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gb-1837-10-12-02

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Julius Rietz an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig <lb></lb> Düsseldorf, 12. Oktober 1837 Ich habe mit wahrer Sehnsucht dem Augenblicke entgegengesehen, wo ich die bestimmte Nachricht Ihrer Rückkunft von England erhalten würde. Diese ist mir nun vor einigen Tagen durch meine Bücher und den denselben beiliegenden Zeilen zu Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) Felix Mendelssohn Bartholdy an Julius Rietz in Düsseldorf; Frankfurt a. M., 28. September 1837 Felix Mendelssohn Bartholdy an Julius Rietz in Düsseldorf; Leipzig, 5. Dezember 1837 Rietz, August Wilhelm Julius (1812-1877)Rietz, August Wilhelm Julius (1812-1877) Transkription: FMB-C Edition: Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
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Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. 32/84. Autograph Julius Rietz an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig; Düsseldorf, 12. Oktober 1837 Ich habe mit wahrer Sehnsucht dem Augenblicke entgegengesehen, wo ich die bestimmte Nachricht Ihrer Rückkunft von England erhalten würde. Diese ist mir nun vor einigen Tagen durch meine Bücher und den denselben beiliegenden Zeilen zu

1 Doppelbl. und 1 Bl.: S. 1-5 Brieftext; S. 6 Adresse, 1 Poststempel [DÜSSELD. 4-5 / 12 / 10], Siegel.

Julius Rietz

Green Books

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

12. Oktober 1837 Rietz, August Wilhelm Julius (1812-1877)counter-resetRietz, August Wilhelm Julius (1812–1877) Düsseldorf Deutschland Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Leipzig Deutschland deutsch
Herrn Herrn Musik-Director Felix Mendelssohn-Bartholdy. Wohlgeboren. Leipzig. fr.
Rietz, August Wilhelm Julius (1812–1877) Rietz, August Wilhelm Julius (1812–1877) Lieber Felix.

Ich habe mit wahrer Sehnsucht dem Augenblicke entgegengesehen, wo ich die bestimmte Nachricht Ihrer Rückkunft von EnglandIhrer Rückkunft von England – Felix Mendelssohn Bartholdy unternahm am 26. August 1837 seine fünfte Englandreise, hörte am 12. September 1837 in London die Aufführung seines Oratoriums Paulus op. 36 (MWV A 14) unter der Leitung von Joseph Surman, reiste danach zum Birmingham Triennial Music Festival, das vom 19. bis 22. September 1837 stattfand, und trat am 22. September die Rückreise nach Leipzig an. erhalten würde. Diese ist mir nun vor einigen Tagen durch meine Bücher und den denselben beiliegenden Zeilen <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1837-09-28-02" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Julius Rietz in Düsseldorf; Frankfurt a. M., 28. September 1837</name> zu nicht geringer Freude geworden, und ich beeile mich daher, Ihnen meinen herzlichsten, aufrichtigsten Dank für Ihren aus ebenso edler, vortrefflicher als für mich freundlicher Gesinnung entsprungenen Brief darzubringen. Wenn es überhaupt möglich wäre, so sollte auch dieser Brief in noch trübere Stimmung versetzen müssen, als die ist, die leider der Mittelpunct und die bestimmende Kraft aller meiner Handlungen geworden ist, denn ich habe aus ihm gesehen, wie auch in jeder andern Beziehung, als der musicalischen, ich so winzig klein und traurig neben Ihnen dastehe. Sie denken zu gut von mir, lieber Felix, wenn Sie meinen, daß mich so triste Stimmung, durch momentane unangenehme häusliche Verhältnisse hervorgerufen, gleichsam überrumpeln konnte; Sie haben eine zu hohe Meinung von mir, wenn Sie glauben, ich könnte mich deren Überhandnehmen entgegenstemmen, wie es der Mann eigentlich sollte. Allein, wie ich schon vorhin sagte, diese Stimmung ist mit meinem Wesen und meinem Thun eins gewordn. Ihre Gegenwart konnte sie, wie Alles was von Ihnen mir bis jetzt geworden ist, gut und heilbringend auf mich eingewirkt hat, auf einige Zeit verbannen, und ich betraure es, daß sie mich noch in den letzten Stunden Ihres Hierseins ergreifen mußte, und ich Ihnen dadurch vielleicht einige fatale Augen- |2| blicke bereitet habe; um sie aber ganz zu verscheuchen, müßte eine vollständige Umwandlung meiner Verhältnisse eintreten, und ich namentlich in den Stand gesetzt werden, die Folgen einer in mannichfachen Fesseln verlebten Jugend (die sich im eigentlichen Sinne weder eine Jugend, noch ein Leben nennen lassen möchte) zu redressiren. Am ersterem verstehe ich weniger, daß mich meine pecuniären Verhältnisse drücken, und mir nicht die Freiheit des Geistes gönnen, die zur Ausübung einer Kunst absolut nothwendig ist. Meine ganze hiesige Stellung als Musiker fängt an eine höchst unangenehme zu werden. Es ist betrübend, und mehr als dies, zu sehen, wie die Leute hier keinen, nicht den geringsten Respect vor der mit Mühe und Fleiß zu Tage geförderten Leistung (ich rede nicht von meiner individuellen, als Componist oder Virtuose; da mache ich keine Ansprüche sondern von der, die hier eigentlich meines Amtes ist)die hier eigentlich meines Amtes ist – Julius Rietz war seit 1835 Musikdirektor in Düsseldorf. haben; sondern nur immer bei Beurtheilung derselben auf nicht allzufeine Weise durchblicken lassen, daß man für so und soviel hundert Thaler Gehalt auch etwas thun müsse! Wie ferner bei jeder neuen Anordnung des ComitésStadttheaterDüsseldorfDeutschland, die jederzeit den hiesigenDüsseldorfDeutschland Musikern Veranlassung zu tumultuarischen Auftritten geben, ich stets derjenige sein muß, der das ganze zu verfechten hat, nur immer ich in öffentlichen Blättern höhnisch angegriffen werde, weil den andern Mitgliedern des ComitésStadttheaterDüsseldorfDeutschland, als angesehenen Leuten der StadtDüsseldorfDeutschland und großentheils königlichen Beamten, nicht beizukommen ist! Wie endlich die ganz[e] Zeit meines HierseinsDüsseldorfDeutschland (es sind nach Ablauf meines Kontractes 4 Jahre) nicht sowohl für meine practische Ausbildung, als für meine Stellung in der Welt rein verloren gewesen ist, da von DüsseldorfDüsseldorfDeutschland, als einem Orte wo man Musik treibt, ämsig und mit Ausdauer das Gute in der Musik zu befördern sucht, nirgend die Rede ist, indeß von jeder Aussicht eines lumpigen SchneiderschenSchneider, Johann Christian Friedrich (1786-1853) Oratoriums<name key="PSN0114646" style="hidden" type="author">Schneider, Johann Christian Friedrich (1786–1853)</name><name key="CRT0112256" style="hidden" type="music">Oratorium</name> in dem kleinsten Städtchen Seiten und Bogenlange Referate überall zu lesen ist. Ich thue nichts, kann leider nichts thun, um gepriesen und gerühmt zu werden; aber das ist doch wohl das bescheidenste |3| Verlangen, das man nur äußern kann, wenn man gute öffentliche Leistungen in Instituten, die zu dergleichen Zwecken vorhanden sind, wie musikalische Zeitungen v. m. d. besprochen, und den Namen dessen, der sie eigentlich veranstaltet, wenigstens erwähnt zu sehen wünscht. Ich glaube wohl, lieber Felix, daß Sie mit mir die Meinung theilen werden: alles dergleichen ist schon im Stande; Jemanden, der noch Ansprüche an die Welt machen muß, der aber ohne Aussichten zu haben, schon dadurch ein zaghaftes, keineswegs anregendes Leben führt, dem es in seinem Kreise an jeder befördernden Aufmunterung fehlt, ganz herabzuziehen. Das ist es aber nun nicht einmal allein, was verderblichen Einfluß auf mich ausübt. Blicke ich auf meine Jugendzeit zurück, sehe ich, wie da fast Alles versäumt ist, oft versäumt werden mußte, was zu meiner Ausbildung nöthig war, wie ich die Periode, wo es Andern vergönnt war zu lernen und für das Leben einzusammeln, in dem dumpfen Orchester eines Institutes, welches das Heilige in der Kunst geradezu mit Füßen trat, vergeuden mußte, um nur das liebe Leben fristen zu können – dann möchte ich immer verzweifeln. Ich bin kein Genie; habe höchstens ein mittelmäßiges Talent, auf den Wegen fortzugehen, die andere gebahnt haben. Aber auch da stolpere ich überall, weil ich ohne Lehrer und Führer mich selber mit Mühe und Anstrengung der Wissenschaft unserer Kunst bemeistert habe, und in derselben keineswegs so sicher werden konnte, als es mir nöthig zu sein scheint. So kostet mich jedes Musikstück einen Aufwand von Zeit, der sich nicht, wenn man bedenkt, wie viel wirklich gute Musik man gemacht haben muß, um sich einen bleibenden Namen zu erwerben, und wie kurz das Leben ist, bestreiten läßt. Habe ich dann aber einmal ein Stück zu Stande gebracht, so ist mir daran auch wieder alles nicht recht; und nur eifriges Zureden einiger Freunde, denen ich dann Sachen mitzutheilen pflege, bewahrt sie vor augenblicklicher Vernichtung. Diese wahrhafte Überzeugung meiner großen musicalischen Nichtigkeit, dieses Leben in höchst widerwärtigen Verhältnissen haben aus mir den Menschen gemacht, der Ihnen damals, freilich |4| in ganz besonders aufgeregter Stimmung, zu der dann auch aber wieder die allertriftigsten positiven Gründe, die die Meinung über mich selber so sehr aufs Neue bestätigten (denken Sie an die Tempi im Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_oybdm9nf-gyow-1fzh-f0aq-bmvaeeyozjq6"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name>), vorhanden waren, den Brief schrieb,den Brief schrieb – Laut Tagebucheintrag vom 25. August 1837 hatte Felix Mendelssohn Bartholdy unmittelbar vor seiner Abreise von Düsseldorf am 24. August 1837 einen (nicht überlieferten) Brief von Julius Rietz erhalten (Ward Jones, Tagebuch der Hochzeitsreise, S. 105). Siehe Brief gb-1837-08-23-01 Julius Rietz an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Düsseldorf, vor dem 24. August 1837. Auf Rietz’ derzeitige Situation weist noch dessen Brief vom 12. Oktober 1837 hin: »Meine ganze hiesige Stellung als Musiker fängt an eine höchst unangenehme zu werden« (Brief gb-1837-10-12-02 Julius Rietz an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig, Düsseldorf, 12. Oktober 1837). Rietz begründete dies u. a. mit der fehlenden Anerkennung seiner Leistungen, mit Auseinandersetzungen mit den Musikern und der mangelnden öffentlichen Wirkung seiner Stellung in Düsseldorf. Zu Rietz siehe auch Cecilia Hopkins Porter, The Reign of the Dilettanti: Düsseldorf from Mendelssohn to Schumann, in: The Musical Quarterly, Vol. 73 (1989), S. 491 ff. auf den Sie so geantwortet <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1837-08-25-02" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Julius Rietz in Düsseldorf; Rotterdam, 25. August 1837</name> haben, daß ich dadurch wahrhaft erhaben, und gestärkt wurde, wenigstens in Geduld einer nothwendigen Änderung meiner Existenz entgegenzuharren und durch allen Jammer durch, in meinen Bestrebungen nicht nach zu lassen. Vielleicht wird es doch einmal noch besser! Ich glaube nicht, lieber Felix, daß Sie nach diesen Bekenntnissen, die Ihnen wohl erst den Standpunkt angedeutet haben, nach denen Sie mich beurtheilen müssen wie es jener Brief wohl nicht that, diesen und die Stimmung, die ihn erzeugte, so ganz tadelndswürdig finden werden. Sie ist eine Geburt der Verhältnisse, und nur diese sind im Stande sie wieder zu tödten. – Haben ich Ihnen damals mit dem Anfange des Briefes wehe gethan, so vergeben Sie mir. Ich hielt es aber für meine Pflicht die Sache nach so langer Zeit wieder anzuregen; und in dem Pflichtgefühl, welches augenscheinlich nicht ein ganz falsches ist, kann doch nie ein wirkliches Unrecht sein. Ich werde so in der Sache handeln, wie Sie mir gerathen haben.

