]> Brief: gb-1835-04-10-01

gb-1835-04-10-01

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Rebecka Lejeune Dirichlet an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf <lb></lb>Berlin, 10. April 1835 Ich war schon wieder unzufrieden mit meinem letzten Briefe, und wollte mich gestern an Vater anhängen, das schöne Wetter und Verführung lockten mich aber ins Freie, eine von den wenigen Verführungen, denen ich nie widerstehen Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) Felix Mendelssohn Bartholdy an Rebecka Lejeune Dirichlet in Berlin; Düsseldorf, 31. März und 2. April 1835 Felix Mendelssohn Bartholdy an Abraham Mendelssohn Bartholdy, Lea Mendelssohn Bartholdy, Rebecka Lejeune Dirichlet, Walter Lejeune Dirichlet, Fanny Hensel, Wilhelm Hensel, Sebastian Hensel und Wilhelmine Hensel in Koblenz; Köln, 31. Mai 1835 Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. 30/29. Autograph Rebecka Lejeune Dirichlet an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf; Berlin, 10. April 1835 Ich war schon wieder unzufrieden mit meinem letzten Briefe, und wollte mich gestern an Vater anhängen, das schöne Wetter und Verführung lockten mich aber ins Freie, eine von den wenigen Verführungen, denen ich nie widerstehen

1 Doppelbl.: S. 1-3 Brieftext; S. 4 Adresse, 2 Poststempel [BERLIN 6-7 / 10/4], [???], Siegel.

Rebecka Lejeune Dirichlet

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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

10. April 1835 Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)counter-resetDirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858) BerlinDeutschland Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) DüsseldorfDeutschland deutsch
Dem Herrn Musikdirektor Mendelssohn Bartholdy Düsseldorf. frei
Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858) Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858) Berlin den 10ten AprilBerlin den 10ten April – dahinter Jahresangabe »35.« von fremder Hand.

Ich war schon wieder unzufrieden mit meinem letzten Briefe <name key="PSN0110673" style="hidden" type="author">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858)</name> <name key="gb-1835-04-06-02" style="hidden" type="letter">Rebecka Lejeune Dirichlet an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf; Berlin, 6. April 1835</name> , und wollte mich gestern an VaterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) anhängengestern an Vater anhängen – Gemeint ist Brief gb-1835-04-08-01 Abraham Mendelssohn Bartholdy und Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 8. April 1835., das schöne Wetter und Verführung lockten mich aber ins Freie, die eine von den wenigen Verführungen, denen ich nie widerstehen kann, wenn mir in schönem Wetter Einer sagt, ich soll mit ihm ausgehen, dann mußte ich für WagnerWagner, Johann Daniel Lebrecht Franz (1810-1883) und PohlkePohlke, Karl Wilhelm (1810-1876) ein Briefchen an die SchlegelSchlegel, gesch. Veit, Dorothea Friederike (bis 1815 Brendel) (seit 1815) von (1764-1839) schreibenfür Wagner und Pohlke ein Briefchen an die Schlegel schreiben – Karl Wilhelm Pohlke, ein Malschüler Wilhelm Hensels, bei dem Rebecka Lejeune Dirichlet Zeichenunterricht nahm, reiste am 7. April 1835 zusammen mit dem Maler Johann Daniel Lebrecht Franz Wagner zur Kunstausstellung im Salon carré im Pariser Louvre. Offensichtlich planten beide einen Zwischenaufenthalt in Frankfurt a. M., wo Dorothea von Schlegel, die Tante Rebeckas, wohnte., zu Mittag ausessen, zu Abend lesen, und von da an ist der Tag mein. Heut bin ich eine Stunde früher aufgestanden, und habe WalterDirichlet (Lejeune Dirichlet), Abraham Walter (1833-1887) herübergeschickt, um zu versuchen ob ich eine ruhige Viertelstunde finden kann, Dir über meine nächsten Aussichten für die Zukunft, anders als in Verdruß über mein maniquirtes Pfingstprojectmein maniquirtes Pfingstproject – siehe dazu Brief gb-1835-04-06-02 Rebecka Lejeune Dirichlet an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 6. April 1835. zu schreiben. Das ist übrigens mit wenigen Worten abgethan, videvide – lat., siehe. VatersMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) letzten BriefVaters letzten Brief – In Brief gb-1835-04-08-01 Abraham Mendelssohn Bartholdy und Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 8. April 1835, hatte der Vater Abraham erwogen, zu Pfingsten 1835 zum 17. Niederrheinischen Musikfest nach Köln zu reisen., denn dessen Plänen müssen wir uns anschließen. Reis’t er nicht, so können wir ihn nicht mit gutem Gewissen länger als höchstens 14 Tage allein lassen, da meine vortreffliche Lunge ihm gute Dienste leistet, und wir die ElternMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842) diesen Winter daran gewöhnt haben, keinen Abend allein zu seyn, wir haben uns immer abgelös’t, wenn wir ausgebeten haben waren, wenn er aber reis’t, so möchten wir ihn auch gern wenigstens so lange begleiten, bis er bei Dir ist. Das ist alles sehr gut und schön, und meine verfluchte Schuldigkeit, aber zum Pfingstfest17. Niederrheinisches Musikfest (1835)KölnDeutschland wäre ich doch gar zu gern gekommen.

