gb-1836-11-02-01
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Berlin, 1. und 2. November 1836
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
2 Doppelbl.: S. 1-8 Brieftext.
Lea Mendelssohn Bartholdy
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Beide Schwestern haben Dir geschrieben, seit ich Deinen Brief vom 27 erhielt, und Du hast auch inzwischen von GroßOnkel Schunk erfahren, daß alles Gottlob! wieder recht wohl ist. Rebecka hat nun seit ihrer fausse couche im Mai verschiedene sehr starke Anfälle von nervösen Zahnschmerzen gehabt, die nach den großen Blutverlusten, natürlichen und angethanen, in Krämpfen ausarteten, und einen für den Zuschauenden und Hörenden sehr beängstigenden Effekt machen Das 1. mal überkam es sie als die Wöchnerinwärterin noch bei ihr war; die, obgleich an alle möglichen Zustände der Art gewöhnt, hatte es selbst diese Frau ungeheuer erschreckt. Es kam in der Nacht, und zum Glück für mich wurde ich nicht geweckt; das 2. mal wars in Franzensbrunn, und Rosalie wollte mir eine estafette schicken, was, abermals zu meinem Glück, unterblieb, da es in wenigen Stunden vorüber war: zum 3. und wie ich sehnlich wünsche, letztenmal, überfiel es sie neulich und dauerte fast einen ganzen Tag. Ich kenne durch Tante Eskeles dergleichen Krämpfe, die gräßlich klingen und aussehen, aber bei denen gar keine Gefahr ist. Doch kann man sich einer großen Angst dabei nicht enthalten, und ich brauchte selbst einige Tage, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. – Alle diese Erfahrungen bestätigen mich in dem Widerwillen gegen BlutEntziehungen, und ich erinnere mich von uralten Zeiten sehr genau, daß meine selige Mutter ganz derselben Meinung war, indem sie mir oft erzählte, der damals berühmte Hofrath Herz hätte der Tante Eskeles ihre schrecklichen Krämpfe durch wiederholte Aderläße zugezogen, und deßhalb war sie die heftigste Gegnerin des Blutentziehens, und ist auch ohne dies Mittel, Gottlob 74 Jahre alt geworden. Daß Kopf und Augen vor 2 Jahren bei mir eben so nervenschwach gewesen, erinnerst Du Dich wohl noch; mein Zustand war anders modificirt, aber aus derselben Quelle stammend. Rebecka brauchtechou) mehr als je odiös ist, und ich sage auch kein Wort dazu, nach Vaters Grundsatz. Uebrigens hoffe ich alles von ihrer Jugend und guten Natur, besonders wenn sie mit dem dito Schwangerwerden sich noch Zeit läßt, und dazwischen vielleicht ein Seebad gebraucht. Dies ist überhaupt für die Frauen unsrer Zeit ein schrecklicher Punkt, den Du leider! Gottlob, hoffentlich erfahren und mit Glück überstehen sehen wirst. Als Rebecka das letztemal so sehr litt, gelobte ich mir im Stillen, Dich nicht zum Heirathen zu bereden, indem ich mir selbst sagte, Deine delicate frame könnte solche HerzensAngst kaum aushalten. – Freilich kann nur eine Frau die dergl. selbst erfahren, so ganz von diesem Leidenston durchschauert werden, und dann giebts auch kräftiger organisirte Naturen, die solche Haupt- und StaatsAktion leicht abschütteln, wie unsre Mariane z. B. – Aproposito, der gute Alexander hat mich gestern besucht und mir abermals viel Hübsches von Cécile und famille erzählt; von Marianchen erwarte ich mehr détails für uns frauenzimmerliche Seelen. Fanny sagte gestern quite peevishly, nun habe ich genug von ihr gehört, ich möchte nun auch von ihr sehen. Philipp ist ein FaulPelz, und Hildebrand von dem ich sie wohl gemalt haben möchte, ist hier noch beschäftigt und reist nicht durch Fft. Von einem mittelmäßigen Maler will ich aber keinen unvortheilhaften Eindruck empfangen. –
Vor 3 Tagen erhielt ich durch den jungen Sieveking endlich! einen Br. v. Kling. und eine Menge Beurtheilungen des Paulus im Morning Herald, Morning Post, Manchester guardian, Musical Worlds, und Spectator, ferner 1 Brief v. Novello an Kl., 1 Anschlagzettel u. s. w. Kann es Dich intereßiren, so schick ich Dir das ganze Paket. Obgleich nun diese verschiedenen Beurtheilungen so entsetzlich vonguinéen zahlen und das Publikum erst zum Paulus versammeln ließ, während a selction from Judas Maccabeus die voranging, die Kirche leer ließ,) beweist allen, welche hohe Meinung man dort von Dir hat. „Seid uns gnädig, hohe Götter“ wurde encord. Daß es mit 204 Exekutanten und nur 3 Proben nicht gut gehen konnte, ist mir gewiß. Sie prognosticiren auch, es werde keine standing feature on musical festivals bleiben, aber viele Stücke daraus bei geistlichen Koncerten und Philarmonicks Lieblinge werden. Der Tadel beschränkt sich auf, zu wenige Arien und zu viel Recitative. Das Lob ist aber so ehrenvoll, vielseitig, reichhaltig, einsichtig und aufrichtig, daß Du hochzufrieden sein kannst, und wenn den Düß. Enthusiasmus fehlte, so weißt Du am besten, was Du als Dirigent und Dein begeisterter Chor, so wie eine deutsche musikalische Auffaßung gegen die fremdländische unter Sir George für einen Kontrast bilden müßen. – Kling. schreibt auch ganz allerliebst über die arme Malibran: ich kann Dir nicht sagen, wie unendlich leid es mir thut, sie nie gesehen und gehört zu haben. Das war ein Genie! – Die beste Biographie die ich in so manchen engl. und deutschen Blättern fand, ist die v. Castil Blaze; ein wirklich intereßanter Aufsatz, den Du lesen mußt.
Die Herren Breitkopf und Härtel waren so gütig, mir 6 Exempl. Deiner Lithographie zu schenken, und Du würdest mich verpflichten, wenn Du ihnen recht herzlichen Dank für die mich sehr erfreuende Aufmerksamkeit sagen wolltest. Vergiß es aber nicht! – Ich habe Cécilen und Julien 2 geschickt, Paul und Rebecka 2, (Fanny hat eins v. Lithographen bekommen) 1 für Auguste Lefort, der ich es den Sommer versprach, und eines für mich behalten. Dein Bild ist mirchamois bewohnt, was überhaupt eine Art Trennung in so regem Beisammenleben bildet, und der nahe und häufige Anblick deßelben den ich in der rosa Stube genoß, nun einigermaßen erschwert ist. Daher ists vielleicht weniger empfindlich für mich, daß es fortwährend auf der Ausstellung hängt, und erst in 3 Wochen ins elterliche Haus zurückkehrt. Es findet die verdiente Anerkennung oben, und man kann überhaupt nicht läugnen, daß unter den Düßeld. die diesmal etwas wegfallen und matt und bleich erscheinen, Hildebrand durchaus als erster und fast alleiniger Stern glänzt. Sohn ist eklig und Bendemann schwächlich, obwohl graziös in der Erndte. Für Schadow und Leßings Hußitenpredigt haben die Protektoren den besten Saal übrig gelaßen; es scheint demohngeachtet, daß Letztrer bei weitem nicht wie sonst die einmüthige Stimme für sich hat. Mir kömmt vor, als ob die Schule dort an matter Schlaffheit und Eintönigkeit in der Färbung sehr zugenommen habe; von Leßing habe ich aber bisher nur eine kleine Landschaft gesehen, die mir höchst unbedeutend vorkömmt, und gegen die Herrlichkeit der Gudins, Kœcköcks, en soirée bei den jungen Radziwils, und da sagte Humbold, der alte Schadow sei entsetzlich stolz auf die Düß. Schule; er hätte eigentlich doch aber nur den jungen Sch._ gemacht.
