gb-1836-10-14-01
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Berlin, 14. Oktober 1836
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext.
Lea Mendelssohn Bartholdy
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Ja freilich warte ich nur auf ein Liebes- und Lebenszeichen,
Für die tausend details, die brütende Muttergedanken beschäftigen, war es ein vortreffliches Auskunftsmittel, daß Rebecka ein paar Wochen in größter Intimität mit Dir verleben konnte. Sie erzählt eben so gern, als ich begierig zu hören bin, und so geschahs, daß sie mich gestern z. B., als wir bei Fanny bis Mitternacht mit Gans uns prächtig unterhalten hatten, sie mich zu Bett brachte, und mir da noch die schöne Geschichte von Souchay’s Bedienten mittheilte. Jetzt bin ich, nach den vielseitigsten Berichten auch völlig überzeugt, daß Du die vortrefflichste Wahl getroffen, denn es giebt bei all der Vielstimmigkeit, nun nur Eine Stimme über Deine Cécile und ich kann Gott nur bitten, Ihr mögt beide gesund bleiben, dann müßt und werdet Ihr lieben Menschen, glücklich sein.
Montag Abend (d. 10) kam Tante Hinni an; Lenchen besuchte mich in aller Frühe den andern Morgen, bloß um mir das Zusammenkommen mit Jeanrenauds aufs Genaueste zu beschreiben. Es war eine Freundlichkeit die ich nie vergeßen werde, und das Bedürfniß, mir gleich etwas so Angenehmes mitzutheilen, verbunden mit der Herzlichkeit und Wärme der Rheinländischen Naturen, machten mir das gute Mädchen sehr lieb. Ich kann Dir nicht sagen, wie ganz entzückt sie von den 3 Damen war, mit denen Tante sich bei der Schlegel rendevous gegeben hatte. Haarklein, bis auf die uns Frauenzimmern wichtige und gewiß auch bezeichnende toilette, schilderte sie mir alles, mit der größten Wärme und Theilnahme. Ich habe Freudenthränen dabei geweint, und nahm sie gleich mit zu Fanny, der sie Alles wiederholen mußte: sie bat mich, Tante H. ja nicht zu sagen, daß sie mir schon alles so genau berichtet, weil auch die sich eine vorzügliche Freude daraus gemacht hätte, und Du kannst denken, daß ich mir, bei meinem gleich darauf folgenden Besuch, alles was mich beglückte, auch gar zu gern wieder erzählen ließ. Beim Hereintreten ging Tante gleich Cécilen entgegen und sagte: Sie sind dieCécile Dir schon berichtet haben, aber Du hörst es, wegen des Eindrucks der andern Partei, doch gewiß gern da capo. Deine liebe andre Mutter muß, nach allen Beschreibungen, höchst liebenswürdig sein! Als sie so überaus gütig war, mir ihren Lebensabriß zu schildern, gab es mir gleich den vortrefflichsten Begriff ihres Charakters und ihrer Mutterzärtlichkeit, daß sie, eine Wittwe von nur 23 Jahren, sich bei so viel Schönheit, Anmuth, in so vorzüglichen geselligen Verhältnißen, nicht zu einer zweiten Heirath entschließen konnte. Ihr Mann soll freilich auch ungemein schön, geistvoll und beredt gewesen sein. Da ist eine so bedeutende Organisation, durch die beste Erziehung begünstigt, auch kein Wunder, aber ein höchst glückliches und seltnes Zusammentreffen der seltensten Was hab ich verloren! wie viel ist mir aber auch in Euch Kindern geblieben! und was hast Du für vortreffliche Geschwister, mein Felix! Die reinste, edelste Theilnahme und Glückseligkeit athmen alle über Deine Liebe und Deinen Entschluß. Paul ist über alle Maaße vergnügt und kann die Zeit, nach Leipzig zu reisen, kaum erwarten. Schreibe nur die Zeit der Aufführung Israels; hoffentlich trifft Alexander bis dahin hier ein, und Onkel kann ihn entbehren. Er ist, zu meinem lebhaftesten Vergnügen, ganz unbeschreiblich zufrieden mit ihm. Bei gewöhnlichem Geschäft war ihm sein Gang vorgezeichnet; als der Unfall des Kaisers von Rußland kam, brachte das in unsrer gleich schwankenden Zeit, ängstliche Bewegung herbei,ta jeune maman, mich beunruhigen, da Du selbst sagst, Du seist entsetzlich angespannt und angegriffen. Schläfst Du nur tüchtig? Beckchens Anordnung, vor 11 Uhr, ich möchte sagen, 12, nicht zu sprechen zu sein, finde ich höchst nothwendig: das viele Gerede macht einen ganz mürbe und stumpf, und hilft auch den andern nichts. Mußt Du denn aber auch alle Fremdenkoncerte einrichten und dirigiren? und alles pour leur bon plaisir, ohne Stabern wenn ich nur was davon hätt! Da könntest Du ein musikalischer Herkules sein, ohne ihnen genug zu thun. –
Ich habe kürzlich an Mde. Moscheles geschrieben und gebeten, allen Deinen engl. Freunden, den Taylors, Alexanders, Horsleys, Attwoods, Rosen u. s. w. in meinem Namen Anzeige zu machen. Außer dem Verlangen, Dir diese Höflichkeiten abzunehmen, hatte ich aber auch den Eigennutz, mir Bericht über Paulus in Liverpool zu erbitten. Die allerliebste Frau hat auch die Tugend der Pünktlichkeit; Kling. hingegen antwortete auf Fannys und meine Briefpakete, die wir durch Mr. Empsom vor 3 Monaten etwa gesandt, noch nicht. – Meine Glückwunschbesuche sind sehr gut ausgefallen; ich konnte so recht von Dir und Cécile schwatzen und sah viele heitre und gute Gesichter. Mein blauer Saal ist mit schönen Teppichen, Schirmers Landschaft und frischen Blumen ganz hochzeitlich geschmückt, und edle Früchte aus dem Garten und Baumkuchen haben meine Gäste auch nicht leer ausgehen laßen. Es war in Beckchens Abwesenheit eine artige Episode gegen Einsamkeit und Stille.