Ich kann mir denken, daß in diesen Zeilen viel Verworrenes enthalten ist; ich fühle es sogar bestimmt bei deren Überlesung. Glauben Sie aber deswegen nicht, daß es in mir verworren und unklar ist. Eben weil ich meinen Zustand und die Gründe desselben, durch wenige Zeilen, und ohne Gepränge und Wahl des Ausdrucks derselben wollte mag manches alberne Wort mit durchgegangen sein. Sie werden Ausdruck und Meinung wohl zu unterscheiden wissen, wenn erstere die letztere nicht grade entstellt.

Nun, lieber Felix, möchte ich aber wohl wissen, was Sie damit meinten als Sie wenige Minuten vor Ihrer Abreise sagten: Sie hätten mir einen Vorschlag zu machen. Sie besinnen sich wohl noch darauf? – Die Musik zum standhaften Prinzen<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_aejs4srm-vkg8-9tk7-gstq-3e2kgvv2y2tq"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="stage_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="music_for_plays_and_other_stage_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100328" style="hidden">Musik zu Der standhafte Prinz für Männerchor und Orchester, 18. März 1833<idno type="MWV">M 7</idno><idno type="op"></idno></name> soll sobald erfolgen, als der Oberbürgermeister v. FuchsiusFuchsius (eigtl. Voiss), Joseph Goswin Hubert Maria von (1793-1854), der den Schlüssel zur Bibliothek des ehemaligen StadttheatersStadttheaterDüsseldorfDeutschland in Verwahrsam hat, zurückgekehrt ist.

