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gb-1835-09-07-02

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Rebecka Lejeune Dirichlet an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig <lb></lb>Aachen, 7. September 1835 Ich denke doch, es versteht sich von selbst, daß wir über Leipzig gehen, denke Du nur bei Zeiten auf Triumphbogen und Ehrenpforten, und wetze Deine Finger, bis etwa heut über einen Monat, oder ein paar Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) Felix Mendelssohn Bartholdy an Rebecka Lejeune Dirichlet in Aachen, adressiert an Johann Carl August Baerns; Leipzig, 1. September 1835 Felix Mendelssohn Bartholdy an die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Abraham Mendelssohn Bartholdy; Leipzig, 18. Oktober 1835 Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. 30/84. Autograph Rebecka Lejeune Dirichlet an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig; Aachen, 7. September 1835 Ich denke doch, es versteht sich von selbst, daß wir über Leipzig gehen, denke Du nur bei Zeiten auf Triumphbogen und Ehrenpforten, und wetze Deine Finger, bis etwa heut über einen Monat, oder ein paar

1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext; S. 4 Adresse, 1 Poststempel [AACHEN 12-1 / 7/9].

Rebecka Lejeune Dirichlet

Green Books

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

7. September 1835 Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)counter-resetDirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858) AachenDeutschland Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) LeipzigDeutschland deutsch
Herrn F. Mendelssohn Bartholdy in Leipzig
Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858) Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858) Achen den 7ten September

Ich denke doch, es versteht sich von selbst, daß wir über LeipzigLeipzigDeutschland gehendaß wir über Leipzig gehen – Rebecka Lejeune Dirichlet kam am 10. Oktober nach Leipzig. Sie reiste von dort am 13. Oktober 1835 zusammen mit dem Bruder Felix und dem in Leipzig weilenden Ignaz Moscheles nach Berlin (Hensel, Tagebücher, S. 72, und Moscheles, Aus Moscheles’ Leben, Bd. 1, S. 307 f.)., denke Du nur bei Zeiten auf Thriumphbogen und Ehrenpforten, und wetze Deine Finger, bis etwa heut über einen Monat, oder ein paar Tage früher.

Daß Du nun unsertwegen alle diesjährigen Reisepläne hast aufgeben müssen, thut mir sehr leid, aber MutterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842) hast Du durch Deinen Aufenthalt unendlich beglücktMutter hast Du durch Deinen Aufenthalt unendlich beglückt – Nach dem 17. Niederrheinischen Musikfest in Köln zu Pfingsten (7. und 8. Juni) 1835, das Felix Mendelssohn Bartholdy geleitet hatte, verbrachten Abraham und Lea Mendelssohn Bartholdy noch einige Wochen in Düsseldorf. Ende Juni war die Mutter dort schwer erkrankt. Der Sohn Felix begleitete die Eltern auf der Rückreise bis nach Berlin. Die Mendelssohn Bartholdys trafen am Abend des 1. August 1835 dort wohlbehalten ein; vgl. Brief fmb-1835-08-02-02 (Brief Nr. 1196) Felix Mendelssohn Bartholdy an Rebecka Lejeune Dirichlet in Aachen, Berlin, 2. August 1835. Erst am 29. August 1835 verließ Mendelssohn die Eltern und reiste nach Leipzig., ich glaube beinahe noch mehr, als wenn wir mit dabei gewesen wärenDirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858) und einen Theil Deiner Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hätten. Ich hoffe doch, sie werden Dich für erzogen genug gehalten haben, Dir es selber soDirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858) zu sagen, wie ich es in jedem Briefe mit großer Freude gelesen habe, welches glückliche Zeit Du ihnen bereitet hast. Ist es nicht aber ein förmliches Schicksal, daß ich jedesmal bei einem solchen Krankheitsanfall v. VaterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)einem solchen Krankheitsanfall v. Vater – Abraham Mendelssohn Bartholdy war Ende August 1835 gestolpert und hatte sich am Bein verletzt. Vgl. Brief gb-1835-09-05-01 Abraham Mendelssohn Bartholdy und Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig, Berlin, 5. September 1835. abwesend bin? Durch GansGans, Eduard (bis 1825: Elias) (1797-1839) habe ich in AntwerpenAntwerpenBelgien die Geschichte gehörthabe ich in Antwerpen die Geschichte gehört – Rebecka Lejeune Dirichlet hielt sich nachweislich am 25. August 1835 in Antwerpen auf. An diesem Tag schrieb sie zusammen mit ihrem Ehemann Johann Peter Gustav von dort einen Brief an die Eltern in Berlin (D-B, Musikabteilung, MA Depos. Berlin 500,19,41.42)., und seitdem hat mir MutterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842) auch ausführlicher drüber geschrieben.