Von der Ausstellung wäre mehr als ein Brief faßen kann, zu sagen. Ich weiß nicht, wie Du jetzt gegen die Düß. gesinnt bist und obs Dich verdrießt daß es mich freut, den großen Nimbus allmählig schwinden zu sehen. Hildebrands Kinder ausgenommen, macht die dortige Schule vollkommen Fiasco und mit Recht. Sohns Göttinnen sind schauderhaft, und Hennings Thetis dagegen noch himmlisch; Jeremias tausendmal ausgestellt, ist schon schwarz geworden, und hat nie meinen Beifall gehabt mit seiner basreliefartigen breiten Dehnung und buchstäblichen wunderbare Landschaften und Seestücke, hauptsächlich von Gudin, Lepoittevin, Watelet; ein vortreffliches Stück von Aurele Robert, eine Taufe in einer venetianischen Kirche, ein andres sehr schönes Bild von Maes, das Decker gehört und unzählige sehr liebliche genre Sachen. Begas hat sich nach unsäglichem Zieren, nicht ausstellen, doch ausstellen, doch dazu entschloßen, seinen Kaiser Heinrich IV vor Papst Gregor in Canoßa, der Blicken und Recensentenlouis verkauft worden, und wenn es mit den Konkurrenzbildern v. Moser und Löwenstein nicht auch der Fall sein wird, so liegt es wieder an einer abscheulichen Düß. Intrigue. Dem Testament Michael Beers ganz entgegen, ist die Wahl noch nicht erfolgt, die chance zum Verkauf nun schon seit 4 Wochen. Dieser Düß. Napolismus, der durch Vater und Sohn bestens gepflegt wird, äußert sich zu grell, und Hensel will bei vorkommender Entscheidung zum Nachtheil seiner Schüler, ans Ministerium gehen, da es schon bisher eine schreiende Ungerechtigkeit ist. Schade, daß ich nicht von Anfang die ganz tollen Recensionen der Herren Märker, Kugler, Schoell, Marggraff etc. gesammelt; es wäre eine herrliche Bereicherung meiner schönen Kollektion. Wirklich du galimathias composé. Eine Art Partridge Kritik (im Tom Jones) hörte Luise neulich oben als 2 Leute über die Kinder Eduards stritten, die Dame wollte vom Herrn wißen was es bedeute, denn die Lieblichkeit der schlafenden Kleinen zieht Blicke und Herzen an: ma chère, sagte der Herr, ce sont les domestiques qui éveillent les enfans. – Doch liegt etwas Richtiges in dieser Kritik; der Gegenstand spricht sich nicht aus ohne Textbuch und Geschichtskenntniß.
Mit Emmelinen und Julien sind wir heut Abend bei Pauls und da soll Rebecka die Frage wegen Schlemmer vorlegen. – Davids Braut soll sich sehr der Wirthschaft annehmen und der Mlle. Girard sogar helfen das Eßen aufzutragen. Ich denke sie wird ganz aufleben und sich in Eurem Kreise ermuntern. Mein Lokal hab ich ihr zur Hochzeit angeboten; sie will sich aber in Halle v. Erdmann trauen laßen. – Adolph Martin hat die allerzärtlichste Besorgniß für Deine Gesundheit; obs ahndende Verlegerliebe oder reine Freundschaft ist, weiß ich nicht. Er läßt sich und Gemalin im atelier hier konterfeyen; ein rechter Vorwurf für die Kunst!
