künftiger Opernkomponist, denn überdem würde es mir auch ganz unpassend vorkommen zu spielen, seitdem sich Liszt hat hier hören lassen. Er ist ein wunderbares Talent – und obschon es große Sensation erregt hat, so können sie ihn hier gar nicht begreifen<seg type="pagebreak"> |3|<pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg> weil sie von der Instrumentalmusik eigentlich <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_7cd34f4b-5789-4b21-8f4b-526d67a05bd8">gar</del> nichts verstehen und ihn seinen Stücke nicht genug <hi rend="latintype">chant italien</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_e5dbe500-f624-455c-ba7a-488768c8b209" xml:lang="it ">chant italien – frz., Italienischer Gesang.</note> (so nennt man hier Melodie) vorkommt. <persName xml:id="persName_1b2d7736-6aac-4043-a605-807f78863200">L.<name key="PSN0112894" style="hidden" type="person">Liszt, Franz (Ferenc) (1811-1886)</name></persName> resumirt alles bisherige Klavirspiel – er macht was er will. An seinen <hi rend="latintype"><title xml:id="title_e5dc1a7f-b07d-43e0-bf79-8bd7863ab025">Etuden<name key="PSN0112894" style="hidden" type="author">Liszt, Franz (Ferenc) (1811–1886)</name><name key="CRT0112290" style="hidden" type="music">Etüden</name></title></hi> wird sich die Klavierspielende Welt schwach und matt arbeiten und wer weiß ob er nicht einige Schwindsüchtige auf seinem Gewissen haben wird. Ich muß hinzufügen, daß mehrer davon sehr großartig gedacht und gefühlt sind und daß er überhaupt auf dem Wege ist sich als Komponist zu finden. Da er eigentlich in <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_0e78a02f-2d54-4387-a50a-4bb275e8119e">Como<settlement key="STM0100610" style="hidden" type="locality">Como</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName></hi> wohnt, habe ich ihn seit Deinem <title xml:id="title_3c99576c-0a54-43a3-9b2f-37a580b4af91">Briefe <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1837-09-01-03" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Ferdinand Hiller in Innsbruck; London, 1. September 1837</name> </title> nicht gesehen – er wird sich gewiß sehr freuen zu hören daß Du seiner freundlich gedenkst.</p> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_e25361bb-5b45-4db8-8213-7c786dd799a7"> <docAuthor key="PSN0112003" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_e596c420-6905-4b6b-8ede-248d2d975e14">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112003" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_b115636d-bd63-4174-babe-f8dc250c7f14">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</docAuthor> <dateline rend="right">den <date cert="high" when="1837-12-29" xml:id="date_25f6f630-723d-45cd-84e1-e41f2afe83e6">29<hi rend="superscript">ten</hi></date></dateline> <p style="paragraph_without_indent"><hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_033b3a30-e892-4bac-96ab-c4e1a083eee4">Pixis<name key="PSN0113894" style="hidden" type="person">Pixis, Johann Peter (1788-1874)</name></persName></hi> bleibt noch abzumachen – er ist, wie Du Dir wohl denken kannst, nur seiner Franzilla wegen hier und war ziemlich verdrießlich als letztere bei Annäherung des <hi rend="latintype">Carnevals</hi> noch keine <hi rend="latintype">scrittura</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_5d7da561-e76b-43a2-ba80-2bdd2a117020" xml:lang="it ">scrittura – ital., Schreiben.</note> erhalten hatte. Nun hat sich aber die Sache auf’s Beste gewendet denn sie ist vorige Woche hier für die <hi rend="latintype">Scala</hi> engagirt worden was für eine junge Sängerin in Italien bei weitem das nobelste Auftreten ist – ich wünsche mir herzlich es möge ihr alles aufs Beste gelingen, denn sie ist trotz ihrer Kunstreisen durch <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_1a81bd6b-41f7-4043-8cba-32633a9a21f1">Italien</del> <add place="above">Deutschland<name key="PSN0112003" resp="writers_hand" style="hidden">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name></add> ein gutes unverdorbenes Kind geblieben und ihr Talent sagt mir sehr zu. Eine natürliche <hi rend="latintype">Ideenassocation</hi> bringt mich hier auf <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_8b8b95fd-6bd3-4e6f-8312-a13216bc51c4">Clara Novello<name key="PSN0113621" style="hidden" type="person">Novello, Clara Anastasia (1818-1908)</name></persName></hi>. Es war ein Meisterstreich von Dir sie nach Leipzig zu bringen und die Sachsen in Fanatismus zu treiben – aber es wird Dir schlecht gehen wenn Du sie wirst <hi rend="latintype">remplaciren</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_4efa480f-64a0-4aa1-a1d8-87a5630c44d2" xml:lang="de">remplaciren – ersetzen.