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gb-1837-02-20-02

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Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig <lb></lb>Berlin, 20. Februar 1837 Also beim schönsten Wetter möge man einen Donnerschlag erwarten! Das erfuhren wir gestern, bei Tisch, in der aufgeregtesten Stimmung, als Dein Hiobsbrief mir um 4 Uhr gebracht ward. Sebastian hatte sogar das Eßen verschmäht und Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) Cécile Jeanrenaud und Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy und die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Leipzig, 19. Februar 1837 Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Leipzig, 25. Februar 1837 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842) Transkription: FMB-C Edition: Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
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Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. 32/19. Autograph Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig; Berlin, 20. Februar 1837 Also beim schönsten Wetter möge man einen Donnerschlag erwarten! Das erfuhren wir gestern, bei Tisch, in der aufgeregtesten Stimmung, als Dein Hiobsbrief mir um 4 Uhr gebracht ward. Sebastian hatte sogar das Eßen verschmäht und

1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext.

Lea Mendelssohn Bartholdy

Green Books

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

20. Februar 1837 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842) BerlinDeutschland Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) LeipzigDeutschland deutsch
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842) Berlin 20 Februar

Also beim schönsten Wetter möge man einen Donnerschlag erwarten! Das erfuhren wir gestern, bei Tisch, in der aufgeregtesten Stimmung, als Dein Hiobsbrief <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1837-02-18-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Leipzig, 18. Februar 1837</name> mir um 4 Uhr gebracht ward. SebastianHensel, Sebastian Ludwig Felix (1830-1898) hatte sogar das Eßen verschmäht und kniete auf einem Stuhl am Fenster, um den Reisewagen zuerst zu sehen. Dann weinte er die bittersten Thränen und war nur zu trösten, als DirichletDirichlet (Lejeune Dirichlet), Johann Peter Gustav (1805-1859) sagte, wir wollten gleich einen Wagen kommen laßen und Euch v. Leipzig abholen. Darauf fielen er und WalterDirichlet (Lejeune Dirichlet), Abraham Walter (1833-1887) ihren MamasDirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847) freudig in die Arme, und ihre Kindernatur hat sie freilich schnell getröstet. Meine Natur kennst Du, geliebter Felix! im ersten Moment bin ich vollkommen gefaßt, vielleicht gleichgültig scheinend; doch Betrübniß und Schock wirken nach, und so fühle ich mich heute um so niedergeschlagner, als ich die Besorgniß hege, daß Du und CécileJeanrenaud, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853) von der fatalen Krankheit vielleicht angesteckt werden könntet. Daß Mde. J.Jeanrenaud, Elisabeth (Lilly) Wilhelmine (1796-1871) nach 3 Tagen nicht wird reisen dürfen, dafür laße ich ClarusClarus, Johann Christian August (1774-1854) sorgen, deßen Vorsicht, ja sogar Aengstlichkeit bekannt sind. Wenn er der armen Leidenden aber die Aussicht dazu gegeben, lobe ich ihn sehr, denn nichts deprimirt Kranke so, als eine Sorge über gescheiterte Vorsätze! – Rückfälle haben sich hier schlimmer als das erste Uebel gezeigt; so hat unsre gute BendemannHübner, Pauline Charlotte (1809-1895) doppelt gelitten, weil sie sich zu früh in ihre Küche wagte; an Reisen in dieser Woche ist also nicht zu denken, obgleich ich das Glück, Euch unter meinem Dache zu sehen, keineswegs deßhalb aufgebe: ja, Cécilens Thränen die mir sonst auf der Seele brennen, bürgen mir fast dafür, daß trotz Deiner, sich des Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_3pluei7w-ghdp-ul8l-xlo2-53xt5pbg6vip"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name> wegen häufenden Beschäftigungen,des Paulus wegen häufenden Beschäftigungen – Gemeint sind Felix Mendelssohn Bartholdy Proben zur Aufführung des Paulus op. 36 (MWV A 14) am 16. März 1837 in Leipzig. doch noch Zeit heraus klauben laßen wird, uns die Freude zu schenken. Denn was man ernstlich wünscht und will, dazu räumt man wohl die Hinderniße aus dem Wege. Sage der guten Mde. JeanrenaudJeanrenaud, Elisabeth (Lilly) Wilhelmine (1796-1871), wie unendlich es mich betrübt, sie in der Fremde, und geraden in dem Moment krank zu wißen, und wie viele Wünsche, eigennützige und uneigennützige ich für ihre schnellste |2| Genesung zum Himmel schicke. Auch die liebe Familie SchunkSchunck, Familie von → Friedrich Philipp Daniel S. bedaure ich herzlich: grüße sie mir unzähligemal. Mit Emmilien war ich vorgestern zu einem höchst intereßanten Abend bei Onkel JosephMendelssohn, Joseph (1770-1848) zusammen. HumboldtHumboldt, Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander Freiherr von (1769-1859) hat dort seine in Jena vor den Naturforschern gehaltene Vorlesung wiederholt; Tante HinniMendelssohn, Henriette (Hinni) (1776-1862) und ich bedauerten vielfältig, daß Cécile und ihre Mutter die große Freude nicht gehabt (und wie wir damals noch glaubten, nur um 2 Tage versäumten!) – Der höchst reichhaltige, schön stylisirte, von edlen Gedanken und onizenden Bildern überströmende Aufsatz wird freilich wohl in der Folge gedruckt werden, aber wie lange wir den merkwürdigen, herrlichen Mann behalten; und wie doppelt schön es war, seine Schrift von ihm selbst vorgetragen zu hören, das läßt sich nicht so leicht wieder in Zukunft bestimmen. Ich war doppelt erfreut, denn er sprach gleich mit gewohntem Intereße von Dir, und lobte Deine vorzuhabende Reise nach England ungeheuer. Die Birminghamer AufforderungBirminghamer Aufforderung – Felix Mendelssohn Bartholdy hatte vor dem 22. Januar 1837 vermutlich von Joseph Moore eine Einladung nach Birmingham erhalten, um dort während des vom 19. bis 22. September 1837 stattfindenden Triennial Music Festivals sein Oratorium Paulus op. 36 (MWV A 14) zu dirigieren. Vgl. Brief fmb-1837-01-22-01 (Brief Nr. 1534) Felix Mendelssohn Bartholdy an Heinrich Conrad Schleinitz in