Berlin 14 Oktober 1836 Ja freilich warte ich nur auf ein Liebes- und Lebenszeichen, mein bestes Herz! um Dir sogleich von vorn zu schreiben. Verdenk es mir aber auch nicht, wenn ich bis dahin immer schweige. Gegen Verliebte und Verlobte kann man nicht diskret genug verfahren; es ist für den mütterlichen Stolz ein zu demüthigender Gedanke, unbeachtet, überflüssig, oder gar lästig zu sein. Dies ist gar nicht in bösen Sinn gemeynt; die Erfahrung lehrt es aber, und ich, die mich einer so schrecklichen Lebhaftigkeit anklage, die mich innerlich, trotz des an 60 streifenden, stets so aufgeregt und überwallend fühle, muß mich doppelt vor solcher Klippe hüten. Für die tausend details, die brütende Muttergedanken beschäftigen, war es ein vortreffliches Auskunftsmittel, daß Rebecka ein paar Wochen in größter Intimität mit Dir verleben konnte. Sie erzählt eben so gern, als ich begierig zu hören bin, und so geschahs, daß sie mich gestern z. B., als wir bei Fanny bis Mitternacht mit Gans uns prächtig unterhalten hatten, sie mich zu Bett brachte, und mir da noch die schöne Geschichte von Souchay’s Bedienten mittheilte. Jetzt bin ich, nach den vielseitigsten Berichten auch völlig überzeugt, daß Du die vortrefflichste Wahl getroffen, denn es giebt bei all der Vielstimmigkeit, nun nur Eine Stimme über Deine Cécile und ich kann Gott nur bitten, Ihr mögt beide gesund bleiben, dann müßt und werdet Ihr lieben Menschen, glücklich sein. Montag Abend (d. 10) kam Tante Hinni an; Lenchen besuchte mich in aller Frühe den andern Morgen, bloß um mir das Zusammenkommen mit Jeanrenauds aufs Genaueste zu beschreiben. Es war eine Freundlichkeit die ich nie vergeßen werde, und das Bedürfniß, mir gleich etwas so Angenehmes mitzutheilen, verbunden mit der Herzlichkeit und Wärme der Rheinländischen Naturen, machten mir das gute Mädchen sehr lieb. Ich kann Dir nicht sagen, wie ganz entzückt sie von den 3 Damen war, mit denen Tante sich bei der Schlegel rendevous gegeben hatte. Haarklein, bis auf die uns Frauenzimmern wichtige und gewiß auch bezeichnende toilette, schilderte sie mir alles, mit der größten Wärme und Theilnahme. Ich habe Freudenthränen dabei geweint, und nahm sie gleich mit zu Fanny, der sie Alles wiederholen mußte: sie bat mich, Tante H. ja nicht zu sagen, daß sie mir schon alles so genau berichtet, weil auch die sich eine vorzügliche Freude daraus gemacht hätte, und Du kannst denken, daß ich mir, bei meinem gleich darauf folgenden Besuch, alles was mich beglückte, auch gar zu gern wieder erzählen ließ. Beim Hereintreten ging Tante gleich Cécilen entgegen und sagte: Sie sind die Braut! – Sehr gut müßen sie sich gegenseitig gleich gefallen haben, denn trotz der bekannten Ungeduld unserer guten Hinni blieben sie sehr lange beisammen, und gingen mit einander aufs Museum, wo aber nur besprochen und fast nichts besehen wurde. Alles das wird Cécile Dir schon berichtet haben, aber Du hörst es, wegen des Eindrucks der andern Partei, doch gewiß gern da capo. Deine liebe andre Mutter muß, nach allen Beschreibungen, höchst liebenswürdig sein! Als sie so überaus gütig war, mir ihren Lebensabriß zu schildern, gab es mir gleich den vortrefflichsten Begriff ihres Charakters und ihrer Mutterzärtlichkeit, daß sie, eine Wittwe von nur 23 Jahren, sich bei so viel Schönheit, Anmuth, in so vorzüglichen geselligen Verhältnißen, nicht zu einer zweiten Heirath entschließen konnte. Ihr Mann soll freilich auch ungemein schön, geistvoll und beredt gewesen sein. Da ist eine so bedeutende Organisation, durch die beste Erziehung begünstigt, auch kein Wunder, aber ein höchst glückliches und seltnes Zusammentreffen der am seltensten schwersten vereinbaren Umstände. Wohl Dir, daß es