gb-1835-08-15-01
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Boulogne-sur-mer, 15. August 1835
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext, S. 1 oben links Blindprägung, rechts oberhalb des Brieftexts Jahresangabe von fremder Hand: »35«.
Fanny Hensel
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Boulogne s. m.
comfortable Tage zugebracht , mit schlechtem Wetter (bei Sturm und Regen haben wir unsere Seebäder angefangen) Wirtshausverdrießlichkeiten , temps 400 Verwundete, ein gestürmtes Schloß, und eine so schreckliche Schilderung , daß wir herzlich froh waren, Euren Brief vorher gelesen zu haben. Die Örtlichkeiten übrigens ganz richtig angegeben. Ich hoffe, Ihr werdet uns nicht lange ohne Nachricht lassen. Aus
schen Hause, und es war mir interessant und schmerzlich die dort vorwaltenden Meinungen zu hören. So wie ein Jeder der Verwundeten empfindlich und persönlich im eigentlichsten Sinn getroffen war, so suchte er auch leider die öffentliche Sache zu einer persönlichen zu machen. Es schien mir sehr unklug in einem Augenblick, wo alle Feinde der Regierung außerordentliche Maaßregeln erwarteten, dieselben wirklich eintreten zu lassen, und ich glaube es wäre grandioser und klüger zugleich gewesen, der Gerechtigkeit ihren Lauf zu lassen, und nicht die Presse in einem Augenblick zu unterdrücken, wo sie doch nicht unmittelbar gefehlt hatte. England existirt doch mit größeren Freiheiten. Ueberhaupt geht das Verbieten und Regieren hier in manchen Punkten so weit, wie nur irgend inBroglie
, um eine Spatzierfahrt auf dem Meere zu machen, 2 Erlaubnißscheine haben, ja es gehört eine besondere Erlaubniß dazu, sich einen Eimer Meerwasser holen zu lassen, wie ich vonBoulogne
weiß, welche sich an die Behörde wenden muß, um ihremMrs. Austin
, die Du wahrscheinlich noch als Kind gesehn hast, ist ein sehr nettes Mädchen geworden, weiß griechisch und latein, und spricht allerliebst deutsch und französisch. Obwohl wir uns einige Tage lang sehr haben herumquälen müssen, bin ich doch froh, daß wir uns selbst die Wohnung ausgesucht haben, schwerlich hätte Jemand anders die Lage so unsern Wünschen gemäß aufgefunden. Wir haben Hafen und Meer dicht vor der Thür, alle aus- und einlaufende Dampfschiffe und zahlreiche Fahrzeuge aller Art müssen bei uns vorüber, die englische weiße Küste, und die schwarzen Thürme vonLucy
Mme. Beer
Salonzu gehn, und dort nach einer Zeitung zu angeln, erheben wir uns selten, dazu muß man sich erst putzen. Wo ist unser Pariser
vis a visLesecabinet, wo man für 2
soustäglich jede politische Meinung auf seiner Stube erfahren konnte!
etc. Die Briefe, die sie über 3 geschrieben hat, will ich essen, nach dem Bade, wo ich Alles vertilge. Dagegen hat
troubleimmer Zeit zu langen Briefen an Euch gefunden , ebenso gut hätte
déja un lumiere moi(soll heißen: noch ein Licht für mich.) Wirklich kam auch einen Augenblick drauf der Bediente, und brachte einen großen Topf heiß Wasser. Meiner Frau Schwägerin
Frankf.