Unser SeebadOstendeBelgienUnser Seebad – Während sich die Hensels im französischen Boulogne-sur-mer aufhielten, war die Familie Lejeune Dirichlet im August 1835 in das belgische Seebad Ostende gereist. war sehr übrig; ich war gesund hingegangen, und DirichletDirichlet (Lejeune Dirichlet), Johann Peter Gustav (1805-1859) ist mit viel ärgeren rheumatischen Schmerzen wiedergekommen, als er mitgenommen hatte, auch habe ich wieder auf der Rückreise in BrüsselBrüssel (Bruxelles)Belgienauf der Rückreise in Brüssel – In Brüssel hielten sich die Lejeune Dirichlets am 1. September 1835 auf. einen Tag mit Kopfschmerzen liegen bleiben müssen. Daß wir uns dort 4 Tage längerDirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858) und in NamurNamurBelgien einen Tag lang aufhalten mußten |2| durch die Freundlichkeit mehrerer alter und neuer Bekannter gezwungen, wirst Du wohl schon wissen; mir brannte die letzten Tage der Boden unter den Füßen; trotz des sehr angenehmen Aufenthalts, trotz aller alten Bilder und der dem wunderschönen Reise. Hast Du denn je die Fahrt über NamurNamurBelgien, HuyHuyBelgien und LüttichLüttichBelgien gemacht, das ist ja des Amüsanteste, was es giebt, die ewige Abwechselung, bald an der MaasMaas – circa 874 Kilometer langer Nebenfluss des Rheins, der durch Frankreich, Belgien und die Niederlande fließt., bald an Felsen mit dickem Epheu, dann wieder schöne Landhäuser und Dampfwagen, mit einem Male eine prächtige Allee – aber ich glaube, Du kennst das Alles, und bist als Weltreisender über meinen belgischen Enthusiasmus erhaben. DirichletDirichlet (Lejeune Dirichlet), Johann Peter Gustav (1805-1859) war sehr glücklich, einmal wieder französisch ge und Politik reden zu können; und da habe ich ihm zu Gefallen gern das Opfer gebracht, mich noch länger von meinem geliebten WalterchenDirichlet (Lejeune Dirichlet), Abraham Walter (1833-1887) zu trennen. Ich habe ihn sehr verändert gefunden, gewachsen, stark geworden, und namentlich in der Sprache entwickelt. Er spricht jetzt ganz wie ein denkendes Menschchen. Dich kennt er noch sehr gut, er erzählt: wenn Onkel Felix der Hafer nicht schmeckt, so sage ich, spuck aus, aber nicht mehr, puck aus, er schleibt auch nicht, sondern er schreibt Noten, und trägt auch HosenWalterchen … trägt auch Hosen – In der Biedermeierzeit trugen kleine Jungen meist kittelartige Kleidchen als Kinderhabit. Das Tragen von Hosen galt als ein Zeichen dafür, dass ein Knabe dem Kleinkindalter entwachsen war.. Gar zu lieb hat er mich empfangen, wir kamen Morgens um 4 anwir kamen Morgens um 4 an – Ihre Seereise beendete Rebecka Lejeune Dirichlet wahrscheinlich am 4. September 1835 mit der Rückkehr in das Haus ihrer Schwiegereltern in Aachen., er schlief noch, hörte aber meine Stimme und sagte mitten im Schlafe ganz zärtlich Mama und ich trieb mich von ihm fort, damit er weiter schlafen sollte, er war aber schon wach geworden, und fing an zu weinen, Mama geht wieder fort; als sie ihn nun zu mir |3| brachten, stürzte er förmlich auf mich los, drückte sich fest an mich an, und lag wohl eine Viertelstunde ganz still, ich konnte kein ander Wörtchen von ihm herausbringen, als zuweilen: lieber Mama. Großmama DirichletDirichlet (Lejeune Dirichlet), Anna Elisabeth (1768-1868) hat übrigens Deiner Erziehung gut vorgearbeitet, das Kind ist wirklich so artig und folgsam, wie man sichs nur wünschen kann.