|5| Es hat sich hier ein Gerücht verbreitet, daß Ihnen während Sie in LondonLondonGroßbritannien Orgel spielten,während Sie in London Orgel spielten – Felix Mendelssohn Bartholdy hatte am 10. September 1837 in einer Nachmittagsandacht in der Londoner St. Paul’s Cathedral vor einem großen Publikum u. a. Bachs Präludium und Fuge a-Moll, BWV 543, gespielt. Da es sich um kein ausgewiesenes Konzert handelte, beendete der Kalkant auf Anordnung des Kirchendieners mitten im Stück seine Tätigkeit und verließ die Kirche, sodass der Winddruck in der Orgel nachließ und Felix Mendelssohn Bartholdy sein Spiel beenden musste (siehe dazu ausführlich Ward Jones, Tagebuch der Hochzeitsreise, S. 117 ff., und The Musical World 7, Nr. 79 vom 15. September 1837, S. 8-10). Felix Mendelssohn Bartholdy spielte die 1694-1703 von Bernhard Schmidt (Bernard Smith) gebaute Orgel. Siehe dazu William Hayman Cummings, Father Smith’s Organ in St. Paul’s Cathedral, in: The Musical Times and singing-class circular 21 (1880), S. 121 f., und die Disposition in Thistlethwaite, Mendelssohn und die englische Orgel, S. 183. Am 12. September spielte Felix Mendelssohn Bartholdy in der Londoner Christ Church in der Newgate Street (Christ Church Greyfriars) auf Bitten des dort angestellten Organisten Henry John Gauntlett BWV 543, diesmal ohne Zwischenfälle. Die dort 1690 von Renatus Harris gebaute Orgel war zwischen 1827 und 1831 von Elliot & Hill renoviert und zwischen 1834 und 1837 von William Hill unter anderem durch den Einbau eines Pedals stark modifiziert worden. Das Pedal hatte allerdings nur einen Umfang von 18 Tönen (G–c1), was Felix Mendelssohn Bartholdy die Interpretation der Bach’schen Komposition erschwerte (vgl. die Disposition in Thistlethwaite, Mendelssohn und die englische Orgel, S. 185). Über beide Auftritte Felix Mendelssohn Bartholdys schrieb Henry John Gauntlett den Artikel Mendelssohn as an Organist in The Musical World 7, Nr. 79 vom 15. September 1837, S. 8-10. Siehe auch Ward Jones, Tagebuch der Hochzeitsreise, S. 117 ff., und Russell Stinson, The Reception of Bach’s Organ Works from Mendelssohn to Brahms, Oxford 2006, S. 44 ff. plötzlich das Gebot: aufzuhören, zugekommen sei, und dem Balgentreter untersagt worden wäre, fernerhin Wind zu machen?! Was ist denn daran Wahres? Ich bin schon verschiedentlich angegangen worden, darüber Bestimmtes zu äußern, und weiß so wenig, wie jeder Andere.

SimrockN. Simrock, Musikverlag in Bonn hat meine Lieder<name key="PSN0114200" style="hidden" type="author">Rietz, August Wilhelm Julius (1812–1877)</name><name key="CRT0110515" style="hidden" type="music">Zwölf Gesänge für eine Singstimme und Klavier op. 8 (2 Hefte)</name>Simrock hat meine Lieder – Die beiden Hefte von Julius Rietz’ Zwölf Gesängen für eine Singstimme und Klavier op. 8 erschienen im April 1838 bei N. Simrock. in Gnaden angenommen. <title xml:id="title_7f55aa41-0ba3-43bc-8bdd-192fc6079dff">Jery und Bätely<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0111747" style="hidden" type="music">Jery und Bätely. Ein Singspiel</name>Rietz, August Wilhelm Julius (1812–1877)Jery und Bätely op. 10 ist fertig. Die Cello-Fantasie<name key="PSN0114200" style="hidden" type="author">Rietz, August Wilhelm Julius (1812–1877)</name><name key="CRT0110495" style="hidden" type="music">Fantasie für Violoncello und Klavier / Orchester A-Dur, op. 2</name> soll es in diesen Tagen werden. Sind Sie wohl so gütig, DavidDavid, Ernst Victor Carl Ferdinand (1810-1873) wegen Copiatur der Krönungsmotete<name key="PSN0111693" style="hidden" type="author">Händel, Georg Friedrich (1685–1759)</name><name key="CRT0108968" style="hidden" type="music">Coronation Anthems HWV 258-261</name>,Copiatur der Krönungsmotete – Georg Friedrich Händel, Coronation Anthems HWV 258-261. William Crotch, Anthems For The Coronation of King George II (Herausgabe: The Works of Handel, Bd. 1; beinhaltet HWV 258-261). wenn er Sie in den sämmtlichen Werken HändelsHändel, Georg Friedrich (1685-1759) gefunden hat, anzutreiben. Es ist die höchste Zeit. Sie muß noch instrumentirt und ausgeschrieben werden, und das erste Conzert, zu welchem sie bestimmt ist, soll so bald wie möglich sein.

SpohrSpohr, Louis (Ludewig) (1784-1859) hat uns einen recht guten Geiger zugesandt. Das Loch wäre zugestopft. Wäre es nur das einzige!

Denken Sie wohl einmal später an den Samsons<name key="PSN0111693" style="hidden" type="author">Händel, Georg Friedrich (1685–1759)</name><name key="CRT0109014" style="hidden" type="music">Samson HWV 57</name>?

Mit meinen Bitten und Fragen wäre ich nun am Ende, und ich kann nur noch die eine Bitte hinzufügen, daß Sie mir gut bleiben und mich bald wieder mit ein Paar Zeilen erfreuen. So ein Brief von Ihnen macht immer einen Festtag in meinem Kalender aus.

Die Meinigen sind alle wohl; mein NeugebornerRietz, Sohn (geb. / gest. 1837) von → August Wilhelm Julius R. (1837-1837) gedeiht, daß es eine Freude ist. Meine FrauRietz, Maria Therese (1812-1861) läßt sich Ihnen angelegentlichst empfehlen. Die IhrigeMendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853) sind Sie so gut, auf das Freundlichste zu grüßen, ebenso den DavidDavid, Ernst Victor Carl Ferdinand (1810-1873).

