gb-1835-01-18-01
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Düsseldorf, 18. Januar 1835
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
Der Brief ist im Theaterdiarium nach dem 20. Januar 1835 eingeheftet (vgl. Immermann, Tagebücher, S. 420).
Karl Leberecht Immermann.
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Ich liebe es, in allen Dingen klar zu sehen, und vorzüglich bei allen bedeutenderen Gelegenheiten zu wissen, woran ich im Guten oder Schlimmen bin. Aus dieser meiner Eigenthümlichkeit entspringen diese Zeilen an Dich, welche ich mit Ruhe zu empfangen und mit der Meinung, daß Ihnen ein lautres Gefühl zum Grunde liege, zu lesen, Dich bitte.
Als Du mir Deinen Entschluß ankündigtest, Deine Mitwirkung
Indessen habe ich mich in dieser Hoffnung bis jetzt betrogen. Es war am ten Novemberten Januar
Wenn auf einen vertraulichen Umgang, den das brüderliche Du schmückte, eine solche Pause von 2 1/2
Mir zu entgegnen, ich hätte ja dasselbe thun können, was ich von Dir erwartet, würde in diesem Falle nicht passen. Denn, wie Du die Sache auch hast bei Dir wenden mögen, ein unabweisliches Gefühl muß Dir gesagt haben, daß Du mir durch Dein Verlassen einer Sache, bei welcher ich auf Deine brüderliche Hülfe gezählt hatte, ein Leides gethan hattest. An Dir war es also, die Aufrichtigkeit des mir beim Abschiede gesagten Wortes zu bethätigen.
Wäre ich nun der Stolze und Harte, wozu mich Manche machen wollen, so würde ich mich, da Du Dich so fern zu mir gestellt, in mein Selbstgefühl einhüllen, und Dich Deines Weges wandern lassen. Da ich aber der nicht, und überhaupt nichts von dem bin, was ich nach jener karikirenden Meinung seyn soll, so verfahre ich ganz anders, und glaube mich gar nicht herabzusetzen, wenn ich bekenne, daß Du mir durch Dein Benehmen weh gethan hast, und daß ich wünsche, Du möchtest zu mir umkehren. Jedenfalls aber wünsche ich eine Entscheidung, denn im ungewissen Zwielicht der Verhältnisse verliert man nur sich und sein Leben.
Bei Mißstimmungen der Dinge und Umstände bemächtigt sich unsrer wohl ein Gefühl der Verlegenheit, ein Unbehagen, welches uns den Schein der Kälte, ja der Abneigung geben, und Hand und Fuß fesseln kann. Es ist möglich, daß nur dieses hindernd zwischen uns gestanden hat; ja, ich muß es sogar voraussetzen, denn ohne diese Voraussetzung würde ich gewiß nicht an Dich schreiben. Ist es nun so, so kann ich Dir die Versichrung geben, daß wenigstens meinerseits nichts geschehn wird, was dieses Gefühl des Unbehagens in Dir bei einem persönlichen Zusammentreffen irgend nähren oder steigern könnte. Geschehne Dinge sind geschehn und nicht zu ändern, durch zwei von mir in der letzten Zeit geschloßne Engagements wird die
Es ist so die moderne Weise, eine schöne Gleichgültigkeit in allen Dingen, welche Gemüth Neigung, Herzliches betreffen, zu haben, oder wenigstens zu affectiren. Was mich angeht, so strebe ich nicht nach solchem Ruhme, werde vielmehr nie mich schämen, einzugestehn, daß mir der Verlust eines Freundes äußerst bitter ist. Auch Du schienst eine Ausnahme von der geltenden Art zu machen, Du kamst mir mit schönem Vertraun entgegen, Deine Neigung begleitete mich erquickend, unmöglich kann ich glauben, daß das Alles in Dir kein rechter Ernst gewesen sei. Gefehlt habe ich nie gegen Dich; wie oft hast Du selbst mir gesagt, ich solle Dir, wenn mir etwas an Dir mißfiele, die Wahrheit nicht verbergen. Von dieser Erlaubniß machte ich, wo die Gelegenheit mir wahrlich nahe genug gelegt wurde, ein einzigesmal Gebrauch, aber auch da mußte Dir mein Antheil, meine Gesinnung gegen Dich klar werden. Von der Bühne, die Dir lästig geworden, bist Du los; was also steht zwischen uns?
