gb-1837-11-20-01
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Mailand, 20. November 1837
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
1 Doppelbl.: S. 1-3 Brieftext; S. 4 Adresse, 1 Poststempel [MILANO / NOVEMBRE 20], Siegel.
Ferdinand Hiller
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Felix Mendelssohn Bartholdy
Leipzig
ten
November37
Unsere Korrespondenz hat, ich hoffe nicht ein schlimmes schnelles Ende, aber doch einen faulen Anfang. Warum Du mir auf meinen
tenOktober
Mein Eintritt in Italien war lustig genug – über den Legenden Garda See in das Classisch romantische Pixis und
befanden und wo ich 14 heitere und z. Th. auch musikalische Tage verlebte. Seit meiner Rückkunft lebe ich ziemlich zurückgezogen und arbeitsam.Francilla
ist mit der GräfinLiszt
ind’Agout
– er war vor einigen Tagen hier, wo er Konzert zu geben gedenkt – sein Spiel ist furchtbarer als je. VorComo
en pays de connaissance. Wahrscheinlich bleibe ich bis zum Frühjahr hier – nicht
Appartementund viel Ruhe zum Arbeiten habe.
Die berühmte Scala ist in einem ziemlich traurigen Zustand. Kein einziger Sänger von großem Talent und Opern die, sogar im italienischsten Sinne höchst langweilig sind. Seit zwei Monaten gibt man
undMarino Faliero
l’Ajo nel imbarazzov.
Donizetti
I Brigantiv.
Mercadante
undRossini
(der letztere ist hier wirklich eine Art v.Bellini
chef d’écolegeworden d. h. man ahmt ihn sehr viel nach) wird den Italiänern selbst nach und nach überdrüßig und sie gehen kaum um zu plaudern ins Theater. Ein überaus lebendiges musikalisches Leben herrscht übrigens doch noch immer hier zu Lande, wenn auch die Art und Weise desselben uns
qui fait évenementund dann, was mir wirklich gefällt, eine große Unbefangenheit im Urtheil von Seiten des Publikums – sie
applaudirenund zischen je nachdem es ihnen zu Muthe ist und da gilt kein Ansehn der Person oder des Namens. Doch ich erzähle Dir Dinge die Du eben so gut weißt wie ich und sie werden vielleicht das einzige Gute haben Dir manches aus Deiner italiänischen Reise ins Gedächtniß zurückzurufen – Deiner guten liebenswürdigen
Apropos, in der allgem. Zeitung wirst Du als Hummel’s Nachfolger in Weimar bezeichnet – ist etwas daran?
Du bist mir viel zu sagen schuldig – über Dein
und seineDavid
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Dec.
außerdem nie.
Hiller
Mail poste restante.
Mayland, den 20ten November 37. Lieber Felix! Unsere Korrespondenz hat, ich hoffe nicht ein schlimmes schnelles Ende, aber doch einen faulen Anfang. Warum Du mir auf meinen Brief aus Insbruck nicht geantwortet hast, begreife ich zwar nicht, das geschieht mir aber so oft bei ganz natürlichen Dingen, daß ich mich auch diesmal nicht darüber wundern mag. Hätte ich nicht immer auf Deine Antwort gewartet, so würde ich den 15ten Oktober nicht haben vorübergehen lassen. Heute genirt mich ein weher Finger geistig und physisch und Du mußt entschuldigen wenn mein Brief dumm und ungeschickt wird. Mein Eintritt in Italien war lustig genug – über den Legenden Garda See in das Classisch romantische Verona reiste ich hierher. Nach wenig Tagen erhielt ich eine Einladung auf Land, wo sich auch Pixis und Francilla befanden und wo ich 14 heitere und z. Th. auch musikalische Tage verlebte. Seit meiner Rückkunft lebe ich ziemlich zurückgezogen und arbeitsam. Liszt ist mit der Gräfin d’Agout in Como – er war vor einigen Tagen hier, wo er Konzert zu geben gedenkt – sein Spiel ist furchtbarer als je. Vorige einigen Woche ist auch Rossini hierhergekommen um den Winter hier zuzubringen – ich bin daher ziemlich en pays de connaissance. Wahrscheinlich bleibe ich bis zum Frühjahr hier – nicht der Stadt wegen die eigentlich wenig bietet, sondern weil ich ein allerliebstes kleines Appartement und viel Ruhe zum Arbeiten habe. Die berühmte Scala ist in einem ziemlich traurigen Zustand. Kein einziger Sänger von großem Talent und Opern die, sogar im italienischsten Sinne höchst langweilig sind. Seit zwei Monaten gibt man Marino Faliero und l’Ajo nel imbarazzo v. Donizetti und neu noch seit 14 Tagen I Briganti v. Mercadante. In letzter Oper finden sich wirklich einige schöne Ensemblestücke und man kann überhaupt beiden genannten Komponisten nicht streitig machen eine sehr geübte Feder zu besitzen und Orchester und Stimmen mit großer Gewandheit zu behandeln. – aber sie haben wenig Erfindung und kommen nicht los von einem vierteldutzend