Leben Sie wohl, lieber Felix, und vergessen Sie nicht Ihren stets freudig ergebenen Julius Rietz. Düsseldorf, d. 12t October. 1837.
            Lieber Felix.
Ich habe mit wahrer Sehnsucht dem Augenblicke entgegengesehen, wo ich die bestimmte Nachricht Ihrer Rückkunft von England erhalten würde. Diese ist mir nun vor einigen Tagen durch meine Bücher und den denselben beiliegenden Zeilen zu nicht geringer Freude geworden, und ich beeile mich daher, Ihnen meinen herzlichsten, aufrichtigsten Dank für Ihren aus ebenso edler, vortrefflicher als für mich freundlicher Gesinnung entsprungenen Brief darzubringen. Wenn es überhaupt möglich wäre, so sollte auch dieser Brief in noch trübere Stimmung versetzen müssen, als die ist, die leider der Mittelpunct und die bestimmende Kraft aller meiner Handlungen geworden ist, denn ich habe aus ihm gesehen, wie auch in jeder andern Beziehung, als der musicalischen, ich so winzig klein und traurig neben Ihnen dastehe. Sie denken zu gut von mir, lieber Felix, wenn Sie meinen, daß mich so triste Stimmung, durch momentane unangenehme häusliche Verhältnisse hervorgerufen, gleichsam überrumpeln konnte; Sie haben eine zu hohe Meinung von mir, wenn Sie glauben, ich könnte mich deren Überhandnehmen entgegenstemmen, wie es der Mann eigentlich sollte. Allein, wie ich schon vorhin sagte, diese Stimmung ist mit meinem Wesen und meinem Thun eins gewordn. Ihre Gegenwart konnte sie, wie Alles was von Ihnen mir bis jetzt geworden ist, gut und heilbringend auf mich eingewirkt hat, auf einige Zeit verbannen, und ich betraure es, daß sie mich noch in den letzten Stunden Ihres Hierseins ergreifen mußte, und ich Ihnen dadurch vielleicht einige fatale Augen- blicke bereitet habe; um sie aber ganz zu verscheuchen, müßte eine vollständige Umwandlung meiner Verhältnisse eintreten, und ich namentlich in den Stand gesetzt werden, die Folgen einer in mannichfachen Fesseln verlebten Jugend (die sich im eigentlichen Sinne weder eine Jugend, noch ein Leben nennen lassen möchte) zu redressiren. Am ersterem verstehe ich weniger, daß mich meine pecuniären Verhältnisse drücken, und mir nicht die Freiheit des Geistes gönnen, die zur Ausübung einer Kunst absolut nothwendig ist. Meine ganze hiesige Stellung als Musiker fängt an eine höchst unangenehme zu werden. Es ist betrübend, und mehr als dies, zu sehen, wie die Leute hier keinen, nicht den geringsten Respect vor der mit Mühe und Fleiß zu Tage geförderten Leistung (ich rede nicht von meiner individuellen, als Componist oder Virtuose; da mache ich keine Ansprüche sondern von der, die hier eigentlich meines Amtes ist) haben; sondern nur immer bei Beurtheilung derselben auf nicht allzufeine Weise durchblicken lassen, daß man für so und soviel hundert Thaler Gehalt auch etwas thun müsse! Wie ferner bei jeder neuen Anordnung des Comités, die jederzeit den hiesigen Musikern Veranlassung zu tumultuarischen Auftritten geben, ich stets derjenige sein muß, der das ganze zu verfechten hat, nur immer ich in öffentlichen Blättern höhnisch angegriffen werde, weil den andern Mitgliedern des Comités, als angesehenen Leuten der Stadt und großentheils königlichen Beamten, nicht beizukommen ist! Wie endlich die ganze Zeit meines Hierseins (es sind nach Ablauf meines Kontractes 4 Jahre) nicht sowohl für meine practische Ausbildung, als für meine Stellung in der Welt rein verloren gewesen ist, da von Düsseldorf, als einem Orte wo man Musik treibt, ämsig und mit Ausdauer das Gute in der Musik zu befördern sucht, nirgend die Rede ist, indeß von jeder Aussicht eines lumpigen Schneiderschen Oratoriums in dem kleinsten Städtchen Seiten und Bogenlange Referate überall zu lesen ist. Ich thue nichts, kann leider nichts thun, um gepriesen und gerühmt zu werden; aber das ist doch wohl das bescheidenste Verlangen, das man nur äußern kann, wenn man gute öffentliche Leistungen in Instituten, die zu dergleichen Zwecken vorhanden sind, wie musikalische Zeitungen v. m. d. besprochen, und den Namen dessen, der sie eigentlich veranstaltet, wenigstens erwähnt zu sehen wünscht. Ich glaube wohl, lieber Felix, daß Sie mit mir die Meinung theilen werden: alles dergleichen ist schon im Stande; Jemanden, der noch Ansprüche an die Welt machen muß, der aber ohne Aussichten zu haben, schon dadurch ein zaghaftes, keineswegs anregendes Leben führt, dem es in seinem Kreise an jeder befördernden Aufmunterung fehlt, ganz herabzuziehen. Das ist es aber nun nicht einmal allein, was verderblichen Einfluß auf mich ausübt. Blicke ich auf meine Jugendzeit zurück, sehe ich, wie da fast Alles versäumt ist, oft versäumt werden mußte, was zu meiner Ausbildung nöthig war, wie ich die Periode, wo es Andern vergönnt war zu lernen und für das Leben einzusammeln, in dem dumpfen Orchester eines Institutes, welches das Heilige in der Kunst geradezu mit Füßen trat, vergeuden mußte, um nur das liebe Leben fristen zu können – dann möchte ich immer verzweifeln. Ich bin kein Genie; habe höchstens ein mittelmäßiges Talent, auf den Wegen fortzugehen, die andere gebahnt haben. Aber auch da stolpere ich überall, weil ich ohne Lehrer und Führer mich selber mit Mühe und Anstrengung der Wissenschaft unserer Kunst bemeistert habe, und in derselben keineswegs so sicher werden konnte, als es mir nöthig zu sein scheint. So kostet mich jedes Musikstück einen Aufwand von Zeit, der sich nicht, wenn man bedenkt, wie viel wirklich gute Musik man gemacht haben muß, um sich einen bleibenden Namen zu erwerben, und wie kurz das Leben ist, bestreiten läßt. Habe ich dann aber einmal ein Stück zu Stande gebracht, so ist mir daran auch wieder alles nicht recht; und nur eifriges Zureden einiger Freunde, denen ich dann Sachen mitzutheilen pflege, bewahrt sie vor augenblicklicher Vernichtung. Diese wahrhafte Überzeugung meiner großen musicalischen Nichtigkeit, dieses Leben in höchst widerwärtigen Verhältnissen haben aus mir den Menschen gemacht, der Ihnen damals, freilich in ganz besonders aufgeregter Stimmung, zu der dann auch aber wieder die allertriftigsten positiven Gründe, die die Meinung über mich selber so sehr aufs Neue bestätigten (denken Sie an die Tempi im Paulus ), vorhanden waren, den Brief schrieb, auf den Sie so geantwortet haben, daß ich dadurch wahrhaft erhaben, und gestärkt wurde, wenigstens in Geduld einer nothwendigen Änderung meiner Existenz entgegenzuharren und durch allen Jammer durch, in meinen Bestrebungen nicht nach zu lassen. Vielleicht wird es doch einmal noch besser! Ich glaube nicht, lieber Felix, daß Sie nach diesen Bekenntnissen, die Ihnen wohl erst den Standpunkt angedeutet haben, nach denen Sie mich beurtheilen müssen wie es jener Brief wohl nicht that, diesen und die Stimmung, die ihn erzeugte, so ganz tadelndswürdig finden werden. Sie ist eine Geburt der Verhältnisse, und nur diese sind im Stande sie wieder zu tödten. – Haben ich Ihnen damals mit dem Anfange des Briefes wehe gethan, so vergeben Sie mir. Ich hielt es aber für meine Pflicht die Sache nach so langer Zeit wieder anzuregen; und in dem Pflichtgefühl, welches augenscheinlich nicht ein ganz falsches ist, kann doch nie ein wirkliches Unrecht sein. Ich werde so in der Sache handeln, wie Sie mir gerathen haben.
