gb-1836-08-15-01
Hilfe zum Zitier-Tool
Um wichtige Textpassagen (Zitate) zu speichern und auf diese via Hyperlink zu verweisen, markieren Sie bitte den gewünschten Textbereich.
Daraufhin erscheint ein Fenster, in welchem Sie die ausgewählte Textpassage inkl. des Hyperlinks zur weiteren Verwendung in die Zwischenablage kopieren können.
Berlin, 15. August 1836
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext; S. 4 Adresse, 6 Poststempel [BERLIN 4-5 / 15/8], [R18 / 15 8 / No5], [Francotoù…], [???], [s GRAVENHAGE / ???], [??? …nsk / …dam], Siegel.
Lea Mendelssohn Bartholdy
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
A Monsieur Felix Mendelssohn
Bartholdy
à
a Haye
poste restante
port pagé
Deinen lieben kindlichen Brief v. 9. erhalte ich in diesem Augenblick, Felice del mio core!nur Fanny gezeigt, Dir zu sagen, wie er mich rührt und erfreut. Du bist ein zu guter Sohn, nur etwas dem Aehnliches als eine Emancipation, zu welchem Zweck er immer sei, von mir zu fordern. Aber wär es auch bloß Form, geliebtes Herz! (da Du meiner Einwilligung stets sicher bist;) sie ist so freundlich und liebenswürdig, so herzlich ausgedrückt und wahr empfunden, daß ich mit Thränen der Erkenntlichkeite Dein Gemüth aufs Neue darin erkenne, aufs Neue stolz auf Dich bin. Segne Gott jede Deiner Unternehmungen, vor allem diese die bevorstehende, die wichtigste, entscheidendste fürs ganze Leben. Mit welchem Gefühl von Glück werde ich die Nachricht empfangen, die Dein Dasein entscheidet! ich wiederhole, sei nicht zu bescheiden: denn wenn das liebe Mädchen nicht früher ihre Neigung verschenkte, sehe ich, und nicht nur ich als Mutter, glaub ich, keinen Grund, Dir nicht mit Freuden angehören zu wollen. Selbst ihr Name muß Dir eine frohe Vorbedeutung sein, und daß Du auf dem Ffter Geschenk ihn neben Deiner chiffre lesen kannst, ist auch gute Botschaft und Ahndung. Hast Du nicht auch daran gedacht? – – Was Du mir von ihr und den ihrigen erzählen kannst, versäume ja nicht; die neugierige Mama ist einstweilen auch nicht müßig im discreten Forschen; von der Beneke, ihrer Verwandten, hab ich mir auf die natürlichste Weise erzählen laßen; und ganz zufällig, als von Eisenbahnen kürzlich die Rede war, sagte mir ein Hamburger, er sei mit einer sehr angenehmen Familie, Souchay, vor 7 Jahren auf einer der in England erröffneten, ich weiß nicht welcher? gefahren, wo Mde. Jeanr. zu ängstlich war, anders als in einer Kutsche nebenher zu reisen; die Töchter waren freilich noch zu klein, to be noticed by him, aber so unbefriedigend es klang, beschäftigte mich die Auskunft den ganzen Abend. Ich habe für Dich mit den Kopf voll davon, bin für Dich mit verliebt. – Paul werde ich Deinen Brief nicht mittheilen; so brüderlich er für Dich fühlt, ist er doch zu exclusive und eingenommen von seiner frühen Neigung, ich möchte sagen, zu stolz auf seine Anständigkeit und Beharrlichkeit, um nicht bei der geringsten Abweichung von seiner Empfindungsweise, eine unvortheilhafte Sensation zu haben. Wenn diese meine Blaßschnäbel nur Anwartschaft zu einem Kinde gäben! ich sammle Beispiele von Ehen, denen der Kindersegen erst spät geworden. – Daß Paul nach Fft. reisen sollte, daran ist jetzt kein Gedanke, lieber Sohn! Du weißt, Onkel hat ihn mit der Prokura beehrt, und wenn auch für diesen Sommer keine bedeutenden Geschäfte gemacht werden, so ist ein Repräsentant des wichtigen Hauses nothwendig; vor Oktober kommen die Herren nicht zurück, und sollte Paul einecommis, ist mit M.s Geschäften viele Jahre beauftragt, obwohl selbst dort établirt; leider ist er so krank, daß er schwerlich lange leben wird; die für heutige Aerzte geläufige Badekuren haben ihn kränker zurück als hingeschafft, und so könnte es sein, daß zwischen Markow und Paul eine Wahl entstände; aber das liegt so gar weit, daß ebenfalls nicht davon gesprochen werden darf. Wie unendlich leid es mir wäre, Pauls zu verlieren, kannst Du denken; indeß will ich mich nicht auf eine ganz ungewiße Zukunft hinaus grämen. Man hat reelle Gegenstände genug dazu! – übrigens gereicht es Paul zu wahrer Ehre, und mir zur Freude, daß Onkel mehr und mehr zufrieden mit ihm wird, und ihm großes Vertrauen beweist.