Boulogne s. m. 15ten Aug. Dir liebes Felixchen, der Du ein halbes Meerthierchen, und ein halber Engländer bist, will ich vom Meer aus, und im Angesicht Englands zuerst schreiben. Wir haben ein Paar sehr uncomfortable Tage zugebracht, mit schlechtem Wetter (bei Sturm und Regen haben wir unsere Seebäder angefangen) Wirtshausverdrießlichkeiten, Hensel mit Magenkrampf, und wir Alle mit Angst um Euch, denn erst gestern, den 14ten, habe ich beide Briefe aus Berlin vom 2ten und 4ten zugleich erhalten, was mir unbegreiflich ist. Richte Dich danach lieber Felix, wenn wir uns wegen der Rückreise bereden, auf 10-12 Tage mußt Du rechnen. Gott sey Dank, daß die Eltern glücklich wieder angekommen sind, sage mir doch lieber Felix, ein Wort über Vaters Augen, auf welchem Punkt die jetzt stehn. Was ihr uns über Berliner Unruhen schreibt, hat uns in das höchste Erstaunen versetzt, indessen hoff ich, daß sie ohne Folgen werden geblieben seyn, wo weder politische noch religiöse Beweggründe da sind, kann man wol nichts Ersthaftes fürchten. Wir liefen gleich hinüber in das Badeetablissement, den einzigen Ort wo man Zeitungen lesen kann, wenn man so glücklich ist, welche zu erwischen, und fanden wirklich im temps 400 Verwundete, ein gestürmtes Schloß, und eine so schreckliche Schilderung, daß wir herzlich froh waren, Euren Brief vorher gelesen zu haben. Die Örtlichkeiten übrigens ganz richtig angegeben. Ich hoffe, Ihr werdet uns nicht lange ohne Nachricht lassen. Aus Paris hab ich am 29ten, sobald die Post ging geschrieben, am 28ten war alles schon geschlossen, als wir zu Haus kamen, ich habe aber nicht berechnet, daß die Nachricht durch Couriere viel schneller hinkommen würde. 8 Tage nach dem 28ten haben wir den Leichenzug gesehn, der durch ein junges Mädchen eröffnet, und durch einen Marschall von Frankreich geschlossen, ungemein rührend und eigenthümlich war. Die ungeheueren Militairmassen und die aufgefahrnen Kanonen erinnerten auf traurige Weise an den Ursprung dieser Feierlichkeit, und an die stets vorhandenen Befürchtungen. Ich möchte wol hören, was Ihr in Berlin über das Preßgesetz streitet, ich fürchte sehr, sie richten sich damit zu Grunde. Wir waren in jenen entscheidenden Tagen fast täglich im Broglieschen Hause, und es war mir interessant und schmerzlich die dort vorwaltenden Meinungen zu hören. So wie ein Jeder der Verwundeten empfindlich und persönlich im eigentlichsten Sinn getroffen war, so suchte er auch leider die öffentliche Sache zu einer persönlichen zu machen. Es schien mir sehr unklug in einem Augenblick, wo alle Feinde der Regierung außerordentliche Maaßregeln erwarteten, dieselben wirklich eintreten zu lassen, und ich glaube es wäre grandioser und klüger zugleich gewesen, der Gerechtigkeit ihren Lauf zu lassen, und nicht die Presse in einem Augenblick zu unterdrücken, wo sie doch nicht unmittelbar gefehlt hatte. England existirt doch mit größeren Freiheiten. Ueberhaupt geht das Verbieten und Regieren hier in manchen Punkten so weit, wie nur irgend in einem absoluten Staaten. Zum Beispiel muß man hier in Boulogne, um eine Spatzierfahrt auf dem Meere zu machen, 2 Erlaubnißscheine haben, ja es gehört eine besondere Erlaubniß dazu, sich einen Eimer Meerwasser holen zu lassen, wie ich von Mrs. Austin weiß, welche sich an die Behörde wenden muß, um ihrem Mann im Hause Seebäder machen zu dürfen. Die ist nun ganz außer sich über diese Quälereien. Leider ist sie in diesem Augenblick ganz und gar beschäftigt mit ihrer Einrichtung, ich hoffe sie mehr zu sehn, wenn sie fertig seyn wird, sie ist uns sehr freundlich, und gefällt mir ihres ernsten tüchtigen Wesens wegen ungemein. Lucy, die Du wahrscheinlich noch als Kind gesehn hast, ist ein sehr nettes Mädchen geworden, weiß griechisch und latein, und spricht allerliebst deutsch und französisch. Obwohl wir uns einige Tage lang sehr haben herumquälen müssen, bin ich doch froh, daß wir uns selbst die Wohnung ausgesucht haben, schwerlich hätte Jemand anders die Lage so unsern Wünschen gemäß aufgefunden. Wir