]> Brief: gb-1836-09-05-01

gb-1836-09-05-01

Hilfe zum Zitier-Tool

Um wichtige Textpassagen (Zitate) zu speichern und auf diese via Hyperlink zu verweisen, markieren Sie bitte den gewünschten Textbereich.

Daraufhin erscheint ein Fenster, in welchem Sie die ausgewählte Textpassage inkl. des Hyperlinks zur weiteren Verwendung in die Zwischenablage kopieren können.


Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Frankfurt a. M. <lb></lb>Berlin, 3. und 5. September 1836 Paul, der mir gestern Deinen Brief aus Horchheim schickte, hatte oben darauf geschrieben „sage mir doch, ob etwas darin steht, liebe Mutter!“ Du kannst Dir also unsre Spannung und Erwartung denken, bester Felix! – Ich Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Horchheim, 29. August 1836 Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy, Fanny Hensel und Paul Mendelssohn Bartholdy in Berlin; ’s-Gravenhage, 9. August 1836 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. c. 34, fol. 46-47. Autograph Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Frankfurt a. M.; Berlin, 3. und 5. September 1836 Paul, der mir gestern Deinen Brief aus Horchheim schickte, hatte oben darauf geschrieben „sage mir doch, ob etwas darin steht, liebe Mutter!“ Du kannst Dir also unsre Spannung und Erwartung denken, bester Felix! – Ich

1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext.

Lea Mendelssohn Bartholdy

Green Books

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

3. und 5. September 1836 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842) BerlinDeutschland Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Frankfurt a. M.Deutschland deutsch
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842) Berlin 3 September 1836

Paul, der mir gestern Deinen Brief aus Horchheim schickte, hatte oben darauf geschrieben „sage mir doch, ob etwas darin steht, liebe Mutter!“ Du kannst Dir also unsre Spannung und Erwartung denken, bester Felix! – Ich stelle mir auch vor, daß Du sorgsamlich deßhalb von dort geschrieben, um die ersten Ffter Tage recht für Dich und ohne Briefpflicht zu leben. Möge alles nach Deinen Herzenswünschen ausfallen! – Vor einigen Tagen erhielten wir Schirmers Skizzen; durch den Anfang seines Briefs „Verehrte Frau Mendelssohn, Mutter meines lieben Freundes Felix“ hatte er mich bereits bestochen, eh ich noch einen Strich gesehen. Ueberrascht war ich nicht wenig, das größte der Bildchen mir bestimmt zu finden; denn wenns unserm niedlichen jungen Beckchen leicht gelang und wohl anstand, solchen Anspruch zu machen, so fiel es mir doch gar nicht ein, etwas zu begehren, und da war denn einmal in der Welt die Bescheidenheit doch zu etwas gelangt. Die adresse mit 3 Bildchen aus Düß. kam Mittags zu uns, und Minna Hensel sagte gleich, o das Dritte ist gewiß für mich! Als wir auspackten, lagen die Kleinsten oben auf, ich sagte Fanny’n, o weh, da ist gar kein Grün und nichts Heiteres: wie angenehm also, daß grade das für mich das Schönste und Lachendste war. Rösel hat uns belehrt, welches Grindelwald und Roselaui sei; er war aber trotz seiner Belesenheit in der Schweiz ungewiß, ob es ein Stück Wengernalp das meinige vorstelle. Lieber Kenner, sag uns Deine Meinung! Wie zufrieden bin ich über Dein fröhliches Zusammentreffen mit den Horchheimern, mein Liebstes! Alexanders Herzensgüte, glückliche Familie muß jedes wohlwollenden Menschen Gemüth erfreuen und befriedigen, und wie bewundernswerth ist Onkels Gesundheit, Geistes- und Lebenskraft, Genußfähigkeit und Freudigkeit! Gott weiß, ich habe nie jemand beneidet, und hatte auch keinen Grund dazu, so lang ich Vater besaß und durch Euch Kinder beglückt bin; aber Onkel Josephs gesundes, rüstiges Alter beneide ich! der Vergleich liegt so nah, und wie sehr hätte der Tugendhafte verdient, durch untadelhaften Wandel und alleredelste Gesinnung noch mehr als jeder verdient, ein langes Leben zu führen! er liebte das Leben so unendlich, und hielt es für das höchste Gut. „Leben, unter jeder Bedingung“ sagte er so oft! – – – Schadow ist sehr großmüthig mit Vorschlägen für andre! allerdings würde ein eigner Schreiber für Dich jetzt nicht paßen, aber mach’s in Zukunft wie Moscheles, deßen sécrétair in 3 Sprachen, die allerliebste Frau ist: wär ich so glücklich, in Deiner Nähe zu leben, so solltest Du noch einen 2ten Federfix an mir haben. Dir eine Stunde täglich dazu zu bestimmen, ist gewiß das Nützlichste, und wenn Du nichts verschiebst, findet sich auch Zeit zu Allem. Du weißt, |2| wie fast pedantisch Vater auf schriftl. Antwort hielt. Humboldt kann man auch in der Hinsicht als Muster aufstellen; vom kleinsten billet bis zu seinen unsterblichen Werken thut schreibtMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842) er alles selbst, findet zu allem Zeit, und thut nie so eilig und beschäftigt wie manche Leute, die durch Ungeduld und Unstetigkeit ihre Thätigkeit bekunden wollen. Und wie viel kostbare Zeit muß er nicht bei Hofe und in seiner Begleitung auf unbedeutenden höchsten Reisen verlieren! In Paris hatte er mit seinen verschiedenen Wohnungen auf Zeitsparen raffinirt, und sagte uns dort einmal das mir unvergeßliche „die Zeit ist elastisch!“ – Apropos Schadows! ist es nicht kurios, daß Woringens schreiben, sie dächten, er würde seine Badezeit aus Geiz abgekürzt haben? – wie viel Bäder hast Du mein Schatz! denn genommen? – 24 hält man doch für die geringste Zahl, und das 2 mal tägliche Hineinspringen soll weniger gut thun. – Varnhagen ist auch wieder hier, und war so freundlich, mich gleich zu besuchen, und mir unendlich viel Schönes über alles was er in der ganzen Rheingegend von Dir vernommen, zu erzählen. „Und die Kinder MütterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842), sie hören es gerne.“ Er sagt, er wäre wie Stuhr und wie Spiker zurückgekommen, verliebt in eine Prinzeß (die jüngere Wilhelm in Ems) und in viele engl. Familien. Du Brummbärdeken hast davon leider nichts abgekriegt, und daran ist der Kathole Sch. Schuld.– Il brutto ciclopeSchlesinger, Adolph Martin (bis 1812: Abraham Moses) (1769-1838)Il brutto ciclope – ital., Der hässliche Zyklop, einäugiger Riese, Menschenfresser aus der griechischen Mythologie; gemeint ist Adolph Martin Schlesinger. will sich nebst seiner angetrauten Venus, von Hensel gern malen laßen, weil seine Kinder es wünschen (H. wird es einem Schüler zuschanzen) und bei der Gelegenheit machte er mich wieder rein toll als Verleger, in Verlegenheit, daß Du nichts verlegen willst. „Hat er denn gar nichts? ein trio für Klavier, 1 Quartett für Violin“ etc? Kurz ich mußte ihm ganz väterlich sagen, ich fände es natürlich, daß Du in Leipzig drucken ließest, wo es Dir in jeder Hinsicht bequem und vortheilhaft wäre.

Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)

d. 5. Aus lauter Müßiggehen bin ich nicht wieder zum Schreiben gekommen, geliebter Mensch! in den 2 Tagen hat das Wetter sich 100 mal geändert, heiß, kalt, dunkel, blendend hell, Gewitter, Regen, Sturm, wunderbar mild – ach Gott, ich bin ja alles! sagte Kling. Unterdeßen ist die Frohberg angekommen, Curschmann hat sich mit dem lieben schönen Mädchen, Rose Behrend verlobt, und nicht nur Liphart, aber auch seine Schwester ist hier: er war schon 2mal Stundenlang bei mir, ohne eine Silbe der Davida zu erwähnen, ich schwieg also ebenfalls darüber. Die Brautschaft ist wohl noch nicht so bestimmt und nah, als man uns sagte, und die ganze Sache wunderlich genug. Der Vater (ich weiß es aus guter Quelle) war höchst zornig und erlaubte ihre Reise nur in einer Art Unwillen, |3| als ob er sich von ihr loszusagen gedächte: die Tante war mit ihr im Seebade und gab sie hier in den Schutz einer Mlle. Girard, die früher gouvernante bei L. gewesen. Papa selbst soll häufig in die Erzieherinnen seiner Töchter verliebt und auch jetzt nah daran gewesen sein, eine zu heirathen; nur aus Furcht, daß man seine Mißheirath noch ärger finden möchte als die der Tochter, hat er in ihre Entfernung gewilligt, ohne doch jene Ehe bestimmt zuzugeben. Deßhalb will der Sohn L. jetzt hingehen und alles wo möglich, ordnen. Es sind 14 Kinder da, aber das Vermögen so ungeheuer, daß L. nur als kleine Bevorrechtung der Aeltesten 200,000 rt. vorweg bekömmt; die Braut D.s soll eignes Erbtheil, ohne den Vater, 160,000 besitzen. Tout cela serait bel et beau, wenn das alte Sprichwort von gleich und gleich mir nur nicht für die Zukunft des guten kleinen Menschen drohte. Curschmanns Partie hingegen findet man sehr wohl aßertirt und durchweg paßend; wir erwarten das Brautpaar noch diesen Vormittag, wo sie Röschens Bild v. Burggraf sehen wollen; es nimmt sich, gefirnißt und eingerahmt, wahrhaft reizend aus. – Eben sind sie fort; 2 hübsche Liebende, denen Talent, Verstand, Aeußeres, Streben, genre, im ziemlich gleichen Maaß zugetheilt sind, und die also, menschlicher Voraussicht nach, recht zu einander paßen. O wie wird da gesingetheet werden! – Sie gehen in 14 Tagen mit den Eltern auf ein paar Wochen nach Danzig; sobald die „WeitZerstreuten sich gesammelt“, denkt Fanny wieder an den Paulus zu gehen. Die Decker hat schon aus Lausanne geschrieben und gedenkt wohl Ende Sept.s zurück zu sein. Faute de mieux, laß ich mir v. Fanny hie und da eine Arie vorspielen; vorgestern Abend sagte sie bei „der du die Menschen läßest sterben“, wenn er die nur nicht wegläßt! Bitte, bitte um Gnade für diesen empfindungsvollen, lieben Gesang des rührendsten Ausdrucks! Für England giebts übrigens nichts was zu lang wäre, und in andern Orten wirst Du doch nicht fordern, daß man nicht etwas wegließe, was Dir eben vielleicht am liebsten wäre.