Heut ist musikalischer Abend bei Fanny; die Decker und eine Signora Crescini die ihr empfohlen, und die nicht nur eine prächtige Altistin aber eine große Schönheit sein soll. Sonst scheints mit der Musik hier rein aus; gar keine Oper, außer bei Cerf; zur prinzeßlichen Vermählung sogar nur ein Ballet; die letzte Publikation v. Spontini ist nur das InjurienUrtheil wider Rellstab. Hauman gab gesternDirichlets durch Klatschen bestens, aber erfolglos zu unterstützen bemüht waren. Unser Mathematiker fühlte sich aus Brüßeler Dankbarkeit gedrungen, ihn zu besuchen und fand ihn und seine ihn begleitende maitresse gräßlich
logirt. Er schimpfte pflichtmäßig auf Moeser der keine Partitur lesen könne, und hat,
celent tant, 150 rt. Schaden gehabt. – Moeser kündigt heute nächst den jubilirenden Quartetten (der 25. Winter)
Vorlesungenüber Violinspiel an. Nu hört alles auf, sagt Frank.
Der grausame Himmel hat Pauls Geburtstag vorgestern mit 1.tem Schnee gefeiert, und wir haben seitdem eine empfindliche Winterkälte. Ganze Waschzuber voll Trauben nahm der Gärtner heut von den erfrornen Weinstöcken und die zum Frühling bereits gelegten Tulpencetten und Hyacinthenzwiebeln müßen in aller Eil mit dem schützenden Laube bedeckt werden. Die armen Trauben laße ich den Eßighändlern anbieten. Trotz dieses Mißgeschicks und der edlen 65 Pfirsich und vieler andern gestohlenen Oebste, ist meine Frucht und Gemüseerndte dies schlechte Jahr doch reicher als je für uns, weil ich einen ehrlichen Gärtner habe. Vater wünschte immer, daß ich jede Kleinigkeit die ich aus dem Garten gewinne aufschreiben möchte, um doch nicht alles auf das Vergnügen zu rechnen, und das setze ich, wie jede seiner Anordnungen, gewißenhaft fort.
d. attachirten Mannes, der in der Handlung Mendelssohn fast 40 Jahre gearbeitet, ist leider vor 2 Monaten erfolgt, und jetzt, da Onkel und Alex. hier beisammen sind, ward leider! wirklich beschloßen, was ich mit Betrübniß voraussah. Pauls reisen in 8 oder 10 Tagen; vorläufig heißt es um 4 oder 5 Monate dort zu bleiben; meiner Ansicht nach werden sie ihn aber um so weniger zurückkommen laßen, je mehr er sich in das dortige Geschäftist Pflicht und eignes Intereße, wofür man Andern Dank und Rücksicht schuldig wird. Ich denke, Paul vorzuschlagen, Nathan wieder zu unsern cha[mbre]ffaire zu machen. Es wäre übrigens gut, wenn Du Dir eine oberflächliche Kenntniß der Verwaltung eines Vermögens erwürbest, was Dir in einem Handelsort wie L. leicht werden muß.
Mit der Musik wurde es gestern gar nichts; die Decker war unwohl und die Crescini scheint halb verrückt zu sein, denn nachdem sie die Einladung angenommen, ließ sie Henseln um 8 sagen, er möchte doch zu ihr kommen. Fanny hat einige Deiner und ihrer Lieder gespielt: die Unterhaltung war sehr lebhaft, da lauter angenehme Menschen da waren. Hildebrand unter andern, der über Dein Bild v. Vernet höchst erstaunt war, und es nicht erkannt hatte. Mit dem seinigen ist er übrigens auch nicht zufrieden, und wirklich ohne Ziererei nicht, denn er meynt, Du hättest eine Chamäleons-Phüsionomie. Die Gräfin Schlieffen, meine Mietherin, ist in Düß. gewesen und hat und hat mir viel v. Woringens erzählt, die ihr aus Paulus vorgesungen. Diese ehemalige Hofdame der Kaiserin ist so freundlich, natürlich, einfach, häuslich, wie ich fast nie eine Vornehme sah. Eltern und Kinder leben so vereint und still, beschäftigen sich so hübsch, sind so angenehm und zuthulich, besonders die Gräfin, daß ich ihren Umgang sehr liebe. Sie plaudert eben so gern wie ich, nun kannst Du denken, wie wir zusammen schnattern.
Sage mir aufrichtig, Kind! ob Du Dich jetzt nicht gar zu sehr anstrengst und ob es Deiner Gesundheit nur nicht schadet? „Gans, das fehlt Ihnen auch noch! – Du wiederholst es in Deinem Brief an Paul, und es beunruhigt mich ein bischen. Macht Dir nur keiner Deiner Schüler Verdruß? ich weiß, daß Dir dieser schadet, wenns auch die Arbeit nicht thut. Laß mir durch irgend Einen, Nachricht über die Aufführung am 7. zukommen. Vielleicht macht David seiner donna eine Beschreibung, die sie mir dann mittheilt, obschon sie sonst eben nicht mittheilend, oder gesprächig oder liebenswürdig ist. Für Cécile dürfte es wohl kein genügender Umgang sein. Indeß, es ist ein edles Ding, das Gold, das Gold!
fausse couche gemacht, was bei ihrer zarten Konstitution, und vieljähriger kinderloser Ehe allerdings etwas Betrübendes hat; die schwächliche Therese Devrient machts klüger, und hat trotz zarter Nerven und Piepigkeit wieder einen gesunden Knaben geboren. Er singt nicht einmal mehr in Gesellschaft.