haben Hafen und Meer dicht vor der Thür, alle aus- und einlaufende Dampfschiffe und zahlreiche Fahrzeuge aller Art müssen bei uns vorüber, die englische weiße Küste, und die schwarzen Thürme von Dover können wir mit bloßen Augen von unsern Fenstern aus sehn, und unmittelbar hinter dem Hause erhebt sich ein Berg, an dem die Stadt terassenförmig aufsteigt, und von wo aus man eine der schönsten Aussichten, die ich je sah. Bekannte haben wir gar nicht hier gefunden, daß Mme. Beer hier wäre, haben wir erst aus Eurem Brief erfahren, und sie gleich gestern Abend aufgesucht, aber nicht getroffen. Wir führen ganz im Gegensatz von Paris hier ein sehr ruhiges aber sehr gesundes einförmiges Leben. Baden, Spatzierengehn, Essen (ich vertilge viel engl. Käse) früh Schlafengehn, das sind unsre Beschäftigungen, wozu Du noch viel aus dem Fenster sehn, und vor der Thür sitzen rechnen mußt. Zu der Thätigkeit, in den Salon zu gehn, und dort nach einer Zeitung zu angeln, erheben wir uns selten, dazu muß man sich erst putzen. Wo ist unser Pariser vis a vis Lesecabinet, wo man für 2 sous täglich jede politische Meinung auf seiner Stube erfahren konnte! Luise ist göttlich, zu behaupten, sie habe 7. und wir 3mal geschrieben. Umgekehrt wird etc. Die Briefe, die sie über 3 geschrieben hat, will ich essen, nach dem Bade, wo ich Alles vertilge. Dagegen hat Minna gestern mit einiger Mühe 7 Briefe gerechnet, die sie seit Schöneberg geschrieben haben will. Mich würde immer der Vorwurf nicht treffen, denn ich habe in allem Pariser trouble immer Zeit zu langen Briefen an Euch gefunden, ebenso gut hätte Minna auch an ihre Mutter schreiben können. Sie ist aber zu beschäftigt mit ihren Fortschritten im französisch, von denen sie gestern eine eklatante Probe abgelegt hat. Sie kam ganz stolz aus der Küche, und sagte, das ganze Haus sey zusammen gekommen, sie zu verstehn, sie habe gesagt: déja un lumiere moi (soll heißen: noch ein Licht für mich. ) Wirklich kam auch einen Augenblick drauf der Bediente, und brachte einen großen Topf heiß Wasser. Meiner Frau Schwägerin Albertine laß ich auch ein schlechtes Compliment über ihre Faulheit machen, sie und Paul hätten mir wohl einmal schreiben können. Lieber Felix eben fällt mir ein, die Antwort auf diesen Brief ist das Letzte was ich hier erhalten werde, schreibe mir also umgehend, wenn Du es nicht schon früher gethan hast, ob und wo wir Dich treffen werden, die Einrichtung unsrer Rückreise hängt davon ab. Treffen wir Dich in Frankf. oder Leipzig, so nehmen wir bestimmt den Weg, wo nicht so gehn wir wahrscheinlich über Cassel. Ich sehe aus Mutters Zeilen, daß Benediks in Berlin ist, ist Jettchen mit ihrem Mann auch da? Kein Wort von Marianne. Grüßt sie und Alle herzlichst, lebt wohl, wie freue ich mich auf zu Hause! Liebe Mutter, wie sieht es in meiner Wohnung aus? Seb. ist sehr munter und badet wie ein Fischchen, er wollte selbst schreiben, darum habe ich nichts von ihm gesagt, aber nun hat er sich anders besonnen.
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Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1835-08-15" xml:id="date_b6aebea4-c4e6-47d7-9163-0988e8b4344c">15. 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Wir haben ein Paar sehr un<hi rend="latintype">comfortable</hi> Tage zugebracht<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_b8be32d0-8557-a9199-ddce4-bf6b072b5958" xml:lang="de">Wir haben ein Paar sehr uncomfortable Tage zugebracht – Fanny Hensel war mit ihrer Familie nach dem Niederrheinischen Musikfest in Köln und einem Zwischenaufenthalt in Düsseldorf am 21. Juni 1835 nach Paris gereist. Dort hielten sie sich ca. vom 25. Juni bis Anfang August auf. Die Hensels reisten anschließend nach Boulogne-sur-mer und verbrachten dort die Zeit vom 9. August bis zum 10. September 1835 (Klein, Briefe aus Paris, S. 9, und Hensel, Tagebücher, S. 66-68).</note>, mit schlechtem Wetter (bei Sturm und Regen haben wir unsere Seebäder angefangen) Wirtshausverdrießlichkeiten<note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_b1d87cf5-ac7e-02413-7c665-ae1ae94b34f0" xml:lang="de">Wirtshausverdrießlichkeiten – »s« nachträglich eingefügt.