Leipzig, Leipzig, 22. Januar 1837, Z. 11. Mendelssohn nahm die Einladung am 23. April 1837 an. Der Brief aus Birmingham ist jedoch nicht nachweisbar. haben wir natürlich einige Tage vorher in 2 unserer Zeitungen und zwar als bestimmt angenommen gelesen – Du aller geheimnißvoller Mensch! Auch bei Tisch war er so sehr gütig, sich zu mir zu setzen: Du kannst also denken, wie versorgt ich den Abend war. Die SchwesternDirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847) konnten leider! die Einladung nicht benutzen: Fanny war aber wenigstens zu Tante Hinnis Geburtstag, der d. 13. bei MarianneMendelssohn, Marianne (1799-1880) gefeiert wurde und wo HenselHensel, Wilhelm (1794-1861) 3 ganz allerliebste Bilder stellte. Das Ganze war ein Mischmasch von unbedeutenden Scenen, auf das rheinische Gut bezüglich; AlexanderMendelssohn, Alexander (1798-1871) verkaufte Bilder bekannter Maler; Fanny wußte das aber zu hintertreiben und schlug das Wort Horchheim, als charade in Bildern vor, was auch über Erwarten schön ausfiel. Das dortige Landhaus hatten sie dazu und GropiusGropius, Ferdinand (1798-1849) als Dekoration malen laßen. In d. 1. Sylbe stand MargaretheMendelssohn, Margarete (Margarethe) Anna Henriette (1823-1890) am Fenster v. MariaMendelssohn, Marie Josephine (1822-1891) mit der guitarre unter demselben; in d. 2. kamen MarianeMendelssohn, Marianne (1799-1880) und die schöne Luise FlörkeFlöricke (Flörcke), Luise Charlotte (1811-1884) als Pilger heim, und das Ganze stellte die Weinlese vor, wo eine Maße junger Mädchen und Burschen artig kostümirt, mit Weinlaub bekränzt, unter Vortritt v. Blasinstrumenten, eine sehr bunte und ruhige Gruppe v. Zug bildeten. AlexandrinchenMendelssohn, Alexandrine Beate Marianne (1833-1900) und WalterDirichlet (Lejeune Dirichlet), Abraham Walter (1833-1887) in einem |3| kleinen Wagen auf Tonnen sitzend, waren nicht die schlechtesten Figurarten, obgleich unter den vielen Erwachsenen die sie umgaben, in der Schnelligkeit des bunten Zuges am wenigsten bemerkt.

VaterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) pflegte zu sagen, um Widerwärtigkeiten standhaft zu ertragen, müße man nur um sich sehen und sich mit seinem Loose versöhnen. Das, mein geliebtes Herz! wurde mir vor einigen Tagen aufs Neue lebendig. Denk Dir, daß Martin EbersEbers, Georg Moritz (»Martin«) (bis 1828: Meier Moses Ephraim) (1802-1837), (der Mann der schönen FannyEbers, Franziska Martha (Fanny) (1802-1886) aus Rotterdam) sich erschoßen hat! Die Frau ist im 8. Monat ihrer Schwangerschaft! Seine Schulden sind, verhältnißmäßig gegen das große Vermögen seiner MutterEbers, Henriette (Jitel) (1779-1852), nur unbedeutend, und sie hat ihm auch öfters mit beträchtlichen Summen geholfen. Gottlob, daß mein Rath vielleicht beitrug, RungeRunge, Friedlieb Ferdinand (1794-1867), mit dem er eine Porcellanfabrik unternommen, von ihm abzuwenden; er schwankte zwischen Ebers und dem Neffen Hempels, für den er auch glücklicherweise seit einem halben Jahre nach England gegangen. – Beiläufig gesagt, habe ich Hoffnung, daß dieser Erbe des Komerzienraths, der plötzlich in London starb und Vater noch eine bedeutende Summe schuldete, mit der Zeit alles abtragen wird, und bisher wenigstens Zinsen bezahlt. – Doch ich muß wiederholen: was ist uns Hekuba?was ist uns Hekuba? – Worte des Hamlet (im Sinne von »das bedeutet mir nichts«) in William Shakespeares Drama Hamlet, zweiter Akt, zweite Szene. Hekuba: lat. Hecuba oder Cisseis, griech. Hekabe (Ἑκάβη); in Homers Ilias die sechste und letzte Königin von Troja und Gattin des Priamos. wirst Du sagen. – Die Mutter EbersEbers, Henriette (Jitel) (1779-1852) also, ist 66 Jahre alt; vor etwa 7 Jahren erschoß sich ihr MannEbers, Martin (vorh. Moses Heymann Ephraim) (1781-1826), vor 2 Jahren wurde ihre einzige TochterEbers, Johanna Franciska Victorine (Hanne, Hanna) (1808-1878)Ebers, Johanna Franciska Victorine (Hanne, Hanna) (1808-1878) entführt (mit der sie aber nicht versöhnt ist) und nun erschießt sich ihr Lieblingssohn! Die Schwestern sagen nicht mit Vernunft v. der whole family, c’est une caverne!c’est une caverne – frz., sie ist eine Höhle. – Fanny schreibt Dir vermutlich, daß HasenkleverHasenclever, Johann Peter (1810-1853) Dich schon zum Doktorschmaus d. 18. eingeladen hatte. Eduard BendemannBendemann, Eduard Julius Friedrich (1811-1889) hoffte auch sehr auf Deine Gegenwart, der Cellist GanzGanz, Leopold Alexander (vor 1808: Lion) (1806-1869) wollte Dich wegen London confisciren etc. Unser braver SteffensSteffens, Henrik (Henryk, Heinrich) (1773-1845) hat sich wieder in seiner Gutmüthigkeitz gezeigt; wir hatten unsern habitués de dimanchehabitués de dimanche – frz., Stammgäste am Sonntag. zu verstehen gegeben, daß wir wegen Eurer Ankunft gern allein sein wollten – Du liebes Hauskaterchen hättest doch sonst gebrummt – nun ließ ich GansGans, Eduard (bis 1825: Elias) (1797-1839), FrankFranck, Eduard (1817-1893) und Steffens bitten uns zu trösten, und Letzterer war so weichmüthig, daß er wirklich weinte.

HenselHensel, Wilhelm (1794-1861) hat sich v. BeuthBeuth, Peter Christian Wilhelm (1781-1853) mit Mühe erbeten, ihre schöne Mirjam<name key="PSN0111899" style="hidden" type="author">Hensel, Wilhelm (1794–1861)</name><name key="CRT0109197" style="hidden" type="art">Miriam (Ölgemälde 1836)</name> auf 8 Tage zu erlauben; die betrübt sich nun einsam im atelier, daß Deine DamenJeanrenaud, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)Jeanrenaud, Elisabeth (Lilly) Wilhelmine (1796-1871) sie nicht schauen; eben so die loge die ich auf Mittwoch zu |4| Armide<name key="PSN0111405" style="hidden" type="author">Gluck, Christoph Willibald (seit 1756) Ritter von (1714–1787)</name><name key="CRT0111399" style="hidden" type="music">Armide GluckWV 1.47</name> genommen, als das einzige Spectacle was der Damen würdig gewesen wäre, da man GluckGluck, Christoph Willibald (seit 1756) Ritter von (1714-1787) sonst nirgend hören kann, und diese Oper seit Kurzem hier wieder einstudirt und schon 4 mal bei übervollem Hause gegeben wurde. Unser sonst dummes Publikum hat sich sogar recht consequent und feinsinnig dabei bewiesen; es hat die Ballette mit eingelegter Musik jedesmal ausgezischt, und Du weißt doch, das ist Majestätsverbrechen!