Alexander hat sein und Dein rebus hergeschrieben; der Zeichner war groß, der Erfinder noch größer! aber Etschuht! wir habens doch errathen; wenigstens paßt dieser Unsinn auch! „Feht y ißt Gern?? Rheineck Lotten (reine Claude’s.) Wunderbar. Apropos der Früchte, trotz alles Unwetters reifen Trauben, Feigen und Pfirsich in meinem Garten; wie würde sich Vater gefreut habenMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842), v. einem der Pfirsichbäume am Spalier 240 Stück zu erndten! Schon 96 haben wir verspeist, von denen ich einen Theil in Zucker einsieden ließ, damit Du was Süßes zum Schmausen findest, wenn ich so glücklich bin, Dich bei mir zu sehen. Mit dem Gärtner Clément bin ich sehr zufrieden, und der liebe Vater, den jedes GartenErzeugniß hoch erfreute, würde manchen Genuß haben, den Bremers Betrügerei ihm entzog. – Rebeckas letzter Brief war v. 23., in Ischl erwarteten sie die Pereira und Mar. Saling, sie war aber dort auch d. 25. noch nicht angekommen. – Von Gustav Eichthal erhielt ich heut ein Schreiben v. 29. aus Fft.; er kann Dich dort nur um einige Tage verfehlt haben.

Seit d. 1. geht unser Sebastian in die Schule; es ist aber etwas sehr Leichtes, und er |2| ist ganz entzückt davon: nah vorm Thor hier hat ein freundlicher junger Mann eine Wohnung mit Garten, und nimmtMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842) nur 8 Knaben, die zwischen jeder Stunde herumspringen, und im Freien spielen. Nachmittags geht Seb. nicht zum Lernen, aber quält jedesmal, den Spielstunden beizuwohnen: es strengt ihn also nicht im Mindesten an, macht ihn selbstständiger, tüchtiger und umgänglicher durch das Beisammensein mit andern Jungen. Bei Fanny hat er endlich nach alter Methode, und langsam genug, lesen gelernt; meistens eigentlich förderte ihr Robinson, das unübertreffliche Kinderbuch; er liest es mit demselben Intereße wie ich den schönsten Roman, und weinte bei Rob.s Krankheit heiße Thränen. – Hensels Bild hat gestern einen herrlichen Rahmen erhalten; mit ägyptischen Sternen, Lotos, Papyrus, alles dem Passelaquaschen Museum entnommen, und sehr reich und geschmackvoll angewandt. Das Bild wird vortrefflich; schön, heiter, originell und kräftiger als die meisten Deiner lieben Düß.fer. Auch einige seiner Schüler haben sehr nette Sachen für die Ausstellung, besonders artig ist Rattis strickender Schäfer, und Burggrafs Kinder im Korn; letzteres wird nicht wenig Liebhaber finden, unter andern ist Paul sehr entzückt davon und will es für Albertine kaufen wenn es nicht zu theuer wäre. – Mein Herz, ich weiß jetzt immer nicht, ob ich Dir mit meinem Geschwätz ungelegen komme; wer kann berechnen in welchem Moment ich Dich treffe? Denk aber, ich sei Deine Vertraute, Deine erste Freundin, und laß das Blatt liegen, wenn Deine Gedanken allzu lebhaft anderweitig beschäftigt sind. Gott schütze Dich und laße alles nach Deinen geheimsten Wünschen gelingen. Durch Dich ist dann auch froh und glücklich