Ich kann mir denken, daß in diesen Zeilen viel Verworrenes enthalten ist; ich fühle es sogar bestimmt bei deren Überlesung. Glauben Sie aber deswegen nicht, daß es in mir verworren und unklar ist. Eben weil ich meinen Zustand und die Gründe desselben, durch wenige Zeilen, und ohne Gepränge und Wahl des Ausdrucks derselben wollte mag manches alberne Wort mit durchgegangen sein. Sie werden Ausdruck und Meinung wohl zu unterscheiden wissen, wenn erstere die letztere nicht grade entstellt.
Nun, lieber Felix, möchte ich aber wohl wissen, was Sie damit meinten als Sie wenige Minuten vor Ihrer Abreise sagten: Sie hätten mir einen Vorschlag zu machen. Sie besinnen sich wohl noch darauf? – Die Musik zum standhaften Prinzen soll sobald erfolgen, als der Oberbürgermeister v. Fuchsius, der den Schlüssel zur Bibliothek des ehemaligen Stadttheaters in Verwahrsam hat, zurückgekehrt ist.
 Es hat sich hier ein Gerücht verbreitet, daß Ihnen während Sie in London Orgel spielten, plötzlich das Gebot: aufzuhören, zugekommen sei, und dem Balgentreter untersagt worden wäre, fernerhin Wind zu machen?! Was ist denn daran Wahres? Ich bin schon verschiedentlich angegangen worden, darüber Bestimmtes zu äußern, und weiß so wenig, wie jeder Andere.
Simrock hat meine Lieder in Gnaden angenommen. Jery und Bätely ist fertig. Die Cello-Fantasie soll es in diesen Tagen werden. Sind Sie wohl so gütig, David wegen Copiatur der Krönungsmotete, wenn er Sie in den sämmtlichen Werken Händels gefunden hat, anzutreiben. Es ist die höchste Zeit. Sie muß noch instrumentirt und ausgeschrieben werden, und das erste Conzert, zu welchem sie bestimmt ist, soll so bald wie möglich sein.
Spohr hat uns einen recht guten Geiger zugesandt. Das Loch wäre zugestopft. Wäre es nur das einzige!
Denken Sie wohl einmal später an den Samsons?
Mit meinen Bitten und Fragen wäre ich nun am Ende, und ich kann nur noch die eine Bitte hinzufügen, daß Sie mir gut bleiben und mich bald wieder mit ein Paar Zeilen erfreuen. So ein Brief von Ihnen macht immer einen Festtag in meinem Kalender aus.
Die Meinigen sind alle wohl; mein Neugeborner gedeiht, daß es eine Freude ist. Meine Frau läßt sich Ihnen angelegentlichst empfehlen. Die Ihrige sind Sie so gut, auf das Freundlichste zu grüßen, ebenso den David.
Leben Sie wohl, lieber Felix, und vergessen Sie nicht Ihren stets freudig ergebenen
Julius Rietz.
Düsseldorf, d. 12t October. 1837.          
            <TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="gb-1837-10-12-02" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="gb-1837-10-12-02" xml:id="title_1f5d6d89-803b-4078-818d-60d63df1a701">Julius Rietz an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig <lb></lb> Düsseldorf, 12. Oktober 1837</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_a4907028-7be5-4e3d-91e3-27573848b453">Ich habe mit wahrer Sehnsucht dem Augenblicke entgegengesehen, wo ich die bestimmte Nachricht Ihrer Rückkunft von England erhalten würde. Diese ist mir nun vor einigen Tagen durch meine Bücher und den denselben beiliegenden Zeilen zu</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_5aaf872c-6dd1-46ac-9f84-bc61754e6f43">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="fmb-1837-09-28-02" type="precursor" xml:id="title_03d6ff97-3a69-44fb-9e0c-4777b5a04bc2">Felix Mendelssohn Bartholdy an Julius Rietz in Düsseldorf; Frankfurt a. M., 28. September 1837</title> <title key="fmb-1837-12-05-01" type="successor" xml:id="title_4a9fb620-6756-498a-bff2-b6de2676547a">Felix Mendelssohn Bartholdy an Julius Rietz in Düsseldorf; Leipzig, 5. Dezember 1837</title> <author key="PSN0114200">Rietz, August Wilhelm Julius (1812-1877)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0114200" resp="writer">Rietz, August Wilhelm Julius (1812-1877)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">  </name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName xml:id="placeName_6afeef50-2c27-4788-be46-5a9f01981849"> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript" xml:id="sourceDesc_17ccc406-dbd6-4c2f-944f-66dc8f05e8d6"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. d. 32/84.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="gb-1837-10-12-02" type="letter" xml:id="title_f8ba0bba-3c89-45e4-97d3-8d0912377f3f">Julius Rietz an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig;  Düsseldorf, 12. Oktober 1837</title> <incipit>Ich habe mit wahrer Sehnsucht dem Augenblicke entgegengesehen, wo ich die bestimmte Nachricht Ihrer Rückkunft von England erhalten würde. Diese ist mir nun vor einigen Tagen durch meine Bücher und den denselben beiliegenden Zeilen zu</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>1 Doppelbl. und 1 Bl.: S. 1-5 Brieftext; S. 6 Adresse, 1 Poststempel [DÜSSELD. 4-5 / 12 / 10], Siegel.</p> <handDesc hands="1"> <p>Julius Rietz</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1837-10-12" xml:id="date_4de65cf2-8b50-4543-9fd8-42aef9163e9f">12. Oktober 1837</date> </creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0114200" resp="author" xml:id="persName_f67671f5-e750-4f17-bbb0-81fc35e18101">Rietz, August Wilhelm Julius (1812-1877)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0114200" resp="writer">Rietz, August Wilhelm Julius (1812–1877)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_b63b16b1-0209-4cf3-9786-de1e8bca2613"> <settlement key="STM0100109">Düsseldorf</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_650b6c18-8dd9-452d-84de-59c1d9b40396">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_e35dcfed-fa80-4db5-8741-e50d3d0c092b"> <settlement key="STM0100116">Leipzig</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_50cb3415-31bd-4410-9ca5-14053c7846e3"> <head> <address> <addrLine>Herrn</addrLine> <addrLine>Herrn Musik-Director</addrLine> <addrLine><hi n="2" rend="underline">Felix Mendelssohn-Bartholdy.</hi></addrLine> <addrLine>Wohlgeboren.</addrLine> <addrLine><hi n="1" rend="underline"><hi rend="latintype">Leipzig</hi></hi>.</addrLine> <addrLine><hi n="1" rend="underline"><hi rend="latintype">fr</hi>.</hi></addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_e8c070e1-8ba6-4066-9817-c32823cda462"> <docAuthor key="PSN0114200" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_ce3ebf21-7fd7-474d-adda-8ed011da2245">Rietz, August Wilhelm Julius (1812–1877)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0114200" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_9b828496-217c-46e7-87ed-0a17dddcd4ba">Rietz, August Wilhelm Julius (1812–1877)</docAuthor> <salute rend="left">Lieber Felix.