stehender Formen. Dieser wenige Mischmasch v. Rossini und Bellini (der letztere ist hier wirklich eine Art v. chef d’école geworden d. h. man ahmt ihn sehr viel nach) wird den Italiänern selbst nach und nach überdrüßig und sie gehen kaum um zu plaudern ins Theater. Ein überaus lebendiges musikalisches Leben herrscht übrigens doch noch immer hier zu Lande, wenn auch die Art und Weise desselben uns Deutschen größtentheils mißfallen muß. In den kleinsten Nestern eine Opernsaison, qui fait évenement und dann, was mir wirklich gefällt, eine große Unbefangenheit im Urtheil von Seiten des Publikums – sie applaudiren und zischen je nachdem es ihnen zu Muthe ist und da gilt kein Ansehn der Person oder des Namens. Doch ich erzähle Dir Dinge die Du eben so gut weißt wie ich und sie werden vielleicht das einzige Gute haben Dir manches aus Deiner italiänischen Reise ins Gedächtniß zurückzurufen – Deiner guten liebenswürdigen Frau empfehle mich auf’s beste – es war mir leid daß meine Ordnung, in Beziehung auf die mir anvertraute Bibel, eine Zeitlang, ohne meine Schuld in ungünstigem Licht erschienen – indeß ist mein guter Ruf Gottlob! gerettet. Apropos, in der allgem. Zeitung wirst Du als Hummel’s Nachfolger in Weimar bezeichnet – ist etwas daran? Du bist mir viel zu sagen schuldig – über Dein Musikfest habe ich nichts erfahren als die Summe die eingegangen. Gefällst Du Dir wieder in Leipzig? Bist Du mit Deiner häuslichen Einrichtung zufrieden? etc. etc. Viele Grüße an Konzertmeister David und seine Frau Vergiß auch d. 1t Dec. nicht und auch außerdem nie. Dein Ferdinand Hiller Mail poste restante.
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März 2009, hrsg. von Primož Kuret, Ljubljana 2010, S. 233 f. (Teildruck).</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1837-11-20" xml:id="date_fdab2df7-3fd9-4e48-a631-0f9c298dbccb">20. 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Die Familie stellte mit Vitale Faliero, Ordelafo Faliero und Marino Faliero insgesamt drei Dogen.</note> und <title xml:id="title_df36f966-d2fe-4fd4-8546-a1743751e507"><hi rend="latintype">l’Ajo nel imbarazzo</hi> v. <hi rend="latintype">Donizetti</hi><name key="PSN0110705" style="hidden" type="author">Donizetti, Domenico Gaetano Maria (1797–1848)</name><name key="CRT0111833" style="hidden" type="music">L’ajo nell’imbarazzo</name></title> und neu noch seit 14 Tagen <title xml:id="title_6c41884c-3f94-45e6-89ab-e8c2fe5b46d8"><hi rend="latintype">I Briganti</hi> v. <hi rend="latintype">Mercadante</hi><name key="PSN0113273" style="hidden" type="author">Mercadante, Giuseppe Saverio Raffaele (1795–1870)</name><name key="CRT0111834" style="hidden" type="music">I Briganti</name></title>. 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Doch ich erzähle Dir Dinge die Du eben so gut weißt wie ich und sie werden vielleicht das einzige Gute haben Dir manches aus Deiner italiänischen Reise<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_49bf0bd3-15be-4ab0-9e0e-81618c68d6a0" xml:lang="de">Deiner italiänischen Reise – Im Mai 1830 begab sich Felix Mendelssohn-Bartholdy auf eine knapp zweijährige Italien-Reise, während der er die italienische Musikszene ähnlich kritisch bewertete wie Ferdinand Hiller. Gleichwohl inspirierte ihn diese Italienreise zu seiner populärsten Symphonie, der Italienischen Symphonie A-Dur, op. 90. </note> ins Gedächtniß zurückzurufen – Deiner guten liebenswürdigen <persName xml:id="persName_95f00732-9580-4e0d-95ad-3e74fde81787">Frau<name key="PSN0113252" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> empfehle mich auf’s beste – es war mir leid daß meine Ordnung, in Beziehung auf die mir anvertraute Bibel, eine Zeitlang, ohne meine Schuld in ungünstigem Licht erschienen – indeß ist mein guter Ruf Gottlob! gerettet.</p> <p><hi rend="latintype">Apropos</hi>, in der allgem. Zeitung wirst Du als <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_7d3724a0-b1d8-4933-b3e8-c63915b484a0">Hummel’s<name key="PSN0112147" style="hidden" type="person">Hummel, Johann Nepomuk (1778-1837)</name></persName></hi> Nachfolger in Weimar<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_986d031c-4c6e-45bf-80cb-ce76206fcf84" xml:lang="de">Hummel’s Nachfolger in Weimar – Felix Mendelssohn Bartholdy hatte die Nachfolge des verstorbenen Hofkapellmeisters Johann Nepomuk Hummel am Weimarer Hof angeboten bekommen, die er jedoch ablehnte.