Deine zärtliche Mutter.
            Berlin 3 September 1836 Paul, der mir gestern Deinen Brief aus Horchheim schickte, hatte oben darauf geschrieben „sage mir doch, ob etwas darin steht, liebe Mutter!“ Du kannst Dir also unsre Spannung und Erwartung denken, bester Felix! – Ich stelle mir auch vor, daß Du sorgsamlich deßhalb von dort geschrieben, um die ersten Ffter Tage recht für Dich und ohne Briefpflicht zu leben. Möge alles nach Deinen Herzenswünschen ausfallen! – Vor einigen Tagen erhielten wir Schirmers Skizzen; durch den Anfang seines Briefs „Verehrte Frau Mendelssohn, Mutter meines lieben Freundes Felix“ hatte er mich bereits bestochen, eh ich noch einen Strich gesehen. Ueberrascht war ich nicht wenig, das größte der Bildchen mir bestimmt zu finden; denn wenns unserm niedlichen jungen Beckchen leicht gelang und wohl anstand, solchen Anspruch zu machen, so fiel es mir doch gar nicht ein, etwas zu begehren, und da war denn einmal in der Welt die Bescheidenheit doch zu etwas gelangt. Die adresse mit 3 Bildchen aus Düß. kam Mittags zu uns, und Minna Hensel sagte gleich, o das Dritte ist gewiß für mich! Als wir auspackten, lagen die Kleinsten oben auf, ich sagte Fanny’n, o weh, da ist gar kein Grün und nichts Heiteres: wie angenehm also, daß grade das für mich das Schönste und Lachendste war. Rösel hat uns belehrt, welches Grindelwald und Roselaui sei; er war aber trotz seiner Belesenheit in der Schweiz ungewiß, ob es ein Stück Wengernalp das meinige vorstelle. Lieber Kenner, sag uns Deine Meinung! Wie zufrieden bin ich über Dein fröhliches Zusammentreffen mit den Horchheimern, mein Liebstes! Alexanders Herzensgüte, glückliche Familie muß jedes wohlwollenden Menschen Gemüth erfreuen und befriedigen, und wie bewundernswerth ist Onkels Gesundheit, Geistes- und Lebenskraft, Genußfähigkeit und Freudigkeit! Gott weiß, ich habe nie jemand beneidet, und hatte auch keinen Grund dazu, so lang ich Vater besaß und durch Euch Kinder beglückt bin; aber Onkel Josephs gesundes, rüstiges Alter beneide ich! der Vergleich liegt so nah, und wie sehr hätte der Tugendhafte verdient, durch untadelhaften Wandel und alleredelste Gesinnung noch mehr als jeder verdient, ein langes Leben zu führen! er liebte das Leben so unendlich, und hielt es für das höchste Gut. „Leben, unter jeder Bedingung“ sagte er so oft! – – – Schadow ist sehr großmüthig mit Vorschlägen für andre! allerdings würde ein eigner Schreiber für Dich jetzt nicht paßen, aber mach’s in Zukunft wie Moscheles, deßen sécrétair in 3 Sprachen, die allerliebste Frau ist: wär ich so glücklich, in Deiner Nähe zu leben, so solltest Du noch einen 2ten Federfix an mir haben. Dir eine Stunde täglich dazu zu bestimmen, ist gewiß das Nützlichste, und wenn Du nichts verschiebst, findet sich auch Zeit zu Allem. Du weißt, wie fast pedantisch Vater auf schriftl. Antwort hielt. Humboldt kann man auch in der Hinsicht als Muster aufstellen; vom kleinsten billet bis zu seinen unsterblichen Werken thut schreibt er alles selbst, findet zu allem Zeit, und thut nie so eilig und beschäftigt wie manche Leute, die durch Ungeduld und Unstetigkeit ihre Thätigkeit bekunden wollen. Und wie viel kostbare Zeit muß er nicht bei Hofe und in seiner Begleitung auf unbedeutenden höchsten Reisen verlieren! In Paris hatte er mit seinen verschiedenen Wohnungen auf Zeitsparen raffinirt, und sagte uns dort einmal das mir unvergeßliche „die Zeit ist elastisch!“ – Apropos Schadows! ist es nicht kurios, daß Woringens schreiben, sie dächten, er würde seine Badezeit aus Geiz abgekürzt haben? – wie viel Bäder hast Du mein Schatz! denn genommen? – 24 hält man doch für die geringste Zahl, und das 2 mal tägliche Hineinspringen soll weniger gut thun. – Varnhagen ist auch wieder hier, und war so freundlich, mich gleich zu besuchen, und mir unendlich viel Schönes über alles was er in der ganzen Rheingegend von Dir vernommen, zu erzählen. „Und die Kinder Mütter, sie hören es gerne. “ Er sagt, er wäre wie Stuhr und wie Spiker zurückgekommen, verliebt in eine Prinzeß (die jüngere Wilhelm in Ems) und in viele engl. Familien. Du Brummbärdeken hast davon leider nichts abgekriegt, und daran ist der Kathole Sch. Schuld. – Il brutto ciclope will sich nebst seiner angetrauten Venus, von Hensel gern malen laßen, weil seine Kinder es wünschen (H. wird es einem Schüler zuschanzen) und bei der Gelegenheit machte er mich wieder rein toll als Verleger, in Verlegenheit, daß Du nichts verlegen willst. „Hat er denn gar nichts? ein trio für Klavier, 1 Quartett für Violin“ etc? Kurz ich mußte ihm ganz väterlich sagen, ich fände es natürlich, daß Du in Leipzig drucken ließest, wo es Dir in jeder Hinsicht bequem und vortheilhaft wäre.