Unsre ungefähren Reisepläne sind folgende: Bis Mitte des Monats bleiben wir hier, da der AlteDirichlet (Lejeune Dirichlet), Johann Arnold Remaklus Maria (1762-1837) nicht reisefähig ist, und die MamaDirichlet (Lejeune Dirichlet), Anna Elisabeth (1768-1868) ihn nicht alleine lassen will, leben ganz in einem Käse zurückgezogen, die einzige die ich hier sehe, ist Sophie WoringenWoringen, Sophie von (1808-?), die aber schon Donnerstag wieder fortgeht. Dann gehen wir über Düsseld.DüsseldorfDeutschland nach GodesbergGodesbergDeutschland mit WoringensWoringen, Familie von → Georgius Otto Philippus von W. (-), unter deren Obhut ich bleibe, während Dir.Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Johann Peter Gustav (1805-1859) zu seiner Gesundheit eine kleine Fußreise macht; ich hoffe, das wird ihm wohltätiger seyn, als das Seebad. Anfangs October fangen wir an, zurückzureisen, bleiben in HorchheimHorchheimDeutschlandHorchheim – In Horchheim besaß Joseph Mendelssohn seit 1818 ein Weingut. Seine Familie verbrachte dort alljährlich die Spätsommer und die Zeit der Weinlese. Siehe dazu Baur, Felix Mendelssohn Bartholdy, S. 221-236. und Frankf.Frankfurt a. M.Deutschland ein Paar Tage, wozu ich Dich sehr bitte, wenn Du etwa SchelbleSchelble, Johann Nepomuk (1789-1837) schreibst, ihm meine Person, und sein Versprechen, mich den CäcilienvereinCäcilienvereinFrankfurt a. M.Deutschland hören zu lassen, ins Gedächtniß zurückzurufen; sage ihm auch, wie ich hieße, denn ich habe ihm versprochen, vorher zu schreiben, ehe wir kommen, dann könnte es leicht seyn, daß er mich gar nicht als Dirichlet kennte. Und dann gehts zum geliebten ClownClown – Spitzname für Felix Mendelssohn Bartholdy.. Denke Dir meine Courage, in BrüsselBrüssel (Bruxelles)Belgien, wo Niemand von Euch zugegen war, habe ich Klavier gespielt und gesungen, mit der größten InsolenzInsolenz – bildungssprachlich, Anmaßung, Frechheit; von lat. insolentia., vom Blatt, auswendig, und was einer will. Meine SchwiegermutterDirichlet (Lejeune Dirichlet), Anna Elisabeth (1768-1868) hat die Aufmerksamkeit gehabt, ein |4| zwar schlechtes, aber doch ein Klavier für mich anzuschaffen, da will ich denn, sobald SophieWoringen, Sophie von (1808-?) fort ist, die mich zu Nichts kommen läßt, Deine Lieder<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_ep7tdf07-sbzc-dha3-bhj6-y5wq40xcdk7e"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="collective_sources" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="collective_prints" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100625" style="hidden">Sechs Lieder ohne Worte für Klavier, 2. Heft, 1835; enthält MWV U 103, U 77, U 104, U 98, U 97 und U 110<idno type="MWV">SD 9</idno><idno type="op">30</idno></name>Deine Lieder – Die Sechs Lieder ohne Worte für Klavier, 2. Heft, op. 30 (MWV SD 9), waren am 1. Mai 1835 im Verlag N. Simrock in Bonn im Druck erschienen (PN 3204). fleißig üben, und die Meeresstille<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_6iotm2j5-m68c-ysip-9pgr-gw96t2jwjhym"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="overtures_and_other_orchestral_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100361" style="hidden">Konzert-Ouvertüre Nr. 3 Meeresstille und glückliche Fahrt D-Dur, [Februar bis September 1828]; Umarbeitung 1833/1834<idno type="MWV">P 5</idno><idno type="op">27</idno></name>. Adieu mein Herz, nun will ich noch WoringensWoringen, Familie von → Georgius Otto Philippus von W. (-) schreibennun will ich noch Woringens schreiben – Briefe von Rebecka Lejeune Dirichlet an die Familie von Woringen sind nicht überliefert., FerdinandWoringen, Theodor Franz Ferdinand von (1798-1851) ist vom Pferde gefallen und hat sich die Schulter verrenkt, trägt den Arm in der Binde, es ist aber mehr interessant als gefährlich. Adieu.

            Achen den 7ten September Ich denke doch, es versteht sich von selbst, daß wir über Leipzig gehen, denke Du nur bei Zeiten auf Thriumphbogen und Ehrenpforten, und wetze Deine Finger, bis etwa heut über einen Monat, oder ein paar Tage früher.
Daß Du nun unsertwegen alle diesjährigen Reisepläne hast aufgeben müssen, thut mir sehr leid, aber Mutter hast Du durch Deinen Aufenthalt unendlich beglückt, ich glaube beinahe noch mehr, als wenn wir mit dabei gewesen wären und einen Theil Deiner Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hätten. Ich hoffe doch, sie werden Dich für erzogen genug gehalten haben, Dir es selber so zu sagen, wie ich es in jedem Briefe mit großer Freude gelesen habe, welches glückliche Zeit Du ihnen bereitet hast. Ist es nicht aber ein förmliches Schicksal, daß ich jedesmal bei einem solchen Krankheitsanfall v. Vater abwesend bin? Durch Gans habe ich in Antwerpen die Geschichte gehört, und seitdem hat mir Mutter auch ausführlicher drüber geschrieben.