Gestern Abend habe ich mein Billet zur Passion<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685–1750)</name><name key="CRT0107794" style="hidden" type="music">Matthäus-Passion BWV 244</name> verschenktGestern Abend habe ich mein Billet zur Passion verschenkt – Johann Sebastian Bachs Matthäus-Passion BWV 244 erklang am 9. April 1835 in der Sing-Akademie (Martin Heinrich Karl Lichtenstein, Zur Geschichte der Sing-Akademie in Berlin. Nebst einer Nachricht über das Fest am funfzigsten Jahrestage ihrer Stiftung, Berlin 1843, S. XXIII)., und bin dafür ins TheaterKönigliches SchauspielhausBerlinDeutschland gegangen, wo ich mich sehr an SeydelmannsSeydelmann, Carl (1793-1843) Marinelli<name key="PSN0112804" style="hidden" type="author">Lessing, Gotthold Ephraim (1729–1781)</name><name key="CRT0109735" style="hidden" type="dramatic_work">Emilia Galotti</name> erbaut habeins Theater gegangen, wo ich mich sehr an Seydelmanns Marinelli erbaut habe – Am Donnerstag, dem 9. April 1835, stand Gotthold Ephraim Lessings Trauerspiel Emilia Galotti im Königlichen Schauspielhaus auf dem Programm. Hierin trat Carl Seydelmann in der Rolle des Kammerherrn Marinelli auf (Repertorium der Königl. deutschen und französischen Schauspiele, für das Jahr 1835, hrsg. von Ludwig Wolff, Berlin 1836, S. 23).. Wir hatten Plätze ganz vorn, so daß mir auch keine Miene, keine Geberde entging. Ich kann ihn mir |2| hier nach sehr gut als Mephisto<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749–1832)</name><name key="CRT0108814" style="hidden" type="dramatic_work">Faust. Der Tragödie erster Theil</name>Mephisto – die Figur des Mephistopheles in Johann Wolfgang von Goethes Tragödie Faust. Der Tragödie erster Theil. vorstellen, der Kerl hat etwas komplett dämonisches, in aller Abscheulichkeit anziehend. Den Nathan<name key="PSN0112804" style="hidden" type="author">Lessing, Gotthold Ephraim (1729–1781)</name><name key="CRT0109737" style="hidden" type="dramatic_work">Nathan der Weise</name> kann ich mir hingegen nicht von ihm denken, und bin daher desto gespannter daraufDen Nathan … bin daher desto gespannter darauf – Lessings dramatisches Gedicht Nathan der Weise mit Seydelmann in der Hauptrolle des Nathan stand am 16. April 1835 erstmals auf dem Programm des Königlichen Schauspielhauses (Repertorium der Königl. deutschen und französischen Schauspiele, für das Jahr 1835, hrsg. von Ludwig Wolff, Berlin 1836, S. 23)., da er gewiß doch außerordentlich spielt. Nun fange ich erst an, an die Manie für gute Schauspieler zu glauben, hätten wir SeydelmannSeydelmann, Carl (1793-1843) und noch ein paar irgend reputirliche hier, ich ruinirte meinen Beutel im Theater. Die Scene<name key="PSN0112804" style="hidden" type="author">Lessing, Gotthold Ephraim (1729–1781)</name><name key="CRT0109735" style="hidden" type="dramatic_work">Emilia Galotti</name> mit der KrelingerCrelinger, verw. Stich, Sophie Auguste Friederike (1795-1865), OrsinaDie Scene mit der Krelinger, Orsina – Sophie Auguste Friederike Crelinger spielte im Drama Emilia Galotti die Gräfin Orsina, die Geliebte des Prinzen Hettore Gonzaga. war wirklich einzig, sie war auch die Einzige, die mit ihm spielte, alle Andern ließen ihn schmählich sitzen, sie hätten doch um Gotteswillen auf jede seiner Bewegungen achten sollen, um etwas von ihm zu lernen, statt dessen drehen die Esel ihm immer den Rücken, wenn sie mit ihm sprechen, und noch schlimmer, im Publikum ist eine offenbare Kabale gegen ihn, die hustet wenn er spricht, und zischt, wenn er applaudirt wird. Empfangen wird er jetzt übrigens immer. Aber sie sind so dumm. Keine Feinheit verstehen sie, können nur Bravourarien applaudiren.

PaulMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874) hat gestern einen so wunderhübschen Brief von KlingemannKlingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862) bekommenPaul hat gestern einen so wunderhübschen Brief von Klingemann bekommen – Der Brief Carl Klingemanns an Paul Mendelssohn Bartholdy lässt sich nicht nachweisen., daß ich mich nicht enthalten, ihm endlich wieder zu schreibenKlingemann … endlich wieder zu schreiben – Rebecka Lejeune Dirichlet sandte noch am 10. April 1835 einen Brief an Carl Klingemann in London; heutiger Standort nicht bekannt, ehemals Klingemann-Nachlass (Mikrofilmkopie vor 1960).. Das muß aber Alles noch heute geschehen, auch Englisch gearbeitet werden, morgen, an meinem Geburtstage ist Englische Stundemorgen, an meinem Geburtstage ist Englische Stunde – Rebecke Lejeune Dirichlet beging am 11. April 1835 ihren 24. Geburtstag. Seit Oktober 1834 nahm sie zusammen mit der Schwester Fanny, Albertine Heine, Antonie Nöldechen, Henriette Caroline Oppert und möglicherweise weiteren Damen Englischunterricht bei dem Privatgelehrten Victor Benecke. Siehe Brief gb-1834-10-11-02 Rebecka Lejeune Dirichlet an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 11. Oktober 1834, Z.: »Mr. Beneke zum Englischen engagirt«, sowie auch beispielsweise Brief gb-1835-04-06-02 Rebecka Lejeune Dirichlet an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 6. April 1835., die ich nicht versäume. Dies ist eine Visitengehkarte, aber (DroysenDroysen, Johann Gustav Bernhard (Pseud.: Voß) (1808-1884)) zu Neujahr, denn morgen ist für mich das eigentliche Neujahr. Ich hoffe stark auch auf eine Karte von Dir.

Was sagst Du denn zu RobertRobert, Louis Léopold (1794-1835)?Was sagst Du denn zu Robert? – Der 40-jährige Maler Louis Léopold Robert hatte wegen einer unglücklichen Liebe am 20. März 1835 in Venedig Selbstmord begangen. Mir ist, als wäre mir ein Freund gestorben, so liebe ich seine |3| Bilder, und dadurch ihn. Wenn sie ihn nur nicht über Seite geschafft haben. Nach Allem, was uns LoryLory, Mathias Gabriel jun. (1784-1846), der ihn genau kannte, der W von ihm erzählt hat, scheint Selbstmord bei seinem Character und seiner ganzen Lebensweise, unnatürlich.

Au’ weh! da kommt die Wäscherin, verbrümmelt und ungelachsen<name key="PSN0115334" style="hidden" type="author">Tieck, Johann Ludwig (1773–1853)</name><name key="CRT0112404" style="hidden" type="literature">Phantasus. Eine Sammlung von Mährchen, Erzählungen, Schauspielen und Novellen</name>verbrümmelt und ungelachsen – verbrümmelt: brummelig, mürrisch; ungelachsen: ungesittet und ungeschickt (vgl. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Bd. XI, III, Leipzig 1936, Sp. 731); Reminiszenz an Ludwig Tiecks Phantasus, Bd. 1, in dem es heißt: »Nicht, Creatur, mach’ Schand’ und Spott, / Wer dich geschaffen, deinem Gott, / Schau aus, als seist nach seinem Bilde / Formiret edel, heiter, milde, / Verbrümmelt nicht und ungelachsen, / Als seyn in dir zusammgewachsen / All Unkraut, Stacheln, Disteln, Dorn, / Mit Schimmel, Pilzen fest verworrn« (zit. nach der Ausgabe Berlin, 1812, S. 163 f.)., nun muß ich mich in SchwarzzeugSchwarzzeug – Begriff für schmutzige Wäsche. wälzen. Das sind die schweren Pflichten der Frauen. Je ne hâte à conclusionJe ne hâte à conclusion – frz., ich eile nicht zum Abschluss.. Kein Billet einer gebildeten Berliner Dame an die andre schließt jetzt anders als Forever yours. Das ist die um sich greifende Bildung.