Wir spielen unter einander so geschickt Versteckens, mein Felix! daß Rebecka mir kein Wort von der Möglichkeit ihrer Reise nach Fft. geschrieben, obgleich ich zu meinem rechten Vergnügen oft Briefe von ihr erhalten. Seit Dirichlet dort ist, unterhält sie sich ganz gut; was bei dem seit 8 Tagen eingetretenen wunderschönen Wetter mehr und mehr der Fall sein wird. Auch auf Deine Badelust und Laune, einziges Lamm! wird Sonne, Wärme, Färbung des Meers hoffentlich günstigen Einfluß üben. Verwünsche Dir ja die Zeit nicht, und brumme mir die braven Engländer nicht an, die Dir wegen Paulus, Schreiberei veranlaßen. C’est ton métier, mon enfant! und wenn Du Familienvater werden willst, so mußt Du auch für Reisen und Brod arbeiten und streben. Ohne guten Humor und Lust zu den Beschäftigungen prosaischerer Natur nach den poetischen Schöpfungen, wird Dich Deine gute Freundin Muse aber nicht besuchen. – Daß Du aber für die Kosten Deines établissements und paßender Aussteuer nicht arbeiten und gewinnen sollst, dafür, wiederhol ich Dir, Schatz! sollst Du nicht sorgen. Wenn es so weit kömmt, kannst Du das ihren Verwandten sagen; denn sie selbst und Du, leben anfangs von Luft und Blumenduft, Kuß und Händedruck; das versteht sich! – Was mein Stillleben betrifft, so ist es jetzt noch einsamer und einförmiger als sonst, indem Dirichlets (besonders Walter) mir fehlen, und von angenehmen Bekannten täglich welche wegreisen, nun die Universitätsferien begonnen haben. Die Familien Steffens und Erdmanns thun mir leid; – letztre kommen nicht wieder, weil er Profeßor in Halle geworden; ein junger Theolog aus Breslau, der auch viel hier war, nimmt den Gesandtschaftspredigerposten in Rio Janeiro an: ein Neffe v. Steffens aus Christiania und Sievking aus London sind fort. Gans reist heute und wohin? – nach Franzensbrunn! er hängt daran zwar noch 100 Pläne v. Nürnberg, Tyrol, München, Brüßel, oder eigentlich die marcuise Arconati; aber nach seiner ehemaligen Liebe zu Beckchen hat er jetzt nur noch Leidenschaft für ihren Mann, und ich habe die wunderliche kleine Hexe schon darauf vorbereitet, daß er nur nach Eger kömmt, um mit ihnen, im Cattrin, hinzurutschen, wo ihre Fantasie es will.
J’ai confetté les meilleurs ignorans d’ioi“ sagt meine Freundin Sévigné. – Auch Vaters alten Freund Hart, der hier wohl schon aufgegeben war, haben die Unbarmherzigen nach einem Bade geschickt, woher die Nachrichten so traurig lauten, daß er vermuthlich dort, ohne allen comfort und ohne den Trost die Kinder bei sich zu haben, sterben wird. – Wie kannst Du, geliebte Seele! Dir immer noch Gedanken über Elfen und Waßer machen, über ein flüchtig hingeworfenes Wort, auf das er selbst kein Gewicht legte? Thue Deiner Neigung im Kompositionsgenre doch ja keinen Zwang an und komm nicht so melancholisch oft darauf zurück! Wenn er Deine Töne hören könnte, so würde ihn Paulus beglücken, so wie er alles was von Dir ausging, unaussprechlich liebte, tausendmal stärker als seine bescheidne Vaterliebe auszudrücken wagte. – Ich Schöps bin viel dreister darin. – Was sagst Du denn zu Deinem kleinen Koncertmeister, der Fürst Lievens Schwager wird? im ersten Moment als ichs erfuhr, war ich ganz aufgeregt und toll darüber. Ich höre, der Froschkönig Liphert, der erst brüderlich geholfen, sei jetzt fromm katholisch und seitdem dagegen; er kömmt nächstens her, und die Braut soll mit ihrer Tante schon in irgend einem teutschen Badeort sein. Fanny hat einen klaßischen Brief darüber an Beckchen geschrieben. Am besten gefällt mir, daß sie nur 1000 rt. jährlich mitbringt; also kann er ihr mehr als das anbieten. Du bist doch gewiß schon ein alter Vertrauter? – Der heil. Cecilie willen, zieh Handschuhe an und laß Dich nicht so gräßlich mulattisiren; sonst sag ich wie Mde. Beer, als Michel aus Italien kam – Michel wie häßlich bist Du geworden! – und noch jemand – sagts nicht, aber wird verdrießlich. Und noch eins! was hast Du bei Potters Kuh gedacht?