Unser Seebad war sehr übrig; ich war gesund hingegangen, und Dirichlet ist mit viel ärgeren rheumatischen Schmerzen wiedergekommen, als er mitgenommen hatte, auch habe ich wieder auf der Rückreise in Brüssel einen Tag mit Kopfschmerzen liegen bleiben müssen. Daß wir uns dort 4 Tage länger und in Namur einen Tag lang aufhalten mußten durch die Freundlichkeit mehrerer alter und neuer Bekannter gezwungen, wirst Du wohl schon wissen; mir brannte die letzten Tage der Boden unter den Füßen; trotz des sehr angenehmen Aufenthalts, trotz aller alten Bilder und dem wunderschönen Reise. Hast Du denn je die Fahrt über Namur, Huy und Lüttich gemacht, das ist ja des Amüsanteste, was es giebt, die ewige Abwechselung, bald an der Maas, bald an Felsen mit dickem Epheu, dann wieder schöne Landhäuser und Dampfwagen, mit einem Male eine prächtige Allee – aber ich glaube, Du kennst das Alles, und bist als Weltreisender über meinen belgischen Enthusiasmus erhaben. Dirichlet war sehr glücklich, einmal wieder französisch ge und Politik reden zu können; und da habe ich ihm zu Gefallen gern das Opfer gebracht, mich noch länger von meinem geliebten Walterchen zu trennen. Ich habe ihn sehr verändert gefunden, gewachsen, stark geworden, und namentlich in der Sprache entwickelt. Er spricht jetzt ganz wie ein denkendes Menschchen. Dich kennt er noch sehr gut, er erzählt: wenn Onkel Felix der Hafer nicht schmeckt, so sage ich, spuck aus, aber nicht mehr, puck aus, er schleibt auch nicht, sondern er schreibt Noten, und trägt auch Hosen. Gar zu lieb hat er mich empfangen, wir kamen Morgens um 4 an, er schlief noch, hörte aber meine Stimme und sagte mitten im Schlafe ganz zärtlich Mama und ich trieb mich von ihm fort, damit er weiter schlafen sollte, er war aber schon wach geworden, und fing an zu weinen, Mama geht wieder fort; als sie ihn nun zu mir brachten, stürzte er förmlich auf mich los, drückte sich fest an mich an, und lag wohl eine Viertelstunde ganz still, ich konnte kein ander Wörtchen von ihm herausbringen, als zuweilen: lieber Mama. Großmama Dirichlet hat übrigens Deiner Erziehung gut vorgearbeitet, das Kind ist wirklich so artig und folgsam, wie man sichs nur wünschen kann.
Unsre ungefähren Reisepläne sind folgende: Bis Mitte des Monats bleiben wir hier, da der Alte nicht reisefähig ist, und die Mama ihn nicht alleine lassen will, leben ganz in einem Käse zurückgezogen, die einzige die ich hier sehe, ist Sophie Woringen, die aber schon Donnerstag wieder fortgeht. Dann gehen wir über Düsseld. nach Godesberg mit Woringens, unter deren Obhut ich bleibe, während Dir. zu seiner Gesundheit eine kleine Fußreise macht; ich hoffe, das wird ihm wohltätiger seyn, als das Seebad. Anfangs October fangen wir an, zurückzureisen, bleiben in Horchheim und Frankf. ein Paar Tage, wozu ich Dich sehr bitte, wenn Du etwa Schelble schreibst, ihm meine Person, und sein Versprechen, mich den Cäcilienverein hören zu lassen, ins Gedächtniß zurückzurufen; sage ihm auch, wie ich hieße, denn ich habe ihm versprochen, vorher zu schreiben, ehe wir kommen, dann könnte es leicht seyn, daß er mich gar nicht als Dirichlet kennte. Und dann gehts zum geliebten Clown. Denke Dir meine Courage, in Brüssel, wo Niemand von Euch zugegen war, habe ich Klavier gespielt und gesungen, mit der größten Insolenz, vom Blatt, auswendig, und was einer will. Meine Schwiegermutter hat die Aufmerksamkeit gehabt, ein zwar schlechtes, aber doch ein Klavier für mich anzuschaffen, da will ich denn, sobald Sophie fort ist, die mich zu Nichts kommen läßt, Deine Lieder fleißig üben, und die Meeresstille . Adieu mein Herz, nun will ich noch Woringens schreiben, Ferdinand ist vom Pferde gefallen und hat sich die Schulter verrenkt, trägt den Arm in der Binde, es ist aber mehr interessant als gefährlich. Adieu.          