            Berlin den 10ten April Ich war schon wieder unzufrieden mit meinem letzten Briefe, und wollte mich gestern an Vater anhängen, das schöne Wetter und Verführung lockten mich aber ins Freie, die eine von den wenigen Verführungen, denen ich nie widerstehen kann, wenn mir in schönem Wetter Einer sagt, ich soll mit ihm ausgehen, dann mußte ich für Wagner und Pohlke ein Briefchen an die Schlegel schreiben, zu Mittag ausessen, zu Abend lesen, und von da an ist der Tag mein. Heut bin ich eine Stunde früher aufgestanden, und habe Walter herübergeschickt, um zu versuchen ob ich eine ruhige Viertelstunde finden kann, Dir über meine nächsten Aussichten für die Zukunft, anders als in Verdruß über mein maniquirtes Pfingstproject zu schreiben. Das ist übrigens mit wenigen Worten abgethan, vide Vaters letzten Brief, denn dessen Plänen müssen wir uns anschließen. Reis’t er nicht, so können wir ihn nicht mit gutem Gewissen länger als höchstens 14 Tage allein lassen, da meine vortreffliche Lunge ihm gute Dienste leistet, und wir die Eltern diesen Winter daran gewöhnt haben, keinen Abend allein zu seyn, wir haben uns immer abgelös’t, wenn wir ausgebeten haben waren, wenn er aber reis’t, so möchten wir ihn auch gern wenigstens so lange begleiten, bis er bei Dir ist. Das ist alles sehr gut und schön, und meine verfluchte Schuldigkeit, aber zum Pfingstfest wäre ich doch gar zu gern gekommen.
Gestern Abend habe ich mein Billet zur Passion verschenkt, und bin dafür ins Theater gegangen, wo ich mich sehr an Seydelmanns Marinelli erbaut habe. Wir hatten Plätze ganz vorn, so daß mir auch keine Miene, keine Geberde entging. Ich kann ihn mir hier nach sehr gut als Mephisto vorstellen, der Kerl hat etwas komplett dämonisches, in aller Abscheulichkeit anziehend. Den Nathan kann ich mir hingegen nicht von ihm denken, und bin daher desto gespannter darauf, da er gewiß doch außerordentlich spielt. Nun fange ich erst an, an die Manie für gute Schauspieler zu glauben, hätten wir Seydelmann und noch ein paar irgend reputirliche hier, ich ruinirte meinen Beutel im Theater. Die Scene mit der Krelinger, Orsina war wirklich einzig, sie war auch die Einzige, die mit ihm spielte, alle Andern ließen ihn schmählich sitzen, sie hätten doch um Gotteswillen auf jede seiner Bewegungen achten sollen, um etwas von ihm zu lernen, statt dessen drehen die Esel ihm immer den Rücken, wenn sie mit ihm sprechen, und noch schlimmer, im Publikum ist eine offenbare Kabale gegen ihn, die hustet wenn er spricht, und zischt, wenn er applaudirt wird. Empfangen wird er jetzt übrigens immer. Aber sie sind so dumm. Keine Feinheit verstehen sie, können nur Bravourarien applaudiren.
Paul hat gestern einen so wunderhübschen Brief von Klingemann bekommen, daß ich mich nicht enthalten, ihm endlich wieder zu schreiben. Das muß aber Alles noch heute geschehen, auch Englisch gearbeitet werden, morgen, an meinem Geburtstage ist Englische Stunde, die ich nicht versäume. Dies ist eine Visitengehkarte, aber (Droysen) zu Neujahr, denn morgen ist für mich das eigentliche Neujahr. Ich hoffe stark auch auf eine Karte von Dir.
Was sagst Du denn zu Robert? Mir ist, als wäre mir ein Freund gestorben, so liebe ich seine Bilder, und dadurch ihn. Wenn sie ihn nur nicht über Seite geschafft haben. Nach Allem, was uns Lory, der ihn genau kannte, der W von ihm erzählt hat, scheint Selbstmord bei seinem Character und seiner ganzen Lebensweise, unnatürlich.
Au’ weh! da kommt die Wäscherin, verbrümmelt und ungelachsen, nun muß ich mich in Schwarzzeug wälzen. Das sind die schweren Pflichten der Frauen. Je ne hâte à conclusion. Kein Billet einer gebildeten Berliner Dame an die andre schließt jetzt anders als Forever yours. Das ist die um sich greifende Bildung.          