Deinem edlen Herzen und reinem Sinn gelungen ist, und daß Du nur den Wunsch still in Dir zu tragen brauchtest, eine Gefährtin zu besitzen, damit Dir gleich ein so holder UnschuldsEngel begegnen und Dein werden konnte. Wie oft dachte und sagte ich mir, wenn er nun ein braves, unbescholtenes Mädchen findet, ich will mit seiner Wahl stets zufrieden sein, wären auch alle übrigen Verhältniße ungünstig und nicht nach meinem Sinn. Und nun muß ich die Fügung des gütigen Himmels so in allem segnen und dankend bewundern. Denn auch das Paßende der Lage und Umgebungen verspricht Segen, Gedeihen, Uebereinstimmung. Wie überglücklich würde Vater gewesen sein, mein Felix! oft bilde ich mir auch ein, Du würdest dies Bedürfniß nicht empfunden haben, wenn sein Dasein uns ferner beglückt und Dein Herz wie bisher, ausgefüllt hätte, und so müßte ich bei allem jetzigen Entbehren und Schmerz auch darin vielleicht eine gnädige Führung des Schicksals, das uns so vieles gewährt, erkennen. – Was hab ich verloren! wie viel ist mir aber auch in Euch Kindern geblieben! und was hast Du für vortreffliche Geschwister, mein Felix! Die reinste, edelste Theilnahme und Glückseligkeit athmen alle über Deine Liebe und Deinen Entschluß. Paul ist über alle Maaße vergnügt und kann die Zeit, nach Leipzig zu reisen, kaum erwarten. Schreibe nur die Zeit der Aufführung Israels; hoffentlich trifft Alexander bis dahin hier ein, und Onkel kann ihn entbehren. Er ist, zu meinem lebhaftesten Vergnügen, ganz unbeschreiblich zufrieden mit ihm. Bei gewöhnlichem Geschäft war ihm sein Gang vorgezeichnet; als der Unfall des Kaisers von Rußland kam, brachte das in unsrer gleich schwankenden Zeit, ängstliche Bewegung herbei, und Paul benahm sich da vollkommen in Onkels Sinn und Ideen. Seit er die Verantwortlichkeit von Herzen hat, sieht er auch wohler aus. Wie aber stehts in der Hinsicht mit Dir, mein Felix? muß ich nicht, wie ta jeune maman, mich beunruhigen, da Du selbst sagst, Du seist entsetzlich angespannt und angegriffen. Schläfst Du nur tüchtig? Beckchens Anordnung, vor 11 Uhr, ich möchte sagen, 12, nicht zu sprechen zu sein, finde ich höchst nothwendig: das viele Gerede macht einen ganz mürbe und stumpf, und hilft auch den andern nichts. Mußt Du denn aber auch alle Fremdenkoncerte einrichten und dirigiren? und alles pour leur bon plaisir, ohne Stabern wenn ich nur was davon hätt! Da könntest Du ein musikalischer Herkules sein, ohne ihnen genug zu thun. – Ich habe kürzlich an Mde. Moscheles geschrieben und gebeten, allen Deinen engl. Freunden, den Taylors, Alexanders, Horsleys, Attwoods, Rosen u. s. w. in meinem Namen Anzeige zu machen. Außer dem Verlangen, Dir diese Höflichkeiten abzunehmen, hatte ich aber auch den Eigennutz, mir Bericht über Paulus in Liverpool zu erbitten. Die allerliebste Frau hat auch die Tugend der Pünktlichkeit; Kling. hingegen antwortete auf Fannys und meine Briefpakete, die wir durch Mr. Empsom vor 3 Monaten etwa gesandt, noch nicht. – Meine Glückwunschbesuche sind sehr gut ausgefallen; ich konnte so recht von Dir und Cécile schwatzen und sah viele heitre und gute Gesichter. Mein blauer Saal ist mit schönen Teppichen, Schirmers Landschaft und frischen Blumen ganz hochzeitlich geschmückt, und edle Früchte aus dem Garten und Baumkuchen haben meine Gäste auch nicht leer ausgehen laßen. Es war in Beckchens Abwesenheit eine artige Episode gegen Einsamkeit und Stille. Von der Ausstellung wäre mehr als ein Brief faßen kann, zu sagen. Ich weiß nicht, wie Du jetzt gegen die Düß. gesinnt bist und obs Dich verdrießt daß es mich freut, den großen Nimbus allmählig schwinden zu sehen. Hildebrands Kinder ausgenommen, macht die dortige Schule vollkommen Fiasco und mit Recht. Sohns