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Mendelssohn Bartholdy</hi></addrLine> <addrLine>in</addrLine> <addrLine><hi rend="latintype">Leipzig</hi></addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_3e784923-7b16-4628-b8e4-5f3db0f50fc5"> <docAuthor key="PSN0110673" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_61485e89-ccdd-43d7-ab0a-4f675dd15925">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0110673" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_f7019ff7-3cde-4dc0-ac5e-35932694217a">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858)</docAuthor> <dateline rend="right"><hi rend="latintype">Achen</hi> den <date cert="high" when="1835-09-07" xml:id="date_48a38b16-fccc-4e19-bd14-1fa4de1cfff6">7ten September</date></dateline> <p style="paragraph_without_indent">Ich denke doch, es versteht sich von selbst, daß wir über <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_0d854b31-c0d3-4ea5-ab13-9a3a84ec2720">Leipzig<settlement key="STM0100116" style="hidden" type="locality">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName></hi> gehen<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_3f6df68c-080e-4f58-bc59-bd625211d518" xml:lang="de">daß wir über Leipzig gehen – Rebecka Lejeune Dirichlet kam am 10. Oktober nach Leipzig. Sie reiste von dort am 13. Oktober 1835 zusammen mit dem Bruder Felix und dem in Leipzig weilenden Ignaz Moscheles nach Berlin (Hensel, Tagebücher, S. 72, und Moscheles, Aus Moscheles’ Leben, Bd. 1, S. 307 f.).</note>, denke Du nur bei Zeiten auf T<del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_74596c5e-c975-4c2b-a955-6bdbec538dd8">h</del>riumphbogen und Ehrenpforten, und wetze Deine Finger, bis etwa heut über einen Monat, oder ein paar Tage früher.</p> <p>Daß Du nun unsertwegen alle diesjährigen Reisepläne hast aufgeben müssen, thut mir sehr leid, aber <persName xml:id="persName_654b6b45-8b77-48d9-a300-542c31d8f260">Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> hast Du durch Deinen Aufenthalt unendlich beglückt<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_b60d0e78-5cec-42bf-a97a-a29cb5f9bf8d" xml:lang="de">Mutter hast Du durch Deinen Aufenthalt unendlich beglückt – Nach dem 17. Niederrheinischen Musikfest in Köln zu Pfingsten (7. und 8. Juni) 1835, das Felix Mendelssohn Bartholdy geleitet hatte, verbrachten Abraham und Lea Mendelssohn Bartholdy noch einige Wochen in Düsseldorf. Ende Juni war die Mutter dort schwer erkrankt. Der Sohn Felix begleitete die Eltern auf der Rückreise bis nach Berlin. Die Mendelssohn Bartholdys trafen am Abend des 1. August 1835 dort wohlbehalten ein; vgl. Brief fmb-1835-08-02-02 (Brief Nr. 1196) Felix Mendelssohn Bartholdy an Rebecka Lejeune Dirichlet in Aachen, Berlin, 2. August 1835. Erst am 29. August 1835 verließ Mendelssohn die Eltern und reiste nach Leipzig.</note>, ich glaube beinahe noch mehr, als wenn wir mit dabei gewesen <add place="above">wären<name key="PSN0110673" resp="writers_hand" style="hidden">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858)</name></add> und einen Theil Deiner Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hätten. Ich hoffe doch, sie werden Dich für erzogen genug gehalten haben, Dir es selber <add place="above">so<name key="PSN0110673" resp="writers_hand" style="hidden">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858)</name></add> zu sagen, wie ich es in jedem Briefe mit großer Freude gelesen habe, welche<del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_7234d7e3-86e6-458b-abad-78ce5d8dd436">s</del> glückliche Zeit Du ihnen bereitet hast. Ist es nicht aber ein förmliches Schicksal, daß ich jedesmal bei einem solchen Krankheitsanfall v. <persName xml:id="persName_af794114-afb0-47a9-b4dc-4c5b2b0903ae">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_6da221ec-836d-4b28-9929-4a6257d909d0" xml:lang="de">einem solchen Krankheitsanfall v. Vater – Abraham Mendelssohn Bartholdy war Ende August 1835 gestolpert und hatte sich am Bein verletzt. Vgl. Brief gb-1835-09-05-01 Abraham Mendelssohn Bartholdy und Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig, Berlin, 5. September 1835.</note> abwesend bin? Durch <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_533143d7-bf32-484f-9850-e8436f060b29">Gans<name key="PSN0111279" style="hidden" type="person">Gans, Eduard (bis 1825: Elias) (1797-1839)</name></persName></hi> habe ich in <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_d6bc0bb1-7fbd-4f90-bf0d-ed564630b3e6">Antwerpen<settlement key="STM0103504" style="hidden" type="area">Antwerpen</settlement><country style="hidden">Belgien</country></placeName></hi> die Geschichte gehört<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_6fb84640-2a56-4cdf-9d8e-bcba41dfe63a" xml:lang="de">habe ich in Antwerpen die Geschichte gehört – Rebecka Lejeune Dirichlet hielt sich nachweislich am 25. August 1835 in Antwerpen auf. An diesem Tag schrieb sie zusammen mit ihrem Ehemann Johann Peter Gustav von dort einen Brief an die Eltern in Berlin (D-B, Musikabteilung, MA Depos. Berlin 500,19,41.42).