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Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1835-04-10" xml:id="date_5edb4111-a672-46db-bc38-5340267abafe">10. April 1835</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0110673" resp="author" xml:id="persName_5782a2b0-2e2d-4f1b-ab69-144c2281d270">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811-1858)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0110673" resp="writer">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_be82c194-ec22-4768-9f5a-ed1a71d55165"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_f3048347-1876-44d7-93c5-0087a36eaf7c">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_bf036ee8-6a41-4dd4-8b54-b5919cff2558"> <settlement key="STM0100109">Düsseldorf</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_5938a346-8c55-4562-8a56-4ad965800191"> <head> <address> <addrLine>Dem</addrLine> <addrLine>Herrn Musikdirektor <hi rend="latintype">Mendelssohn</hi></addrLine> <addrLine><hi rend="latintype">Bartholdy</hi></addrLine> <addrLine><hi rend="latintype">Düsseldorf</hi>.</addrLine> <addrLine><hi n="1" rend="underline">frei</hi></addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_999afdd2-285c-4bff-ab44-ab9b937f5c98"> <docAuthor key="PSN0110673" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_e262be1c-5bfb-4405-944b-d88985a63d0e">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0110673" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_82ef23fe-fe36-47fd-9fb4-211b05f918fc">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858)</docAuthor> <dateline rend="right">Berlin den <date cert="high" when="1835-04-19" xml:id="date_f8e1cf37-2e62-4a38-81de-df56674fabdc">10ten April</date><note resp="FMBC" style="hidden" type="text_constitution" xml:id="note_ff320885-d771-428b-bdab-077f3158a632" xml:lang="de">Berlin den 10ten April – dahinter Jahresangabe »35.« von fremder Hand.</note></dateline> <p style="paragraph_without_indent">Ich war schon wieder unzufrieden mit <title xml:id="title_4266b9fe-7adb-49c4-b5e7-273796527e34">meinem letzten Briefe <name key="PSN0110673" style="hidden" type="author">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Rebecka Henriette (1811–1858)</name> <name key="gb-1835-04-06-02" style="hidden" type="letter">Rebecka Lejeune Dirichlet an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf; Berlin, 6. April 1835</name> </title>, und wollte mich <date cert="high" when="1835-04-09" xml:id="date_befdee70-40a3-4aa0-86fb-88f4e60c8d95">gestern</date> an <persName xml:id="persName_7d4c081a-a497-4f5e-867c-b1a559be5bfe">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> anhängen<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_c5112a65-c5e5-423a-88fa-daa1ed56c7f9" xml:lang="de">gestern an Vater anhängen – Gemeint ist Brief gb-1835-04-08-01 Abraham Mendelssohn Bartholdy und Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 8. April 1835.</note>, das schöne Wetter und Verführung lockten mich aber ins Freie, <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_72293106-842d-4662-ad97-db6b9490415d">die</del> eine von den wenigen Verführungen, denen ich nie widerstehen kann, wenn mir in schönem Wetter Einer sagt, ich soll mit ihm ausgehen, dann mußte ich für <persName xml:id="persName_4f795940-cee4-42e7-a2d2-88ece508331b">Wagner<name key="PSN0115595" style="hidden" type="person">Wagner, Johann Daniel Lebrecht Franz (1810-1883)</name></persName> und <persName xml:id="persName_9d49a070-7f1d-42b2-82fe-4e5122b5956f">Pohlke<name key="PSN0113934" style="hidden" type="person">Pohlke, Karl Wilhelm (1810-1876)</name></persName> ein Briefchen an <persName xml:id="persName_55a4d961-3c46-47cf-9092-f5acf54b8b63">die Schlegel<name key="PSN0114561" style="hidden" type="person">Schlegel, gesch. Veit, Dorothea Friederike (bis 1815 Brendel) (seit 1815) von (1764-1839)</name></persName> schreiben<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_a20c5a84-5157-46c7-8e77-7794f81ef420" xml:lang="de">für Wagner und Pohlke ein Briefchen an die Schlegel schreiben – Karl Wilhelm Pohlke, ein Malschüler Wilhelm Hensels, bei dem Rebecka Lejeune Dirichlet Zeichenunterricht nahm, reiste am 7. April 1835 zusammen mit dem Maler Johann Daniel Lebrecht Franz Wagner zur Kunstausstellung im Salon carré im Pariser Louvre. Offensichtlich planten beide einen Zwischenaufenthalt in Frankfurt a. M., wo Dorothea von Schlegel, die Tante Rebeckas, wohnte.