</note> müssen. Empfehle mich Bestens der <persName xml:id="persName_06aa3563-c0b0-447b-a7e8-75a9b6bf81d9">Mutter<name key="PSN0113625" style="hidden" type="person">Novello, Mary Sabilla (1787-1854)</name></persName> und <persName xml:id="persName_60eff5a3-2708-4330-8dee-299d72258710">Tochter<name key="PSN0113621" style="hidden" type="person">Novello, Clara Anastasia (1818-1908)</name></persName> bekannter Weise, die übrigen auf andre Art. Wann werden sie eigentlich nach Italien kommen und wohin werden sie gehen und wo werden sie bleiben?</p> <p><date cert="high" when="1837-12-28" xml:id="date_d4866049-28e6-480e-bf66-8a6408203412">Gestern</date> Abend war die Eröffnung der <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_172d4eab-0211-42de-92f6-0fc326584fc9">Scala<name key="NST0100751" style="hidden" subtype="" type="institution">Teatro alla Scala</name><settlement key="STM0100180" style="hidden" type="locality">Mailand</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName></hi> für die <hi rend="latintype">Carnevals</hi>-<hi rend="latintype">Saison</hi>. Ein so ungeheures Haus, vollgestopft bis in die engsten Winkel bildet doch einen imposanten Anblick. Man gab die letzte <hi rend="latintype">Carnevals</hi> Oper vom<seg type="pagebreak"> |4|<pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg> vorigen Jahr, <title xml:id="title_6200a598-73eb-4753-aa07-778249852a95"><hi rend="latintype">il giuramento</hi>, v. <hi rend="latintype">Mercadante</hi><name key="PSN0113273" style="hidden" type="author">Mercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795–1870)</name><name key="CRT0109959" style="hidden" type="music">Il giuramento</name></title>, nach dem ersten Akt ein großes Ballet, und am Ende des 3<hi rend="superscript">ten</hi> ein kleines – und 7 Uhr fing die Wirthschaft an und um halb eins ging man nach Hause. Die <title xml:id="title_5adc8679-681e-461b-903c-bd15e9e20225">Oper<name key="PSN0113273" style="hidden" type="author">Mercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795–1870)</name><name key="CRT0109959" style="hidden" type="music">Il giuramento</name></title> die ganz tüchtig geschrieben ist, hat nicht genug faßliche Melodien für die Leute hier – mir ist sie nicht neu genug, aber die guten Intentionen des Komponisten sind unverkennbar. Sie hatte, was die Franzosen einen <hi rend="latintype">succés d’éstime</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_6d1274a4-cfa5-44c4-899c-f0267f6e6a92" xml:lang="fr ">succés d’éstime – frz., Erfolgsgeschichte.</note> nennen würden. Das große Ballet wurde mit dem größten Rechte ausgelacht und ausgepfiffen (das war mein Hauptspaß) – das kleine gefiel. Für die <hi rend="latintype">Scala</hi> diesen Winter schreiben <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_8dca9d7d-9dea-4300-990d-70123c827cd5">Coccia<name key="PSN0110429" style="hidden" type="person">Coccia, Carlo (1782-1873)</name></persName></hi>, <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_08d489be-dc66-4b63-91ea-67d61b749683">Ricci<name key="PSN0114158" style="hidden" type="person">Ricci, Federico (1809-1877)</name></persName></hi> und <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_f05dfcec-d9c0-427d-80b2-69e9258c03eb">Schoberlechner<name key="PSN0114654" style="hidden" type="person">Schoberlechner, Franz de Paula Jakob (1797-1843)</name></persName></hi> (der Pianist und Gatte der <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_359bec50-e6a9-448e-a55b-a391b484609c">prima donna<name key="PSN0119179" style="hidden" type="person">Schoberlechner, Sophie (1807-1863)</name></persName></hi> die sehr gut und kräftig singt) neue Opern für <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_a76ff829-bb6c-42c9-a880-2f2ef76eeb66">Turin<settlement key="STM0104276" style="hidden" type="locality">Turin</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName></hi> <hi rend="latintype">Bacceri</hi>, für <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_8398c707-a030-4326-b158-9fc5c962b867">Venedig<settlement key="STM0100176" style="hidden" type="locality">Venedig</settlement><country style="hidden">Italien</country></placeName></hi> <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_f2d6de2a-eeac-4b5f-8e1f-078021960662">Donizetti<name key="PSN0110705" style="hidden" type="person">Donizetti, Domenico Gaetano Maria (1797-1848)</name></persName></hi> und <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_efe2524e-762b-45a3-84d7-bc5274e6387d">Mercadante<name key="PSN0113273" style="hidden" type="person">Mercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795-1870)</name></persName></hi> etc. etc. – das alles zusammen bildet doch ein sehr lebendiges Theatertreiben und es würde mit unsrer deutschen Oper ganz anders aussehen wenn gute