</note>, und seitdem hat mir <persName xml:id="persName_d8bdccf7-d626-4e21-b34e-a61580c92acb">Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> auch ausführlicher drüber geschrieben.</p> <p>Unser <placeName xml:id="placeName_056514c9-d1fc-4837-97dc-fa5890614787">Seebad<settlement key="STM0103247" style="hidden" type="locality">Ostende</settlement><country style="hidden">Belgien</country></placeName><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_25b739da-a39b-4d3b-b720-56d7c1c34e52" xml:lang="de">Unser Seebad – Während sich die Hensels im französischen Boulogne-sur-mer aufhielten, war die Familie Lejeune Dirichlet im August 1835 in das belgische Seebad Ostende gereist.</note> war sehr übrig; ich war gesund hingegangen, und <persName xml:id="persName_b052f7bd-8182-4aa7-b370-cf7af3f504a8">Dirichlet<name key="PSN0110672" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Johann Peter Gustav (1805-1859)</name></persName> ist mit viel ärgeren rheumatischen Schmerzen wiedergekommen, als er mitgenommen hatte, auch habe ich wieder auf der Rückreise in <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_d0b7a22e-146f-4b52-b202-7326833b9640">Brüssel<settlement key="STM0100602" style="hidden" type="locality">Brüssel (Bruxelles)</settlement><country style="hidden">Belgien</country></placeName></hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_f1387241-4763-4d16-ae45-59f3f3f33a19" xml:lang="de">auf der Rückreise in Brüssel – In Brüssel hielten sich die Lejeune Dirichlets am 1. September 1835 auf.</note> einen Tag mit Kopfschmerzen liegen bleiben müssen. Daß wir uns dort <add place="above">4 Tage länger<name key="PSN0110673" resp="writers_hand" style="hidden">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858)</name></add> und in <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_c07c9ea4-8380-4171-a551-6926a2a864de">Namur<settlement key="STM0104943" style="hidden" type="locality">Namur</settlement><country style="hidden">Belgien</country></placeName></hi> einen Tag lang aufhalten mußten<seg type="pagebreak"> |2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> durch die Freundlichkeit mehrerer alter und neuer Bekannter gezwungen, wirst Du wohl schon wissen; mir brannte die letzten Tage der Boden unter den Füßen; trotz des sehr angenehmen Aufenthalts, trotz aller alten Bilder und <choice resp="writer" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_537c7b90-b073-41d5-ba6d-b4ed863e3284"> <corr resp="writer">der</corr> <sic resp="writer">dem</sic> </choice> wunderschönen Reise. Hast Du denn je die Fahrt über <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_9fa63a37-9b6d-457f-b44e-63759fddda04">Namur<settlement key="STM0104943" style="hidden" type="locality">Namur</settlement><country style="hidden">Belgien</country></placeName></hi>, <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_cf97a5d4-69fe-472d-ba5a-f31bed90e3b7">Huy<settlement key="STM0105020" style="hidden" type="locality">Huy</settlement><country style="hidden">Belgien</country></placeName></hi> und <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_ae6f99bc-504f-4772-b801-1ea8d80098c1">Lüttich<settlement key="STM0100642" style="hidden" type="locality">Lüttich</settlement><country style="hidden">Belgien</country></placeName></hi> gemacht, das ist ja des Amüsanteste, was es giebt, die ewige Abwechselung, bald an der Maas<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_34b11f56-710c-4908-a341-36672895246c" xml:lang="de">Maas – circa 874 Kilometer langer Nebenfluss des Rheins, der durch Frankreich, Belgien und die Niederlande fließt.</note>, bald an Felsen mit dickem Epheu, dann wieder schöne Landhäuser und Dampfwagen, mit einem Male eine prächtige Allee – aber ich glaube, Du kennst das Alles, und bist als Weltreisender über meinen belgischen Enthusiasmus erhaben. <persName xml:id="persName_1c9d8de3-c413-459a-8edc-277b50555e06">Dirichlet<name key="PSN0110672" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Johann Peter Gustav (1805-1859)</name></persName> war sehr glücklich, einmal wieder französisch ge<gap quantity="5" reason="covering" unit="characters"></gap> und Politik reden zu können; und da habe ich ihm zu Gefallen gern das Opfer gebracht, mich noch länger von meinem geliebten <persName xml:id="persName_d56d5802-3c0d-409e-8072-708a32dbf772">Walterchen<name key="PSN0110666" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Abraham Walter (1833-1887)</name></persName> zu trennen. Ich habe ihn sehr verändert gefunden, gewachsen, stark geworden, und namentlich in der Sprache entwickelt. Er spricht jetzt ganz wie ein denkendes Menschchen. Dich kennt er noch sehr gut, er erzählt: wenn Onkel Felix der Hafer nicht schmeckt, so sage ich, spuck aus, aber nicht mehr, puck aus, er schleibt auch nicht, sondern er schreibt Noten, und trägt auch Hosen<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_985b5d7c-7e71-48ba-a062-b7445754516d" xml:lang="de">Walterchen … trägt auch Hosen – In der Biedermeierzeit trugen kleine Jungen meist kittelartige Kleidchen als Kinderhabit. Das Tragen von Hosen galt als ein Zeichen dafür, dass ein Knabe dem Kleinkindalter entwachsen war.</note>. Gar zu lieb hat er mich empfangen, wir kamen Morgens um 4 an<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_3e217423-4b8c-4c7c-b620-e70a55a11625" xml:lang="de">wir kamen Morgens um 4 an – Ihre Seereise beendete Rebecka Lejeune Dirichlet wahrscheinlich am 4. September 1835 mit der Rückkehr in das Haus ihrer Schwiegereltern in Aachen.</note>, er schlief noch, hörte aber meine Stimme und sagte mitten im Schlafe ganz zärtlich Mama und ich trieb mich von ihm fort, damit er weiter schlafen sollte, er war aber schon wach geworden, und fing an zu weinen, Mama geht wieder fort; als sie ihn nun zu mir<seg type="pagebreak"> |3|<pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg> brachten, stürzte er förmlich auf mich los, drückte sich fest an mich an, und lag wohl eine Viertelstunde ganz still, ich konnte kein ander Wörtchen von ihm herausbringen, als zuweilen: lieber Mama. <persName xml:id="persName_3dc7b6d6-ff35-4a33-a453-0acb0f1f14e4">Großmama Dirichlet<name key="PSN0110667" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Anna Elisabeth (1768-1868)</name></persName> hat übrigens Deiner Erziehung gut vorgearbeitet, das Kind ist wirklich so artig und folgsam, wie man sichs nur wünschen kann.</p> <p>Unsre ungefähren Reisepläne sind folgende: Bis Mitte des Monats bleiben wir hier, da <persName xml:id="persName_b88af198-3e24-4eca-8b4d-6a7cea056ba8">der Alte<name key="PSN0110671" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Johann Arnold Remaklus Maria (1762-1837)</name></persName> nicht reisefähig ist, und <persName xml:id="persName_f862e8bf-f7c0-4b2b-85b8-ac7cdfe3486f">die Mama<name key="PSN0110667" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Anna Elisabeth (1768-1868)</name></persName> ihn nicht alleine lassen will, leben ganz in einem Käse zurückgezogen, die einzige die ich hier sehe, ist <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_81402d48-402a-493c-a5c9-0eb1229e8e6f">Sophie Woringen<name key="PSN0115883" style="hidden" type="person">Woringen, Sophie von (1808-?)</name></persName></hi>, die aber schon <date cert="high" when="1835-09-10" xml:id="date_fce0d0cd-05ff-46d3-a170-45325ee9ff76">Donnerstag</date> wieder fortgeht. Dann gehen wir über <placeName xml:id="placeName_741fa576-02ec-4f90-aaf6-4ce4ca3dff01"><hi rend="latintype">Düsseld</hi>.<settlement key="STM0100109" style="hidden" type="locality">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> nach <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_cd0f245b-21d2-470e-abd5-3b596f190c4c">Godesberg<settlement key="STM0104565" style="hidden" type="locality">Godesberg</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName></hi> mit <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_68816aa8-943a-49d2-90c7-54e378ed8717">Woringens<name key="PSN0115873" style="hidden" type="person">Woringen, Familie von → Georgius Otto Philippus von W. (-)</name></persName></hi>, unter deren Obhut ich bleibe, während <persName xml:id="persName_85eb473f-dbd9-4f54-b542-dd3337ae971b"><hi rend="latintype">Dir</hi>.<name key="PSN0110672" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Johann Peter Gustav (1805-1859)</name></persName> zu seiner Gesundheit eine kleine Fußreise macht; ich hoffe, das wird ihm wohltätiger seyn, als das Seebad. Anfangs October fangen wir an, zurückzureisen, bleiben in <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_f45817f6-b546-4b84-a0a1-07f9e8fec22f">Horchheim<settlement key="STM0100149" style="hidden" type="locality">Horchheim</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName></hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_0cba0170-d931-461b-b313-ed7fddbbfce9" xml:lang="de">Horchheim – In Horchheim besaß Joseph Mendelssohn seit 1818 ein Weingut. Seine Familie verbrachte dort alljährlich die Spätsommer und die Zeit der Weinlese. Siehe dazu Baur, Felix Mendelssohn Bartholdy, S. 221-236.</note> und <placeName xml:id="placeName_5127c267-c5b0-450f-abcb-3f83eed6ca3f">Frankf.<settlement key="STM0100204" style="hidden" type="locality">Frankfurt a. M.