</note>, zu Mittag ausessen, zu Abend lesen, und von da an ist der Tag mein. <date cert="high" when="1835-04-10" xml:id="date_5b7cb077-6e64-4e62-b605-60dd95cd4e0e">Heut</date> bin ich eine Stunde früher aufgestanden, und habe <persName xml:id="persName_7d51384c-0f57-46b7-a5b0-b996b10682eb">Walter<name key="PSN0110666" style="hidden" type="person">Dirichlet (Lejeune Dirichlet), Abraham Walter (1833-1887)</name></persName> herübergeschickt, um zu versuchen ob ich eine ruhige Viertelstunde finden kann, Dir über meine nächsten Aussichten für die Zukunft, anders als in Verdruß über mein maniquirtes Pfingstproject<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_5d15ac75-9c78-429e-bc6f-917838a7684c" xml:lang="de">mein maniquirtes Pfingstproject – siehe dazu Brief gb-1835-04-06-02 Rebecka Lejeune Dirichlet an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 6. April 1835.</note> zu schreiben. Das ist übrigens mit wenigen Worten abgethan, <hi rend="latintype">vide</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_6fa56329-69b0-44d3-b28a-24727dd6f645" xml:lang="la ">vide – lat., siehe.</note> <persName xml:id="persName_1633863b-0430-4cc7-ac7d-f002de491d6f">Vaters<name key="PSN0113247" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> letzten Brief<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_9b7c5d41-138d-4ae2-b586-b95f0888eb50" xml:lang="de">Vaters letzten Brief – In Brief gb-1835-04-08-01 Abraham Mendelssohn Bartholdy und Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 8. April 1835, hatte der Vater Abraham erwogen, zu Pfingsten 1835 zum 17. Niederrheinischen Musikfest nach Köln zu reisen.</note>, denn dessen Plänen müssen wir uns anschließen. Reis’t er nicht, so können wir ihn nicht mit gutem Gewissen länger als höchstens 14 Tage allein lassen, da meine vortreffliche Lunge ihm gute Dienste leistet, und wir <persName xml:id="persName_892504fa-cb8f-43e4-9200-a4f7c3dc2285">die Eltern<name key="PSN0113247" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name><name key="PSN0113260" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> diesen Winter daran gewöhnt haben, keinen Abend allein zu seyn, wir haben uns immer abgelös’t, wenn wir ausgebeten <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_177f0d52-3cdb-49db-96db-4aca5c52ec7b">haben</del> waren, wenn er aber reis’t, so möchten wir ihn auch gern wenigstens so lange begleiten, bis er bei Dir ist. Das ist alles sehr gut und schön, und meine verfluchte Schuldigkeit, aber zum <placeName xml:id="placeName_0abf624b-e528-4b63-ae34-a199aae16f73">Pfingstfest<name key="NST0100551" style="hidden" subtype="" type="institution">17. Niederrheinisches Musikfest (1835)</name><settlement key="STM0100107" style="hidden" type="locality">Köln</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> wäre ich doch gar zu gern gekommen.</p> <p><date cert="high" when="1835-04-09" xml:id="date_afd59d0c-0d0b-4975-9582-5337a5ed875c">Gestern Abend</date> habe ich mein Billet zur <title xml:id="title_76e15730-b1cf-4c78-bc27-37b8534d681a">Passion<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685–1750)</name><name key="CRT0107794" style="hidden" type="music">Matthäus-Passion BWV 244</name></title> verschenkt<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_6af1ef89-faf0-4a7a-bb70-ed02494ea1d8" xml:lang="de">Gestern Abend habe ich mein Billet zur Passion verschenkt – Johann Sebastian Bachs Matthäus-Passion BWV 244 erklang am 9. April 1835 in der Sing-Akademie (Martin Heinrich Karl Lichtenstein, Zur Geschichte der Sing-Akademie in Berlin. Nebst einer Nachricht über das Fest am funfzigsten Jahrestage ihrer Stiftung, Berlin 1843, S. XXIII).</note>, und bin dafür ins <placeName xml:id="placeName_7cc9b9c5-e7d7-4e1a-8a42-e792cc5d4410">Theater<name key="NST0100415" style="hidden" subtype="" type="institution">Königliches Schauspielhaus</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> gegangen, wo ich mich sehr an <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_6f4706d5-8d93-43cb-9845-70414b35cb32">Seydelmanns<name key="PSN0114880" style="hidden" type="person">Seydelmann, Carl (1793-1843)</name></persName> <title xml:id="title_09aaed83-6118-4251-87dd-dc22462a1fa4">Marinelli<name key="PSN0112804" style="hidden" type="author">Lessing, Gotthold Ephraim (1729–1781)</name><name key="CRT0109735" style="hidden" type="dramatic_work">Emilia Galotti</name></title></hi> erbaut habe<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_5063bc24-12c8-4199-81a6-b2aad009d870" xml:lang="de">ins Theater gegangen, wo ich mich sehr an Seydelmanns Marinelli erbaut habe – Am Donnerstag, dem 9. April 1835, stand Gotthold Ephraim Lessings Trauerspiel Emilia Galotti im Königlichen Schauspielhaus auf dem Programm. Hierin trat Carl Seydelmann in der Rolle des Kammerherrn Marinelli auf (Repertorium der Königl. deutschen und französischen Schauspiele, für das Jahr 1835, hrsg. von Ludwig Wolff, Berlin 1836, S. 23).