Auf RebeckaDirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858) scheint die Aussicht, Euch hier zu haben, eine sehr gute Wirkung auszuüben, was ich begreiflich finde, da sie mitunter an großer Nervenverstimmung und peevishnesspeevishness – engl., Griesgrämigkeit, Verdrießlichkeit, üble Laune. leidet. Sie ist all diese Tage meist wohler gewesen und ist es auch heute, trotz unsrer allgemeinen Betrübniß. Heilt sie mir ganz durch Euer Kommen, und meine liebe, liebe Cécile soll ihre schönen, ernsten Augen nicht durch Thränen verderben. – Heute weint der Himmel mit uns; und gestern früh war das Wetter noch so heiter, daß wir uns für Eure Reise und für den Eindruck den Berlin auf die schönen Pilgerinnen machen würde, herzlich freuten; ja ich kam im Garten selbstMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842) nachsehen, ob der so winterliche Garten sich, durch frisches Harken wenigstens, reinlich präsentiren würde!

Walter, der stets etwas erzählt oder deklamirt haben will, lehrte ich das „Kennst Du das Land<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749–1832)</name><name key="CRT0108866" style="hidden" type="literature">Wilhelm Meisters Lehrjahre</name>.“Kennst Du das Land – Kennst du das Land wo die Citronen blühn, Lied der Mignon in Johann Wolfgang von Goethes Wilhelm Meister. Vorgestern sagte ich, aus dem Fenster sehend, heut ists ja recht neblig: darauf citirt er auf der Stelle „Das Maulthier sucht im Nebel seinen Weg<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749–1832)</name><name key="CRT0108866" style="hidden" type="literature">Wilhelm Meisters Lehrjahre</name>!“Das Maulthier sucht im Nebel seinen Weg! – Zitat aus dem Lied der Mignon in Goethes Wilhelm Meister. – wenn er sich über GoetheGoethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832) und RaphaelRaffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520) mit SebastianHensel, Sebastian Ludwig Felix (1830-1898) unterhält, ists wirklich zum todlachen.

Verzeih das viele Geschwätz, halte Dich nicht zu lange in der Krankenstubenluft auf, umarme Cécile für mich; grüße die gute Mama v. Mde. SchunkSchunck, Juliane (Julie) Louise (1789-1862) und laß uns bald Erfreuliches vernehmen.
            Berlin 20 Februar Also beim schönsten Wetter möge man einen Donnerschlag erwarten! Das erfuhren wir gestern, bei Tisch, in der aufgeregtesten Stimmung, als Dein Hiobsbrief mir um 4 Uhr gebracht ward. Sebastian hatte sogar das Eßen verschmäht und kniete auf einem Stuhl am Fenster, um den Reisewagen zuerst zu sehen. Dann weinte er die bittersten Thränen und war nur zu trösten, als Dirichlet sagte, wir wollten gleich einen Wagen kommen laßen und Euch v. Leipzig abholen. Darauf fielen er und Walter ihren Mamas freudig in die Arme, und ihre Kindernatur hat sie freilich schnell getröstet. Meine Natur kennst Du, geliebter Felix! im ersten Moment bin ich vollkommen gefaßt, vielleicht gleichgültig scheinend; doch Betrübniß und Schock wirken nach, und so fühle ich mich heute um so niedergeschlagner, als ich die Besorgniß hege, daß Du und Cécile von der fatalen Krankheit vielleicht angesteckt werden könntet. Daß Mde. J. nach 3 Tagen nicht wird reisen dürfen, dafür laße ich Clarus sorgen, deßen Vorsicht, ja sogar Aengstlichkeit bekannt sind. Wenn er der armen Leidenden aber die Aussicht dazu gegeben, lobe ich ihn sehr, denn nichts deprimirt Kranke so, als eine Sorge über gescheiterte Vorsätze! – Rückfälle haben sich hier schlimmer als das erste Uebel gezeigt; so hat unsre gute Bendemann doppelt gelitten, weil sie sich zu früh in ihre Küche wagte; an Reisen in dieser Woche ist also nicht zu denken, obgleich ich das Glück, Euch unter meinem Dache zu sehen, keineswegs deßhalb aufgebe: ja, Cécilens Thränen die mir sonst auf der Seele brennen, bürgen mir fast dafür, daß trotz Deiner, sich des Paulus wegen häufenden Beschäftigungen, doch noch Zeit heraus klauben laßen wird, uns die Freude zu schenken. Denn was man ernstlich wünscht und will, dazu räumt man wohl die Hinderniße aus dem Wege. Sage der guten Mde. Jeanrenaud, wie unendlich es mich betrübt, sie in der Fremde, und geraden in dem Moment krank zu wißen, und wie viele Wünsche, eigennützige und uneigennützige ich für ihre schnellste Genesung zum Himmel schicke. Auch die liebe Familie Schunk bedaure ich herzlich: grüße sie mir unzähligemal. Mit Emmilien war ich vorgestern zu einem höchst intereßanten Abend bei Onkel Joseph zusammen. Humboldt hat dort seine in Jena vor den Naturforschern gehaltene Vorlesung wiederholt; Tante Hinni und ich bedauerten vielfältig, daß Cécile und ihre Mutter die große Freude nicht gehabt (und wie wir damals noch glaubten, nur um 2 Tage versäumten!) – Der höchst reichhaltige, schön stylisirte, von edlen Gedanken und onizenden Bildern überströmende Aufsatz wird freilich wohl in der Folge gedruckt werden, aber wie lange wir den merkwürdigen, herrlichen Mann behalten; und wie doppelt schön es war, seine Schrift von ihm selbst vorgetragen zu hören, das läßt sich nicht so leicht wieder in Zukunft bestimmen. Ich war doppelt erfreut, denn er sprach gleich mit gewohntem Intereße von Dir, und lobte Deine vorzuhabende Reise nach England ungeheuer. Die Birminghamer Aufforderung haben wir natürlich einige Tage vorher in 2 unserer Zeitungen und zwar als bestimmt angenommen gelesen – Du aller geheimnißvoller Mensch! Auch bei Tisch war er so sehr gütig, sich zu mir zu setzen: Du kannst also denken, wie versorgt ich den Abend war. Die Schwestern konnten leider! die Einladung nicht benutzen: Fanny war aber wenigstens zu Tante Hinnis Geburtstag, der d. 13. bei Marianne gefeiert wurde und wo Hensel 3 ganz allerliebste Bilder stellte. Das Ganze war ein Mischmasch von unbedeutenden Scenen, auf das rheinische Gut bezüglich; Alexander verkaufte Bilder bekannter Maler; Fanny wußte das aber zu hintertreiben und schlug das Wort Horchheim, als charade in Bildern vor, was auch über Erwarten schön ausfiel. Das dortige Landhaus hatten sie dazu und Gropius als Dekoration malen laßen. In d. 1. Sylbe stand Margarethe am Fenster v. Maria mit der guitarre unter demselben; in d. 2. kamen Mariane und die schöne Luise Flörke als Pilger heim, und das Ganze stellte die Weinlese vor, wo eine Maße junger Mädchen und Burschen artig kostümirt, mit Weinlaub bekränzt, unter Vortritt v. Blasinstrumenten, eine sehr bunte und ruhige Gruppe v. Zug bildeten. Alexandrinchen und Walter in einem kleinen Wagen auf Tonnen sitzend, waren nicht die schlechtesten Figurarten, obgleich unter den vielen Erwachsenen die sie umgaben, in der Schnelligkeit des bunten Zuges am wenigsten bemerkt.