Erinnerst Du Dich noch des armen Adolph Benediks mit dem Twampelthier? denk Dir, daß er in Lyon gestorben ist, ohne einen Bekannten oder Verwandten bei sich zu haben! Dazu ist der Vater Millionen reich! – Im Juli traf ihn Heinrich d. 2., (Friedländer Heine) in Carlsbad, und zwar trotz seiner zerrütteten Gesundheit, allein, mit Schnellpost reisend. Er war so freundlich zu übenehmen, es bei seinem Vater zu verantworten, daß er einen Wagen kaufte und einen Bedienten mitnahm. Das Schicksal dieses jungen Mannes, den wir in so fröhlichen Zeiten in unsrer Mitte gesehen, geht mir recht ans Herz; ich finde, wenn der Tod an sich schon so furchtbar ist, diese Verlaßenheit doppelt schrecklich, und sein Bild auf dem Sterbelager weicht nicht aus meiner Phantasie. Ueberhaupt hat mich die Anwesenheit eines Verwandten der Benedikse, des Herrn Kanzlers, der Rosa Michelson geheirathet, und den Rebecka nur den Kanzler Oxenstierna nennt, ein trauriges Licht der dortigen Familienzustände gegeben. Meine liebliche, treue Peppi, hat da wohl ein beklagenswerthes Leben geführt, obschon Cécile! schone Deine Gesundheit und erhalte Dich zu unser aller Glück und Freude! – Grüße Schunkszudringlich mit
Berlin 1 November 1836 Beide Schwestern haben Dir geschrieben, seit ich Deinen Brief vom 27 erhielt, und Du hast auch inzwischen von GroßOnkel Schunk erfahren, daß alles Gottlob! wieder recht wohl ist. Rebecka hat nun seit ihrer fausse couche im Mai verschiedene sehr starke Anfälle von nervösen Zahnschmerzen gehabt, die nach den großen Blutverlusten, natürlichen und angethanen, in Krämpfen ausarteten, und einen für den Zuschauenden und Hörenden sehr beängstigenden Effekt machen Das 1. mal überkam es sie als die Wöchnerinwärterin noch bei ihr war; die, obgleich an alle möglichen Zustände der Art gewöhnt, hatte es selbst diese Frau ungeheuer erschreckt. Es kam in der Nacht, und zum Glück für mich wurde ich nicht geweckt; das 2. mal wars in Franzensbrunn, und Rosalie wollte mir eine estafette schicken, was, abermals zu meinem Glück, unterblieb, da es in wenigen Stunden vorüber war: zum 3. und wie ich sehnlich wünsche, letztenmal, überfiel es sie neulich und dauerte fast einen ganzen Tag. Ich kenne durch Tante Eskeles dergleichen Krämpfe, die gräßlich klingen und aussehen, aber bei denen gar keine Gefahr ist. Doch kann man sich einer großen Angst dabei nicht enthalten, und ich brauchte selbst einige Tage, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. – Alle diese Erfahrungen bestätigen mich in dem Widerwillen gegen BlutEntziehungen, und ich erinnere mich von uralten Zeiten sehr genau, daß meine selige Mutter ganz derselben Meinung war, indem sie mir oft erzählte, der damals berühmte Hofrath Herz hätte der Tante Eskeles ihre schrecklichen Krämpfe durch wiederholte Aderläße zugezogen, und deßhalb war sie die heftigste Gegnerin des Blutentziehens, und ist auch ohne dies Mittel, Gottlob 74 Jahre alt geworden. Daß Kopf und Augen vor 2 Jahren bei mir eben so nervenschwach gewesen, erinnerst Du Dich wohl noch; mein Zustand war anders modificirt, aber aus derselben Quelle stammend. Rebecka brauchte aber ihren Stosch fort, der mir seit d. 19 Nov. !!! (chou) mehr als je odiös ist, und ich sage auch kein Wort dazu, nach Vaters Grundsatz. Uebrigens hoffe ich alles von ihrer Jugend und guten Natur, besonders wenn sie mit dem dito Schwangerwerden sich noch Zeit läßt, und dazwischen vielleicht ein Seebad gebraucht. Dies ist überhaupt für die Frauen unsrer Zeit ein schrecklicher Punkt, den Du leider! Gottlob, hoffentlich erfahren und mit Glück überstehen sehen wirst. Als Rebecka das letztemal so sehr litt, gelobte ich mir im Stillen, Dich nicht zum Heirathen zu bereden, indem ich mir selbst sagte, Deine delicate frame könnte solche HerzensAngst kaum aushalten. – Freilich kann nur eine Frau die dergl. selbst erfahren, so ganz von diesem Leidenston durchschauert werden, und dann giebts auch kräftiger organisirte Naturen, die solche Haupt- und StaatsAktion leicht abschütteln, wie unsre Mariane z. B. – Aproposito, der gute Alexander hat mich gestern besucht und mir abermals viel Hübsches von Cécile und famille erzählt; von Marianchen erwarte ich mehr détails für uns frauenzimmerliche Seelen. Fanny sagte gestern quite peevishly, nun habe ich genug von ihr gehört, ich möchte nun auch von ihr sehen. Philipp ist ein FaulPelz, und Hildebrand von dem ich sie wohl gemalt haben möchte, ist hier noch beschäftigt und reist nicht durch Fft. Von einem mittelmäßigen Maler will ich aber keinen unvortheilhaften Eindruck empfangen. – Vor 3 Tagen erhielt ich durch den jungen Sieveking endlich! einen Br. v. Kling. und eine Menge Beurtheilungen des Paulus im Morning Herald, Morning Post, Manchester guardian, Musical Worlds, und Spectator, ferner 1 Brief v. Novello an Kl., 1 Anschlagzettel u. s. w. Kann es Dich intereßiren, so schick ich Dir das ganze Paket. Obgleich nun diese verschiedenen Beurtheilungen so entsetzlich von einander abweichen, daß der Eine das Oratorium gekürzt, der andre viel mehr Solostücke dazu haben möchte, so stimmen doch Alle in den ehrerbietigsten, anerkennendsten Ton überein, und die ungeheure Erwartung (die die Preise mit 6 guinéen zahlen und das Publikum erst zum Paulus versammeln ließ, während a selction from Judas Maccabeus die voranging, die Kirche leer ließ, ) beweist allen, welche hohe Meinung man dort von Dir hat. „Seid uns gnädig, hohe Götter“ wurde encord. Daß es mit 204 Exekutanten und nur 3 Proben nicht gut gehen konnte, ist mir gewiß. Sie prognosticiren auch, es werde keine standing feature on musical festivals bleiben, aber viele Stücke daraus bei geistlichen Koncerten und Philarmonicks Lieblinge werden. Der Tadel beschränkt sich auf, zu wenige Arien und zu viel Recitative. Das Lob ist aber so ehrenvoll, vielseitig, reichhaltig, einsichtig und aufrichtig, daß Du hochzufrieden sein kannst, und wenn den Düß. Enthusiasmus fehlte, so weißt Du am besten, was Du als Dirigent und Dein begeisterter Chor, so wie eine deutsche musikalische Auffaßung gegen die fremdländische unter Sir George für einen Kontrast bilden müßen. – Kling. schreibt auch ganz allerliebst über die arme Malibran: ich kann Dir nicht sagen, wie unendlich leid es mir thut, sie nie gesehen und gehört zu haben. Das war ein Genie! – Die beste Biographie die ich in so manchen engl. und deutschen Blättern fand, ist die v. Castil Blaze; ein wirklich intereßanter Aufsatz, den Du lesen mußt. Die Herren Breitkopf und Härtel waren so gütig, mir 6 Exempl. Deiner Lithographie zu schenken, und Du würdest mich verpflichten, wenn Du ihnen recht herzlichen Dank für die mich sehr erfreuende Aufmerksamkeit sagen wolltest. Vergiß es aber nicht! – Ich habe Cécilen und Julien 2 geschickt, Paul und Rebecka 2, (Fanny hat eins v. Lithographen bekommen) 1 für Auguste Lefort, der ich es den Sommer versprach, und eines für mich behalten. Dein Bild