</note>. Wir hatten Plätze ganz vorn, so daß mir auch keine Miene, keine Geberde entging. Ich kann ihn mir<seg type="pagebreak"> |2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> hier nach sehr gut als <hi rend="latintype"><title xml:id="title_dfb07e14-5948-47d7-bb43-f2d2491ee3d7">Mephisto<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749–1832)</name><name key="CRT0108814" style="hidden" type="dramatic_work">Faust. Der Tragödie erster Theil</name></title></hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_beba528c-b482-47ef-b3e9-28742e1b5b4a" xml:lang="de">Mephisto – die Figur des Mephistopheles in Johann Wolfgang von Goethes Tragödie Faust. Der Tragödie erster Theil.</note> vorstellen, der Kerl hat etwas komplett dämonisches, in aller Abscheulichkeit anziehend. Den <title xml:id="title_1a1e50aa-1632-41a5-b9aa-ded8e063cadc">Nathan<name key="PSN0112804" style="hidden" type="author">Lessing, Gotthold Ephraim (1729–1781)</name><name key="CRT0109737" style="hidden" type="dramatic_work">Nathan der Weise</name></title> kann ich mir hingegen nicht von ihm denken, und bin daher desto gespannter darauf<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_b9fc0841-0966-4502-8cd2-704d087c9d77" xml:lang="de">Den Nathan … bin daher desto gespannter darauf – Lessings dramatisches Gedicht Nathan der Weise mit Seydelmann in der Hauptrolle des Nathan stand am 16. April 1835 erstmals auf dem Programm des Königlichen Schauspielhauses (Repertorium der Königl. deutschen und französischen Schauspiele, für das Jahr 1835, hrsg. von Ludwig Wolff, Berlin 1836, S. 23).</note>, da er gewiß doch außerordentlich spielt. Nun fange ich erst an, an die Manie für gute Schauspieler zu glauben, hätten wir <persName xml:id="persName_7f34d683-976d-4597-a8cd-69abde6eb16b">Seydelmann<name key="PSN0114880" style="hidden" type="person">Seydelmann, Carl (1793-1843)</name></persName> und noch ein paar irgend reputirliche hier, ich ruinirte meinen Beutel im Theater. <title xml:id="title_639f64cf-490e-40ba-b9de-b436223b11c1">Die Scene<name key="PSN0112804" style="hidden" type="author">Lessing, Gotthold Ephraim (1729–1781)</name><name key="CRT0109735" style="hidden" type="dramatic_work">Emilia Galotti</name></title> mit <persName xml:id="persName_1e29e9a2-a019-467a-852b-2c76f93f2f00">der Krelinger<name key="PSN0110496" style="hidden" type="person">Crelinger, verw. Stich, Sophie Auguste Friederike (1795-1865)</name></persName>, Orsina<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_827a2d02-9145-41c3-b060-342ca6edb436" xml:lang="de">Die Scene mit der Krelinger, Orsina – Sophie Auguste Friederike Crelinger spielte im Drama Emilia Galotti die Gräfin Orsina, die Geliebte des Prinzen Hettore Gonzaga.</note> war wirklich einzig, sie war auch die Einzige, die mit ihm spielte, alle Andern ließen ihn schmählich sitzen, sie hätten doch um Gotteswillen auf jede seiner Bewegungen achten sollen, um etwas von ihm zu lernen, statt dessen drehen die Esel ihm immer den Rücken, wenn sie mit ihm sprechen, und noch schlimmer, im Publikum ist eine offenbare Kabale gegen ihn, die hustet wenn er spricht, und zischt, wenn er applaudirt wird. Empfangen wird er jetzt übrigens immer. Aber sie sind so dumm. Keine Feinheit verstehen sie, können nur Bravourarien applaudiren.</p> <p><persName xml:id="persName_e9861613-1ce3-489a-8244-0325e0ac4fd4">Paul<name key="PSN0113263" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name></persName> hat <date cert="high" when="1835-04-09" xml:id="date_37ff6d02-e2b3-433e-9fee-228321811aca">gestern</date> einen so wunderhübschen Brief von <persName xml:id="persName_70d9a7a5-087e-4500-b9e8-79b207d365b0">Klingemann<name key="PSN0112434" style="hidden" type="person">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name></persName> bekommen<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_f97bfeaf-14c4-4000-ad74-9aa0b67b3680" xml:lang="de">Paul hat gestern einen so wunderhübschen Brief von Klingemann bekommen – Der Brief Carl Klingemanns an Paul Mendelssohn Bartholdy lässt sich nicht nachweisen.</note>, daß ich mich nicht enthalten, ihm endlich wieder zu schreiben<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_3a73fe2f-72c1-41cc-ab4f-546ba00d6096" xml:lang="de">Klingemann … endlich wieder zu schreiben – Rebecka Lejeune Dirichlet sandte noch am 10. April 1835 einen Brief an Carl Klingemann in London; heutiger Standort nicht bekannt, ehemals Klingemann-Nachlass (Mikrofilmkopie vor 1960).