Seit Dir. fort ist, der an Eßstunden gebunden war, dinir ich einen Tag bei Fanny, den andern die Henselei bei mir; Abends auch abwechselnd from the blue bed to the brown wie mein Vicar sagt. – Lady Bury ist auch meine Freundin (doch lange nicht so wie die Sévigné.) Sie hat mich in „marriage“ [St]röme von Thränen gekostet: weniger in Trevylyan; das letztre ist schon romanha[ft und] complicirter, aber doch auch schön,Miss Trev., die von einer bewundernswerthen Aehnlichkeit erscheint. Marriage ist mit so wenigen Personen und Begebenheiten sehr anziehend, und besonders rührend.
Berlin 15 August 1836 Deinen lieben kindlichen Brief v. 9. erhalte ich in diesem Augenblick, Felice del mio core! und eile, nachdem ich ihn nur Fanny gezeigt, Dir zu sagen, wie er mich rührt und erfreut. Du bist ein zu guter Sohn, nur etwas dem Aehnliches als eine Emancipation, zu welchem Zweck er immer sei, von mir zu fordern. Aber wär es auch bloß Form, geliebtes Herz! (da Du meiner Einwilligung stets sicher bist; ) sie ist so freundlich und liebenswürdig, so herzlich ausgedrückt und wahr empfunden, daß ich mit Thränen der Erkenntlichkeite Dein Gemüth aufs Neue darin erkenne, aufs Neue stolz auf Dich bin. Segne Gott jede Deiner Unternehmungen, vor allem diese die bevorstehende, die wichtigste, entscheidendste fürs ganze Leben. Mit welchem Gefühl von Glück werde ich die Nachricht empfangen, die Dein Dasein entscheidet! ich wiederhole, sei nicht zu bescheiden: denn wenn das liebe Mädchen nicht früher ihre Neigung verschenkte, sehe ich, und nicht nur ich als Mutter, glaub ich, keinen Grund, Dir nicht mit Freuden angehören zu wollen. Selbst ihr Name muß Dir eine frohe Vorbedeutung sein, und daß Du auf dem Ffter Geschenk ihn neben Deiner chiffre lesen kannst, ist auch gute Botschaft und Ahndung. Hast Du nicht auch daran gedacht? – – Was Du mir von ihr und den ihrigen erzählen kannst, versäume ja nicht; die neugierige Mama ist einstweilen auch nicht müßig im discreten Forschen; von der Beneke, ihrer Verwandten, hab ich mir auf die natürlichste Weise erzählen laßen; und ganz zufällig, als von Eisenbahnen kürzlich die Rede war, sagte mir ein Hamburger, er sei mit einer sehr angenehmen Familie, Souchay, vor 7 Jahren auf einer der in England erröffneten, ich weiß nicht welcher? gefahren, wo Mde. Jeanr. zu ängstlich war, anders als in einer Kutsche nebenher zu reisen; die Töchter waren freilich noch zu klein, to be noticed by him, aber so unbefriedigend es klang, beschäftigte mich die Auskunft den ganzen Abend. Ich habe für Dich mit den Kopf voll davon, bin für Dich mit verliebt. – Paul werde ich Deinen Brief nicht mittheilen; so brüderlich er für Dich fühlt, ist er doch zu exclusive und eingenommen von seiner frühen Neigung, ich möchte sagen, zu stolz auf seine Anständigkeit und Beharrlichkeit, um nicht bei der geringsten Abweichung von seiner Empfindungsweise, eine unvortheilhafte Sensation zu haben. Wenn diese meine Blaßschnäbel nur Anwartschaft zu einem Kinde gäben! ich sammle Beispiele von Ehen, denen der Kindersegen erst spät geworden. – Daß Paul nach Fft. reisen sollte, daran ist jetzt kein Gedanke, lieber Sohn! Du weißt, Onkel hat ihn mit der Prokura beehrt, und wenn auch für diesen Sommer keine bedeutenden Geschäfte gemacht werden, so ist ein Repräsentant des wichtigen Hauses nothwendig; vor Oktober kommen die Herren nicht zurück, und sollte Paul eine Reise machen können, so wär es höchstens eine nach Hamburg, was aber auch im weitesten Felde liegt. Giermann, der treue ehemalige commis, ist mit M. s Geschäften viele Jahre beauftragt, obwohl selbst dort établirt; leider ist er so krank, daß er schwerlich lange leben wird; die für heutige Aerzte geläufige Badekuren haben ihn kränker zurück als hingeschafft, und so könnte es sein, daß zwischen Markow und Paul eine Wahl entstände; aber das liegt so gar weit, daß ebenfalls nicht davon gesprochen werden darf. Wie unendlich leid es mir wäre, Pauls zu verlieren, kannst Du denken; indeß will ich mich nicht auf eine ganz ungewiße Zukunft hinaus grämen. Man hat reelle Gegenstände genug dazu! – übrigens gereicht es Paul zu wahrer Ehre, und mir zur Freude, daß Onkel mehr und mehr zufrieden mit ihm wird, und ihm großes Vertrauen