ist mir etwas ferner dadurch entrückt, daß Rebecka statt der grauen Kupferstichstube die chamois bewohnt, was überhaupt eine Art Trennung in so regem Beisammenleben bildet, und der nahe und häufige Anblick deßelben den ich in der rosa Stube genoß, nun einigermaßen erschwert ist. Daher ists vielleicht weniger empfindlich für mich, daß es fortwährend auf der Ausstellung hängt, und erst in 3 Wochen ins elterliche Haus zurückkehrt. Es findet die verdiente Anerkennung oben, und man kann überhaupt nicht läugnen, daß unter den Düßeld. die diesmal etwas wegfallen und matt und bleich erscheinen, Hildebrand durchaus als erster und fast alleiniger Stern glänzt. Sohn ist eklig und Bendemann schwächlich, obwohl graziös in der Erndte. Für Schadow und Leßings Hußitenpredigt haben die Protektoren den besten Saal übrig gelaßen; es scheint demohngeachtet, daß Letztrer bei weitem nicht wie sonst die einmüthige Stimme für sich hat. Mir kömmt vor, als ob die Schule dort an matter Schlaffheit und Eintönigkeit in der Färbung sehr zugenommen habe; von Leßing habe ich aber bisher nur eine kleine Landschaft gesehen, die mir höchst unbedeutend vorkömmt, und gegen die Herrlichkeit der Gudins, Kœcköcks, Catels, Elsaßers und selbst Agricola sehr erbleicht. Die Landschaften der Genannten sind, sowohl was Gegenstand als Behandlung betrift, von ausgezeichnetem Reiz. Auch unser Freund Schirmer hat dies Jahr nichts Ordentliches. – Hensel war Sonntag en soirée bei den jungen Radziwils, und da sagte Humbold, der alte Schadow sei entsetzlich stolz auf die Düß. Schule; er hätte eigentlich doch aber nur den jungen Sch. _ gemacht. Heut ist musikalischer Abend bei Fanny; die Decker und eine Signora Crescini die ihr empfohlen, und die nicht nur eine prächtige Altistin aber eine große Schönheit sein soll. Sonst scheints mit der Musik hier rein aus; gar keine Oper, außer bei Cerf; zur prinzeßlichen Vermählung sogar nur ein Ballet; die letzte Publikation v. Spontini ist nur das InjurienUrtheil wider Rellstab. Hauman gab gestern ein spottleeres Koncert, das Dirichlets durch Klatschen bestens, aber erfolglos zu unterstützen bemüht waren. Unser Mathematiker fühlte sich aus Brüßeler Dankbarkeit gedrungen, ihn zu besuchen und fand ihn und seine ihn begleitende maitresse gräßlich logirt. Er schimpfte pflichtmäßig auf Moeser der keine Partitur lesen könne, und hat, celent tant, 150 rt. Schaden gehabt. – Moeser kündigt heute nächst den jubilirenden Quartetten (der 25. Winter) Vorlesungen über Violinspiel an. Nu hört alles auf, sagt Frank. Der grausame Himmel hat Pauls Geburtstag vorgestern mit 1. tem Schnee gefeiert, und wir haben seitdem eine empfindliche Winterkälte. Ganze Waschzuber voll Trauben nahm der Gärtner heut von den erfrornen Weinstöcken und die zum Frühling bereits gelegten Tulpencetten und Hyacinthenzwiebeln müßen in aller Eil mit dem schützenden Laube bedeckt werden. Die armen Trauben laße ich den Eßighändlern anbieten. Trotz dieses Mißgeschicks und der edlen 65 Pfirsich und vieler andern gestohlenen Oebste, ist meine Frucht und Gemüseerndte dies schlechte Jahr doch reicher als je für uns, weil ich einen ehrlichen Gärtner habe. Vater wünschte immer, daß ich jede Kleinigkeit die ich aus dem Garten gewinne aufschreiben möchte, um doch nicht alles auf das Vergnügen zu rechnen, und das setze ich, wie jede seiner Anordnungen, gewißenhaft fort. d. 2. Ich schrieb Dir (im Frühjahr, denk ich) als der arme Giermann hier durchkam, um in die Bäder zu reisen, ich sähe seinen nahen Tod voraus, und fürchtete, Paul würde wohl an seiner Stelle nach Hamburg müßen. Der Tod dieses erzbraven, zuverläßigen, uns höchst attachirten Mannes, der in der Handlung Mendelssohn fast 40 Jahre gearbeitet, ist leider vor 2 Monaten erfolgt, und jetzt, da Onkel und Alex. hier beisammen sind, ward leider! wirklich beschloßen, was ich mit Betrübniß voraussah. Pauls reisen in 8 oder 10 Tagen; vorläufig heißt es um 4 oder 5 Monate dort zu bleiben; meiner Ansicht nach werden sie ihn aber um so weniger zurückkommen laßen, je mehr er sich in das dortige Geschäft eingearbeitet haben wird. Er gedenkt über Leipzig, Braunschweig und Hannover zu gehen, schwerlich aber kann er zur 1. Händelschen Aufführung bei Dir sein; vielleicht eher zur 2., sollte sie Statt finden. Er bittet Dich um Auskunft, sobald Du selbst es weißt. – Er und Albertine gehen sehr ungern auf so lange Zeit fort; die aktive Jugend, die noch alle möglichen Pläne in der Perspektive hat, kann sich indeß nicht so grämen als die gedrücktbleibenden Alten, die den Rest des Lebens mehr und mehr auf sich beschränkt werden. Albertinens Mutter hat sich gestern in Thränen Luft gemacht; ich konnte mich in Fannys großer Gesellschaft wohl recht zusammennehmen, aber in der Nacht schmolz meine Faßung dahin –, und ich habe sie auch jetzt noch nicht wiedergefunden. Alles sage ich mir, liebes Kind! was die Vernunft sagen kann und weiß ich würde auch, selbst wenn ichs vermöchte, nichts thun ihn zurück zu halten so wenig ich es bei Deiner Entfernung von uns gethan. Aber alte und neue Trennung stürmen aufs Lebhafteste vereint in mich, und wenn ich mir Zeile „wer hat euch denn was Guts vermacht?“ wiederhole, so fällt mir Goethes Brief nach seines Sohnes Tode ein „Prüfungen erwarte bis zuletzt!“ Pauls waren mir in allen Trauer- und AngstEpochen des letzten Jahres eine beruhigende, erheiternde Gesellschaft, eine wahre Stütze zum Aufrichten, ein Halt im Leben. Von so vielen nothwendigen Intereßen wißen meine Schwiegersöhne, ihrem Beruf und ihrer Natur nach nichts; überhaupt – es ist ein andres Blut – Du wirst solche Unterschiede auch fühlen lernen, sobald Du Gatte und Vater sein wirst! – Von aller Empfindung abstrahirt, lieber Felix! wird er mir als Versorger und Erhalter unser aller Angelegenheiten, täglich fehlen. An Alexander werde ich mich schwerlich wenden, so gutmüthig und brav er ist, hat er doch so viel Geschäfte und ist von Natur so zerstreut und vergeßlich, daß es mir höchst unangenehm wäre, ihn noch mir unsern Sorgen und Einrichtungen zu plagen. Julie Heyse, die so oft den rechten Punkt trifft, sagte, bei Pauls ist es ist Pflicht und eignes Intereße, wofür man Andern Dank und Rücksicht schuldig wird. Ich denke, Paul vorzuschlagen, Nathan wieder zu unsern chambre …ffaire zu machen. Es wäre übrigens gut, wenn Du Dir eine oberflächliche Kenntniß der Verwaltung eines Vermögens erwürbest, was Dir in einem Handelsort wie L. leicht werden muß. Mit der Musik wurde es gestern gar nichts; die Decker war unwohl und die Crescini scheint halb verrückt zu sein, denn nachdem sie die Einladung angenommen, ließ sie Henseln um 8 sagen, er möchte doch zu ihr kommen. Fanny hat einige Deiner und ihrer Lieder gespielt: die Unterhaltung war sehr lebhaft, da lauter angenehme Menschen da waren. Hildebrand unter andern, der über Dein Bild v. Vernet höchst erstaunt war, und es nicht erkannt hatte. Mit dem