Göttinnen sind schauderhaft, und Hennings Thetis dagegen noch himmlisch; Jeremias tausendmal ausgestellt, ist schon schwarz geworden, und hat nie meinen Beifall gehabt mit seiner basreliefartigen breiten Dehnung und buchstäblichen einzelnen Wiederholung des ersten wahrhaft schönen Bildes. Alles andre ist matt, unbedeutend, abgegriffen, ewig wiederholt; und unser dummes Publikum ist zu der wunderbaren Erkenntniß gekommen, daß andre lebende Menschen auch noch malen können. Die Franzosen gewinnen diesmal die Krone; wunderbare Landschaften und Seestücke, hauptsächlich von Gudin, Lepoittevin, Watelet; ein vortreffliches Stück von Aurele Robert, eine Taufe in einer venetianischen Kirche, ein andres sehr schönes Bild von Maes, das Decker gehört und unzählige sehr liebliche genre Sachen. Begas hat sich nach unsäglichem Zieren, nicht ausstellen, doch ausstellen, doch dazu entschloßen, seinen Kaiser Heinrich IV vor Papst Gregor in Canoßa, der Blicken und Recensenten herzugeben. Es gefällt mir sehr gut, bis auf die zu kleine Architektur des Ganzen, welche die 3malige Abtheilung der Gruppen viel zu gedrückt erscheinen läßt. Die Figur des Kaisers, in verbißnem Grimm ist ausgezeichnet vortrefflich, so wie alle Personen des reichen Vorgrundes; ohne Vorurtheil, es ist kein Düß. oben, der diesem Bilde nur entfernt gleichgestellt werden kann. Hensels Miriam kommt erst übermorgen hinauf; seine Schüler, jetzt 12, kosten ihn viel Zeit und Mühe, lohnen ihn aber auch durch recht brave Sachen; eins ihrer Bilder ist gleich für 40 louis verkauft worden, und wenn es mit den Konkurrenzbildern v. Moser und Löwenstein nicht auch der Fall sein wird, so liegt es wieder an einer abscheulichen Düß. Intrigue. Dem Testament Michael Beers ganz entgegen, ist die Wahl noch nicht erfolgt, die es d. 1. Okt. sein sollte, weil der alte Schadow durchaus ein Bild v. Jakob heranbringen will, das aber noch immer nicht da ist, und auch die gestellten Bedingungen nicht erfüllt. Bis zum Senats Ausspruch dürfen sie aber nicht veröffentlicht werden und verlieren die chance zum Verkauf nun schon seit 4 Wochen. Dieser Düß. Napolismus, der durch Vater und Sohn bestens gepflegt wird, äußert sich zu grell, und Hensel will bei vorkommender Entscheidung zum Nachtheil seiner Schüler, ans Ministerium gehen, da es schon bisher eine schreiende Ungerechtigkeit ist. Schade, daß ich nicht von Anfang die ganz tollen Recensionen der Herren Märker, Kugler, Schoell, Marggraff etc. gesammelt; es wäre eine herrliche Bereicherung meiner schönen Kollektion. Wirklich du galimathias composé. Eine Art Partridge Kritik (im Tom Jones) hörte Luise neulich oben als 2 Leute über die Kinder Eduards stritten, die Dame wollte vom Herrn wißen was es bedeute, denn die Lieblichkeit der schlafenden Kleinen zieht Blicke und Herzen an: ma chère, sagte der Herr, ce sont les domestiques qui éveillent les enfans. – Doch liegt etwas Richtiges in dieser Kritik; der Gegenstand spricht sich nicht aus ohne Textbuch und Geschichtskenntniß. Mit Emmelinen und Julien sind wir heut Abend bei Pauls und da soll Rebecka die Frage wegen Schlemmer vorlegen. – Davids Braut soll sich sehr der Wirthschaft annehmen und der Mlle. Girard sogar helfen das Eßen aufzutragen. Ich denke sie wird ganz aufleben und sich in Eurem Kreise ermuntern. Mein Lokal hab ich ihr zur Hochzeit angeboten; sie will sich aber in Halle v. Erdmann trauen laßen. – Adolph Martin hat die allerzärtlichste Besorgniß für Deine Gesundheit; obs ahndende Verlegerliebe oder reine Freundschaft ist, weiß ich nicht. Er läßt sich und Gemalin im atelier hier konterfeyen; ein rechter Vorwurf für die Kunst! Gott segne Dich! Grüße David, Schunks und Schleinitzens und denke mein!