beweist. Wir spielen unter einander so geschickt Versteckens, mein Felix! daß Rebecka mir kein Wort von der Möglichkeit ihrer Reise nach Fft. geschrieben, obgleich ich zu meinem rechten Vergnügen oft Briefe von ihr erhalten. Seit Dirichlet dort ist, unterhält sie sich ganz gut; was bei dem seit 8 Tagen eingetretenen wunderschönen Wetter mehr und mehr der Fall sein wird. Auch auf Deine Badelust und Laune, einziges Lamm! wird Sonne, Wärme, Färbung des Meers hoffentlich günstigen Einfluß üben. Verwünsche Dir ja die Zeit nicht, und brumme mir die braven Engländer nicht an, die Dir wegen Paulus, Schreiberei veranlaßen. C’est ton métier, mon enfant! und wenn Du Familienvater werden willst, so mußt Du auch für Reisen und Brod arbeiten und streben. Ohne guten Humor und Lust zu den Beschäftigungen prosaischerer Natur nach den poetischen Schöpfungen, wird Dich Deine gute Freundin Muse aber nicht besuchen. – Daß Du aber für die Kosten Deines établissements und paßender Aussteuer nicht arbeiten und gewinnen sollst, dafür, wiederhol ich Dir, Schatz! sollst Du nicht sorgen. Wenn es so weit kömmt, kannst Du das ihren Verwandten sagen; denn sie selbst und Du, leben anfangs von Luft und Blumenduft, Kuß und Händedruck; das versteht sich! – Was mein Stillleben betrifft, so ist es jetzt noch einsamer und einförmiger als sonst, indem Dirichlets (besonders Walter) mir fehlen, und von angenehmen Bekannten täglich welche wegreisen, nun die Universitätsferien begonnen haben. Die Familien Steffens und Erdmanns thun mir leid; – letztre kommen nicht wieder, weil er Profeßor in Halle geworden; ein junger Theolog aus Breslau, der auch viel hier war, nimmt den Gesandtschaftspredigerposten in Rio Janeiro an: ein Neffe v. Steffens aus Christiania und Sievking aus London sind fort. Gans reist heute und wohin? – nach Franzensbrunn! er hängt daran zwar noch 100 Pläne v. Nürnberg, Tyrol, München, Brüßel, oder eigentlich die marcuise Arconati; aber nach seiner ehemaligen Liebe zu Beckchen hat er jetzt nur noch Leidenschaft für ihren Mann, und ich habe die wunderliche kleine Hexe schon darauf vorbereitet, daß er nur nach Eger kömmt, um mit ihnen, im Cattrin, hinzurutschen, wo ihre Fantasie es will. Wenn Du mich auch leider! sehr knapp mit Briefen hältst, so besitze ich doch eine LiebesPropaganda, durch die ich wenigstens erfahre, wo Du warst und wie Du ausschaust. Die Leute wißen, wohin mein Sinn gesteuert ist, und so bekomme ich, ohne Briefe zu empfangen, durch die 3., vierte Hand, angenehme Lebenszeichen. Alexander, Mariane, Onkel schrieben aus Horchheim; die Schlegel an die Herz, welche es mich freundlichst wißen ließ, und durch meine Nachbarin Solmar, die in Lambrechts Abwesenheit deßen Gartenhaus neben unserm Garten bewohnt, hörte ich sogar, daß die Robert Dein Spiel himmlisch gefunden, und daß Du auf ein von ihr gesungenes Lied fantasirtest. – Varnhag. schreibt fast täglich an hiesige Bekannte, und so weiß ich auch über ihn schon alles. Er ließ mir aus Düß. stets das Schönste über Deinen Ruhm mittheilen; daß Du – so liebenswürdig – meinetwegen – Dich um ihn bemühtest, dank ich Dir herzlichst, denn ich weiß, Du magst ihn nicht, obschon sich gar viel zu seiner Vertheidigung gegen das sagen ließe, was auch ich nicht entschuldigen mag. Der Aermste war im Harz stets leidend; der Arzt wollte ihn nicht baden laßen, und schickte ihn ganz im Gegentheil nach Ems. „J’ai confetté les meilleurs ignorans d’ioi“ sagt meine Freundin Sévigné. – Auch Vaters alten Freund Hart, der hier wohl schon aufgegeben war, haben die Unbarmherzigen nach einem Bade geschickt, woher die Nachrichten so traurig lauten, daß er vermuthlich dort, ohne allen comfort und ohne den Trost die Kinder bei sich zu haben, sterben wird. – Wie kannst Du, geliebte Seele! Dir immer noch Gedanken über Elfen und Waßer machen, über ein flüchtig hingeworfenes Wort, auf das er selbst kein Gewicht legte? Thue Deiner Neigung im Kompositionsgenre doch ja keinen Zwang an und komm nicht so melancholisch oft darauf zurück! Wenn er Deine Töne hören könnte, so würde ihn Paulus beglücken, so wie er alles was von Dir ausging, unaussprechlich liebte, tausendmal stärker als seine bescheidne Vaterliebe auszudrücken wagte. – Ich