Vater pflegte zu sagen, um Widerwärtigkeiten standhaft zu ertragen, müße man nur um sich sehen und sich mit seinem Loose versöhnen. Das, mein geliebtes Herz! wurde mir vor einigen Tagen aufs Neue lebendig. Denk Dir, daß Martin Ebers, (der Mann der schönen Fanny aus Rotterdam) sich erschoßen hat! Die Frau ist im 8. Monat ihrer Schwangerschaft! Seine Schulden sind, verhältnißmäßig gegen das große Vermögen seiner Mutter, nur unbedeutend, und sie hat ihm auch öfters mit beträchtlichen Summen geholfen. Gottlob, daß mein Rath vielleicht beitrug, Runge, mit dem er eine Porcellanfabrik unternommen, von ihm abzuwenden; er schwankte zwischen Ebers und dem Neffen Hempels, für den er auch glücklicherweise seit einem halben Jahre nach England gegangen. – Beiläufig gesagt, habe ich Hoffnung, daß dieser Erbe des Komerzienraths, der plötzlich in London starb und Vater noch eine bedeutende Summe schuldete, mit der Zeit alles abtragen wird, und bisher wenigstens Zinsen bezahlt. – Doch ich muß wiederholen: was ist uns Hekuba? wirst Du sagen. – Die Mutter Ebers also, ist 66 Jahre alt; vor etwa 7 Jahren erschoß sich ihr Mann, vor 2 Jahren wurde ihre einzige Tochter entführt (mit der sie aber nicht versöhnt ist) und nun erschießt sich ihr Lieblingssohn! Die Schwestern sagen nicht mit Vernunft v. der whole family, c’est une caverne! – Fanny schreibt Dir vermutlich, daß Hasenklever Dich schon zum Doktorschmaus d. 18. eingeladen hatte. Eduard Bendemann hoffte auch sehr auf Deine Gegenwart, der Cellist Ganz wollte Dich wegen London confisciren etc. Unser braver Steffens hat sich wieder in seiner Gutmüthigkeitz gezeigt; wir hatten unsern habitués de dimanche zu verstehen gegeben, daß wir wegen Eurer Ankunft gern allein sein wollten – Du liebes Hauskaterchen hättest doch sonst gebrummt – nun ließ ich Gans, Frank und Steffens bitten uns zu trösten, und Letzterer war so weichmüthig, daß er wirklich weinte.
– Hensel hat sich v. Beuth mit Mühe erbeten, ihre schöne Mirjam auf 8 Tage zu erlauben; die betrübt sich nun einsam im atelier, daß Deine Damen sie nicht schauen; eben so die loge die ich auf Mittwoch zu Armide genommen, als das einzige Spectacle was der Damen würdig gewesen wäre, da man Gluck sonst nirgend hören kann, und diese Oper seit Kurzem hier wieder einstudirt und schon 4 mal bei übervollem Hause gegeben wurde. Unser sonst dummes Publikum hat sich sogar recht consequent und feinsinnig dabei bewiesen; es hat die Ballette mit eingelegter Musik jedesmal ausgezischt, und Du weißt doch, das ist Majestätsverbrechen!
Auf Rebecka scheint die Aussicht, Euch hier zu haben, eine sehr gute Wirkung auszuüben, was ich begreiflich finde, da sie mitunter an großer Nervenverstimmung und peevishness leidet. Sie ist all diese Tage meist wohler gewesen und ist es auch heute, trotz unsrer allgemeinen Betrübniß. Heilt sie mir ganz durch Euer Kommen, und meine liebe, liebe Cécile soll ihre schönen, ernsten Augen nicht durch Thränen verderben. – Heute weint der Himmel mit uns; und gestern früh war das Wetter noch so heiter, daß wir uns für Eure Reise und für den Eindruck den Berlin auf die schönen Pilgerinnen machen würde, herzlich freuten; ja ich kam im Garten selbst nachsehen, ob der so winterliche Garten sich, durch frisches Harken wenigstens, reinlich präsentiren würde!
Walter, der stets etwas erzählt oder deklamirt haben will, lehrte ich das „Kennst Du das Land. “ Vorgestern sagte ich, aus dem Fenster sehend, heut ists ja recht neblig: darauf citirt er auf der Stelle „Das Maulthier sucht im Nebel seinen Weg!“ – wenn er sich über Goethe und Raphael mit Sebastian unterhält, ists wirklich zum todlachen.
Verzeih das viele Geschwätz, halte Dich nicht zu lange in der Krankenstubenluft auf, umarme Cécile für mich; grüße die gute Mama v. Mde. Schunk und laß uns bald Erfreuliches vernehmen.          