d. 5. Aus lauter Müßiggehen bin ich nicht wieder zum Schreiben gekommen, geliebter Mensch! in den 2 Tagen hat das Wetter sich 100 mal geändert, heiß, kalt, dunkel, blendend hell, Gewitter, Regen, Sturm, wunderbar mild – ach Gott, ich bin ja alles! sagte Kling. Unterdeßen ist die Frohberg angekommen, Curschmann hat sich mit dem lieben schönen Mädchen, Rose Behrend verlobt, und nicht nur Liphart, aber auch seine Schwester ist hier: er war schon 2mal Stundenlang bei mir, ohne eine Silbe der Davida zu erwähnen, ich schwieg also ebenfalls darüber. Die Brautschaft ist wohl noch nicht so bestimmt und nah, als man uns sagte, und die ganze Sache wunderlich genug. Der Vater (ich weiß es aus guter Quelle) war höchst zornig und erlaubte ihre Reise nur in einer Art Unwillen, als ob er sich von ihr loszusagen gedächte: die Tante war mit ihr im Seebade und gab sie hier in den Schutz einer Mlle. Girard, die früher gouvernante bei L. gewesen. Papa selbst soll häufig in die Erzieherinnen seiner Töchter verliebt und auch jetzt nah daran gewesen sein, eine zu heirathen; nur aus Furcht, daß man seine Mißheirath noch ärger finden möchte als die der Tochter, hat er in ihre Entfernung gewilligt, ohne doch jene Ehe bestimmt zuzugeben. Deßhalb will der Sohn L. jetzt hingehen und alles wo möglich, ordnen. Es sind 14 Kinder da, aber das Vermögen so ungeheuer, daß L. nur als kleine Bevorrechtung der Aeltesten 200, 000 rt. vorweg bekömmt; die Braut D. s soll eignes Erbtheil, ohne den Vater, 160, 000 besitzen. Tout cela serait bel et beau, wenn das alte Sprichwort von gleich und gleich mir nur nicht für die Zukunft des guten kleinen Menschen drohte. Curschmanns Partie hingegen findet man sehr wohl aßertirt und durchweg paßend; wir erwarten das Brautpaar noch diesen Vormittag, wo sie Röschens Bild v. Burggraf sehen wollen; es nimmt sich, gefirnißt und eingerahmt, wahrhaft reizend aus. – Eben sind sie fort; 2 hübsche Liebende, denen Talent, Verstand, Aeußeres, Streben, genre, im ziemlich gleichen Maaß zugetheilt sind, und die also, menschlicher Voraussicht nach, recht zu einander paßen. O wie wird da gesingetheet werden! – Sie gehen in 14 Tagen mit den Eltern auf ein paar Wochen nach Danzig; sobald die „WeitZerstreuten sich gesammelt“, denkt Fanny wieder an den Paulus zu gehen. Die Decker hat schon aus Lausanne geschrieben und gedenkt wohl Ende Sept. s zurück zu sein. Faute de mieux, laß ich mir v. Fanny hie und da eine Arie vorspielen; vorgestern Abend sagte sie bei „der du die Menschen läßest sterben“, wenn er die nur nicht wegläßt! Bitte, bitte um Gnade für diesen empfindungsvollen, lieben Gesang des rührendsten Ausdrucks! Für England giebts übrigens nichts was zu lang wäre, und in andern Orten wirst Du doch nicht fordern, daß man nicht etwas wegließe, was Dir eben vielleicht am liebsten wäre.
Alexander hat sein und Dein rebus hergeschrieben; der Zeichner war groß, der Erfinder noch größer! aber Etschuht! wir habens doch errathen; wenigstens paßt dieser Unsinn auch! „Feht y ißt Gern?? Rheineck Lotten (reine Claude’s. ) Wunderbar. Apropos der Früchte, trotz alles Unwetters reifen Trauben, Feigen und Pfirsich in meinem Garten; wie würde sich Vater gefreut haben, v. einem der Pfirsichbäume am Spalier 240 Stück zu erndten! Schon 96 haben wir verspeist, von denen ich einen Theil in Zucker einsieden ließ, damit Du was Süßes zum Schmausen findest, wenn ich so glücklich bin, Dich bei mir zu sehen. Mit dem Gärtner Clément bin ich sehr zufrieden, und der liebe Vater, den jedes GartenErzeugniß hoch erfreute, würde manchen Genuß haben, den Bremers Betrügerei ihm entzog. – Rebeckas letzter Brief war v. 23., in Ischl erwarteten sie die Pereira und Mar. Saling, sie war aber dort auch d. 25. noch nicht angekommen. – Von Gustav Eichthal erhielt ich heut ein Schreiben v. 29. aus Fft. ; er kann Dich dort nur um einige Tage verfehlt haben.
Seit d. 1. geht unser Sebastian in die Schule; es ist aber etwas sehr Leichtes, und er ist ganz entzückt davon: nah vorm Thor hier hat ein freundlicher junger Mann eine Wohnung mit Garten, und nimmt nur 8 Knaben, die zwischen jeder Stunde herumspringen, und im Freien spielen. Nachmittags geht Seb. nicht zum Lernen, aber quält jedesmal, den Spielstunden beizuwohnen: es strengt ihn also nicht im Mindesten an, macht ihn selbstständiger, tüchtiger und umgänglicher durch das Beisammensein mit andern Jungen. Bei Fanny hat er endlich nach alter Methode, und langsam genug, lesen gelernt; meistens eigentlich förderte ihr Robinson, das unübertreffliche Kinderbuch; er liest es mit demselben Intereße wie ich den schönsten Roman, und weinte bei Rob. s Krankheit heiße Thränen. – Hensels Bild hat gestern einen herrlichen Rahmen erhalten; mit ägyptischen Sternen, Lotos, Papyrus, alles dem Passelaquaschen Museum entnommen, und sehr reich und geschmackvoll angewandt. Das Bild wird vortrefflich; schön, heiter, originell und kräftiger als die meisten Deiner lieben Düß. fer. Auch einige seiner Schüler haben sehr nette Sachen für die Ausstellung, besonders artig ist Rattis strickender Schäfer, und Burggrafs Kinder im Korn; letzteres wird nicht wenig Liebhaber finden, unter andern ist Paul sehr entzückt davon und will es für Albertine kaufen wenn es nicht zu theuer wäre. – Mein Herz, ich weiß jetzt immer nicht, ob ich Dir mit meinem Geschwätz ungelegen komme; wer kann berechnen in welchem Moment ich Dich treffe? Denk aber, ich sei Deine Vertraute, Deine erste Freundin, und laß das Blatt liegen, wenn Deine Gedanken allzu lebhaft anderweitig beschäftigt sind. Gott schütze Dich und laße alles nach Deinen geheimsten Wünschen gelingen. Durch Dich ist dann auch froh und glücklich
Deine zärtliche Mutter.          