Schöps bin viel dreister darin. – Was sagst Du denn zu Deinem kleinen Koncertmeister, der Fürst Lievens Schwager wird? im ersten Moment als ichs erfuhr, war ich ganz aufgeregt und toll darüber. Ich höre, der Froschkönig Liphert, der erst brüderlich geholfen, sei jetzt fromm katholisch und seitdem dagegen; er kömmt nächstens her, und die Braut soll mit ihrer Tante schon in irgend einem teutschen Badeort sein. Fanny hat einen klaßischen Brief darüber an Beckchen geschrieben. Am besten gefällt mir, daß sie nur 1000 rt. jährlich mitbringt; also kann er ihr mehr als das anbieten. Du bist doch gewiß schon ein alter Vertrauter? – Der heil. Cecilie willen, zieh Handschuhe an und laß Dich nicht so gräßlich mulattisiren; sonst sag ich wie Mde. Beer, als Michel aus Italien kam – Michel wie häßlich bist Du geworden! – und noch jemand – sagts nicht, aber wird verdrießlich. Und noch eins! was hast Du bei Potters Kuh gedacht? Seit Dir. fort ist, der an Eßstunden gebunden war, dinir ich einen Tag bei Fanny, den andern die Henselei bei mir; Abends auch abwechselnd from the blue bed to the brown wie mein Vicar sagt. – Lady Bury ist auch meine Freundin (doch lange nicht so wie die Sévigné. ) Sie hat mich in „marriage“ Ströme von Thränen gekostet: weniger in Trevylyan; das letztre ist schon romanhaft und complicirter, aber doch auch schön, und mit einer Schilderung von Tante Jette in Miss Trev., die von einer bewundernswerthen Aehnlichkeit erscheint. Marriage ist mit so wenigen Personen und Begebenheiten sehr anziehend, und besonders rührend. Lebwohl Geliebtester und laß Deine …d theilnehmende Mama stets von Deinem Leid und Freud erfahren.
<TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="gb-1836-08-15-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="gb-1836-08-15-01" xml:id="title_53411d03-1cce-4835-b488-e9b8f4cd1ca5">Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in ’s-Gravenhage <lb></lb>Berlin, 15. August 1836</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_9966f277-fb76-4be1-9733-4a44b115638f">Deinen lieben kindlichen Brief v. 9. erhalte ich in diesem Augenblick, Felice del mio core! und eile, nachdem ich ihn nur Fanny gezeigt, Dir zu sagen, wie er mich rührt und erfreut. Du bist ein</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_220646a3-f8fc-4334-9514-08954db85e0a">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="fmb-1836-08-09-01" type="precursor" xml:id="title_251d9f54-7e04-4d5d-b8a7-3c643539f537">Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy, Fanny Hensel und Paul Mendelssohn Bartholdy in Berlin; ’s-Gravenhage, 9. August 1836</title> <title key="fmb-1836-08-21-01" type="successor" xml:id="title_e99738a6-28a2-4553-954f-878d9c882aeb">Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy in Berlin; ’s-Gravenhage, 21. August 1836</title> <author key="PSN0113260">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0113260" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName xml:id="placeName_710e29b3-4087-459b-ab9f-b705107ede01"> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript" xml:id="sourceDesc_31a32a54-eb67-4af4-ac2a-96549222e804"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. d. 31/116.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="gb-1836-08-15-01" type="letter" xml:id="title_3c0e89d7-8389-4be3-b237-ad1c6558c35e">Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in ’s-Gravenhage; Berlin, 15. August 1836</title> <incipit>Deinen lieben kindlichen Brief v. 9. erhalte ich in diesem Augenblick, Felice del mio core! und eile, nachdem ich ihn nur Fanny gezeigt, Dir zu sagen, wie er mich rührt und erfreut. Du bist ein</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc><p>1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext; S. 4 Adresse, 6 Poststempel [BERLIN 4-5 / 15/8], [R18 / 15 8 / No5], [Francotoù…], [???], [s GRAVENHAGE / ???], [??? …nsk / …dam], Siegel. </p><handDesc hands="1"><p>Lea Mendelssohn Bartholdy</p></handDesc><accMat><listBibl><bibl type="none"></bibl></listBibl></accMat></physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1836-08-15" xml:id="date_647b19c5-4f4e-44d0-9114-abb05af9a7f4">15. August 