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Sebastian hatte sogar das Eßen verschmäht und</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_94bcc294-abd0-40bc-a628-99ccd2e91e08">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="fmb-1837-02-19-01" type="precursor" xml:id="title_06c938d1-81c4-40e7-a911-270f49facb99">Cécile Jeanrenaud und Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy und die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Leipzig, 19. Februar 1837</title> <title key="fmb-1837-02-25-01" type="successor" xml:id="title_6bf9b2c0-ca8a-4ab6-a3f1-4fb832609347">Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Leipzig, 25. Februar 1837</title> <author key="PSN0113260">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0113260" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition"></name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName xml:id="placeName_a7611143-5ccf-4d4c-806d-4a39706dd63f"> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. d. 32/19.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="gb-1837-02-20-02" type="letter" xml:id="title_ea402e68-727c-423f-b6ee-c84357dcb5c5">Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig; Berlin, 20. Februar 1837</title> <incipit>Also beim schönsten Wetter möge man einen Donnerschlag erwarten! Das erfuhren wir gestern, bei Tisch, in der aufgeregtesten Stimmung, als Dein Hiobsbrief mir um 4 Uhr gebracht ward. Sebastian hatte sogar das Eßen verschmäht und</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext.</p> <handDesc hands="1"> <p>Lea Mendelssohn Bartholdy</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl></accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1837-02-20" xml:id="date_78c7a58c-5cab-44e1-b1ab-4e6a72d96ade">20. Februar 1837</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0113260" resp="author" xml:id="persName_b010938d-5dea-4901-86ec-bb1c0d41623e">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0113260" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_bbfed66c-22bd-480b-8725-c86f6e623342"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_488df567-7d1d-402c-951a-96d7a8bed5b2">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_55766bd7-9915-4b51-843c-10fb9bdcbfc4"> <settlement key="STM0100116">Leipzig</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"></revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_e71651c1-f8b7-46f1-8d58-a759ed62a37c"> <docAuthor key="PSN0113260" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113260" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</docAuthor> <dateline rend="right">Berlin <date cert="high" when="1837-02-20" xml:id="date_b86e643c-9259-41a6-ab60-860e208c0ecc">20 Februar</date></dateline> <p style="paragraph_without_indent">Also beim schönsten Wetter möge man einen Donnerschlag erwarten! Das erfuhren wir <date cert="high" when="1837-02-19" xml:id="date_d5059c4a-46fa-4bfd-b6a8-0a20cf3b5f6f">gestern</date>, bei Tisch, in der aufgeregtesten Stimmung, als <title xml:id="title_dd021f03-8dea-44ab-9830-18340af25a90">Dein Hiobsbrief <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1837-02-18-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Leipzig, 18. Februar 1837</name> </title> mir um 4 Uhr gebracht ward. <persName xml:id="persName_35bf19cd-6d4b-4ebb-a5af-94aeda38773a">Sebastian<name key="PSN0111898" style="hidden" type="person">Hensel, Sebastian Ludwig Felix (1830-1898)</name></persName> hatte sogar das Eßen verschmäht und kniete auf einem Stuhl am Fenster, um den Reisewagen zuerst zu sehen. Dann weinte er die bittersten Thränen und war nur zu trösten, als <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_06988374-b770-4f36-8651-7eb517ca5a6d">Dirichlet<name key="PSN0110672" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Johann Peter Gustav (1805-1859)</name></persName></hi> sagte, wir wollten gleich einen Wagen kommen laßen und Euch v. Leipzig abholen. Darauf fielen er und <persName xml:id="persName_b3d66cb6-8384-4cfa-bd2d-c5e67c0c171a">Walter<name key="PSN0110666" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Abraham Walter (1833-1887)</name></persName> <persName xml:id="persName_36a0d0bd-ea18-4ed8-982c-6b06d603dd92">ihren Mamas<name key="PSN0110673" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)</name><name key="PSN0111893" style="hidden" type="person">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> freudig in die Arme, und ihre Kindernatur hat sie freilich schnell getröstet. <hi n="1" rend="underline">Meine</hi> Natur kennst Du, geliebter Felix! im ersten Moment bin ich vollkommen gefaßt, vielleicht gleichgültig scheinend; doch Betrübniß und Schock wirken nach, und so fühle ich mich heute um so niedergeschlagner, als ich die Besorgniß hege, daß Du und <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_50741c88-a5b7-4a41-8d92-ff2e6998611d">Cécile<name key="PSN0112225" style="hidden" type="person">Jeanrenaud, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName></hi> von der fatalen Krankheit vielleicht angesteckt werden könntet. Daß <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_20300e85-a5ee-46f5-bdfa-8ff66b827045">Mde. J.<name key="PSN0112228" style="hidden" type="person">Jeanrenaud, Elisabeth (Lilly) Wilhelmine (1796-1871)</name></persName></hi> nach 3 Tagen nicht wird reisen dürfen, dafür laße ich <persName xml:id="persName_88f3da80-623d-42f9-bdc4-a2a062e9ec98">Clarus<name key="PSN0110406" style="hidden" type="person">Clarus, Johann Christian August (1774-1854)</name></persName> sorgen, deßen Vorsicht, ja sogar Aengstlichkeit bekannt sind. Wenn er der armen Leidenden aber die Aussicht dazu gegeben, lobe ich ihn sehr, denn nichts deprimirt Kranke so, als eine Sorge über gescheiterte Vorsätze! – Rückfälle haben sich hier schlimmer als das erste Uebel gezeigt; so hat unsre gute <persName xml:id="persName_3ce60bc4-b885-4661-904e-37d4dd5b3a2c">Bendemann<name key="PSN0112129" style="hidden" type="person">Hübner, Pauline Charlotte (1809-1895)</name></persName> doppelt gelitten, weil sie sich zu früh in ihre Küche wagte; an Reisen in dieser Woche ist also nicht zu denken, obgleich ich das Glück, Euch unter meinem Dache zu sehen, keineswegs deßhalb aufgebe: ja, <hi rend="latintype">Cécilens</hi> Thränen die mir sonst auf der Seele brennen, bürgen mir fast dafür, daß trotz Deiner, sich des <title xml:id="title_aaa351f9-c441-4568-98c0-f49e6d3eccd1">Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_3pluei7w-ghdp-ul8l-xlo2-53xt5pbg6vip"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title> wegen häufenden Beschäftigungen,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_8d241009-aeaf-4ac9-8279-c3a13c9f5718" xml:lang="de">des Paulus wegen häufenden Beschäftigungen – Gemeint sind Felix Mendelssohn Bartholdy Proben zur Aufführung des Paulus op. 36 (MWV A 14) am 16. März 1837 in Leipzig.