</note>, <persName xml:id="persName_4cbf38a5-d5ae-463f-af0f-41755ebca9b7">Hensel<name key="PSN0111899" style="hidden" type="person">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name></persName> mit Magenkrampf, und wir Alle mit Angst um Euch, denn erst <date cert="high" when="1835-08-14">gestern, den 14ten</date>, habe ich beide Briefe aus <placeName xml:id="placeName_91801fac-b738-4bd7-a01b-b4e6e7f1a613">Berlin<settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> vom <date cert="high" when="1835-08-02" xml:id="date_fcf183ca-8f49-4ffc-a4c3-80c34c13dbe9">2ten</date> und <date cert="high" when="1835-08-04" xml:id="date_401a3598-154f-4065-b547-b8cbbe64dd7f">4ten</date><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_a7ff7479-de4e-4379-ad6c-a0d3fe08bf60" xml:lang="de">beide Briefe aus Berlin vom 2ten und 4ten – Bekannt ist nur Brief fmb-1835-08-02-01 (Brief Nr. 1195) Felix Mendelssohn Bartholdy an Fanny Hensel in Paris, Berlin, 2. August 1835. Möglicherweise schrieben am 4. August 1835 die Eltern an Fanny Hensel. Ein Brief Felix Mendelssohn Bartholdys diesen Datums ist nicht bekannt.</note> zugleich erhalten, was mir unbegreiflich ist. Richte Dich danach lieber Felix, wenn wir uns wegen der Rückreise bereden, auf 10-12 Tage mußt Du rechnen. Gott sey Dank, daß die <persName xml:id="persName_22717974-1fa5-42d7-8a4a-e37f768f57fd">Eltern<name key="PSN0113247" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name><name key="PSN0113260" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> glücklich wieder angekommen sind<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_30d763b7-929c-40b2-9478-85b855016a97" xml:lang="de">daß die Eltern glücklich wieder angekommen sind – Nach dem 17. Niederrheinischen Musikfest in Köln zu Pfingsten (7. und 8. Juni) 1835, das Felix Mendelssohn Bartholdy geleitet hatte, verbrachten Abraham und Lea Mendelssohn Bartholdy noch einige Wochen in Düsseldorf. Ende Juni war die Mutter dort schwer erkrankt. Der Sohn Felix begleitete die Eltern auf der Rückreise bis nach Berlin. Die Mendelssohn Bartholdys trafen am Abend des 1. August 1835 dort wohlbehalten ein; vgl. Brief fmb-1835-08-02-02 (Brief Nr. 1196) Felix Mendelssohn Bartholdy an Rebecka Lejeune Dirichlet in Aachen, Berlin, 2. August 1835.</note>, sage mir doch lieber Felix, ein Wort über <persName xml:id="persName_ddb1f27d-1f59-4177-a423-14898a960191">Vaters<name key="PSN0113247" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> Augen<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_d08d9e16-3ff0-4efb-923d-cafe69866209" xml:lang="de">Vaters Augen – Abraham Mendelssohn Bartholdy litt aufgrund einer Diabetes-Erkrankung an einer starken Sehschwäche.</note>, auf welchem Punkt die jetzt stehn. Was ihr uns über <placeName xml:id="placeName_9ac7ec3d-f048-4940-aa19-29062c3679e2">Berlin<settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>er Unruhen schreibt, hat uns in das höchste Erstaunen versetzt, indessen hoff ich, daß sie ohne Folgen werden geblieben seyn, wo weder politische noch religiöse Beweggründe da sind, kann man wol nichts Ersthaftes fürchten. Wir liefen gleich hinüber in das Badeetablissement, den einzigen Ort wo man Zeitungen lesen kann, wenn man so glücklich ist, welche zu erwischen, und fanden wirklich im <hi rend="latintype"><title xml:id="title_0dd9b40c-ff6f-4834-ba80-4d79f8bac0a5">temps<name key="PSN0118477" style="hidden" type="author">Unbekannt</name><name key="CRT0112610" style="hidden" type="periodical">Le Temps. Journal des Progrès politiques, scientifiques, littéraires et industriels</name></title></hi> 400 Verwundete, ein gestürmtes Schloß, und eine so schreckliche Schilderung<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_b7063832-1602-46c3-b417-907d7f0bad87" xml:lang="de">über Berliner Unruhen … im temps … eine so schreckliche Schilderung – Am 3. August 1835 begann in Berlin die drei Tage