1836</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0113260" resp="author" xml:id="persName_1f308de2-b4e6-4ca0-9f05-94638996e3cc">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0113260" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_d6109195-9008-45be-955b-5c81969b5849"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_5c1c73d2-2fd7-4f37-a6d5-ec428b5b10b3">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_14275dae-377e-42dd-963d-1aa2834e98f3"> <settlement key="STM0100516">’s-Gravenhage</settlement><country>Niederlande</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"> </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_ed6c6087-cee4-41e1-9bd3-3d496dc1732f"> <head> <address> <addrLine><hi rend="latintype">A Monsieur Felix Mendelssohn</hi></addrLine> <addrLine><hi rend="latintype">Bartholdy</hi></addrLine> <addrLine><hi rend="latintype">à</hi></addrLine> <addrLine>l<hi rend="latintype">a Haye</hi></addrLine> <addrLine><hi rend="latintype">poste restante</hi></addrLine> <addrLine><hi rend="latintype">port pagé</hi></addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_6edb5115-19e9-4049-a276-2561f04e50c0"> <docAuthor key="PSN0113260" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_dfef05ed-c674-4ded-9a92-94ffd2539042">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113260" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_8f453c6f-43b4-4c64-857f-e6287b42690b">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777–1842)</docAuthor> <dateline rend="right">Berlin <date cert="high" when="1836-08-15" xml:id="date_fa278876-e088-49cc-8420-0fa4555d2681">15 August 1836</date></dateline> <p style="paragraph_without_indent">Deinen lieben kindlichen Brief v. 9. erhalte ich in diesem Augenblick, <seg type="salute"><hi rend="latintype">Felice del mio core</hi>!</seg> und eile, nachdem ich ihn <hi n="1" rend="underline">nur</hi> Fanny gezeigt, Dir zu sagen, wie er mich rührt und erfreut. Du bist ein zu guter Sohn, nur etwas dem Aehnliches als eine Emancipation, zu welchem Zweck er immer sei, von mir zu fordern. Aber wär es auch bloß Form, geliebtes Herz! (da Du meiner Einwilligung stets sicher bist;) sie ist so freundlich und liebenswürdig, so herzlich ausgedrückt und wahr empfunden, daß ich mit Thränen der Erkenntlichkeite Dein Gemüth aufs Neue darin erkenne, aufs Neue stolz auf Dich bin. Segne Gott jede Deiner Unternehmungen, vor allem diese die bevorstehende, die wichtigste, entscheidendste fürs ganze Leben. Mit welchem Gefühl von Glück werde ich die Nachricht empfangen, die Dein Dasein entscheidet! ich wiederhole, sei nicht zu bescheiden: denn wenn das liebe Mädchen nicht früher ihre Neigung verschenkte, sehe ich, und nicht nur ich als Mutter, glaub ich, keinen Grund, Dir nicht mit Freuden angehören zu wollen. Selbst ihr Name muß Dir eine frohe Vorbedeutung sein, und daß Du auf dem Ffter Geschenk ihn neben Deiner <hi rend="latintype">chiffre</hi> lesen kannst, ist auch gute Botschaft und Ahndung. Hast Du nicht auch daran gedacht? – – Was Du mir von ihr und den ihrigen erzählen kannst, versäume ja nicht; die neugierige Mama ist einstweilen auch nicht müßig im <hi rend="latintype">discreten</hi> Forschen; von der Beneke, ihrer Verwandten, hab ich mir auf die natürlichste Weise erzählen laßen; und ganz zufällig, als von Eisenbahnen kürzlich die Rede war, sagte mir ein Hamburger, er sei mit einer sehr angenehmen Familie, <hi rend="latintype">Souchay</hi>, vor 7 Jahren auf einer der in England erröffneten, ich weiß nicht welcher? gefahren, wo <hi rend="latintype">Mde. Jeanr.</hi> zu ängstlich war, anders als in einer Kutsche nebenher zu reisen; die Töchter waren freilich noch zu klein, <hi rend="latintype">to be noticed by him</hi>, aber so unbefriedigend es klang, beschäftigte mich die Auskunft den ganzen Abend. Ich habe für Dich mit den Kopf voll davon, bin für Dich mit verliebt. – Paul werde ich Deinen Brief nicht mittheilen; so brüderlich er für Dich fühlt, ist er doch zu <hi rend="latintype">exclusive</hi> und eingenommen von seiner frühen Neigung, ich möchte sagen, zu stolz auf seine Anständigkeit und Beharrlichkeit, um nicht bei der geringsten Abweichung von <hi n="1" rend="underline">seiner</hi> Empfindungsweise, eine unvortheilhafte