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Verdenk es mir aber auch nicht, wenn ich bis dahin immer schweige. Gegen Verliebte und Verlobte kann man nicht diskret genug verfahren; es ist für den mütterlichen Stolz ein zu demüthigender Gedanke, unbeachtet, überflüssig, oder gar lästig zu sein. Dies ist gar nicht in bösen Sinn gemeynt; die Erfahrung lehrt es aber, und ich, die mich einer so schrecklichen Lebhaftigkeit anklage, die mich innerlich, trotz des an 60 streifenden, stets so aufgeregt und überwallend fühle, muß mich doppelt vor solcher Klippe hüten.</p> <p>Für die tausend details, die brütende Muttergedanken beschäftigen, war es ein vortreffliches Auskunftsmittel, daß Rebecka ein paar Wochen in größter Intimität mit Dir verleben konnte. Sie erzählt eben so gern, als ich begierig zu hören bin, und so geschahs, daß sie mich gestern z. B., als wir bei Fanny bis Mitternacht mit Gans uns prächtig unterhalten hatten, sie mich zu Bett brachte, und mir da noch die schöne Geschichte von <hi rend="latintype">Souchay’s</hi> Bedienten mittheilte. Jetzt bin ich, nach den vielseitigsten Berichten auch völlig überzeugt, daß Du die vortrefflichste Wahl getroffen, denn es giebt bei all der Vielstimmigkeit, <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_991f5e43-9d63-4330-aafb-1675526e0d1c">nun</del> nur Eine Stimme über Deine <hi rend="latintype">Cécile</hi> und ich kann Gott nur bitten, Ihr mögt beide gesund bleiben, dann müßt und werdet Ihr lieben Menschen, glücklich sein.</p> <p>Montag Abend (d. 10) kam Tante Hinni an; Lenchen besuchte mich in aller Frühe den andern Morgen, bloß um mir das Zusammenkommen mit <hi rend="latintype">Jeanrenauds</hi> aufs Genaueste zu beschreiben. Es war eine Freundlichkeit die ich nie vergeßen werde, und das Bedürfniß, mir gleich etwas so Angenehmes mitzutheilen, verbunden mit der Herzlichkeit und Wärme der Rheinländischen Naturen, machten mir das gute Mädchen sehr lieb. Ich kann Dir nicht sagen, wie ganz entzückt sie von den 3 Damen war, mit denen Tante sich bei der Schlegel <hi rend="latintype">rendevous</hi> gegeben hatte. Haarklein, bis auf die uns Frauenzimmern wichtige und gewiß auch bezeichnende <hi rend="latintype">toilette</hi>, schilderte sie mir alles, mit der größten Wärme und Theilnahme. Ich habe Freudenthränen dabei geweint, und nahm sie gleich mit zu Fanny, der sie Alles wiederholen mußte: sie bat mich, Tante H. ja nicht zu sagen, daß sie mir schon alles so genau berichtet, weil auch die sich eine vorzügliche Freude daraus gemacht hätte, und Du kannst denken, daß ich mir, bei meinem gleich darauf folgenden Besuch, alles was mich beglückte, auch gar zu gern wieder erzählen ließ. Beim Hereintreten ging Tante gleich <hi rend="latintype">Cécilen</hi> entgegen und sagte: <hi n="1" rend="underline">Sie</hi> sind die<seg type="pagebreak"> |2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> Braut! – Sehr gut müßen sie sich gegenseitig gleich gefallen haben, denn trotz der bekannten Ungeduld unserer guten Hinni blieben sie sehr lange beisammen, und gingen mit einander aufs Museum, wo aber nur besprochen und fast nichts besehen wurde. Alles das wird <hi rend="latintype">Cécile</hi> Dir schon berichtet haben, aber Du hörst es, wegen des Eindrucks der andern Partei, doch gewiß gern <hi rend="latintype">da capo</hi>. Deine liebe andre Mutter muß, nach allen Beschreibungen, höchst liebenswürdig sein! Als sie so überaus gütig war, mir ihren Lebensabriß zu schildern, gab es mir gleich den vortrefflichsten Begriff ihres Charakters und ihrer Mutterzärtlichkeit, daß sie, eine Wittwe von nur 23 Jahren, sich bei so viel Schönheit, Anmuth, in so vorzüglichen geselligen Verhältnißen, nicht zu einer zweiten Heirath entschließen konnte. Ihr Mann soll freilich auch ungemein schön, geistvoll und beredt gewesen sein. Da ist eine so bedeutende Organisation, durch die beste Erziehung begünstigt, auch kein Wunder, aber ein höchst glückliches und seltnes Zusammentreffen der <add place="below">am<name key="PSN0113260" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</name></add> <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_e3bac629-de52-4089-9b00-ab70fc79b716">seltensten</del> <add place="above">schwersten vereinbaren<name key="PSN0113260" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</name></add> Umstände. Wohl Dir, daß es Deinem edlen Herzen und reinem Sinn gelungen ist, und