andauernde sogenannte »Feuerwerksrevolution«. Trotz behördlichen Verbots zündeten Bürger am Geburtstag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. Feuerwerkskörper und Leuchtraketen, was Auseinandersetzungen mit dem Militär auslöste und zwei Todesopfer zur Folge hatte. Die französische Tageszeitung Le Temps. Journal des Progrès politiques, scientifiques, littéraires et industriels druckte die Nachricht über den Berliner Aufstand in Nr. 2125 vom 13. August 1835, [S. 2]. Link: <ref target="https://www.retronews.fr/journal/le-temps-1829-1842/13-aout-1835/1205/4361299/2" xml:id="ref_e041059f-840c-4bad-b3bd-609a19e0432c"></ref></note>, daß wir herzlich froh waren, Euren Brief vorher gelesen zu haben. Die Örtlichkeiten übrigens ganz richtig angegeben. Ich hoffe, Ihr werdet uns nicht lange ohne Nachricht lassen. Aus <placeName xml:id="placeName_3eee976b-7f71-4ae7-9480-9384e5627e75">Paris<settlement key="STM0100105" style="hidden" type="locality">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName> hab ich am<note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_eaae5470-f364-47bc-8d1b-fd1dde348562" xml:lang="de">am – nachträglich am Beginn der Zeile eingefügt.</note> <date cert="high" when="1835-07-29" xml:id="date_fc9914d0-e4c5-48ca-8af2-85ede761d46b">29ten</date>, sobald die Post ging geschrieben<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_70dae0a1-711c-4323-8c41-e4e979163f44" xml:lang="de">Aus Paris hab ich am 29ten … geschrieben – Am 29. Juli 1835 schrieb Fanny Hensel einen an den Vater Abraham in Düsseldorf adressierten kurzen Brief, in dem sie das Attentat auf den französischen König Louis-Philippe am 28. Juli während der Feierlichkeiten zu den Jahrestagen der Julirevolution 1830 thematisierte (D-B, Musikabteilung, MA Depos. 3,2,50. Druck: Klein, Briefe aus Paris, S. 49 f.). Der Monarch wurde dabei nur leicht verletzt, seine Angehörigen blieben unverletzt.</note>, am <date cert="high" when="1835-07-28" xml:id="date_f5bd3699-d00a-4a68-908d-8009c896a9f1">28ten</date> war alles schon geschlossen, als wir zu Haus kamen, ich habe aber nicht berechnet, daß die Nachricht durch Couriere viel schneller hinkommen würde. 8 Tage nach dem <date cert="high" when="1835-07-28" xml:id="date_95cd0c27-2978-4060-a113-09fc7e5f292f">28ten</date> haben wir den Leichenzug gesehn,<seg type="pagebreak"> |2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> der durch ein junges Mädchen eröffnet, und durch einen Marschall von Frankreich geschlossen, ungemein rührend und eigenthümlich war. Die ungeheueren Militairmassen und die aufgefahrnen Kanonen erinnerten auf traurige Weise an den Ursprung dieser Feierlichkeit, und an die stets vorhandenen Befürchtungen. Ich möchte wol hören, was Ihr in <placeName xml:id="placeName_fb213492-9b08-4a92-b339-2ca6aac4be48">Berlin<settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> über das Preßgesetz<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_336fde88-8f68-4dda-9c92-c6f7274ff072" xml:lang="de">das Preßgesetz – Am 9. September 1835 trat infolge des Attentats vom 28. Juli in Frankreich ein Zensurgesetz in Kraft, zudem wurden die Strafen für Pressevergehen erhöht. Die sogenannten »Septembergesetze« wurden 1848 außer Kraft gesetzt.</note> streitet, ich fürchte sehr, sie richten sich damit zu Grunde. Wir waren in jenen entscheidenden Tagen fast täglich im <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_9eb57aa3-b463-44fe-b2fc-88c4bbe0a7e6">Broglie<name key="PSN0110144" style="hidden" type="person">Broglie, Achille-Charles-Léonce-Victor 3e Duc de (1785-1870)</name></persName></hi>schen Hause, und es war mir interessant und schmerzlich die dort vorwaltenden Meinungen zu hören. So wie ein Jeder der Verwundeten empfindlich und persönlich im eigentlichsten Sinn getroffen war, so suchte er auch leider die öffentliche Sache zu einer persönlichen zu machen. Es schien mir sehr unklug in einem Augenblick, wo alle Feinde der Regierung außerordentliche Maaßregeln erwarteten, dieselben wirklich eintreten