Sensation zu haben. Wenn diese meine Blaßschnäbel nur Anwartschaft zu einem Kinde gäben! ich sammle Beispiele von Ehen, denen der Kindersegen erst spät geworden. – Daß Paul nach Fft. reisen <hi n="1" rend="underline">sollte</hi>, daran ist jetzt kein Gedanke, lieber Sohn! Du weißt, Onkel hat ihn mit der Prokura beehrt, und wenn auch für diesen Sommer keine bedeutenden Geschäfte gemacht werden, so ist ein Repräsentant des wichtigen Hauses nothwendig; vor Oktober kommen die Herren nicht zurück, und sollte Paul eine<seg type="pagebreak"> |2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> Reise machen können, so wär es höchstens eine nach Hamburg, was aber auch im weitesten Felde liegt. Giermann, der treue ehemalige <hi rend="latintype">commis</hi>, ist mit M.s Geschäften viele Jahre beauftragt, obwohl selbst dort <hi rend="latintype">établirt</hi>; leider ist er so krank, daß er schwerlich lange leben wird; die für heutige Aerzte geläufige Badekuren haben ihn kränker zurück als hingeschafft, und so <hi n="1" rend="underline">könnte</hi> es sein, daß zwischen Markow und Paul eine Wahl entstände; aber das liegt so gar weit, daß ebenfalls nicht davon gesprochen werden darf. Wie unendlich leid es mir wäre, Pauls zu verlieren, kannst Du denken; indeß will ich mich nicht auf eine ganz ungewiße Zukunft hinaus grämen. Man hat reelle Gegenstände genug dazu! – übrigens gereicht es Paul zu wahrer Ehre, und mir zur Freude, daß Onkel mehr und mehr zufrieden mit ihm wird, und ihm großes Vertrauen beweist.</p> <p>Wir spielen unter einander so geschickt Versteckens, mein Felix! daß Rebecka mir kein Wort von der Möglichkeit ihrer Reise nach Fft. geschrieben, obgleich ich zu meinem rechten Vergnügen oft Briefe von ihr erhalten. Seit <hi rend="latintype">Dirichlet</hi> dort ist, unterhält sie sich ganz gut; was bei dem seit 8 Tagen eingetretenen wunderschönen Wetter mehr und mehr der Fall sein wird. Auch auf Deine Badelust und Laune, einziges Lamm! wird Sonne, Wärme, Färbung des Meers hoffentlich günstigen Einfluß üben. Verwünsche Dir ja die Zeit nicht, und brumme mir die braven Engländer nicht an, die Dir wegen Paulus, Schreiberei veranlaßen. <hi rend="latintype">C’est ton métier, mon enfant</hi>! und wenn Du Familienvater werden willst, so mußt Du auch für Reisen und Brod arbeiten und streben. Ohne guten Humor und Lust zu den Beschäftigungen prosaischerer Natur <hi n="1" rend="underline">nach</hi> den poetischen Schöpfungen, wird Dich Deine gute Freundin Muse aber nicht besuchen. – Daß Du aber für die Kosten Deines <hi rend="latintype">établissements</hi> und paßender Aussteuer nicht arbeiten und gewinnen sollst, dafür, wiederhol ich Dir, Schatz! sollst Du nicht sorgen. Wenn es so weit kömmt, kannst Du das <hi n="1" rend="underline">ihren</hi> Verwandten sagen; denn sie selbst und Du, leben anfangs von Luft und Blumenduft, Kuß und Händedruck; das versteht sich! – Was mein Stillleben betrifft, so ist es jetzt noch einsamer und einförmiger als sonst, indem <hi rend="latintype">Dirichlets</hi> (besonders Walter) mir fehlen, und von angenehmen Bekannten täglich welche wegreisen, nun die Universitätsferien begonnen haben. Die Familien Steffens und Erdmanns thun mir leid; – letztre kommen nicht wieder, weil er Profeßor in Halle geworden; ein junger Theolog aus Breslau, der auch viel hier war, nimmt den Gesandtschaftspredigerposten in <hi rend="latintype">Rio Janeiro</hi> an: ein Neffe v. Steffens aus Christiania und Sievking aus London sind fort. Gans reist heute und wohin? – nach Franzensbrunn! er hängt daran zwar noch 100 Pläne v. Nürnberg, Tyrol, München, Brüßel, oder eigentlich die <hi rend="latintype">marcuise Arconati</hi>; aber nach seiner ehemaligen Liebe zu Beckchen hat er jetzt nur noch Leidenschaft für ihren Mann, und ich habe die wunderliche kleine Hexe schon darauf vorbereitet, daß er nur nach Eger kömmt, um mit ihnen, im <hi rend="latintype">Cattrin</hi>, hinzurutschen, wo ihre Fantasie es will.