</salute> <p style="paragraph_without_indent">Ich habe mit wahrer Sehnsucht dem Augenblicke entgegengesehen, wo ich die bestimmte Nachricht Ihrer Rückkunft von England<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_c6880491-0efb-4ce2-a7d0-1c8a7335f117" xml:lang="de">Ihrer Rückkunft von England – Felix Mendelssohn Bartholdy unternahm am 26. August 1837 seine fünfte Englandreise, hörte am 12. September 1837 in London die Aufführung seines Oratoriums Paulus op. 36 (MWV A 14) unter der Leitung von Joseph Surman, reiste danach zum Birmingham Triennial Music Festival, das vom 19. bis 22. September 1837 stattfand, und trat am 22. September die Rückreise nach Leipzig an. </note> erhalten würde. Diese ist mir nun vor einigen Tagen durch meine Bücher und den denselben beiliegenden <title xml:id="title_6767d88d-3a54-4f84-9eb3-d36c6a536d6d">Zeilen <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1837-09-28-02" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Julius Rietz in Düsseldorf; Frankfurt a. M., 28. September 1837</name> </title> zu nicht geringer Freude geworden, und ich beeile mich daher, Ihnen meinen herzlichsten, aufrichtigsten Dank für Ihren aus ebenso edler, vortrefflicher als für mich freundlicher Gesinnung entsprungenen Brief darzubringen. Wenn es überhaupt möglich wäre, so sollte auch dieser Brief in noch trübere Stimmung versetzen müssen, als die ist, die leider der Mittelpunct und die bestimmende Kraft aller meiner Handlungen geworden ist, denn ich habe aus ihm gesehen, wie auch in jeder andern Beziehung, als der musicalischen, ich so winzig klein und traurig neben Ihnen dastehe. Sie denken zu gut von mir, lieber Felix, wenn Sie meinen, daß mich so triste Stimmung, durch momentane unangenehme häusliche Verhältnisse hervorgerufen, gleichsam überrumpeln konnte; Sie haben eine zu hohe Meinung von mir, wenn Sie glauben, ich könnte mich deren Überhandnehmen entgegenstemmen, wie es der Mann eigentlich sollte. Allein, wie ich schon vorhin sagte, diese Stimmung ist mit meinem Wesen und meinem Thun eins gewordn. Ihre Gegenwart konnte sie, wie Alles was von Ihnen mir bis jetzt geworden ist, gut und heilbringend auf mich eingewirkt hat, auf einige Zeit verbannen, und ich betraure es, daß sie mich noch in den letzten Stunden Ihres Hierseins ergreifen mußte, und ich Ihnen dadurch vielleicht einige fatale Augen-<seg type="pagebreak"> |2| <pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg>blicke bereitet habe; um sie aber ganz zu verscheuchen, müßte eine vollständige Umwandlung meiner Verhältnisse eintreten, und ich namentlich in den Stand gesetzt werden, die Folgen einer in mannichfachen Fesseln verlebten Jugend (die sich im eigentlichen Sinne weder eine Jugend, noch ein Leben nennen lassen möchte) zu redressiren. Am ersterem verstehe ich weniger, daß mich meine pecuniären Verhältnisse drücken, und mir nicht <hi n="1" rend="underline">die</hi> Freiheit des Geistes gönnen, die zur Ausübung einer Kunst absolut nothwendig ist. Meine ganze hiesige Stellung als Musiker fängt an eine höchst unangenehme zu werden. Es ist betrübend, und mehr als dies, zu sehen, wie die Leute hier keinen, nicht den geringsten Respect vor der mit Mühe und Fleiß zu Tage geförderten Leistung (ich rede nicht von meiner individuellen, als Componist oder Virtuose; da mache ich keine Ansprüche sondern von der, die hier eigentlich meines Amtes ist)<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_279dac3d-2eed-4874-a5ee-bd9daabca170" xml:lang="de">die hier eigentlich meines Amtes ist – Julius Rietz war seit 1835 Musikdirektor in Düsseldorf.</note> haben; sondern nur immer bei Beurtheilung derselben auf nicht allzufeine Weise durchblicken lassen, daß man für so und soviel hundert Thaler Gehalt auch etwas thun müsse! Wie ferner bei jeder neuen Anordnung des <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_1302656d-bb53-4cae-9bea-2a67b381eb80">Comités<name key="NST0100736" style="hidden" subtype="Vorstand" type="institution">Stadttheater</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="locality">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName></hi>, die jederzeit den <placeName xml:id="placeName_22c8ae66-6cdd-4214-87a4-d2605e54f04b">hiesigen<settlement key="STM0100109" style="hidden" type="locality">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> Musikern Veranlassung zu tumultuarischen Auftritten geben, ich stets derjenige sein muß, der das ganze zu verfechten hat, nur immer ich in öffentlichen Blättern höhnisch angegriffen werde, weil den andern Mitgliedern des <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_a555a41d-64db-4df0-898c-70bdf2fe8797">Comités<name key="NST0100736" style="hidden" subtype="Vorstand" type="institution">Stadttheater</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="locality">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName></hi>, als angesehenen Leuten der <placeName xml:id="placeName_6f6b9982-743f-4cd6-a8f6-e37ae8fd3ea0">Stadt<settlement key="STM0100109" style="hidden" type="locality">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> und großentheils königlichen Beamten, nicht beizukommen ist! Wie endlich die ganz[e] Zeit meines <placeName xml:id="placeName_f92c1434-1183-468f-a9c3-952f04be25ad">Hierseins<settlement key="STM0100109" style="hidden" type="locality">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> (es sind nach Ablauf meines Kontractes 4 Jahre) nicht sowohl für meine practische Ausbildung, als für meine Stellung in der Welt rein verloren gewesen ist<unclear reason="covering" resp="UT">,</unclear> da von <placeName xml:id="placeName_6ef40572-00f4-43f5-be23-a611268e5411">Düsseldorf<settlement key="STM0100109" style="hidden" type="locality">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, als einem Orte wo man Musik treibt, ämsig und mit Ausdauer das Gute in der Musik zu befördern sucht, nirgend die Rede ist, indeß von jeder Aussicht eines lumpigen <persName xml:id="persName_4e9febe2-5c56-4435-8e27-1270d1a024f2">Schneiderschen<name key="PSN0114646" style="hidden" type="person">Schneider, Johann Christian Friedrich (1786-1853)</name></persName> <title xml:id="title_4d923596-8ae4-4c15-88a8-0080c4b863b0">Oratoriums<name key="PSN0114646" style="hidden" type="author">Schneider, Johann Christian Friedrich (1786–1853)</name><name key="CRT0112256" style="hidden" type="music">Oratorium</name></title> in dem kleinsten Städtchen Seiten und Bogenlange Referate überall zu lesen ist. Ich thue nichts, kann leider nichts thun, um gepriesen und gerühmt zu werden; aber das ist doch wohl das bescheidenste<seg type="pagebreak"> |3| <pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg>Verlangen, das man nur äußern kann, wenn man gute öffentliche Leistungen in Instituten, die zu dergleichen Zwecken vorhanden sind, wie musikalische Zeitungen v. m. d. besprochen, und den Namen dessen, der sie eigentlich veranstaltet, wenigstens erwähnt zu sehen wünscht. Ich glaube wohl, lieber Felix, daß Sie mit mir die Meinung theilen werden: alles dergleichen ist schon im Stande; Jemanden, der noch Ansprüche an die Welt machen <hi n="1" rend="underline">muß</hi>, der aber ohne Aussichten zu haben, schon dadurch ein zaghaftes, keineswegs anregendes Leben führt, dem es in seinem Kreise an jeder befördernden Aufmunterung fehlt, ganz herabzuziehen. Das ist es aber nun nicht einmal allein, was verderblichen Einfluß auf mich ausübt. Blicke ich auf meine Jugendzeit zurück, sehe ich, wie da fast Alles versäumt ist, oft versäumt werden mußte, was zu meiner Ausbildung nöthig war, wie ich die Periode, wo es Andern vergönnt war zu lernen und für das Leben einzusammeln, in dem dumpfen Orchester eines Institutes, welches