seinigen ist er übrigens auch nicht zufrieden, und wirklich ohne Ziererei nicht, denn er meynt, Du hättest eine Chamäleons-Phüsionomie. Die Gräfin Schlieffen, meine Mietherin, ist in Düß. gewesen und hat und hat mir viel v. Woringens erzählt, die ihr aus Paulus vorgesungen. Diese ehemalige Hofdame der Kaiserin ist so freundlich, natürlich, einfach, häuslich, wie ich fast nie eine Vornehme sah. Eltern und Kinder leben so vereint und still, beschäftigen sich so hübsch, sind so angenehm und zuthulich, besonders die Gräfin, daß ich ihren Umgang sehr liebe. Sie plaudert eben so gern wie ich, nun kannst Du denken, wie wir zusammen schnattern. Sage mir aufrichtig, Kind! ob Du Dich jetzt nicht gar zu sehr anstrengst und ob es Deiner Gesundheit nur nicht schadet? „Gans, das fehlt mir Ihnen auch noch! – Du wiederholst es in Deinem Brief an Paul, und es beunruhigt mich ein bischen. Macht Dir nur keiner Deiner Schüler Verdruß? ich weiß, daß Dir dieser schadet, wenns auch die Arbeit nicht thut. Laß mir durch irgend Einen, Nachricht über die Aufführung am 7. zukommen. Vielleicht macht David seiner donna eine Beschreibung, die sie mir dann mittheilt, obschon sie sonst eben nicht mittheilend, oder gesprächig oder liebenswürdig ist. Für Cécile dürfte es wohl kein genügender Umgang sein. Indeß, es ist ein edles Ding, das Gold, das Gold! Von Mar. Saling erfuhr ich, daß Catherine Pereira fausse couche gemacht, was bei ihrer zarten Konstitution, und vieljähriger kinderloser Ehe allerdings etwas Betrübendes hat; die schwächliche Therese Devrient machts klüger, und hat trotz zarter Nerven und Piepigkeit wieder einen gesunden Knaben geboren. Er singt nicht einmal mehr in Gesellschaft. Erinnerst Du Dich noch des armen Adolph Benediks mit dem Twampelthier? denk Dir, daß er in Lyon gestorben ist, ohne einen Bekannten oder Verwandten bei sich zu haben! Dazu ist der Vater Millionen reich! – Im Juli traf ihn Heinrich d. 2., (Friedländer Heine) in Carlsbad, und zwar trotz seiner zerrütteten Gesundheit, allein, mit Schnellpost reisend. Er war so freundlich zu übenehmen, es bei seinem Vater zu verantworten, daß er einen Wagen kaufte und einen Bedienten mitnahm. Das Schicksal dieses jungen Mannes, den wir in so fröhlichen Zeiten in unsrer Mitte gesehen, geht mir recht ans Herz; ich finde, wenn der Tod an sich schon so furchtbar ist, diese Verlaßenheit doppelt schrecklich, und sein Bild auf dem Sterbelager weicht nicht aus meiner Phantasie. Ueberhaupt hat mich die Anwesenheit eines Verwandten der Benedikse, des Herrn Kanzlers, der Rosa Michelson geheirathet, und den Rebecka nur den Kanzler Oxenstierna nennt, ein trauriges Licht der dortigen Familienzustände gegeben. Meine liebliche, treue Peppi, hat da wohl ein beklagenswerthes Leben geführt, obschon ein mit Gold und Diamanten überhäuftes! Ich kenne nichts Traurigers, als das Leben einer geliebten Person nach dem Ende wieder durchzugehen, und sich vorzustellen, wie anders und beßer alles hätte werden können! Sie und Philipp haben sich zärtlich geliebt!!! wie unendlich viel liegt in diesem Worte! – ich weiß, er hat sie nie vergeßen, und nicht nur beider Geschick, auch beider Charakter hätten sich edler und höher ausgebildet, wären sie vereint worden. All dies ist nutzlos, wirst Du sagen: aber kann man seine innersten Gedanken verbannen? – Leb wohl, Gott schütze Dich und Cécile! schone Deine Gesundheit und erhalte Dich zu unser aller Glück und Freude! – Grüße Schunks, mit den Damen ist nicht anzufangen, vielleicht eigentlich nur mit … nicht sie laßen sich aber keine Freundlichkeit erweisen, und seit wir erfahren, daß sie v. Personen gesagt, sei seien zudringlich mit Einladungen, fürchten wir uns auch, sie stets vergeblich aufzufordern
<TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="gb-1836-11-02-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="gb-1836-11-02-01" xml:id="title_d66bc8ed-459d-435c-af5a-474fa1af476a">Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig <lb></lb>Berlin, 1. und 2. November 1836</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_1fc74e4f-5a31-4b04-ad23-301f44b28c8d">Beide Schwestern haben Dir geschrieben, seit ich Deinen Brief vom 27 erhielt, und Du hast auch inzwischen von GroßOnkel Schunk erfahren, daß alles Gottlob! wieder recht wohl ist. Rebecka hat nun seit ihrer fausse couche</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_83cf7ee3-cc4e-4ab2-8b8f-4c49e371cad5">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="fmb-1836-10-27-01" type="precursor" xml:id="title_6a79aef7-5203-411d-933b-1e48a5ae9021">Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Leipzig, 27. Oktober 1836</title> <title key="fmb-1836-11-18-01" type="successor" xml:id="title_a723cd2e-6f53-4a5c-b759-71dd66706f3f">Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Leipzig, 18. November 1836</title> <author key="PSN0113260">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0113260" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName xml:id="placeName_eea007a4-62e0-4ba7-912e-a29ac9362c26"> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript" xml:id="sourceDesc_16dce950-50d3-43a0-98f8-1740fb53edba"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. d. 31/148 und M.D.M. d. 31/134.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="gb-1836-11-02-01" type="letter" xml:id="title_e39e9358-d7a9-4865-85f8-6b751fa776a0">Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig; Berlin, 1. und 2. November 1836</title> <incipit>Beide Schwestern haben Dir geschrieben, seit ich Deinen Brief vom 27 erhielt, und Du hast auch inzwischen von GroßOnkel Schunk erfahren, daß alles Gottlob! wieder recht wohl ist. Rebecka hat nun seit ihrer fausse couche</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>2 Doppelbl.: S. 1-8 Brieftext.</p> <handDesc hands="1"> <p>Lea Mendelssohn Bartholdy</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1836-11-01" xml:id="date_c2d5cc54-6ecb-4a33-81ea-192dad3e224f">1.