</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> ein Paar Tage, wozu ich Dich sehr bitte, wenn Du etwa <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_04931096-3afe-4fb9-b1ee-4bd83b643d01">Schelble<name key="PSN0114524" style="hidden" type="person">Schelble, Johann Nepomuk (1789-1837)</name></persName></hi> schreibst, ihm meine Person, und sein Versprechen, mich den <placeName xml:id="placeName_433c9d59-7c60-4953-9d2f-6f24be1610a3">Cäcilienverein<name key="NST0100338" style="hidden" subtype="" type="institution">Cäcilienverein</name><settlement key="STM0100204" style="hidden" type="locality">Frankfurt a. M.</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> hören zu lassen, ins Gedächtniß zurückzurufen; sage ihm auch, wie ich hieße, denn ich habe ihm versprochen, vorher zu schreiben, ehe wir kommen, dann könnte es leicht seyn, daß er mich gar nicht als <hi rend="latintype">Dirichlet</hi> kennte. Und dann gehts zum geliebten <hi rend="latintype">Clown</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_b00bb11a-dcf6-48dd-8adc-faf5afe76fa0" xml:lang="de">Clown – Spitzname für Felix Mendelssohn Bartholdy.</note>. Denke Dir meine Courage, in <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_1f416205-59b9-448e-9c3d-580eea0a4910">Brüssel<settlement key="STM0100602" style="hidden" type="locality">Brüssel (Bruxelles)</settlement><country style="hidden">Belgien</country></placeName></hi>, wo Niemand von Euch zugegen war, habe ich Klavier gespielt und gesungen, mit der größten Insolenz<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_8510b863-0bfe-4e82-b723-e8d85aec4a4a" xml:lang="la ">Insolenz – bildungssprachlich, Anmaßung, Frechheit; von lat. insolentia.</note>, vom Blatt, auswendig, und was einer will. Meine <persName xml:id="persName_82e587bc-70cf-4f99-870e-8ef2c06f8ca5">Schwiegermutter<name key="PSN0110667" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Anna Elisabeth (1768-1868)</name></persName> hat die Aufmerksamkeit gehabt, ein<seg type="pagebreak"> |4|<pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg> zwar schlechtes, aber doch ein Klavier für mich anzuschaffen, da will ich denn, sobald <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_a0096cb9-f83a-4f3e-8fc4-6273d49e33e9">Sophie<name key="PSN0115883" style="hidden" type="person">Woringen, Sophie von (1808-?)</name></persName></hi> fort ist, die mich zu Nichts kommen läßt, <title xml:id="title_ced5f9af-32e0-4db6-be51-f05249522059">Deine Lieder<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_ep7tdf07-sbzc-dha3-bhj6-y5wq40xcdk7e"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="collective_sources" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="collective_prints" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100625" style="hidden">Sechs Lieder ohne Worte für Klavier, 2. Heft, 1835; enthält MWV U 103, U 77, U 104, U 98, U 97 und U 110<idno type="MWV">SD 9</idno><idno type="op">30</idno></name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_766ce10d-18ee-4e4b-90dc-1387f3a222ba" xml:lang="de">Deine Lieder – Die Sechs Lieder ohne Worte für Klavier, 2. Heft, op. 30 (MWV SD 9), waren am 1. Mai 1835 im Verlag N. Simrock in Bonn im Druck erschienen (PN 3204).</note> fleißig üben, und die <title xml:id="title_0153f39b-9275-47fe-a6ec-3328dde3b831">Meeresstille<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_6iotm2j5-m68c-ysip-9pgr-gw96t2jwjhym"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="overtures_and_other_orchestral_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100361" style="hidden">Konzert-Ouvertüre Nr. 3 Meeresstille und glückliche Fahrt D-Dur, [Februar bis September 1828]; Umarbeitung 1833/1834<idno type="MWV">P 5</idno><idno type="op">27</idno></name></title>. Adieu mein Herz, nun will ich noch <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_616fa1b2-8628-462c-aab0-26db53969830">Woringens<name key="PSN0115873" style="hidden" type="person">Woringen, Familie von → Georgius Otto Philippus von W. (-)</name></persName></hi> schreiben<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_e5aeba36-78e5-436e-9a37-0dfd8d70bc20" xml:lang="de">nun will ich noch Woringens schreiben – Briefe von Rebecka Lejeune Dirichlet an die Familie von Woringen sind nicht überliefert.</note>, <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_2d89cb13-bf93-4b1f-8c91-2be99a82c242">Ferdinand<name key="PSN0115884" style="hidden" type="person">Woringen, Theodor Franz Ferdinand von (1798-1851)</name></persName></hi> ist vom Pferde gefallen und hat sich die Schulter verrenkt, trägt den Arm in der Binde, es ist aber mehr interessant als gefährlich. <seg type="closer">Adieu</seg>.</p> </div> </body> </text></TEI>