bedeutende Theater jährlich nur eine neue Oper bei einem deutschen Komponisten bestellten aber die <hi rend="latintype">Courage</hi> hat man nicht. Und das Publikum hat am Ende jetzt kaum Muth genug eine solche einheimische Oper hübsch oder langweilig zu finden. –</p> <p>Vom alten <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_6e5c9717-1bee-442b-ad84-6467a8610088">Cherubini<name key="PSN0110361" style="hidden" type="person">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name></persName></hi> erhielt ich vor kurzem einen sehr lieben Brief worin er mir unter anderen schreibt: <hi rend="latintype">quant à moi je me porte très bien. Je viens dache par un’ 6<hi rend="superscript">ième</hi> quartuor et un quintetto. Cela m’occupe er m’amuse, car j’y mets le moindre prétention</hi>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_e2a82c88-f712-48e7-8022-8419b6588d8f" xml:lang="fr ">quant à moi je me porte très bien. Je viens dache par un’ 6ième quartuor et un quintetto. Cela m’occupe er m’amuse, car j’y mets le moindre prétention – frz., Mir geht es sehr gut. Ich habe gerade ein sechstes Quartett und ein Quintett geschrieben. Das beschäftigt mich und macht mir Spaß, denn ich habe nicht den geringsten Anspruch darauf. </note> Ein merkwürdiger Greis!</p> <p>Es ist mir sehr ärgerlich daß man aus Versehen, meine alte schlechte Simphonie zu <persName xml:id="persName_52e39077-20b3-4ea8-bb66-06bff1e3d7c8">Fetis<name key="PSN0111039" style="hidden" type="person">Fétis, François-Joseph (1784-1871)</name></persName> aus <placeName xml:id="placeName_f5391b95-fd0e-490c-ba40-6f8a56db3ad6">Paris<settlement key="STM0100105" style="hidden" type="locality">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName> geschickt hat. Thue mir den FreundschaftsDienst sie dem <persName xml:id="persName_ec394010-ec21-49bb-8aa0-8924c39fcf62">Schumann<name key="PSN0114758" style="hidden" type="person">Schumann, Robert Alexander (1810-1856)</name></persName> zu übergeben, denn sie soll und darf nicht in gebildeten Händen bleiben! Sey so gut und laß auch meine <title xml:id="title_2250ab1d-bb2c-45e4-a6af-ff89d0ced8b3"><hi rend="latintype">Fer<del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_7d172a65-e942-43b9-b5a2-8001601f63de">di</del>nando</hi> Ouvertüre<name key="PSN0112003" style="hidden" type="author">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name><name key="CRT0109285" style="hidden" type="music">Ouvertüre d-Moll, op. 32 (urspr.: Ouvertüre zum alten Drama »Fernando«)</name></title> noch einmal spielen<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_73ebb63a-528c-477e-b90d-3b11c1f607b6" xml:lang="de">laß auch meine Fernando Ouvertüre noch einmal spielen – Ferdinand Hillers Ouvertüre d-Moll, op. 32, wurde am 19. Januar 1837 im 13. Abonnementkonzert uraufgeführt.</note> mit den Abkürzungen und schreibe mir wie sie Dir jetzt gefällt – sie ist nun einmal mein Lieblingsstück. – <seg type="closer">Und nun schließe ich über Hals und Kopf sonst ist kein Ende abzusehen – <persName xml:id="persName_658a5818-6e31-4d98-930a-0469197a5e9f">David<name key="PSN0110564" style="hidden" type="person">David, Ernst Victor Carl Ferdinand (1810-1873)</name></persName> und seiner <persName xml:id="persName_debfc659-f8e2-4ead-a025-61fdaddcda9e">Frau<name key="PSN0110574" style="hidden" type="person">David, Sophie Wilhelmine (1807-1893)</name></persName> meinen besten Grüße. Auch <persName xml:id="persName_8af0211f-fef4-4bed-9466-b1a74a5a5c82">Schumann<name key="PSN0114758" style="hidden" type="person">Schumann, Robert Alexander (1810-1856)</name></persName> bitte ich mich zu empfehlen.</seg> <seg type="signed">Dein Ferdinand</seg></p> <p><seg type="pagebreak">|1|<pb n="1" type="pagebreak"></pb></seg> <add place="margin">Meine herzlichsten Grüße Deiner lieben <persName xml:id="persName_d83bd28b-3b9a-42c6-a521-9a52c3c7c975">Frau<name key="PSN0113252" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName>. Da Du selbst eingestehst die ihrigen nicht gehörig lieblich ausrichten zu können, so dächte ich Du überließest ein anderes Mal ihr selbst diese <gap quantity="3" reason="missing_characters" unit="words"></gap> <hi n="1" rend="underline"><hi rend="latintype">Madame</hi></hi> <gap quantity="2" reason="missing_characters" unit="words"></gap> <hi rend="latintype"><hi n="1" rend="underline">infinement</hi></hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_efd19748-03d1-4028-ae9f-d54db53da489" xml:lang="fr ">infinement – frz., unendlich.</note> <gap quantity="1" reason="missing_characters" unit="words"></gap>!!<name key="PSN0112003" resp="writers_hand" style="hidden">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</name></add></p> </div> </body> </text></TEI>