Eine schriftliche Erwidrung auf diese Zeilen wünsche und erwarte ich nicht, und bitte Dich ausdrücklich, mich damit nicht abzufinden. Die Absicht derselben ist eine ganz einfache, nämlich zu erfahren, ob Du noch etwas mit mir zu thun haben willst, oder nicht? Die Antwort darauf kannst Du nur dadurch geben, daß Du Dich wie sonst mir persönlich näherst, alle geschriebne Worte würden das Ja oder Nein, worauf ich warte, nur umgehn. In Acht Tagen wird sich wohl, wie früher, eine Stunde für mich finden, und während dieser Tage soll mir ein vertrauensvoller Besuch das Ja bedeuten. Kommst Du nicht, so hast Du das Nein gesprochen.
Auf etwas Conventionelles, auf einen Schein kommt es mir bei Dir nicht an. Hast Du Dich während dieser drittehalb Monate wohl ohne mich befunden, kein Verlangen nach mir gehabt, so wäre es ein Irrthum und eine uns Beiden verderbliche Thorheit, mit mir wieder anzuknüpfen, Du wirst dann ferner ohne mich fertig werden können. Ist es aber anders bei Dir, ist Dir, wie mir zu Muthe gewesen, so weißt Du nun, was zu thun.
Ich glaube zwar eigentlich nicht, daß es noch einer solchen Versichrung bedürfe, indessen will ich sie doch hier noch geben, nämlich, daß ich nach den stattgehabten Vorfällen und von Dir ausgegangnen Erklärungen Dein Verhältniß zur hiesigen Bühne als für immer gelöst betrachte, und weder selbst den Versuch machen, noch durch Andre machen lassen werde, Dich wieder mit Dingen in Berührung zu bringen, die Dir nicht zusagen. Du kannst also in dieser Beziehung, wenn Du mit mir umgehst, völlig ruhig seyn.
Wie viel mir an Dir liegt, ersiehst Du aus diesem Briefe. Auf der andern Seite weißt Du auch, daß ich um Niemandes Liebe bettle, und meine Neigung zu gut ist, um Jemandem nachgeworfen zu werden, der ihrer nicht achtet. Ein höheres Gefühl und eine zarte Pflicht haben mich getrieben, an Dich zu schreiben; ich wünsche und hoffe sogar, daß in Dir eine edle Bewegung entstehn werde, bin indessen auch gefaßt auf Deine Einbuße, über welche mir denn die Mächte, die bisher mein Leben geschirmt haben, auch hinaushelfen werden. – Vor allen Dingen, wiederhole ich, sei wahr, und thue nichts zum Schein mit mir!