</note> doch noch Zeit heraus klauben laßen wird, uns die Freude zu schenken. Denn was man ernstlich wünscht und will, dazu räumt man wohl die Hinderniße aus dem Wege. Sage der guten <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_9a09118a-cacd-4f2b-9b45-120f653c8f63">Mde. Jeanrenaud<name key="PSN0112228" style="hidden" type="person">Jeanrenaud, Elisabeth (Lilly) Wilhelmine (1796-1871)</name></persName></hi>, wie unendlich es mich betrübt, sie in der Fremde, und geraden in <hi n="1" rend="underline">dem</hi> Moment krank zu wißen, und wie viele Wünsche, eigennützige und uneigennützige ich für ihre schnellste<seg type="pagebreak"> |2| <pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg>Genesung zum Himmel schicke. Auch die liebe <persName xml:id="persName_2cc3b85b-1925-49ee-8a01-319a1f94d23c">Familie Schunk<name key="PSN0114759" style="hidden" type="person">Schunck, Familie von → Friedrich Philipp Daniel S.</name></persName> bedaure ich herzlich: grüße sie mir unzähligemal. Mit Emmilien war ich vorgestern zu einem höchst intereßanten Abend bei <persName xml:id="persName_e3ed1f22-026c-4a26-a9c3-0e96c6e64f9c">Onkel Joseph<name key="PSN0113227" style="hidden" type="person">Mendelssohn, Joseph (1770-1848)</name></persName> zusammen. <persName xml:id="persName_629c9faa-bfa8-4d4c-ae0c-81060a93f043">Humboldt<name key="PSN0112143" style="hidden" type="person">Humboldt, Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander Freiherr von (1769-1859)</name></persName> hat dort seine in Jena vor den Naturforschern gehaltene Vorlesung wiederholt; <persName xml:id="persName_6c4a5856-c2c5-45e0-89f4-8d5be046e894">Tante Hinni<name key="PSN0113223" style="hidden" type="person">Mendelssohn, Henriette (Hinni) (1776-1862)</name></persName> und ich bedauerten vielfältig, daß <hi rend="latintype">Cécile</hi> und ihre Mutter die große Freude nicht gehabt (und wie wir damals noch glaubten, nur um 2 Tage versäumten!) – Der höchst reichhaltige, schön stylisirte, von edlen Gedanken und onizenden Bildern überströmende Aufsatz wird freilich wohl in der Folge gedruckt werden, aber wie lange wir den merkwürdigen, herrlichen Mann behalten; und wie doppelt schön es war, seine Schrift von ihm selbst vorgetragen zu hören, das läßt sich nicht so leicht wieder in Zukunft bestimmen. Ich war doppelt erfreut, denn er sprach gleich mit gewohntem Intereße von Dir, und lobte Deine vorzuhabende Reise nach England ungeheuer. Die <hi rend="latintype">Birminghamer</hi> Aufforderung<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_0cc13828-a3e1-4b12-9b9c-d397ff89d65b" xml:lang="de">Birminghamer Aufforderung – Felix Mendelssohn Bartholdy hatte vor dem 22. Januar 1837 vermutlich von Joseph Moore eine Einladung nach Birmingham erhalten, um dort während des vom 19. bis 22. September 1837 stattfindenden Triennial Music Festivals sein Oratorium Paulus op. 36 (MWV A 14) zu dirigieren. Vgl. Brief fmb-1837-01-22-01 (Brief Nr. 1534) Felix Mendelssohn Bartholdy an Heinrich Conrad Schleinitz in Leipzig, Leipzig, 22. Januar 1837, Z. 11. Mendelssohn nahm die Einladung am 23. April 1837 an. Der Brief aus Birmingham ist jedoch nicht nachweisbar. </note> haben wir natürlich einige Tage vorher in 2 unserer Zeitungen und zwar als bestimmt angenommen gelesen – Du aller geheimnißvoller Mensch! Auch bei Tisch war er so sehr gütig, sich zu mir zu setzen: Du kannst also denken, <hi n="1" rend="underline">wie</hi> versorgt ich den Abend war. Die <persName xml:id="persName_a7191466-72ee-4bfd-aa82-dca4d0ca6a94">Schwestern<name key="PSN0110673" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)</name><name key="PSN0111893" style="hidden" type="person">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> konnten leider! die Einladung nicht benutzen: Fanny war aber wenigstens zu Tante Hinnis Geburtstag, der <date cert="high" when="1837-02-13" xml:id="date_02914afd-73b8-44d5-ae49-1704e3419009">d. 13.</date> bei <persName xml:id="persName_0f6dc49e-1289-47f3-948a-c93ef883522c">Marianne<name key="PSN0113230" style="hidden" type="person">Mendelssohn, Marianne (1799-1880)</name></persName> gefeiert wurde und wo <persName xml:id="persName_56980aca-9f49-4537-a3f6-ee758e1ef193">Hensel<name key="PSN0111899" style="hidden" type="person">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name></persName> 3 ganz allerliebste Bilder stellte. Das Ganze war ein Mischmasch von unbedeutenden Scenen, auf das rheinische Gut bezüglich; <persName xml:id="persName_4943b81b-14c7-4f7f-8eb9-84bf80a60b0d">Alexander<name key="PSN0113213" style="hidden" type="person">Mendelssohn, Alexander (1798-1871)</name></persName> verkaufte Bilder bekannter Maler; Fanny wußte das aber zu hintertreiben und schlug das Wort Horchheim, als <hi rend="latintype">charade</hi> in Bildern vor, was auch über Erwarten schön ausfiel. Das dortige Landhaus hatten sie dazu und <persName xml:id="persName_8460183b-aa97-4f2e-9550-893a1a9a8c40">Gropius<name key="PSN0111559" style="hidden" type="person">Gropius, Ferdinand (1798-1849)</name></persName> als <hi rend="latintype">Dekoration</hi> malen laßen. In d. 1. Sylbe stand <persName xml:id="persName_aa7e2019-8703-417e-b963-1049f9926693">Margarethe<name key="PSN0113229" style="hidden" type="person">Mendelssohn, Margarete (Margarethe) Anna Henriette (1823-1890)</name></persName> am Fenster v. <persName xml:id="persName_3d68d1d5-1d89-48d9-9be7-9f423b8bfe06">Maria<name key="PSN0113231" style="hidden" type="person">Mendelssohn, Marie Josephine (1822-1891)</name></persName> mit der <hi rend="latintype">guitarre</hi> unter demselben; in d. 2. kamen <persName