zu lassen, und ich glaube es wäre grandioser und klüger zugleich gewesen, der Gerechtigkeit ihren Lauf zu lassen, und nicht die Presse in einem Augenblick zu unterdrücken, wo sie doch nicht unmittelbar gefehlt hatte. England existirt doch mit größeren Freiheiten. Ueberhaupt geht das Verbieten und Regieren hier in manchen Punkten so weit, wie nur irgend in <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_a079e7b3-01ac-4416-9e4b-61fbc00107f8">einem</del> absoluten Staaten. Zum Beispiel muß man hier in <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_58249aaa-40bb-435c-83f8-949fa74f9e7d">Boulogne<settlement key="STM0100600" style="hidden" type="locality">Boulogne-sur-mer</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName></hi>, um eine Spatzierfahrt auf dem Meere zu machen, 2 Erlaubnißscheine haben, ja es gehört eine besondere Erlaubniß dazu, sich einen Eimer Meerwasser holen zu lassen, wie ich von <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_f0bec919-ea4b-4532-b4a7-cbad8bf268d9">Mrs. Austin<name key="PSN0109592" style="hidden" type="person">Austin, Sarah (1793-1867)</name></persName></hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_b99c3e63-20cb-4e36-97e8-e34491a85cbc" xml:lang="de">Mrs. Austin – Die englische Schriftstellerin Sarah Austin wird in Fanny Hensels Briefen und Tagebucheintragungen aus Boulogne-sur-mer mehrfach erwähnt; siehe Klein, Briefe aus Paris, S. 56-61, und Hensel, Tagbücher, S. 66 f.</note> weiß, welche sich an die Behörde wenden muß, um ihrem <persName xml:id="persName_3f290628-5c98-4ef8-82fe-56d538d7baba">Mann<name key="PSN0109590" style="hidden" type="person">Austin, John (1790-1859)</name></persName> im Hause Seebäder machen zu dürfen. Die ist nun ganz außer sich über diese Quälereien. Leider ist sie in diesem Augenblick ganz und gar beschäftigt mit ihrer Einrichtung,<seg type="pagebreak"> |3|<pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg> ich hoffe sie mehr zu sehn, wenn sie fertig seyn wird, sie ist uns sehr freundlich, und gefällt mir ihres ernsten tüchtigen Wesens wegen ungemein. <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_ec18407c-45b3-47c6-8b52-b943da441a51">Lucy<name key="PSN0109591" style="hidden" type="person">Austin, Lucie (1821-1869)</name></persName></hi>, die Du wahrscheinlich noch als Kind gesehn hast, ist ein sehr nettes Mädchen geworden, weiß griechisch und latein, und spricht allerliebst deutsch und französisch. Obwohl wir uns einige Tage lang sehr haben herumquälen müssen, bin ich doch froh, daß wir uns selbst die Wohnung ausgesucht haben, schwerlich hätte Jemand anders die Lage so unsern Wünschen gemäß aufgefunden. Wir haben Hafen und Meer dicht vor der Thür, alle aus- und einlaufende Dampfschiffe und zahlreiche Fahrzeuge aller Art müssen bei uns vorüber, die englische weiße Küste, und die schwarzen<note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_f977b579-4c38-4121-9238-2045894d8ca3" xml:lang="de">schwarzen – »n« nachträglich angefügt.</note> Thürme von <placeName xml:id="placeName_1744a5f1-7080-464d-b886-c716cf845ac2">Dover<settlement key="STM0103874" style="hidden" type="locality">Dover</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName> können wir mit bloßen Augen von unsern Fenstern aus sehn, und unmittelbar hinter dem Hause erhebt sich ein Berg, an dem die Stadt terassenförmig aufsteigt, und von wo aus man eine der schönsten Aussichten, die ich je sah. Bekannte haben wir gar nicht hier gefunden, daß <persName xml:id="persName_e1b01023-946b-4e9c-ba3a-945026a63eea"><hi rend="latintype">Mme</hi>. Beer<name key="PSN0109770" style="hidden" type="person">Beer, Rebecka (Betty) (1793-1850)</name></persName> hier wäre, haben wir erst aus Eurem Brief erfahren, und sie gleich <date cert="high" when="1835-08-14" xml:id="date_d232db74-d586-4ebb-b9f5-5e103518fc98">gestern Abend</date> aufgesucht, aber nicht getroffen. Wir führen ganz im Gegensatz von <placeName xml:id="placeName_5eb3e3d2-1d3d-45cd-abac-e57983195d6d">Paris<settlement