</note> bezeichnet – ist etwas daran?</p> <p>Du bist mir viel zu sagen schuldig – über Dein <placeName xml:id="placeName_5a8856d1-d52f-4179-9ceb-3e3641fd0a30">Musikfest<name key="NST0100324" style="hidden" subtype="" type="institution">The Birmingham Triennial Music Festival</name><settlement key="STM0100323" style="hidden" type="locality">Birmingham</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_d7f07ebb-006f-40e8-b8c0-2e8411564fd0" xml:lang="de">Dein Musikfest – Gemeint ist das in Birmingham vom 19. bis 22. September 1837 stattfindende Triennial Music Festival, auf dem Felix Mendelssohn Bartholdy u. a. sein</note> habe ich nichts erfahren als die Summe die eingegangen. Gefällst Du Dir wieder in <placeName xml:id="placeName_b7339c4b-1c9e-4d5c-b20a-447960775cbf">Leipzig<settlement key="STM0100116" style="hidden" type="locality">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>? Bist Du mit Deiner häuslichen Einrichtung<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_4b537c74-8951-459b-b595-d37fd91f50b2" xml:lang="de">Deiner häuslichen Einrichtung – Die Mendelssohn Bartholdys zogen am 1. Dezember 1837 in ihre neue Wohnung in Lurgensteins Garten, ein Haus westlich der Thomaskirche im Besitz von Wenzel Anton Lurgenstein. Sie bezogen die linke Wohnung in der zweiten Etage im Vorderhaus des neuen Gebäudes in Lurgensteins Garten (vgl. die Zeichnung des Hauses von Susette Hauptmann vom 31. März 1843, GB-Ob, M.D.M. c. 21, fol. 88r. Abbildung in Klein, Almanach, S. 102). Im Brief fmb-1837-12-07-02 (Brief Nr. 1798), Z. 12, gab Felix Mendelssohn Bartholdy den 2. und nicht wie hier, den 1. Dezember 1837 als Tag des Einzugs an. Lurgensteins Garten war vom 17. bis zum 19. Jahrhundert ein barocker Garten westlich der Thomaskirche. Vom Garten führte ein Steg südlich der Thomasmühle über den Pleißemühlgraben auf die Promenade (heute Dittrichring). 1834 gelangte der Garten in den Besitz des Kammfabrikanten Wenzel Anton Lurgenstein, der dort eine Gebäudeanlage errichten ließ. Felix Mendelssohn Bartholdy beschrieb das neue Logis in seinem Brief fmb-1837-11-20-03 (Brief Nr. 1774) an Carl Klingemann vom 19. oder 20. November 1837, Z. 36 ff. Der Mietvertrag mit Lurgenstein wird in Oxford aufbewahrt (GB-Ob, M.D.M. c. 49, fol. 98–107). Folio 104 bis 107 enthalten ein »Verzeichniss der zur 2ten Etage gehörigen Localitäten und Inventarstücke«, in dem die Ausstattung der Wohnung detailliert aufgeführt ist. Der Mietzins betrug 300 Taler Courant Gold jährlich. Der Vertrag ist mit »Leipzig den 20n July 1837.« datiert (fol. 101r). Zu diesem Zeitpunkt hielt sich Mendelssohn nicht in Leipzig auf. Im Vorfeld des Einzugs begannen die Mendelssohn Bartholdys, ihren neuen Haushalt auszustatten. Die Ausgaben dafür sind in Felix Mendelssohn Bartholdys Haushaltsbuch (GB-Ob, M.D.M. f. 6) und darüber hinaus in seinen und den Einnahme- und Ausgabebüchern seiner Ehefrau Cécile dokumentiert (ebenda, f. 1 und f. 9).</note> zufrieden? etc. etc.</p> <closer rend="left">Viele Grüße an Konzertmeister <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_ce5e46d2-2ebf-4433-be5e-23b07d04326a">David<name key="PSN0110564" style="hidden" type="person">David, Ernst Victor Carl Ferdinand (1810-1873)</name></persName></hi> und seine <persName xml:id="persName_5f986755-52d4-4ca4-84b6-f21b8aabfd03">Frau<name key="PSN0110574" style="hidden" type="person">David, Sophie Wilhelmine (1807-1893)</name></persName></closer> <closer rend="left">Vergiß auch d. <date cert="high" when="1837-12-01" xml:id="date_f9427ecb-437b-42c7-9cb0-e064e8c8a2ac">1<hi rend="superscript">t</hi> <hi rend="latintype">Dec</hi>.</date> nicht und auch <hi n="1" rend="underline">außerdem nie</hi>. </closer> <signed rend="right">Dein Ferdinand <hi rend="latintype">Hiller</hi></signed> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_8095fb7a-7682-4772-b723-af1c20d7ece2"> <docAuthor key="PSN0112003" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_33b0d94a-6e36-4fc5-9615-ce9f138e1c22">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0112003" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_a58745cc-83b1-47bb-9794-b739dfe3f3ee">Hiller, Ferdinand (seit 1875) von (1811–1885)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent"><hi rend="latintype"><hi n="1" rend="underline">Mail</hi></hi> <hi n="1" rend="underline"><hi rend="latintype">poste restante</hi></hi>.</p> </div> </body> </text></TEI>