</date> und <date cert="high" when="1836-11-02" xml:id="date_a17eaff5-dfea-496b-ba5c-f9c4eddfd41d">2. November 1836</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0113260" resp="author" xml:id="persName_72f9f6d0-dc63-4428-b7ab-531f2c9a7802">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0113260" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_8a4e09f0-b097-443c-8a9d-afce87ef1644"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_9a6546d8-8638-40f7-8bac-8d73fa70e322">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_b3e9792f-0138-4a4b-9e94-21da6fbb21ad"> <settlement key="STM0100116">Leipzig</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"> </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_a2000c0b-1d5a-42cf-8401-46d7fe366dbd"> <docAuthor key="PSN0113260" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_75937a8b-f496-4f87-a95b-065b5b9047a3">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113260" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_558ac9bf-f2fe-464d-afe1-27a29ad36bd3">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</docAuthor> <dateline rend="right">Berlin <date cert="high" when="1836-11-01" xml:id="date_7449b605-e61b-49df-ba64-e669addd41da">1 November 1836</date></dateline> <p style="paragraph_without_indent">Beide Schwestern haben Dir geschrieben, seit ich Deinen Brief vom 27 erhielt, und Du hast auch inzwischen von GroßOnkel Schunk erfahren, daß alles Gottlob! wieder recht wohl ist. Rebecka hat nun seit ihrer <hi rend="latintype">fausse couche</hi> im Mai verschiedene sehr starke Anfälle von nervösen Zahnschmerzen gehabt, die nach den großen Blutverlusten, natürlichen und angethanen, in Krämpfen ausarteten, und einen für den Zuschauenden und Hörenden sehr beängstigenden Effekt machen Das 1. mal überkam es sie als die Wöchnerinwärterin noch bei ihr war; <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_e043b64f-5a87-41ec-9396-5fd51afa1c9c">die</del>, obgleich an alle möglichen Zustände der Art gewöhnt, hatte es selbst diese Frau ungeheuer erschreckt. Es kam in der Nacht, und zum Glück für mich wurde ich nicht geweckt; das 2. mal wars in Franzensbrunn, und Rosalie wollte mir eine <hi rend="latintype">estafette</hi> schicken, was, abermals zu meinem Glück, unterblieb, da es in wenigen Stunden vorüber war: zum 3. und wie ich sehnlich wünsche, letztenmal, überfiel es sie neulich und dauerte fast einen ganzen Tag. Ich kenne durch Tante Eskeles dergleichen Krämpfe, die gräßlich klingen und aussehen, aber bei denen gar keine Gefahr ist. Doch kann man sich einer großen Angst dabei nicht enthalten, und ich brauchte selbst einige Tage, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. – Alle diese Erfahrungen bestätigen mich in dem Widerwillen gegen BlutEntziehungen, und ich erinnere mich von uralten Zeiten sehr genau, daß meine selige Mutter ganz derselben Meinung war, indem sie mir oft erzählte, der damals berühmte Hofrath Herz hätte der Tante Eskeles ihre schrecklichen Krämpfe durch wiederholte Aderläße zugezogen, und deßhalb war sie die heftigste Gegnerin des Blutentziehens, und ist auch ohne dies Mittel, Gottlob 74 Jahre alt geworden. Daß Kopf und Augen vor 2 Jahren bei mir eben so nervenschwach gewesen, erinnerst Du Dich wohl noch; mein Zustand war anders modificirt, aber aus derselben Quelle stammend. Rebecka brauchte<seg type="pagebreak"> |2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> aber ihren Stosch fort, der mir seit d. 19 Nov.!!! (<hi rend="latintype">chou</hi>) mehr als je odiös ist, und ich sage auch kein Wort dazu, nach Vaters Grundsatz. Uebrigens hoffe ich alles von ihrer Jugend und guten Natur, besonders wenn sie mit dem <hi rend="latintype">dito</hi> Schwangerwerden sich noch Zeit läßt, und dazwischen vielleicht ein Seebad gebraucht. Dies ist überhaupt für die Frauen unsrer Zeit ein schrecklicher Punkt, den Du leider! Gottlob, hoffentlich erfahren und mit Glück überstehen sehen wirst. Als Rebecka das letztemal so sehr litt, gelobte ich mir im Stillen, Dich nicht zum Heirathen zu bereden, indem ich mir selbst sagte, Deine <hi rend="latintype">delicate frame</hi> könnte solche HerzensAngst kaum aushalten. – Freilich kann nur eine Frau die dergl. selbst erfahren, so ganz von diesem Leidenston durchschauert werden, und dann giebts auch kräftiger organisirte Naturen, die solche Haupt- und StaatsAktion leicht abschütteln, wie unsre Mariane z. B. – <hi rend="latintype">Aproposito</hi>, der gute Alexander hat mich gestern besucht und mir abermals viel Hübsches von <hi rend="latintype">Cécile</hi> und <hi rend="latintype">famille</hi> erzählt; von Marianchen erwarte ich mehr <hi rend="latintype">détails</hi> für uns frauenzimmerliche Seelen. Fanny sagte gestern <hi rend="latintype">quite peevishly</hi>, nun habe ich genug von ihr <hi n="1" rend="underline">gehört</hi>, ich möchte nun auch von ihr <hi n="1" rend="underline">sehen</hi>. Philipp ist ein FaulPelz, und Hildebrand von dem ich sie wohl gemalt haben möchte, ist hier noch beschäftigt und reist nicht durch Fft. Von einem mittelmäßigen Maler will ich aber keinen unvortheilhaften Eindruck empfangen. – </p> <p>Vor 3 Tagen erhielt ich durch den jungen Sieveking endlich! einen Br. v. Kling. und eine Menge Beurtheilungen des Paulus im <hi rend="latintype">Morning Herald</hi>, <hi rend="latintype">Morning Post</hi>, <hi rend="latintype">Manchester guardian</hi>, <hi rend="latintype">Musical Worlds</hi>, und <hi rend="latintype">Spectator</hi>, ferner 1 Brief v. <hi rend="latintype">Novello</hi> an Kl., 1 Anschlagzettel u. s. w. Kann es Dich intereßiren, so schick ich Dir das ganze Paket. Obgleich nun diese verschiedenen Beurtheilungen so entsetzlich von<seg type="pagebreak"> |3|<pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg> einander abweichen, daß der Eine das Oratorium gekürzt, der andre viel mehr Solostücke dazu haben möchte, so stimmen doch Alle in den ehrerbietigsten, anerkennendsten Ton überein, und die ungeheure Erwartung (die die Preise mit 6 <hi rend="latintype">guinéen</hi> zahlen und das Publikum erst zum Paulus versammeln ließ, während <hi rend="latintype">a selction from Judas Maccabeus</hi> die voranging, die Kirche leer ließ,) beweist allen, welche hohe Meinung man dort von Dir hat. „Seid uns gnädig, hohe Götter“ wurde <hi rend="latintype">encord</hi>. Daß es mit 204 Exekutanten und <hi n="1" rend="underline">nur</hi> 3 Proben nicht gut gehen <hi n="1" rend="underline">konnte</hi>, ist mir gewiß. Sie prognosticiren auch, es werde keine <hi rend="latintype">standing feature on musical festivals</hi> bleiben, aber viele Stücke daraus bei geistlichen Koncerten und <hi rend="latintype">Philarmonicks</hi> Lieblinge werden. Der Tadel beschränkt sich auf, zu wenige Arien und zu viel Recitative. Das Lob ist aber so ehrenvoll, vielseitig, reichhaltig, einsichtig und aufrichtig, daß Du hochzufrieden sein kannst, und wenn den Düß. Enthusiasmus fehlte, so weißt Du am besten, was Du als Dirigent und Dein begeisterter Chor, so wie eine deutsche musikalische Auffaßung gegen die fremdländische unter <hi rend="latintype">Sir George</hi> für einen Kontrast bilden <hi n="1" rend="underline">müßen</hi>. – Kling. schreibt auch ganz allerliebst über die arme <hi rend="latintype">Malibran</hi>: ich kann Dir nicht sagen, wie unendlich leid es mir thut, sie nie gesehen und gehört zu haben. Das war ein Genie! – Die beste Biographie die ich in so manchen engl. und deutschen Blättern fand, ist die v. <hi rend="latintype">Castil Blaze</hi>; ein wirklich intereßanter Aufsatz, den Du lesen mußt. </p> <p>Die Herren Breitkopf und Härtel waren so gütig, mir 6 Exempl. Deiner Lithographie zu schenken, und Du würdest mich verpflichten, wenn Du ihnen recht herzlichen Dank für die mich sehr erfreuende Aufmerksamkeit sagen