key="STM0100105" style="hidden" type="locality">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName> hier ein sehr ruhiges aber sehr gesundes einförmiges Leben. Baden, Spatzierengehn, Essen (ich vertilge viel engl. Käse) früh Schlafengehn, das sind unsre Beschäftigungen, wozu Du noch viel aus dem Fenster sehn, und vor der Thür sitzen rechnen mußt. Zu der Thätigkeit, in den <hi rend="latintype">Salon</hi> zu gehn, und dort nach einer Zeitung zu angeln, erheben wir uns selten, dazu muß man sich erst putzen. Wo ist unser Pariser <hi rend="latintype">vis a vis</hi> Lesecabinet, wo man für 2 <hi rend="latintype">sous</hi> täglich jede politische Meinung auf seiner Stube erfahren konnte!<seg type="pagebreak"> |4|<pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg> <persName xml:id="persName_973c6f6b-e3d4-445a-b3cf-881a7ad30582">Luise<name key="PSN0111896" style="hidden" type="person">Hensel, Louisa Aloysia Maria (Luise) (1798-1876)</name></persName> ist göttlich, zu behaupten, sie habe 7. und wir 3mal geschrieben<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_b99df383-0948-4716-b691-d6062afaac53" xml:lang="de">Luise ist göttlich, zu behaupten, sie habe 7. und wir 3mal geschrieben – Diese Information über Luise Hensel stand möglicherweise im o. g. Brief der Eltern vom 4. August 1835; vgl. Kommentar zu Z.: beide Briefe aus Berlin vom 2ten und 4ten.</note>. Umgekehrt wird <hi rend="latintype">etc</hi>. Die Briefe, die sie über 3 geschrieben hat, will ich essen, nach dem Bade, wo ich Alles vertilge. Dagegen hat <persName xml:id="persName_5b327309-bd95-4287-9422-1efbdc55947a">Minna<name key="PSN0111900" style="hidden" type="person">Hensel, Wilhelmine (Minna) (1802-1893)</name></persName> <date cert="high" when="1835-08-14" xml:id="date_580166a2-c5eb-4086-b55e-30347600afe9">gestern</date> mit einiger Mühe 7 Briefe gerechnet, die sie seit <placeName xml:id="placeName_0bbc2d19-4128-496a-97fb-ceb39409a148">Schöneberg<settlement key="STM0104956" style="hidden" type="area">Schöneberg</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> geschrieben haben will. Mich würde immer der Vorwurf nicht treffen, denn ich habe in allem <placeName xml:id="placeName_0790cf9a-17ff-42da-823f-43875c1b55f1">Paris<settlement key="STM0100105" style="hidden" type="locality">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName>er <hi rend="latintype">trouble</hi> immer Zeit zu langen Briefen an Euch gefunden<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_61e48b3a-ef8b-4726-89c1-75e0fc5fe06a" xml:lang="de">in allem Pariser trouble immer Zeit zu langen Briefen an Euch gefunden – Die Briefe an die Familie in Berlin sind abgedruckt in Klein, Briefe aus Paris, passim.</note>, ebenso gut hätte <persName xml:id="persName_6f1c42cc-7ec1-4a32-827f-00d41e07d11d">Minna<name key="PSN0111900" style="hidden" type="person">Hensel, Wilhelmine (Minna) (1802-1893)</name></persName> auch an ihre <persName xml:id="persName_e4834119-c18d-4f92-b7f5-dae36e128725">Mutter<name key="PSN0111895" style="hidden" type="person">Hensel, Johanne Albertine Louise (1764-1835)</name></persName> schreiben können. Sie ist aber zu beschäftigt mit ihren Fortschritten im französisch, von denen sie <date cert="high" when="1835-08-14" xml:id="date_73f0a0db-da89-4ffd-bbb6-b626395d03e3">gestern</date> eine eklatante Probe abgelegt hat. Sie kam ganz stolz aus der Küche, und sagte, das ganze Haus sey zusammen gekommen, sie zu verstehn, sie habe gesagt: <hi rend="latintype">déja un lumiere moi</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_3a95754d-a682-439b-ae2d-36e5fc191d36" xml:lang="fr ">déja un lumiere moi – frz., schon ein Licht mir.</note> (soll heißen: noch ein Licht für mich.) Wirklich kam auch einen Augenblick drauf der Bediente, und brachte einen großen Topf heiß Wasser. Meiner Frau Schwägerin <persName xml:id="persName_44f2fa04-c447-4892-ae70-90d68342fab2">Albertine<name key="PSN0113264" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy, Pauline Louise Albertine (1814-1879)</name></persName><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_6dcf71e5-7caf-40f1-a485-41774ba0a681" xml:lang="de">Meiner Frau Schwägerin Albertine – Albertine Mendelssohn Bartholdy war seit dem 27. Mai 1835 mit Fanny Hensels Bruder Paul verheiratet.