            <TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="gb-1836-09-05-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="gb-1836-09-05-01" xml:id="title_3c70aba4-aa11-4d57-81a6-27d0a51419f7">Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Frankfurt a. M. <lb></lb>Berlin, 3. und 5. September 1836</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_65e9a2a3-f38f-4132-b833-4390ff759946">Paul, der mir gestern Deinen Brief aus Horchheim schickte, hatte oben darauf geschrieben „sage mir doch, ob etwas darin steht, liebe Mutter!“ Du kannst Dir also unsre Spannung und Erwartung denken, bester Felix! – Ich</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_6a8d89f6-1546-4183-a7fb-6a022454c939">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="fmb-1836-08-29-01" type="precursor" xml:id="title_eb0e329c-fcfb-4ba1-b9c8-f6ab9200aaa0">Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Horchheim, 29. August 1836</title> <title key="fmb-1836-08-09-01" type="successor" xml:id="title_1e7be5b8-4d2e-44d2-9264-66b2805ee5a6">Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy, Fanny Hensel und Paul Mendelssohn Bartholdy in Berlin; ’s-Gravenhage, 9. August 1836</title> <author key="PSN0113260">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0113260" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName xml:id="placeName_68ae7722-c051-4418-8aff-0b15f028523b"> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript" xml:id="sourceDesc_9f785078-846c-4c3d-a223-d41457bf9f6b"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. c. 34, fol. 46-47.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="gb-1836-09-05-01" type="letter" xml:id="title_ffcf4e5f-687a-45eb-8e4c-1eb65fc44b3e">Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Frankfurt a. M.; Berlin, 3. und 5. September 1836</title> <incipit>Paul, der mir gestern Deinen Brief aus Horchheim schickte, hatte oben darauf geschrieben „sage mir doch, ob etwas darin steht, liebe Mutter!“ Du kannst Dir also unsre Spannung und Erwartung denken, bester Felix! – Ich</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext.</p> <handDesc hands="1"> <p>Lea Mendelssohn Bartholdy</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1836-09-03" xml:id="date_24dddfa4-21f0-44d6-b51f-16e6abc33c56">3.</date> und <date cert="high" when="1836-09-05" xml:id="date_135d2419-f6e3-48de-bf12-10538afdd46c">5. September 1836</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0113260" resp="author" xml:id="persName_efd243e1-e3ea-4465-9e00-bf048c401e8f">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0113260" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_7c825761-ad2c-4e4a-856e-7e00e4025a0c"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_95796cc5-cfbe-41b9-a3d6-94a24039aec6">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_56e1bbd3-1f4c-4323-9542-47cc0f24533c"> <settlement key="STM0100204">Frankfurt a. M.</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_031e6a6f-de42-4776-9337-b4e5e8a5ceb1"> <docAuthor key="PSN0113260" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_e86f3b28-b48a-435c-9ce7-57bddb47ecd6">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113260" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_2177a1b9-97ea-402c-a2e9-f5a46815e444">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</docAuthor> <dateline rend="right">Berlin <date cert="high" when="1836-09-03" xml:id="date_2ba082d7-4ecd-4a62-b08e-38c7217c0082">3 September 1836</date></dateline> <p style="paragraph_without_indent">Paul, der mir gestern Deinen Brief aus Horchheim schickte, hatte oben darauf geschrieben „sage mir doch, ob etwas darin steht, liebe Mutter!“ Du kannst Dir also unsre Spannung und Erwartung denken, <seg type="salute">bester Felix!</seg> – Ich stelle mir auch vor, daß Du <hi n="1" rend="underline">sorg</hi>samlich deßhalb von dort geschrieben, um die ersten Ffter Tage recht für Dich und ohne Briefpflicht zu leben. Möge alles nach Deinen Herzenswünschen ausfallen! – Vor einigen Tagen erhielten wir Schirmers Skizzen; durch den Anfang seines Briefs „Verehrte Frau Mendelssohn, Mutter meines lieben Freundes Felix“ hatte er mich bereits bestochen, eh ich noch einen Strich gesehen. Ueberrascht war ich nicht wenig, das größte der Bildchen mir bestimmt zu finden; denn wenns unserm niedlichen jungen Beckchen leicht gelang und wohl anstand, solchen Anspruch zu machen, so fiel es mir doch gar nicht ein, etwas zu begehren, und da war denn <hi n="1" rend="underline">ein</hi>mal in der Welt die Bescheidenheit doch zu etwas gelangt. Die <hi rend="latintype">adresse</hi> mit <hi n="1" rend="underline">3 Bildchen aus Düß.</hi> kam Mittags zu uns, und Minna Hensel sagte gleich, o das Dritte ist gewiß für mich! Als wir auspackten, lagen die Kleinsten oben auf, ich sagte Fanny’n, o weh, da ist gar kein Grün und nichts Heiteres: wie angenehm also, daß grade das für mich das Schönste und Lachendste war. Rösel hat uns belehrt, welches Grindelwald und Roselaui sei; er war aber trotz seiner <hi n="1" rend="underline">Belesen</hi>heit in der Schweiz ungewiß, ob <hi n="1" rend="underline">es</hi> ein Stück Wengernalp das meinige vorstelle. Lieber Kenner, sag uns Deine Meinung! Wie zufrieden bin ich über Dein fröhliches Zusammentreffen mit den Horchheimern, mein Liebstes! Alexanders Herzensgüte, glückliche Familie muß jedes wohlwollenden Menschen Gemüth erfreuen und befriedigen, und wie bewundernswerth ist Onkels Gesundheit, Geistes- und Lebenskraft, Genußfähigkeit und Freudigkeit! Gott weiß, ich habe nie jemand beneidet, und hatte auch keinen Grund dazu, so lang ich Vater besaß und durch Euch Kinder beglückt bin; aber Onkel Josephs gesundes, rüstiges Alter beneide ich! der Vergleich liegt so nah, und wie sehr hätte <hi n="1" rend="underline">der</hi> Tugendhafte verdient, durch untadelhaften