daß Du nur den Wunsch still in Dir zu tragen brauchtest, eine Gefährtin zu besitzen, damit Dir gleich ein so holder UnschuldsEngel begegnen und Dein werden konnte. Wie oft dachte und sagte ich mir, wenn er nun ein braves, unbescholtenes Mädchen findet, ich will mit seiner Wahl stets zufrieden sein, wären auch alle übrigen Verhältniße ungünstig und nicht nach meinem Sinn. Und nun muß ich die Fügung des gütigen Himmels so in allem segnen und dankend bewundern. Denn auch das Paßende der Lage und Umgebungen verspricht Segen, Gedeihen, Uebereinstimmung. Wie überglücklich würde Vater gewesen sein, mein Felix! oft bilde ich mir auch ein, Du würdest dies Bedürfniß nicht empfunden haben, wenn sein Dasein uns ferner beglückt und Dein Herz wie bisher, ausgefüllt hätte, und so müßte ich bei allem jetzigen Entbehren und Schmerz auch darin vielleicht eine gnädige Führung des Schicksals, das uns so vieles gewährt, erkennen. – <hi n="1" rend="underline">Was</hi> hab ich verloren! wie viel ist mir aber auch in Euch Kindern geblieben! und was hast Du für vortreffliche Geschwister, mein Felix! Die reinste, edelste Theilnahme und Glückseligkeit athmen alle über Deine Liebe und Deinen Entschluß. Paul ist über alle Maaße vergnügt und kann die Zeit, nach Leipzig zu reisen, kaum erwarten. Schreibe nur die Zeit der Aufführung Israels; hoffentlich trifft Alexander bis dahin hier ein, und Onkel kann ihn entbehren. Er ist, zu meinem lebhaftesten Vergnügen, ganz unbeschreiblich zufrieden mit ihm. Bei gewöhnlichem Geschäft war ihm sein Gang vorgezeichnet; als der Unfall des Kaisers von Rußland kam, brachte das in unsrer gleich schwankenden Zeit, ängstliche Bewegung herbei,<seg type="pagebreak"> |3|<pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg> und Paul benahm sich da vollkommen in Onkels Sinn und Ideen. Seit er die Verantwortlichkeit von Herzen hat, sieht er auch wohler aus. Wie aber stehts in der Hinsicht mit Dir, mein Felix? muß ich nicht, wie <hi rend="latintype">ta jeune maman</hi>, mich beunruhigen, da Du selbst sagst, Du seist entsetzlich angespannt und angegriffen. Schläfst Du nur tüchtig? Beckchens Anordnung, vor 11 Uhr, <hi n="1" rend="underline">ich</hi> möchte sagen, 12, nicht zu sprechen zu sein, finde ich höchst nothwendig: das viele Gerede macht einen ganz mürbe und stumpf, und hilft auch den andern nichts. Mußt Du denn aber auch alle Fremdenkoncerte einrichten und dirigiren? und alles <hi rend="latintype">pour leur bon plaisir</hi>, ohne Stabern wenn ich nur was davon hätt! Da könntest Du ein musikalischer Herkules sein, ohne ihnen genug zu thun. –</p> <p>Ich habe kürzlich an Mde. Moscheles geschrieben und gebeten, allen Deinen engl. Freunden, den <hi rend="latintype">Taylors</hi>, <hi rend="latintype">Alexanders</hi>, <hi rend="latintype">Horsleys</hi>, <hi rend="latintype">Attwoods</hi>, Rosen u. s. w. in meinem Namen Anzeige zu machen. Außer dem Verlangen, Dir diese Höflichkeiten abzunehmen, hatte ich aber auch den Eigennutz, mir Bericht über Paulus in <hi rend="latintype">Liverpool</hi> zu erbitten. Die allerliebste Frau hat auch die Tugend der Pünktlichkeit; Kling. hingegen antwortete auf Fannys und meine Briefpakete, die wir durch <hi rend="latintype">Mr. Empsom</hi> vor 3 Monaten etwa gesandt, <hi n="1" rend="underline">noch</hi> nicht. – Meine Glückwunschbesuche sind sehr gut ausgefallen; ich konnte so recht von Dir und <hi rend="latintype">Cécile</hi> schwatzen und sah viele heitre und gute Gesichter. Mein blauer Saal ist mit schönen Teppichen, Schirmers Landschaft und frischen Blumen ganz hochzeitlich geschmückt, und edle Früchte aus dem Garten und Baumkuchen haben meine Gäste auch nicht leer ausgehen laßen. Es war in Beckchens Abwesenheit eine artige Episode gegen Einsamkeit und Stille. </p> <p>Von der Ausstellung wäre mehr als ein Brief faßen kann, zu sagen. Ich weiß nicht, wie Du jetzt gegen die Düß. gesinnt bist und obs Dich verdrießt daß es mich freut, den großen Nimbus allmählig schwinden zu sehen. Hildebrands Kinder ausgenommen, macht die dortige Schule vollkommen Fiasco und mit Recht. Sohns Göttinnen sind schauderhaft, und Hennings Thetis dagegen noch himmlisch; Jeremias tausendmal ausgestellt, ist <hi n="1" rend="underline">schon</hi> schwarz geworden, und hat nie meinen Beifall gehabt mit seiner basreliefartigen breiten Dehnung und buchstäblichen <add place="above">einzelnen<name