xml:id="persName_6f522f2c-f1f4-42a3-84dd-69f6a33d0223">Mariane<name key="PSN0113230" style="hidden" type="person">Mendelssohn, Marianne (1799-1880)</name></persName> und die schöne <persName xml:id="persName_0a937ebe-524b-4540-92ab-71d87caae68a">Luise Flörke<name key="PSN0119187" style="hidden" type="person">Flöricke (Flörcke), Luise Charlotte (1811-1884)</name></persName> als Pilger <hi n="1" rend="underline">heim</hi>, und das <hi n="1" rend="underline">Ganze</hi> stellte die Weinlese vor, wo eine Maße junger Mädchen und Burschen artig kostümirt, mit Weinlaub bekränzt, unter Vortritt v. Blasinstrumenten, eine sehr bunte und ruhige Gruppe v. Zug bildeten. <persName xml:id="persName_c92eb4ff-31f2-463e-ae31-03678a14e55d">Alexandrinchen<name key="PSN0113214" style="hidden" type="person">Mendelssohn, Alexandrine Beate Marianne (1833-1900)</name></persName> und <persName xml:id="persName_9908bf0e-951b-4e3d-b200-36739ee38f9a">Walter<name key="PSN0110666" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Abraham Walter (1833-1887)</name></persName> in einem<seg type="pagebreak"> |3| <pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg>kleinen Wagen auf Tonnen sitzend, waren nicht die schlechtesten Figurarten, obgleich unter den vielen Erwachsenen die sie umgaben, in der Schnelligkeit des bunten Zuges am wenigsten bemerkt.</p> <p><persName xml:id="persName_584a096d-2167-40f0-8335-0af2d6b02416">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> pflegte zu sagen, um Widerwärtigkeiten standhaft zu ertragen, müße man nur um sich sehen und sich mit seinem Loose versöhnen. Das, mein geliebtes Herz! wurde mir vor einigen Tagen aufs Neue lebendig. Denk Dir, daß <persName xml:id="persName_d694c870-7911-431a-b59b-166c97628bd1">Martin Ebers<name key="PSN0119188" style="hidden" type="person">Ebers, Georg Moritz (»Martin«) (bis 1828: Meier Moses Ephraim) (1802-1837)</name></persName>, (der Mann <persName xml:id="persName_ee2591c3-b2f9-4b80-80d3-2ca3037ac718">der schönen Fanny<name key="PSN0119189" style="hidden" type="person">Ebers, Franziska Martha (Fanny) (1802-1886)</name></persName> aus Rotterdam) sich erschoßen hat! Die Frau ist im 8. Monat ihrer Schwangerschaft! Seine Schulden sind, verhältnißmäßig gegen das große Vermögen seiner <persName xml:id="persName_d898186c-9632-4c7d-9340-e2f08615e3a3">Mutter<name key="PSN0119198" style="hidden" type="person">Ebers, Henriette (Jitel) (1779-1852)</name></persName>, nur unbedeutend, und sie hat ihm auch öfters mit beträchtlichen Summen geholfen. Gottlob, daß mein Rath vielleicht beitrug, <persName xml:id="persName_6d9465a4-44a0-4b43-af2f-cb3ebba82059">Runge<name key="PSN0114358" style="hidden" type="person">Runge, Friedlieb Ferdinand (1794-1867)</name></persName>, mit dem er eine Porcellanfabrik unternommen, von ihm abzuwenden; er schwankte zwischen Ebers und dem Neffen Hempels, für den er auch glücklicherweise seit einem halben Jahre nach England gegangen. – Beiläufig gesagt, habe ich Hoffnung, daß dieser Erbe des Komerzienraths, der plötzlich in London starb und Vater noch eine bedeutende Summe schuldete, mit der Zeit alles abtragen wird, und bisher wenigstens Zinsen bezahlt. – Doch ich muß wiederholen: <hi n="1" rend="underline">was ist uns Hekuba?</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_70b7bbf6-4da9-42d3-bbca-193ddd6995d0" xml:lang="de">was ist uns Hekuba? – Worte des Hamlet (im Sinne von »das bedeutet mir nichts«) in William Shakespeares Drama Hamlet, zweiter Akt, zweite Szene. Hekuba: lat. Hecuba oder Cisseis, griech. Hekabe (Ἑκάβη); in Homers Ilias die sechste und letzte Königin von Troja und Gattin des Priamos.</note> wirst Du sagen. – Die <persName xml:id="persName_250b69bf-6eb2-4b62-a497-3f5775c08f3a">Mutter Ebers<name key="PSN0119198" style="hidden" type="person">Ebers, Henriette (Jitel) (1779-1852)</name></persName> also, ist 66 Jahre alt; vor etwa 7 Jahren erschoß sich <persName xml:id="persName_7a392573-610d-4484-ac00-974b3b83dcc0">ihr Mann<name key="PSN0119199" style="hidden" type="person">Ebers, Martin (vorh. Moses Heymann Ephraim) (1781-1826)</name></persName>, vor 2 Jahren wurde <persName xml:id="persName_43d53e91-0932-4773-9d1c-3af7347befed">ihre einzige Tochter<name key="PSN0110812" style="hidden" type="person">Ebers, Johanna Franciska Victorine (Hanne, Hanna) (1808-1878)</name><name key="PSN0110812" style="hidden" type="person">Ebers, Johanna Franciska Victorine (Hanne, Hanna) (1808-1878)</name></persName> entführt (mit der sie aber nicht versöhnt ist) und nun erschießt sich ihr Lieblingssohn! Die Schwestern sagen nicht mit Vernunft v. der <hi rend="latintype">whole family</hi>, <hi rend="latintype">c’est une caverne</hi>!<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_9ef8466a-e9aa-47bc-88da-1885285a55a9" xml:lang="fr ">c’est une caverne – frz., sie ist eine Höhle.</note> – Fanny schreibt Dir vermutlich, daß <persName xml:id="persName_2a396707-1714-47a7-9375-fd84bb2ff0ff">Hasenklever<name key="PSN0111746" style="hidden" type="person">Hasenclever, Johann Peter (1810-1853)</name></persName> Dich schon zum Doktorschmaus d. 18. eingeladen hatte. <persName xml:id="persName_e8d2430b-e9f3-441b-b5db-f119c99df0bf">Eduard Bendemann<name key="PSN0109806" style="hidden" type="person">Bendemann, Eduard Julius Friedrich (1811-1889)</name></persName> hoffte auch sehr auf Deine Gegenwart, der Cellist <persName xml:id="persName_a4be77bf-186e-4f08-85aa-4e3f3179ad51">Ganz<name key="PSN0111284" style="hidden" type="person">Ganz, Leopold Alexander (vor 1808: Lion) (1806-1869)</name></persName> wollte Dich wegen London confisciren etc. Unser braver <persName xml:id="persName_fe1a7641-df1e-4006-a417-0a4348dbb297">Steffens<name key="PSN0115078" style="hidden" type="person">Steffens, Henrik (Henryk, Heinrich) (1773-1845)</name></persName> hat sich wieder in seiner Gutmüthigkeitz gezeigt; wir hatten unsern <hi rend="latintype">habitués de dimanche</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_8f39fa43-2528-447c-9145-4be4c3e4af8c" xml:lang="fr ">habitués de dimanche – frz., Stammgäste am Sonntag.