Wandel und alleredelste Gesinnung noch mehr als jeder verdient, ein langes Leben zu führen! er <hi n="1" rend="underline">liebte</hi> das Leben so unendlich, und hielt es für das höchste Gut. „Leben, unter jeder Bedingung“ sagte er so oft! – – – Schadow ist sehr großmüthig mit Vorschlägen für andre! allerdings würde ein eigner Schreiber für Dich jetzt nicht paßen, aber mach’s in Zukunft wie Moscheles, deßen <hi rend="latintype">sécrétair</hi> in 3 Sprachen, die allerliebste Frau ist: wär ich so glücklich, in Deiner Nähe zu leben, so solltest Du noch einen 2ten Federfix an mir haben. Dir eine Stunde täglich dazu zu bestimmen, ist gewiß das Nützlichste, und wenn Du nichts verschiebst, findet sich auch Zeit zu Allem. Du weißt,<seg type="pagebreak"> |2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> wie fast pedantisch Vater auf schriftl. Antwort hielt. Humboldt kann man auch in der Hinsicht als Muster aufstellen; vom kleinsten <hi rend="latintype">billet</hi> bis zu seinen unsterblichen Werken <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_b15ade30-b67b-436b-8c5a-c5d6a50edfaa">thut</del> <add place="above">schreibt<name key="PSN0113260" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</name></add> er alles selbst, findet zu allem Zeit, und thut nie so eilig und beschäftigt wie manche Leute, die durch Ungeduld und Unstetigkeit ihre Thätigkeit bekunden wollen. Und wie viel kostbare Zeit muß er nicht bei Hofe und in seiner Begleitung auf unbedeutenden <hi n="1" rend="underline">höchsten</hi> Reisen verlieren! In Paris hatte er mit seinen verschiedenen Wohnungen auf Zeitsparen raffinirt, und sagte uns dort einmal das mir unvergeßliche „die Zeit ist elastisch!“ – <hi rend="latintype">Apropos</hi> Schadows! ist es nicht kurios, daß Woringens schreiben, sie dächten, er würde seine Badezeit aus Geiz abgekürzt haben? – wie viel Bäder hast Du mein Schatz! denn genommen? – 24 hält man doch für die geringste Zahl, und das 2 mal tägliche Hineinspringen soll weniger gut thun. – Varnhagen ist auch wieder hier, und war so freundlich, mich gleich zu besuchen, und mir unendlich viel Schönes über alles was er in der ganzen Rheingegend von Dir vernommen, zu erzählen. „Und die Kinder <add place="below">Mütter<name key="PSN0113260" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</name></add>, sie hören es gerne.“ Er sagt, er wäre wie Stuhr und wie Spiker zurückgekommen, verliebt in eine Prinzeß (die jüngere Wilhelm in Ems) und in viele engl. Familien. Du Brummbärdeken hast davon leider nichts abgekriegt, und daran ist der Kathole Sch. Schuld.– <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_ba2d7145-3085-49a1-bb8a-5bd456a55ec1">Il brutto ciclope<name key="PSN0114576" style="hidden" type="person">Schlesinger, Adolph Martin (bis 1812: Abraham Moses) (1769-1838)</name></persName><note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_3ec343a3-8cac-47a8-92ac-872c858edcd2" xml:lang="it ">Il brutto ciclope – ital., Der hässliche Zyklop, einäugiger Riese, Menschenfresser aus der griechischen Mythologie; gemeint ist Adolph Martin Schlesinger.</note></hi> will sich nebst seiner angetrauten Venus, von Hensel gern <hi n="1" rend="underline">malen</hi> laßen, weil seine Kinder es wünschen (H. wird es einem Schüler zuschanzen) und bei der Gelegenheit machte er mich wieder rein toll als Verleger, in Verlegenheit, daß Du nichts verlegen willst. „Hat er denn <hi n="1" rend="underline">gar</hi> nichts? ein <hi rend="latintype">trio</hi> für Klavier, 1 Quartett für Violin“ <hi rend="latintype">etc</hi>? Kurz ich mußte ihm <hi n="1" rend="underline">ganz väterlich</hi> sagen, ich fände es natürlich, daß Du in Leipzig drucken ließest, wo es Dir in jeder Hinsicht bequem und vortheilhaft wäre.</p> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_e4119ef4-1aa3-4c80-af4e-f21594446a44"> <docAuthor key="PSN0113260" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_013d0fb9-0dc1-47cf-9c7b-023fb2d044a4">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113260" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_ae30b902-82db-43a1-9055-45c851675ab7">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">d. <date cert="high" when="1836-09-05" xml:id="date_c16795a4-d3cd-4ad2-8dfd-c7d852838e01">5.</date> Aus lauter Müßiggehen bin ich nicht wieder zum Schreiben gekommen, geliebter Mensch! in den 2 Tagen hat das Wetter sich 100 mal geändert, heiß, kalt, dunkel, blendend hell, Gewitter, Regen, Sturm, wunderbar mild – ach Gott, ich bin ja alles! sagte Kling. Unterdeßen ist die Frohberg angekommen, Curschmann hat sich mit dem lieben schönen Mädchen, Rose Behrend verlobt, und nicht nur Liphart, aber auch seine Schwester ist hier: er war schon 2mal Stundenlang bei mir, ohne eine Silbe der Davida zu erwähnen, ich schwieg also ebenfalls darüber. Die Brautschaft ist wohl noch nicht so bestimmt und nah, als man uns sagte, und die ganze Sache wunderlich genug. Der Vater (ich weiß es aus guter Quelle) war höchst zornig und erlaubte ihre Reise nur in einer Art Unwillen,<seg type="pagebreak"> |3|<pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg> als ob er sich von ihr loszusagen gedächte: die Tante war mit ihr im Seebade und gab sie hier in den Schutz einer Mlle. <hi rend="latintype">Girard</hi>, die früher <hi rend="latintype">gouvernante</hi> bei L. gewesen. Papa selbst soll häufig in die Erzieherinnen seiner Töchter verliebt