wolltest. Vergiß es aber nicht! – Ich habe <hi rend="latintype">Cécilen</hi> und Julien 2 geschickt, Paul und Rebecka 2, (Fanny hat eins v. Lithographen bekommen) 1 für Auguste <hi rend="latintype">Lefort</hi>, der ich es den Sommer versprach, und eines für mich behalten. Dein Bild ist mir<seg type="pagebreak"> |4|<pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg> etwas ferner dadurch entrückt, daß Rebecka statt der grauen Kupferstichstube die <hi rend="latintype">chamois</hi> bewohnt, was überhaupt eine Art Trennung in <hi n="1" rend="underline">so</hi> regem Beisammenleben bildet, und der nahe und häufige Anblick deßelben den ich in der rosa Stube genoß, nun einigermaßen erschwert ist. Daher ists vielleicht weniger empfindlich für mich, daß es fortwährend auf der Ausstellung hängt, und erst in 3 Wochen ins elterliche Haus zurückkehrt. Es findet die verdiente Anerkennung oben, und man kann überhaupt nicht läugnen, daß unter den Düßeld. die diesmal etwas wegfallen und matt und bleich erscheinen, Hildebrand durchaus als erster und fast alleiniger Stern glänzt. Sohn ist eklig und Bendemann schwächlich, obwohl graziös in der Erndte. Für Schadow und Leßings Hußitenpredigt haben die Protektoren den besten Saal übrig gelaßen; es scheint demohngeachtet, daß Letztrer bei weitem nicht wie sonst die einmüthige Stimme für sich hat. Mir kömmt vor, als ob die Schule dort an matter Schlaffheit und Eintönigkeit in der Färbung sehr zugenommen habe; von Leßing habe ich aber bisher nur eine kleine Landschaft gesehen, die mir höchst unbedeutend vorkömmt, und gegen die Herrlichkeit der <hi rend="latintype">Gudins</hi>, <hi rend="latintype">Kœcköcks</hi>, <add place="above">Catels<name key="PSN0113260" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</name></add>, Elsaßers und selbst Agricola sehr erbleicht. Die Landschaften der Genannten sind, sowohl was Gegenstand als Behandlung betrift, von ausgezeichnetem Reiz. Auch unser <add place="above">Freund<name key="PSN0113260" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</name></add> Schirmer hat dies Jahr nichts Ordentliches. – Hensel war Sonntag <hi rend="latintype">en soirée</hi> bei den jungen Radziwils, und da sagte Humbold, der alte Schadow sei entsetzlich stolz auf die Düß. Schule; er hätte eigentlich doch aber nur den jungen Sch._ <hi n="1" rend="underline">gemacht</hi>. </p> <p>Heut ist musikalischer Abend bei Fanny; die Decker und eine <hi rend="latintype">Signora Crescini</hi> die ihr empfohlen, und die nicht nur eine prächtige Altistin aber eine große Schönheit sein soll. Sonst scheints mit der Musik hier rein aus; gar keine Oper, außer bei <hi rend="latintype">Cerf</hi>; zur prinzeßlichen Vermählung sogar nur ein Ballet; die letzte Publikation v. <hi rend="latintype">Spontini</hi> ist nur das InjurienUrtheil wider Rellstab. <hi rend="latintype">Hauman</hi> gab gestern<seg type="pagebreak"> |5|<pb n="5" type="pagebreak"></pb></seg><note resp="UW" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_ec5a429c-e759-4999-8d37-ec3d4c47a53a" xml:lang="de">Beginn des Briefteils in GB-Ob, M.D.M. d. 31/134:</note> ein spottleeres Koncert, das <hi rend="latintype">Dirichlets</hi> durch Klatschen bestens, aber erfolglos zu unterstützen bemüht waren. Unser Mathematiker fühlte sich aus Brüßeler Dankbarkeit gedrungen, ihn zu besuchen und fand ihn und seine ihn begleitende <hi n="1" rend="underline"><hi rend="latintype">maitresse</hi></hi> gräßlich <hi rend="latintype">logirt</hi>. Er schimpfte pflichtmäßig auf Moeser der keine Partitur lesen könne, und hat, <hi rend="latintype">celent tant</hi>, 150 rt. Schaden gehabt. – Moeser kündigt heute nächst den jubilirenden Quartetten (der 25. Winter) <hi n="1" rend="underline">Vorlesungen</hi> über Violinspiel an. Nu hört alles auf, sagt Frank.</p> <p>Der grausame Himmel hat Pauls Geburtstag vorgestern mit 1.tem Schnee gefeiert, und wir haben seitdem eine empfindliche Winterkälte. Ganze Waschzuber voll Trauben nahm der Gärtner heut von den erfrornen Weinstöcken und die zum Frühling bereits gelegten Tulpencetten und Hyacinthenzwiebeln müßen in aller Eil mit dem schützenden Laube bedeckt werden. Die armen Trauben laße ich den Eßighändlern anbieten. Trotz dieses Mißgeschicks und der edlen 65 Pfirsich und vieler andern gestohlenen <hi n="1" rend="underline">Oebste</hi>, ist meine Frucht und Gemüseerndte dies schlechte Jahr doch reicher als je für uns, weil ich einen ehrlichen Gärtner habe. Vater wünschte immer, daß ich jede Kleinigkeit die ich aus dem Garten gewinne aufschreiben möchte, um doch nicht alles auf das Vergnügen zu rechnen, und das setze ich, wie jede seiner Anordnungen, gewißenhaft fort.</p> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_94cc1398-90a5-4564-92ac-1fae65688a32"> <docAuthor key="PSN0113260" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_64afb5df-2b77-487b-b549-a4235357af58">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113260" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_c6ee9055-ac9e-48e8-8f0a-b1776978666f">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">d. <date cert="high" when="1836-11-02" xml:id="date_aa24837d-69e0-47da-8077-3b73dc304512">2.</date> Ich schrieb Dir (im Frühjahr, denk ich) als der arme Giermann hier durchkam, um in die Bäder zu reisen, ich sähe seinen nahen Tod voraus, und fürchtete, Paul würde wohl an seiner Stelle nach Hamburg müßen. Der Tod dieses erzbraven, zuverläßigen, uns höchst <hi rend="latintype">attachirten</hi> Mannes, der in der Handlung Mendelssohn fast 40 Jahre gearbeitet, ist leider vor 2 Monaten erfolgt, und jetzt, da Onkel und Alex. hier beisammen sind, ward leider! wirklich beschloßen, was ich mit Betrübniß voraussah. Pauls reisen in 8 oder 10 Tagen; <hi n="1" rend="underline">vorläufig</hi> heißt es um 4 oder 5 Monate dort zu bleiben; meiner Ansicht nach werden sie ihn aber um so weniger zurückkommen laßen, je mehr er sich in das dortige Geschäft<seg type="pagebreak"> |6|<pb n="6" type="pagebreak"></pb></seg> eingearbeitet haben wird. Er gedenkt über Leipzig, Braunschweig und Hannover zu gehen, schwerlich aber kann er zur 1. Händelschen Aufführung bei Dir sein; vielleicht eher zur 2., sollte sie Statt finden. Er bittet Dich um Auskunft, sobald Du selbst es weißt. – Er und Albertine gehen sehr ungern auf so lange Zeit fort; die aktive Jugend, die noch alle möglichen Pläne in der Perspektive hat, kann sich indeß nicht so grämen als die gedrücktbleibenden Alten, die den Rest des Lebens mehr und mehr auf sich beschränkt werden. Albertinens Mutter hat sich gestern in Thränen Luft gemacht; ich konnte mich in Fannys großer Gesellschaft wohl recht zusammennehmen, aber in der Nacht schmolz meine Faßung dahin –, und ich habe sie auch jetzt noch nicht wiedergefunden. Alles sage ich mir, liebes Kind! was die Vernunft sagen kann und weiß ich würde auch, selbst wenn ichs vermöchte, nichts thun ihn zurück zu halten so wenig ich es bei Deiner Entfernung von uns gethan. Aber alte und neue Trennung stürmen aufs Lebhafteste vereint in mich, und wenn ich mir Zeile „wer hat euch denn was Guts vermacht?