key="PSN0000001" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809–1847)</name></add> Wiederholung des ersten wahrhaft schönen Bildes. Alles andre ist matt, unbedeutend, abgegriffen, ewig wiederholt; und unser dummes Publikum ist zu der wunderbaren Erkenntniß gekommen, daß andre lebende Menschen auch noch malen können. Die Franzosen gewinnen diesmal die Krone; <hi n="1" rend="underline">wunderbare</hi> Landschaften und Seestücke, hauptsächlich von <hi rend="latintype">Gudin</hi>, <hi rend="latintype">Lepoittevin</hi>, <hi rend="latintype">Watelet</hi>; ein vortreffliches Stück von <hi rend="latintype">Aurele Robert</hi>, eine Taufe in einer venetianischen Kirche, ein andres sehr schönes Bild von <hi rend="latintype">Maes</hi>, das Decker gehört und unzählige sehr liebliche <hi rend="latintype">genre</hi> Sachen. Begas hat sich nach unsäglichem Zieren, nicht ausstellen, doch ausstellen, <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_16cafc37-0556-4aaf-8b2e-0bf2a4b1fb23">doch</del> dazu entschloßen, seinen Kaiser Heinrich <hi rend="latintype">IV</hi> vor Papst Gregor in Canoßa, der Blicken und Recensenten<seg type="pagebreak"> |4|<pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg> herzugeben. Es gefällt mir sehr gut, bis auf die zu kleine Architektur des Ganzen, welche die 3malige Abtheilung der Gruppen viel zu gedrückt erscheinen läßt. Die Figur des Kaisers, in verbißnem Grimm ist ausgezeichnet vortrefflich, so wie alle Personen des reichen Vorgrundes; ohne Vorurtheil, es ist kein Düß. oben, der diesem Bilde nur entfernt gleichgestellt werden kann. Hensels Miriam kommt erst übermorgen hinauf; seine Schüler, jetzt 12, kosten ihn viel Zeit und Mühe, lohnen ihn aber auch durch recht brave Sachen; eins ihrer Bilder ist gleich für 40 <hi rend="latintype">louis</hi> verkauft worden, und wenn es mit den Konkurrenzbildern v. Moser und Löwenstein nicht auch der Fall sein wird, so liegt es wieder an einer abscheulichen Düß. Intrigue. Dem Testament Michael Beers ganz entgegen, ist die Wahl noch nicht erfolgt, die <add place="above">es<name key="PSN0113260" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</name></add> d. 1. Okt. sein sollte, weil der alte Schadow durchaus ein Bild v. Jakob heranbringen will, das aber noch immer nicht da ist, und auch die gestellten Bedingungen nicht erfüllt. Bis zum Senats Ausspruch dürfen sie aber nicht veröffentlicht werden und verlieren die <hi rend="latintype">chance</hi> zum Verkauf nun schon seit 4 Wochen. Dieser Düß. Napolismus, der durch Vater und Sohn bestens gepflegt wird, äußert sich <hi n="1" rend="underline">zu</hi> grell, und Hensel will bei vorkommender Entscheidung zum Nachtheil seiner Schüler, ans Ministerium gehen, da es schon bisher eine schreiende Ungerechtigkeit ist. Schade, daß ich nicht von Anfang die ganz tollen Recensionen der Herren Märker, Kugler, Schoell, Marggraff <hi rend="latintype">etc</hi>. gesammelt; es wäre eine herrliche Bereicherung meiner schönen Kollektion. Wirklich <hi rend="latintype">du galimathias composé</hi>. Eine Art <hi rend="latintype">Partridge</hi> Kritik (im <hi rend="latintype">Tom Jones</hi>) hörte Luise neulich oben als 2 Leute über die Kinder Eduards stritten, die Dame wollte vom Herrn wißen was es bedeute, denn die Lieblichkeit der schlafenden Kleinen zieht Blicke und Herzen an: <hi rend="latintype">ma chère</hi>, sagte der Herr, <hi rend="latintype">ce sont les domestiques qui éveillent les enfans</hi>. – Doch liegt etwas Richtiges in dieser Kritik; der Gegenstand spricht sich nicht aus ohne Textbuch und Geschichtskenntniß.</p> <p>Mit Emmelinen und Julien sind wir heut Abend bei Pauls und da soll Rebecka die Frage wegen Schlemmer vorlegen. – Davids Braut soll sich sehr der Wirthschaft annehmen und der <hi rend="latintype">Mlle. Girard</hi> sogar helfen das Eßen aufzutragen. Ich denke sie wird ganz aufleben und sich in Eurem Kreise ermuntern. Mein Lokal hab ich ihr zur Hochzeit angeboten; sie will sich aber in Halle v. Erdmann trauen laßen. – Adolph Martin hat die allerzärtlichste Besorgniß für Deine Gesundheit; obs ahndende Verlegerliebe oder reine Freundschaft ist, weiß ich nicht. Er läßt sich und Gemalin im <hi rend="latintype">atelier</hi> hier konterfeyen; ein rechter <hi n="1" rend="underline">Vorwurf</hi> für die Kunst! <seg type="closer">Gott segne Dich! Grüße David, Schunks und Schleinitzens und denke mein!</seg></p> </div></body></text></TEI>