und auch jetzt nah daran gewesen sein, eine zu heirathen; nur aus Furcht, daß man <hi n="1" rend="underline">seine</hi> Mißheirath noch ärger finden möchte als die der Tochter, hat er in ihre Entfernung gewilligt, ohne doch jene Ehe bestimmt zuzugeben. Deßhalb will der Sohn L. jetzt hingehen und alles wo möglich, ordnen. Es sind 14 Kinder da, aber das Vermögen so ungeheuer, daß L. nur als kleine Bevorrechtung der Aeltesten 200,000 rt. vorweg bekömmt; die Braut D.s soll eignes Erbtheil, ohne den Vater, 160,000 besitzen. <hi rend="latintype">Tout cela serait bel et beau</hi>, wenn das alte Sprichwort von gleich und gleich mir nur nicht für die Zukunft des guten kleinen Menschen drohte. Curschmanns Partie hingegen findet man sehr wohl aßertirt und durchweg paßend; wir erwarten das Brautpaar noch diesen Vormittag, wo sie Röschens Bild v. Burggraf sehen wollen; es nimmt sich, gefirnißt und eingerahmt, wahrhaft reizend aus. – Eben sind sie fort; 2 hübsche Liebende, denen Talent, Verstand, Aeußeres, Streben, <hi rend="latintype">genre</hi>, im ziemlich gleichen Maaß zugetheilt sind, und die also, menschlicher Voraussicht nach, recht zu einander paßen. O wie wird da gesingetheet werden! – Sie gehen in 14 Tagen mit den Eltern auf ein paar Wochen nach Danzig; sobald die „WeitZerstreuten sich gesammelt“, denkt Fanny wieder an den Paulus zu gehen. Die Decker hat schon aus <hi rend="latintype">Lausanne</hi> geschrieben und gedenkt wohl Ende Sept.s zurück zu sein. <hi rend="latintype">Faute de mieux</hi>, laß ich mir v. Fanny hie und da eine Arie vorspielen; vorgestern Abend sagte sie bei „der du die Menschen läßest sterben“, wenn er die nur nicht wegläßt! Bitte, bitte um Gnade für diesen empfindungsvollen, lieben Gesang des rührendsten Ausdrucks! Für England giebts übrigens nichts was zu lang wäre, und in andern Orten wirst Du doch nicht fordern, daß man nicht etwas wegließe, was Dir eben vielleicht am liebsten wäre.</p> <p>Alexander hat sein und Dein <hi rend="latintype">rebus</hi> hergeschrieben; der Zeichner war groß, der Erfinder noch größer! aber Etschuht! wir habens doch errathen; wenigstens paßt dieser Unsinn auch! „Feht y ißt <hi n="1" rend="underline">Gern</hi>?? Rheineck Lotten (<hi rend="latintype">reine Claude’s.</hi>) Wunderbar. <hi rend="latintype">Apropos</hi> der Früchte, trotz alles Unwetters reifen Trauben, Feigen und Pfirsich in meinem Garten; wie würde sich Vater gefreut <add place="above">haben<name key="PSN0113260" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</name></add>, v. einem der Pfirsichbäume am Spalier 240 Stück zu erndten! Schon 96 haben wir verspeist, von denen ich einen Theil in Zucker einsieden ließ, damit Du was Süßes zum Schmausen findest, wenn ich so glücklich bin, Dich bei mir zu sehen. Mit dem Gärtner <hi rend="latintype">Clément</hi> bin ich sehr zufrieden, und der liebe Vater, den jedes GartenErzeugniß hoch erfreute, würde manchen Genuß haben, den Bremers Betrügerei ihm entzog. – Rebeckas letzter Brief war v. 23., in Ischl erwarteten sie die <hi rend="latintype">Pereira</hi> und Mar. Saling, sie war aber dort auch d. 25. noch nicht angekommen. – Von Gustav Eichthal erhielt ich heut ein Schreiben v. 29. aus Fft.; er kann Dich dort nur um einige Tage verfehlt haben.</p> <p>Seit d. 1. geht unser Sebastian in <hi rend="latintype">die Schule</hi>; es ist aber etwas sehr Leichtes, und er<seg type="pagebreak"> |2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> ist ganz entzückt davon: nah vorm Thor hier hat ein freundlicher junger Mann eine Wohnung mit Garten, und <add place="above">nimmt<name key="PSN0113260" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</name></add> nur 8 Knaben, die zwischen jeder Stunde herumspringen, und im Freien spielen. Nachmittags geht Seb. nicht zum Lernen, aber quält jedesmal, den Spielstunden beizuwohnen: es strengt ihn also nicht im Mindesten an, macht ihn selbstständiger, tüchtiger und umgänglicher durch das Beisammensein mit andern Jungen. Bei Fanny hat er endlich nach alter Methode, und langsam genug, lesen gelernt; meistens eigentlich förderte ihr Robinson, das unübertreffliche Kinderbuch; er liest es mit demselben Intereße wie ich den schönsten Roman, und weinte bei Rob.s Krankheit heiße Thränen. – Hensels Bild hat gestern einen herrlichen Rahmen erhalten; mit <hi n="1" rend="underline">ägyptischen</hi> Sternen, Lotos, Papyrus, alles dem Passelaquaschen Museum entnommen, und sehr reich und geschmackvoll angewandt. Das Bild wird vortrefflich; schön, heiter, originell und kräftiger als die meisten Deiner lieben Düß.fer. Auch einige seiner Schüler haben sehr nette Sachen für die Ausstellung, besonders artig ist Rattis strickender Schäfer, und Burggrafs Kinder im Korn; letzteres wird nicht wenig Liebhaber finden, unter andern ist Paul sehr entzückt davon und will es für Albertine kaufen wenn es nicht zu theuer wäre. – Mein Herz, ich weiß jetzt immer nicht, ob ich Dir mit meinem Geschwätz ungelegen komme; wer kann berechnen in welchem Moment ich Dich treffe? Denk aber, ich sei Deine Vertraute, Deine erste Freundin, und laß das Blatt liegen, wenn Deine Gedanken allzu lebhaft anderweitig beschäftigt sind. <seg type="closer">Gott schütze Dich und laße alles nach Deinen geheimsten Wünschen gelingen. Durch Dich ist dann auch froh und glücklich</seg> </p> <signed rend="right">Deine zärtliche Mutter.</signed> </div> </body> </text></TEI>