</note> laß ich auch ein schlechtes Compliment über ihre Faulheit machen, sie und <persName xml:id="persName_38561658-b2ee-4baa-9600-7c82d1cdd4d9">Paul<name key="PSN0113263" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name></persName> hätten mir wohl einmal schreiben können. Lieber Felix eben fällt mir ein, die Antwort auf diesen Brief ist das Letzte was ich hier erhalten werde, schreibe mir also umgehend, wenn Du es nicht schon früher gethan hast, ob und wo wir Dich treffen werden, die Einrichtung unsrer Rückreise hängt davon ab. Treffen wir Dich in <placeName xml:id="placeName_3dd4b83b-f125-4466-baae-8f841c200028"><hi rend="latintype">Frankf</hi>.<settlement key="STM0100204" style="hidden" type="locality">Frankfurt a. M.</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> oder <placeName xml:id="placeName_60e58513-e096-406d-b574-96c7dd8b2db9">Leipzig<settlement key="STM0100116" style="hidden" type="locality">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, so nehmen wir bestimmt den Weg, wo nicht so gehn wir wahrscheinlich über <placeName xml:id="placeName_80340810-b0c3-4fb1-a416-dbfcb61b950a">Cassel<settlement key="STM0100115" style="hidden" type="locality">Kassel</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>. Ich sehe aus <persName xml:id="persName_d54ce417-0fef-4369-848c-9034033332a7">Mutters<name key="PSN0113260" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> Zeilen<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_1d466940-0f9e-4c60-911a-6e53467a83d5" xml:lang="de">Mutters Zeilen – ein Briefteil Lea Mendelssohn Bartholdys im o. g. Brief der Eltern vom 4. August 1835; vgl. Kommentar zu Z.: beide Briefe aus Berlin vom 2ten und 4ten.</note>, daß <persName xml:id="persName_ab5022df-071e-4b50-9ce3-afe35981a6ed">Benediks<name key="PSN0109845" style="hidden" type="person">Benedicks, Wilhelm (1780-1851)</name></persName> in <placeName xml:id="placeName_ffc4abf6-c483-4f64-8601-d8fe56bd3bef">Berlin<settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> ist, ist <persName xml:id="persName_778b0d4a-2997-42b5-877d-a03410cb956a">Jettchen<name key="PSN0109841" style="hidden" type="person">Benedicks, Henriette (Jettchen) (1786-1855)</name></persName> mit ihrem <persName xml:id="persName_422eb12f-1e37-4ef7-ad5b-cdc2e3e1e592">Mann<name key="PSN0109844" style="hidden" type="person">Benedicks, Michael (1768-1845)</name></persName> auch da? Kein Wort von <persName xml:id="persName_cdd8362a-ecc4-4fe4-acd7-ba43eb74233b">Marianne<name key="PSN0113230" style="hidden" type="person">Mendelssohn, Marianne (1799-1880)</name></persName>. <seg type="closer">Grüßt sie und Alle herzlichst, lebt wohl, wie freue ich mich auf zu Hause! Liebe Mutter, wie sieht es in meiner Wohnung<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_8ca1c3f7-287d-4824-8444-d6a7a0d26fad" xml:lang="de">meiner Wohnung – Fanny Hensel wohnte seit 1831 im linken Teil des Gartentrakts des Hauses der Familie Mendelssohn in der Leipziger Str. 3 in Berlin (vgl. Klein, Das verborgene Band, S. 133).</note> aus?</seg></p> <p><seg type="pagebreak">|1|<pb n="1" type="pagebreak"></pb></seg> <add place="top"><persName xml:id="persName_09cc00ec-81c4-410a-9546-ec52846e2e04">Seb.<name key="PSN0111898" style="hidden" type="person">Hensel, Sebastian Ludwig Felix (1830-1898)</name></persName> ist sehr munter und badet wie ein Fischchen, er wollte selbst schreiben, darum habe ich nichts von ihm gesagt, aber<name key="PSN0111893" resp="writers_hand" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805–1847)</name></add> <add place="margin">nun hat er sich anders besonnen.<name key="PSN0111893" resp="writers_hand" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805–1847)</name></add> </p> </div> </body> </text></TEI>