“ wiederhole, so fällt mir Goethes Brief nach seines Sohnes Tode ein „Prüfungen erwarte bis zuletzt!“ Pauls waren mir in allen Trauer- und AngstEpochen des letzten Jahres eine beruhigende, erheiternde Gesellschaft, eine wahre Stütze zum Aufrichten, ein Halt im Leben. Von so vielen nothwendigen Intereßen wißen meine Schwiegersöhne, ihrem Beruf und ihrer Natur <add place="above">nach<name key="PSN0113260" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</name></add> nichts; überhaupt – es ist ein andres Blut – Du wirst solche Unterschiede auch fühlen lernen, sobald Du Gatte und Vater sein wirst! – Von aller Empfindung abstrahirt, lieber Felix! wird er mir als Versorger und Erhalter unser aller Angelegenheiten, täglich fehlen. An Alexander werde ich mich schwerlich wenden, so gutmüthig und brav er ist, hat er doch so viel Geschäfte und ist von Natur so zerstreut und vergeßlich, daß es mir höchst unangenehm wäre, ihn noch mir unsern Sorgen und Einrichtungen zu plagen. Julie Heyse, die so oft den rechten Punkt trifft, sagte, bei Pauls ist es <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_6920a045-d4f4-4e0f-b401-dbcc48901ee1">ist</del> Pflicht und eignes Intereße, wofür man Andern Dank und Rücksicht schuldig wird. Ich denke, Paul vorzuschlagen, Nathan wieder zu unsern <hi rend="latintype">cha[mbre]</hi><seg type="pagebreak"> |7|<pb n="7" type="pagebreak"></pb></seg> […]<hi rend="latintype">ffaire</hi> zu machen. Es wäre übrigens gut, wenn Du Dir eine oberflächliche Kenntniß der Verwaltung eines Vermögens erwürbest, was Dir in einem Handelsort wie L. leicht werden muß.</p> <p>Mit der Musik wurde es gestern gar nichts; die Decker war unwohl und die <hi rend="latintype">Crescini</hi> scheint halb verrückt zu sein, denn nachdem sie die Einladung angenommen, ließ sie Henseln um 8 sagen, er möchte doch zu ihr kommen. Fanny hat einige Deiner und ihrer Lieder gespielt: die Unterhaltung war sehr lebhaft, da lauter angenehme Menschen da waren. Hildebrand unter andern, der über Dein Bild v. <hi rend="latintype">Vernet</hi> höchst erstaunt war, und es nicht erkannt hatte. Mit dem seinigen ist er übrigens auch nicht zufrieden, und wirklich ohne Ziererei nicht, denn er meynt, Du hättest eine Chamäleons-Phüsionomie. Die Gräfin Schlieffen, meine Mietherin, ist in Düß. gewesen und hat und hat mir viel v. Woringens erzählt, die ihr aus Paulus vorgesungen. Diese ehemalige Hofdame der Kaiserin ist so freundlich, natürlich, einfach, häuslich, wie ich fast nie eine Vornehme sah. Eltern und Kinder leben so vereint und still, beschäftigen sich so hübsch, sind so angenehm und zuthulich, besonders die Gräfin, daß ich ihren Umgang sehr liebe. Sie plaudert eben so gern wie ich, nun kannst Du denken, wie wir zusammen schnattern.</p> <p>Sage mir aufrichtig, Kind! ob Du Dich jetzt nicht gar zu sehr anstrengst und ob es Deiner Gesundheit nur nicht schadet? „Gans, das fehlt <add place="below">mir<name key="PSN0113260" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</name></add> <hi n="1" rend="underline">Ihnen</hi> auch noch! – Du wiederholst es in Deinem Brief an Paul, und es beunruhigt mich ein bischen. Macht Dir nur keiner Deiner Schüler Verdruß? ich weiß, daß Dir dieser schadet, wenns auch die Arbeit nicht thut. Laß mir durch irgend Einen, Nachricht über die Aufführung am 7. zukommen. Vielleicht macht David seiner <hi rend="latintype">donna</hi> eine Beschreibung, die sie mir dann mittheilt, obschon sie sonst eben nicht mittheilend, oder gesprächig oder liebenswürdig ist. Für <hi rend="latintype">Cécile</hi> dürfte es wohl kein genügender Umgang sein. Indeß, es ist ein edles Ding, das Gold, das Gold!</p> <p><seg type="pagebreak">|8|<pb n="8" type="pagebreak"></pb></seg> Von Mar. Saling erfuhr ich, daß Catherine Pereira <hi rend="latintype">fausse couche</hi> gemacht, was bei ihrer zarten Konstitution, und vieljähriger kinderloser Ehe allerdings etwas Betrübendes hat; die schwächliche Therese Devrient machts klüger, und hat trotz zarter Nerven und Piepigkeit wieder einen gesunden Knaben geboren. Er singt nicht einmal mehr in Gesellschaft.</p> <p>Erinnerst Du Dich noch des armen Adolph Benediks mit dem Twampelthier? denk Dir, daß er in Lyon gestorben ist, ohne einen Bekannten oder Verwandten bei sich zu haben! <hi n="1" rend="underline">Dazu</hi> ist der Vater Millionen reich! – Im Juli traf ihn Heinrich d. 2., (Friedländer Heine) in Carlsbad, und zwar trotz seiner zerrütteten Gesundheit, allein, mit Schnellpost reisend. Er war so freundlich zu übenehmen, es bei seinem Vater zu verantworten, daß er einen Wagen kaufte und einen Bedienten mitnahm. Das Schicksal dieses jungen Mannes, den wir in so fröhlichen Zeiten in unsrer Mitte gesehen, geht mir recht ans Herz; ich finde, wenn der Tod an sich schon so furchtbar ist, diese Verlaßenheit doppelt schrecklich, und sein Bild auf dem Sterbelager weicht nicht aus meiner Phantasie. Ueberhaupt hat mich die Anwesenheit eines Verwandten der Benedikse, des Herrn Kanzlers, der Rosa Michelson geheirathet, und den Rebecka nur den Kanzler Oxenstierna nennt, ein trauriges Licht der dortigen Familienzustände gegeben. Meine liebliche, treue Peppi, hat da wohl ein beklagenswerthes Leben geführt, obschon <add place="above">ein<name key="PSN0113260" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</name></add> mit Gold und Diamanten überhäuftes! Ich kenne nichts Traurigers, als das Leben einer geliebten Person nach dem Ende wieder durchzugehen, und sich vorzustellen, wie anders und beßer alles hätte werden können! Sie und Philipp haben sich zärtlich geliebt!!! wie unendlich viel liegt in diesem Worte! – ich weiß, er hat sie nie vergeßen, und nicht nur beider Geschick, auch beider Charakter hätten sich edler und höher ausgebildet, wären sie vereint worden. All dies ist nutzlos, wirst Du sagen: aber kann man seine innersten Gedanken verbannen? – <seg type="closer">Leb wohl, Gott schütze Dich und <hi rend="latintype">Cécile</hi>! schone Deine Gesundheit und erhalte Dich zu unser aller Glück und Freude! – Grüße Schunks</seg>, mit den Damen ist nicht anzufangen, vielleicht eigentlich nur mit […] <add place="margin">nicht sie laßen sich aber keine Freundlichkeit erweisen, und seit wir erfahren, daß sie v. Personen gesagt, sei seien <hi n="1" rend="underline">zudringlich</hi> mit<name key="PSN0113260" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</name></add> <seg type="pagebreak">|7|<pb n="7" type="pagebreak"></pb></seg> <add place="top">Einladungen, fürchten wir uns auch, sie stets vergeblich aufzufordern<name key="PSN0113260" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</name></add></p> </div> </body> </text></TEI>