</p> <p><seg type="pagebreak">|3|<pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg> Wenn Du mich auch leider! sehr knapp mit Briefen hältst, so besitze ich doch eine LiebesPropaganda, durch die ich wenigstens erfahre, wo Du warst und wie Du ausschaust. Die Leute wißen, wohin mein Sinn gesteuert ist, und so bekomme ich, ohne Briefe zu empfangen, durch die 3., vierte Hand, angenehme Lebenszeichen. Alexander, Mariane, Onkel schrieben aus Horchheim; die Schlegel an die Herz, welche es mich freundlichst wißen ließ, und durch meine Nachbarin Solmar, die in Lambrechts Abwesenheit deßen Gartenhaus neben unserm Garten bewohnt, hörte ich sogar, daß die Robert Dein Spiel himmlisch gefunden, und daß Du auf ein von ihr gesungenes Lied fantasirtest. – Varnhag. schreibt fast täglich an hiesige Bekannte, und so weiß ich auch über ihn schon alles. Er ließ mir aus Düß. stets das Schönste über Deinen Ruhm mittheilen; daß Du – so liebenswürdig – meinetwegen – Dich um ihn bemühtest, dank ich Dir herzlichst, denn ich weiß, Du magst ihn nicht, obschon sich gar viel zu seiner Vertheidigung gegen das sagen ließe, was auch ich nicht entschuldigen mag. Der Aermste war im Harz stets leidend; der Arzt wollte ihn nicht baden laßen, und schickte ihn ganz im Gegentheil nach Ems. „<hi rend="latintype">J’ai confetté les meilleurs ignorans d’ioi</hi>“ sagt meine Freundin <hi rend="latintype">Sévigné</hi>. – Auch Vaters alten Freund Hart, der hier wohl schon aufgegeben war, haben die Unbarmherzigen nach einem Bade geschickt, woher die Nachrichten so traurig lauten, daß er vermuthlich dort, ohne allen <hi rend="latintype">comfort</hi> und ohne den Trost die Kinder bei sich zu haben, sterben wird. – Wie kannst Du, geliebte Seele! Dir immer noch Gedanken über Elfen und Waßer machen, über ein flüchtig hingeworfenes Wort, auf das er selbst kein Gewicht legte? Thue Deiner Neigung im Kompositions<hi rend="latintype">genre</hi> doch ja keinen Zwang an und komm nicht so melancholisch oft darauf zurück! Wenn er Deine Töne hören könnte, so würde ihn Paulus beglücken, so wie er alles was von Dir ausging, unaussprechlich liebte, tausendmal stärker als seine <hi n="1" rend="underline">bescheidne</hi> Vaterliebe auszudrücken wagte. – <hi n="1" rend="underline">Ich</hi> Schöps bin viel dreister darin. – Was sagst Du denn zu Deinem kleinen Koncertmeister, der Fürst Lievens Schwager wird? im ersten Moment als ichs erfuhr, war ich ganz aufgeregt und toll darüber. Ich höre, der Froschkönig <hi rend="latintype">Liphert</hi>, der erst brüderlich geholfen, sei jetzt fromm katholisch und seitdem dagegen; er kömmt nächstens her, und die Braut soll mit ihrer Tante schon in irgend einem teutschen Badeort sein. Fanny hat einen klaßischen Brief darüber an Beckchen geschrieben. Am besten gefällt mir, daß sie <hi n="1" rend="underline">nur</hi> 1000 rt. jährlich mitbringt; also kann er ihr mehr als das anbieten. Du bist doch gewiß schon ein alter Vertrauter? – Der heil. Cecilie willen, zieh Handschuhe an und laß Dich nicht so gräßlich mulattisiren; sonst sag ich wie Mde. Beer, als Michel aus Italien kam – Michel wie häßlich bist Du geworden! – und noch jemand – sagts nicht, aber wird verdrießlich. Und noch eins! was hast Du bei Potters Kuh <hi n="1" rend="underline">gedacht</hi>?</p> <p>Seit <hi rend="latintype">Dir</hi>. fort ist, der an Eßstunden gebunden war, <hi rend="latintype">dinir</hi> ich einen Tag bei Fanny, den andern die Henselei bei mir; Abends auch abwechselnd <hi rend="latintype">from the blue bed to the brown</hi> wie mein <hi rend="latintype">Vicar</hi> sagt. – <hi rend="latintype">Lady Bury</hi> ist <hi n="2" rend="underline">auch</hi> meine Freundin (doch lange nicht so wie die <hi rend="latintype">Sévigné</hi>.) Sie hat mich in „<hi rend="latintype">marriage</hi>“ [St]röme von Thränen gekostet: weniger in <hi rend="latintype">Trevylyan</hi>; das letztre ist schon romanha[ft und] complicirter, aber doch auch schön,<seg type="pagebreak"> |4|<pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg> und mit einer Schilderung von Tante Jette in <hi rend="latintype">Miss Trev.</hi>, die von einer bewundernswerthen Aehnlichkeit erscheint. <hi rend="latintype">Marriage</hi> ist mit so wenigen Personen und Begebenheiten sehr anziehend, und besonders rührend.</p> <closer rend="left">Lebwohl Geliebtester und laß [Deine …]d theilnehmende Mama stets von Deinem Leid und Freud erfahren.</closer> </div> </body> </text></TEI>