das Heilige in der Kunst geradezu mit Füßen trat, vergeuden mußte, um nur das liebe Leben fristen zu können – dann möchte ich immer verzweifeln. Ich bin kein Genie; habe höchstens ein mittelmäßiges Talent, auf den Wegen fortzugehen, die andere gebahnt haben. Aber auch da stolpere ich überall, weil ich ohne Lehrer und Führer mich selber mit Mühe und Anstrengung der Wissenschaft unserer Kunst bemeistert habe, und in derselben keineswegs so sicher werden konnte, als es mir nöthig zu sein scheint. So kostet mich jedes Musikstück einen Aufwand von Zeit, der sich nicht, wenn man bedenkt, wie viel wirklich gute Musik man gemacht haben muß, um sich einen bleibenden Namen zu erwerben, und wie kurz das Leben ist, bestreiten läßt. Habe ich dann aber einmal ein Stück zu Stande gebracht, so ist mir daran auch wieder alles nicht recht; und nur eifriges Zureden einiger Freunde, denen ich dann Sachen mitzutheilen pflege, bewahrt sie vor augenblicklicher Vernichtung. Diese wahrhafte Überzeugung meiner großen musicalischen Nichtigkeit, dieses Leben in höchst widerwärtigen Verhältnissen haben aus mir den Menschen gemacht, der Ihnen damals, freilich<seg type="pagebreak"> |4| <pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg>in ganz besonders aufgeregter Stimmung, zu der dann auch aber wieder die allertriftigsten positiven Gründe, die die Meinung über mich selber so sehr aufs Neue bestätigten (denken Sie an die <hi rend="latintype">Tempi</hi> im <hi rend="latintype"><title xml:id="title_54478e6f-d5d4-4fb9-875a-f74f2be4819a">Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_oybdm9nf-gyow-1fzh-f0aq-bmvaeeyozjq6"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title></hi>), vorhanden waren, den Brief schrieb,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_be625c46-1ac0-4d25-a29d-224053b4e3c6" xml:lang="de">den Brief schrieb – Laut Tagebucheintrag vom 25. August 1837 hatte Felix Mendelssohn Bartholdy unmittelbar vor seiner Abreise von Düsseldorf am 24. August 1837 einen (nicht überlieferten) Brief von Julius Rietz erhalten (Ward Jones, Tagebuch der Hochzeitsreise, S. 105). Siehe Brief gb-1837-08-23-01 Julius Rietz an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Düsseldorf, vor dem 24. August 1837. Auf Rietz’ derzeitige Situation weist noch dessen Brief vom 12. Oktober 1837 hin: »Meine ganze hiesige Stellung als Musiker fängt an eine höchst unangenehme zu werden« (Brief gb-1837-10-12-02 Julius Rietz an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig, Düsseldorf, 12. Oktober 1837). Rietz begründete dies u. a. mit der fehlenden Anerkennung seiner Leistungen, mit Auseinandersetzungen mit den Musikern und der mangelnden öffentlichen Wirkung seiner Stellung in Düsseldorf. Zu Rietz siehe auch Cecilia Hopkins Porter, The Reign of the Dilettanti: Düsseldorf from Mendelssohn to Schumann, in: The Musical Quarterly, Vol. 73 (1989), S. 491 ff.</note> auf den Sie so <title xml:id="title_3cd49985-6070-4ac7-961c-a410e5b54d01">geantwortet <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1837-08-25-02" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Julius Rietz in Düsseldorf; Rotterdam, 25. August 1837</name> </title> haben, daß ich dadurch wahrhaft erhaben, und gestärkt wurde, wenigstens in Geduld einer nothwendigen Änderung meiner Existenz entgegenzuharren und durch allen Jammer durch, in meinen Bestrebungen nicht nach zu lassen. Vielleicht wird es doch einmal noch besser! Ich glaube nicht, lieber Felix, daß Sie nach diesen Bekenntnissen, die Ihnen wohl erst den Standpunkt angedeutet haben, nach denen Sie mich beurtheilen müssen wie es jener Brief wohl nicht that, diesen und die Stimmung, die ihn erzeugte, so ganz tadelndswürdig finden werden. Sie ist eine Geburt der Verhältnisse, und nur diese sind im Stande sie wieder zu tödten. – Habe<del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_62230b16-9034-46bd-9b64-fccfc4f24603">n</del> ich Ihnen damals mit dem Anfange des Briefes wehe gethan, so vergeben Sie mir. Ich hielt es aber für meine Pflicht die Sache nach so langer Zeit wieder anzuregen; und in dem Pflichtgefühl, welches augenscheinlich nicht ein ganz falsches ist, kann doch nie ein wirkliches Unrecht sein. Ich werde so in der Sache handeln, wie Sie mir gerathen haben.</p> <p>Ich kann mir denken, daß in diesen Zeilen viel Verworrenes enthalten ist; ich fühle es sogar bestimmt bei deren Überlesung. Glauben Sie aber deswegen nicht, daß es in mir verworren und unklar ist. Eben weil ich meinen Zustand und die Gründe desselben, durch wenige Zeilen, und ohne Gepränge und Wahl des Ausdrucks derselben wollte mag manches alberne Wort mit durchgegangen sein. Sie werden Ausdruck und Meinung wohl zu unterscheiden wissen, wenn erstere die letztere nicht grade entstellt.</p> <p>Nun, lieber Felix, möchte ich aber wohl wissen, was Sie damit meinten als Sie wenige Minuten vor Ihrer Abreise sagten: Sie hätten mir einen Vorschlag zu machen. Sie besinnen sich wohl noch darauf? – Die <title xml:id="title_750e75b7-7cb5-4b1f-a997-10411b93ed00">Musik zum standhaften Prinzen<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_aejs4srm-vkg8-9tk7-gstq-3e2kgvv2y2tq"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="stage_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="music_for_plays_and_other_stage_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100328" style="hidden">Musik zu Der standhafte Prinz für Männerchor und Orchester, 18. März 1833<idno type="MWV">M 7</idno><idno type="op"></idno></name></title> soll sobald erfolgen, als der Oberbürgermeister <persName xml:id="persName_590dff97-e036-416b-b962-ba02ebdedb17">v. Fuchsius<name key="PSN0111253" style="hidden" type="person">Fuchsius (eigtl. Voiss), Joseph Goswin Hubert Maria von (1793-1854)</name></persName>, der den Schlüssel zur Bibliothek des ehemaligen <placeName xml:id="placeName_09e9bbec-1590-4c33-9fee-358f82e8a5e2">Stadttheaters<name key="NST0100296" style="hidden" subtype="" type="institution">Stadttheater</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="locality">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> in Verwahrsam hat, zurückgekehrt ist.