</note>. Das muß aber Alles noch heute geschehen, auch Englisch gearbeitet werden, <date cert="high" when="1835-04-11" xml:id="date_4b4b0f2c-239a-4795-88c4-8ef741f9a12f">morgen, an meinem Geburtstage</date> ist Englische Stunde<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_b13c67f7-10f1-4524-b091-2d95aa252b21" xml:lang="de">morgen, an meinem Geburtstage ist Englische Stunde – Rebecke Lejeune Dirichlet beging am 11. April 1835 ihren 24. Geburtstag. Seit Oktober 1834 nahm sie zusammen mit der Schwester Fanny, Albertine Heine, Antonie Nöldechen, Henriette Caroline Oppert und möglicherweise weiteren Damen Englischunterricht bei dem Privatgelehrten Victor Benecke. Siehe Brief gb-1834-10-11-02 Rebecka Lejeune Dirichlet an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 11. Oktober 1834, Z.: »Mr. Beneke zum Englischen engagirt«, sowie auch beispielsweise Brief gb-1835-04-06-02 Rebecka Lejeune Dirichlet an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 6. April 1835.</note>, die ich nicht versäume. Dies ist eine Visiten<del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_f46310e8-c8c2-4b67-be1d-c4fbce225890">geh</del>karte, aber (<persName xml:id="persName_1bbdeaf1-f7ac-4b88-a73f-fd622557ebdc">Droysen<name key="PSN0110751" style="hidden" type="person">Droysen, Johann Gustav Bernhard (Pseud.: Voß) (1808-1884)</name></persName>) zu Neujahr, denn morgen ist für mich das eigentliche Neujahr. Ich hoffe stark auch auf eine Karte von Dir.</p> <p>Was sagst Du denn zu <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_6d110050-96db-4ffe-a5f2-bb7d4560d01f">Robert<name key="PSN0114234" style="hidden" type="person">Robert, Louis Léopold (1794-1835)</name></persName></hi>?<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_32cc6324-5160-4bc6-9f35-cb18cfc049f4" xml:lang="de">Was sagst Du denn zu Robert? – Der 40-jährige Maler Louis Léopold Robert hatte wegen einer unglücklichen Liebe am 20. März 1835 in Venedig Selbstmord begangen.</note> Mir ist, als wäre mir ein Freund gestorben, so liebe ich seine<seg type="pagebreak"> |3|<pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg> Bilder, und dadurch ihn. Wenn sie ihn nur nicht über Seite geschafft haben. Nach Allem, was uns <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_c28843fd-4dd9-466a-a32c-024bcf33c958">Lory<name key="PSN0117448" style="hidden" type="person">Lory, Mathias Gabriel jun. (1784-1846)</name></persName></hi>, der ihn genau kannte, <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_6771f8d9-799a-41e0-b179-51259dcc5a8b">der W</del> von ihm erzählt hat, scheint Selbstmord bei seinem Character und seiner ganzen Lebensweise, unnatürlich.</p> <p>Au’ weh! da kommt die Wäscherin, <title xml:id="title_b4270706-6189-4f81-b11b-ccb2e5dba7eb">verbrümmelt und ungelachsen<name key="PSN0115334" style="hidden" type="author">Tieck, Johann Ludwig (1773–1853)</name><name key="CRT0112404" style="hidden" type="literature">Phantasus. Eine Sammlung von Mährchen, Erzählungen, Schauspielen und Novellen</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_405dda58-55cd-4ac8-bcd8-579ce3f01ff8" xml:lang="de">verbrümmelt und ungelachsen – verbrümmelt: brummelig, mürrisch; ungelachsen: ungesittet und ungeschickt (vgl. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Bd. XI, III, Leipzig 1936, Sp. 731); Reminiszenz an Ludwig Tiecks Phantasus, Bd. 1, in dem es heißt: »Nicht, Creatur, mach’ Schand’ und Spott, / Wer dich geschaffen, deinem Gott, / Schau aus, als seist nach seinem Bilde / Formiret edel, heiter, milde, / Verbrümmelt nicht und ungelachsen, / Als seyn in dir zusammgewachsen / All Unkraut, Stacheln, Disteln, Dorn, / Mit Schimmel, Pilzen fest verworrn« (zit. nach der Ausgabe Berlin, 1812, S. 163 f.).</note>, nun muß ich mich in Schwarzzeug<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_d234c58e-faa4-4e58-820e-e136bf8caa4d" xml:lang="de">Schwarzzeug – Begriff für schmutzige Wäsche.</note> wälzen. Das sind die schweren Pflichten der Frauen. <hi rend="latintype">Je <hi n="1" rend="underline">ne</hi> hâte à conclusion</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_967f8cc2-ee2d-489d-89df-8fcfd8637a2d" xml:lang="fr ">Je ne hâte à conclusion – frz., ich eile nicht zum Abschluss.</note>. Kein Billet einer gebildeten Berliner Dame an die andre schließt jetzt anders als <seg type="closer"><hi rend="latintype">Forever yours</hi></seg>. Das ist die um sich greifende Bildung. </p> </div> </body> </text></TEI>