</note> zu verstehen gegeben, daß wir wegen Eurer Ankunft gern allein sein wollten – Du liebes Hauskaterchen hättest doch sonst gebrummt – nun ließ ich <persName xml:id="persName_891f7ae8-7ba5-4156-9f99-351df7a47512">Gans<name key="PSN0111279" style="hidden" type="person">Gans, Eduard (bis 1825: Elias) (1797-1839)</name></persName>, <persName xml:id="persName_d7414150-ede1-4eec-be96-4fe3599e1059">Frank<name key="PSN0111119" style="hidden" type="person">Franck, Eduard (1817-1893)</name></persName> und Steffens bitten uns zu trösten, und Letzterer war so weichmüthig, daß er wirklich weinte. </p> <p>– <persName xml:id="persName_41ed5b2f-58dd-4d16-8ed1-d37c4b9ef0c7">Hensel<name key="PSN0111899" style="hidden" type="person">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name></persName> hat sich v. <persName xml:id="persName_48d74718-6081-4705-9cda-7f2ac943b88e">Beuth<name key="PSN0116222" style="hidden" type="person">Beuth, Peter Christian Wilhelm (1781-1853)</name></persName> mit Mühe erbeten, ihre schöne <title xml:id="title_c4f71336-6b84-48fa-9889-ae163b672e93">Mirjam<name key="PSN0111899" style="hidden" type="author">Hensel, Wilhelm (1794–1861)</name><name key="CRT0109197" style="hidden" type="art">Miriam (Ölgemälde 1836)</name></title> auf 8 Tage zu erlauben; die betrübt sich nun einsam im atelier, daß <persName xml:id="persName_32a67261-edfb-44b4-aa50-305894378fee">Deine Damen<name key="PSN0112225" style="hidden" type="person">Jeanrenaud, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name><name key="PSN0112228" style="hidden" type="person">Jeanrenaud, Elisabeth (Lilly) Wilhelmine (1796-1871)</name></persName> sie nicht schauen; eben so die loge die ich auf Mittwoch zu<seg type="pagebreak"> |4| <pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg><title xml:id="title_63b30fdf-033a-4ef8-8597-0374e6733521">Armide<name key="PSN0111405" style="hidden" type="author">Gluck, Christoph Willibald (seit 1756) Ritter von (1714–1787)</name><name key="CRT0111399" style="hidden" type="music">Armide GluckWV 1.47</name></title> genommen, als das einzige <hi rend="latintype">Spectacle</hi> was der Damen würdig gewesen wäre, da man <persName xml:id="persName_a4de4129-0152-43c2-80bb-741aaf64942a">Gluck<name key="PSN0111405" style="hidden" type="person">Gluck, Christoph Willibald (seit 1756) Ritter von (1714-1787)</name></persName> sonst nirgend hören kann, und diese Oper seit Kurzem hier wieder einstudirt und schon 4 mal bei übervollem Hause gegeben wurde. Unser sonst dummes Publikum hat sich sogar recht consequent und feinsinnig dabei bewiesen; es hat die Ballette mit <hi n="1" rend="underline">eingelegter</hi> Musik jedesmal ausgezischt, und Du weißt doch, das ist <hi n="1" rend="underline">Majestäts</hi>verbrechen!</p> <p>Auf <persName xml:id="persName_3561ef7d-e4a0-4e92-a914-109579ebc48f">Rebecka<name key="PSN0110673" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName> scheint die Aussicht, Euch hier zu haben, eine sehr gute Wirkung auszuüben, was ich begreiflich finde, da sie mitunter an großer Nervenverstimmung und <hi rend="latintype">peevishness</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_f0f476cf-ce64-4178-b1ae-0fedd504a07d" xml:lang="en">peevishness – engl., Griesgrämigkeit, Verdrießlichkeit, üble Laune.</note> leidet. Sie ist all diese Tage meist wohler gewesen und ist es auch heute, trotz unsrer allgemeinen Betrübniß. Heilt sie mir ganz durch Euer Kommen, und meine liebe, liebe <hi rend="latintype">Cécile</hi> soll ihre schönen, ernsten Augen nicht durch Thränen verderben. – Heute weint der Himmel mit uns; und gestern früh war das Wetter noch so heiter, daß wir uns für Eure Reise und für den Eindruck den Berlin auf die schönen Pilgerinnen machen würde, herzlich freuten; ja ich kam <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_84729a62-e4d6-4d8f-a927-6940d1078081">im Garten</del> <add place="above">selbst<name key="PSN0113260" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</name></add> nachsehen, ob der so winterliche Garten sich, durch frisches Harken wenigstens, reinlich präsentiren würde!</p> <p>Walter, der stets etwas erzählt oder deklamirt haben will, lehrte ich das „<title xml:id="title_03d9a1f9-010e-4e94-a356-76c6ded43306">Kennst Du das Land<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749–1832)</name><name key="CRT0108866" style="hidden" type="literature">Wilhelm Meisters Lehrjahre</name></title>.“<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_bdcf9518-b3c2-4bf4-8f2f-fa913c89dc9c" xml:lang="de">Kennst Du das Land – Kennst du das Land wo die Citronen blühn, Lied der Mignon in Johann Wolfgang von Goethes Wilhelm Meister.</note> Vorgestern sagte ich, aus dem Fenster sehend, heut ists ja recht neblig: darauf citirt er auf der Stelle „<title xml:id="title_82c833de-1049-4eeb-a556-f061e0dc8999">Das Maulthier sucht im Nebel seinen Weg<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749–1832)</name><name key="CRT0108866" style="hidden" type="literature">Wilhelm Meisters Lehrjahre</name></title>!“<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_694e3710-3899-424f-8195-f51410173241" xml:lang="de">Das Maulthier sucht im Nebel seinen Weg! – Zitat aus dem Lied der Mignon in Goethes Wilhelm Meister.</note> – wenn er sich über <hi n="1" rend="underline"><persName xml:id="persName_8d951981-5401-4aca-9139-3ee83c653306">Goethe<name key="PSN0111422" style="hidden" type="person">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName></hi> und <hi n="1" rend="underline"><persName xml:id="persName_600e9d67-ab49-4204-95d7-a5d80a33970b">Raphael<name key="PSN0114060" style="hidden" type="person">Raffael (eigtl. Raffaello Santi) (1483-1520)</name></persName></hi> mit <persName xml:id="persName_5029e811-87f1-4b1c-8a5f-f68c79e3a947">Sebastian<name key="PSN0111898" style="hidden" type="person">Hensel, Sebastian Ludwig Felix (1830-1898)</name></persName> unterhält, ists wirklich zum todlachen.</p> <closer rend="left">Verzeih das viele Geschwätz, halte Dich nicht zu lange in der Krankenstubenluft auf, umarme <hi rend="latintype">Cécile</hi> <hi n="1" rend="underline">für mich</hi>; grüße die gute Mama v. <persName xml:id="persName_ea0236f8-2d4d-4617-8ceb-bb1603006dad">Mde. Schunk<name key="PSN0114769" style="hidden" type="person">Schunck, Juliane (Julie) Louise (1789-1862)</name></persName> und laß uns bald Erfreuliches vernehmen.</closer> </div> </body> </text></TEI>