</p> <p><seg type="pagebreak"> |5| <pb n="5" type="pagebreak"></pb></seg>Es hat sich hier ein Gerücht verbreitet, daß Ihnen während Sie in <placeName xml:id="placeName_ce5a2592-d492-4db4-9e54-d6d8585f059c">London<settlement key="STM0100126" style="hidden" type="locality">London</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName> Orgel spielten,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_f53df33b-76c7-43b1-86b2-fa2cc7bf7656" xml:lang="de">während Sie in London Orgel spielten – Felix Mendelssohn Bartholdy hatte am 10. September 1837 in einer Nachmittagsandacht in der Londoner St. Paul’s Cathedral vor einem großen Publikum u. a. Bachs Präludium und Fuge a-Moll, BWV 543, gespielt. Da es sich um kein ausgewiesenes Konzert handelte, beendete der Kalkant auf Anordnung des Kirchendieners mitten im Stück seine Tätigkeit und verließ die Kirche, sodass der Winddruck in der Orgel nachließ und Felix Mendelssohn Bartholdy sein Spiel beenden musste (siehe dazu ausführlich Ward Jones, Tagebuch der Hochzeitsreise, S. 117 ff., und The Musical World 7, Nr. 79 vom 15. September 1837, S. 8-10). Felix Mendelssohn Bartholdy spielte die 1694-1703 von Bernhard Schmidt (Bernard Smith) gebaute Orgel. Siehe dazu William Hayman Cummings, Father Smith’s Organ in St. Paul’s Cathedral, in: The Musical Times and singing-class circular 21 (1880), S. 121 f., und die Disposition in Thistlethwaite, Mendelssohn und die englische Orgel, S. 183. Am 12. September spielte Felix Mendelssohn Bartholdy in der Londoner Christ Church in der Newgate Street (Christ Church Greyfriars) auf Bitten des dort angestellten Organisten Henry John Gauntlett BWV 543, diesmal ohne Zwischenfälle. Die dort 1690 von Renatus Harris gebaute Orgel war zwischen 1827 und 1831 von Elliot &amp; Hill renoviert und zwischen 1834 und 1837 von William Hill unter anderem durch den Einbau eines Pedals stark modifiziert worden. Das Pedal hatte allerdings nur einen Umfang von 18 Tönen (G–c1), was Felix Mendelssohn Bartholdy die Interpretation der Bach’schen Komposition erschwerte (vgl. die Disposition in Thistlethwaite, Mendelssohn und die englische Orgel, S. 185). Über beide Auftritte Felix Mendelssohn Bartholdys schrieb Henry John Gauntlett den Artikel Mendelssohn as an Organist in The Musical World 7, Nr. 79 vom 15. September 1837, S. 8-10. Siehe auch Ward Jones, Tagebuch der Hochzeitsreise, S. 117 ff., und Russell Stinson, The Reception of Bach’s Organ Works from Mendelssohn to Brahms, Oxford 2006, S. 44 ff. </note> plötzlich das Gebot: aufzuhören, zugekommen sei, und dem Balgentreter untersagt worden wäre, fernerhin Wind zu mache<del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_78b5655d-f858-4a44-a5ce-86f4009628ff">n</del>?! Was ist denn daran Wahres? Ich bin schon verschiedentlich angegangen worden, darüber Bestimmtes zu äußern, und weiß so wenig, wie jeder Andere.</p> <p><persName xml:id="persName_eed60d97-2fdc-4548-b1a9-c2c28e7bb068">Simrock<name key="PSN0114935" style="hidden" type="person">N. Simrock, Musikverlag in Bonn</name></persName> hat meine <title xml:id="title_0e71e996-8a30-411a-922c-b583e223dc7b">Lieder<name key="PSN0114200" style="hidden" type="author">Rietz, August Wilhelm Julius (1812–1877)</name><name key="CRT0110515" style="hidden" type="music">Zwölf Gesänge für eine Singstimme und Klavier op. 8 (2 Hefte)</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_674ac979-ae8e-41d4-8d01-74a228cc553f" xml:lang="de">Simrock hat meine Lieder – Die beiden Hefte von Julius Rietz’ Zwölf Gesängen für eine Singstimme und Klavier op. 8 erschienen im April 1838 bei N. Simrock. </note> in Gnaden angenommen. <title xml:id="title_68b0d989-a3a6-461f-ad8d-48882cee0797"><title xml:id="title_7f55aa41-0ba3-43bc-8bdd-192fc6079dff">Jery und Bätely<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0111747" style="hidden" type="music">Jery und Bätely. Ein Singspiel</name></title><name key="PSN0114200" style="hidden" type="author">Rietz, August Wilhelm Julius (1812–1877)</name><name key="CRT0110497" style="hidden" type="music">Jery und Bätely op. 10</name></title> ist fertig. Die <title xml:id="title_55b41585-17a4-4c09-92e0-6130f2958a53">Cello-Fantasie<name key="PSN0114200" style="hidden" type="author">Rietz, August Wilhelm Julius (1812–1877)</name><name key="CRT0110495" style="hidden" type="music">Fantasie für Violoncello und Klavier / Orchester A-Dur, op. 2</name></title> soll es in diesen Tagen werden. Sind Sie wohl so gütig, <persName xml:id="persName_51519f59-40bc-4864-8a75-eff5deb97fef">David<name key="PSN0110564" style="hidden" type="person">David, Ernst Victor Carl Ferdinand (1810-1873)</name></persName> wegen Copiatur der <title xml:id="title_d87cb636-34a9-458e-bfc9-b91d41332803">Krönungsmotete<name key="PSN0111693" style="hidden" type="author">Händel, Georg Friedrich (1685–1759)</name><name key="CRT0108968" style="hidden" type="music">Coronation Anthems HWV 258-261</name></title>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_726390b7-5345-40df-8d4d-0e8893ba24fc" xml:lang="de">Copiatur der Krönungsmotete – Georg Friedrich Händel, Coronation Anthems HWV 258-261. William Crotch, Anthems For The Coronation of King George II (Herausgabe: The Works of Handel, Bd. 1; beinhaltet HWV 258-261). </note> wenn er Sie in den sämmtlichen Werken <persName xml:id="persName_702dfef1-ffb3-442a-9043-71a9ed9a174f">Händels<name key="PSN0111693" style="hidden" type="person">Händel, Georg Friedrich (1685-1759)</name></persName> gefunden hat, anzutreiben. Es ist die höchste Zeit. Sie muß noch instrumentirt und ausgeschrieben werden, und das erste Conzert, zu welchem sie bestimmt ist, soll so bald wie möglich sein.</p> <p><persName xml:id="persName_9b49182b-02fa-41c9-b3aa-c3cbbf95bb34">Spohr<name key="PSN0115032" style="hidden" type="person">Spohr, Louis (Ludewig) (1784-1859)</name></persName> hat uns einen recht guten Geiger zugesandt. <hi n="1" rend="underline">Das</hi> Loch wäre zugestopft. Wäre es nur das einzige!</p> <p>Denken Sie wohl einmal später an den <title xml:id="title_99c345b2-6f57-40de-befd-2df53fc3cf4c">Samsons<name key="PSN0111693" style="hidden" type="author">Händel, Georg Friedrich (1685–1759)</name><name key="CRT0109014" style="hidden" type="music">Samson HWV 57</name></title>?</p> <p>Mit meinen Bitten und Fragen wäre ich nun am Ende, <seg type="closer">und ich kann nur noch die eine Bitte hinzufügen, daß Sie mir gut bleiben und mich bald wieder mit ein Paar Zeilen erfreuen.</seg> So ein Brief von Ihnen macht immer einen Festtag in meinem Kalender aus.</p> <p>Die Meinigen sind alle wohl; mein <persName xml:id="persName_06c3e6d9-04da-4623-a229-8fd03915e546">Neugeborner<name key="PSN0117958" style="hidden" type="person">Rietz, Sohn (geb. / gest. 1837) von → August Wilhelm Julius R. (1837-1837)</name></persName> gedeiht, daß es eine Freude ist. <seg type="closer">Meine <persName xml:id="persName_7cea9040-d0f4-4fb8-8b32-3858e0db09c0">Frau<name key="PSN0114207" style="hidden" type="person">Rietz, Maria Therese (1812-1861)</name></persName> läßt sich Ihnen angelegentlichst empfehlen. Die <persName xml:id="persName_8977d5a5-7bac-4909-8b3a-8079d954b81d">Ihrige<name key="PSN0113252" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> sind Sie so gut, auf das Freundlichste zu grüßen, ebenso den <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_93d155b2-995d-4cf7-ba25-03aae2de162a">David<name key="PSN0110564" style="hidden" type="person">David, Ernst Victor Carl Ferdinand (1810-1873)</name></persName></hi>.</seg></p> <closer rend="left">Leben Sie wohl, lieber Felix, und vergessen Sie nicht</closer> <signed rend="right">Ihren stets freudig ergebenen </signed> <signed rend="right"><hi n="1" rend="underline"><hi rend="latintype">Julius Rietz</hi></hi>.</signed> <dateline rend="left"><hi rend="latintype">Düsseldorf</hi>, d. <date cert="high" when="1837-10-12" xml:id="date_3d53c428-c6bd-4c15-908e-4242fe508a80">12<hi rend="superscript">t</hi> <hi rend="latintype">October</hi>.</date> </dateline> <dateline rend="left"><date cert="high" when="1837-10-12" xml:id="date_b00254a6-389c-45dc-840e-75f89d257d35">1837</date>.</dateline> </div> </body> </text></TEI>