Ich liebe es, in allen Dingen klar zu sehen, und vorzüglich bei allen bedeutenderen Gelegenheiten zu wissen, woran ich im Guten oder Schlimmen bin. Aus dieser meiner Eigenthümlichkeit entspringen diese Zeilen an Dich, welche ich mit Ruhe zu empfangen und mit der Meinung, daß Ihnen ein lautres Gefühl zum Grunde liege, zu lesen, Dich bitte. Als Du mir Deinen Entschluß ankündigtest, Deine Mitwirkung der hiesigen Bühne entziehn zu wollen, sprachst Du zugleich aus, Du wünschest, daß diese Wendung der Dinge keinen störenden Einfluß auf unser freundschaftliches Verhältniß ausüben möge. In diesem Wunsche trafst Du nur mit mir zusammen, und ich hoffte, sobald nur die erste durch Dein Zurückziehn natürlich entstehende Verwirrung vorüber seyn werde, auf die Freuden einer unverletzt gebliebnen mir lieben und werthen Verbindung. Indessen habe ich mich in dieser Hoffnung bis jetzt betrogen. Es war am 7ten November, als wir mit jenen Erklärungen aus einander gingen, und bis heute, den 18ten Januar, hast Du nicht den geringsten Schritt der Annäherung gethan, vielmehr überhaupt keine Notiz mehr von mir genommen. Wenn auf einen vertraulichen Umgang, den das brüderliche Du schmückte, eine solche Pause von 2 1/2 Monaten folgt, so will es den Anschein gewinnen, als sei es zwischen den beiden Menschen vorbei. Mir zu entgegnen, ich hätte ja dasselbe thun können, was ich von Dir erwartet, würde in diesem Falle nicht passen. Denn, wie Du die Sache auch hast bei Dir wenden mögen, ein unabweisliches Gefühl muß Dir gesagt haben, daß Du mir durch Dein Verlassen einer Sache, bei welcher ich auf Deine brüderliche Hülfe gezählt hatte, ein Leides gethan hattest. An Dir war es also, die Aufrichtigkeit des mir beim Abschiede gesagten Wortes zu bethätigen. Wäre ich nun der Stolze und Harte, wozu mich Manche machen wollen, so würde ich mich, da Du Dich so fern zu mir gestellt, in mein Selbstgefühl einhüllen, und Dich Deines Weges wandern lassen. Da ich aber der nicht, und überhaupt nichts von dem bin, was ich nach jener karikirenden Meinung seyn soll, so verfahre ich ganz anders, und glaube mich gar nicht herabzusetzen, wenn ich bekenne, daß Du mir durch Dein Benehmen weh gethan hast, und daß ich wünsche, Du möchtest zu mir umkehren. Jedenfalls aber wünsche ich eine Entscheidung, denn im ungewissen Zwielicht der Verhältnisse verliert man nur sich und sein Leben. Bei Mißstimmungen der Dinge und Umstände bemächtigt sich unsrer wohl ein Gefühl der Verlegenheit, ein Unbehagen, welches uns den Schein der Kälte, ja der Abneigung geben, und Hand und Fuß fesseln kann. Es ist möglich, daß nur dieses hindernd zwischen uns gestanden hat; ja, ich muß es sogar voraussetzen, denn ohne diese Voraussetzung würde ich gewiß nicht an Dich schreiben. Ist es nun so, so kann ich Dir die Versichrung geben, daß wenigstens meinerseits nichts geschehn wird, was dieses Gefühl des Unbehagens in Dir bei einem persönlichen Zusammentreffen irgend nähren oder steigern könnte. Geschehne Dinge sind geschehn und nicht zu ändern, durch zwei von mir in der letzten Zeit geschloßne Engagements wird die Oper hoffentlich activ werden, und diese Aussicht hat die Empfindung der herben Verlegenheit, in welcher ich mich freilich die letzten Monate hindurch habe abmühn müssen, gemildert und beruhigt, so daß ich mich frei und gleich gestimmt fühle. Es ist so die moderne Weise, eine schöne Gleichgültigkeit in allen Dingen, welche Gemüth Neigung, Herzliches betreffen, zu haben, oder wenigstens zu affectiren. Was mich angeht, so strebe ich nicht nach solchem Ruhme, werde vielmehr nie mich schämen, einzugestehn, daß mir der Verlust eines Freundes äußerst bitter ist. Auch Du schienst eine Ausnahme von der geltenden Art zu machen, Du kamst mir mit schönem Vertraun entgegen, Deine Neigung begleitete mich erquickend, unmöglich kann ich glauben, daß das Alles in Dir kein rechter Ernst gewesen sei. Gefehlt habe ich nie gegen Dich; wie oft hast Du selbst mir gesagt, ich solle Dir, wenn mir etwas an Dir mißfiele, die Wahrheit nicht verbergen. Von dieser Erlaubniß machte ich, wo die Gelegenheit mir wahrlich nahe genug gelegt wurde, ein einzigesmal Gebrauch, aber auch da mußte Dir mein Antheil, meine Gesinnung gegen Dich klar werden. Von der Bühne, die Dir lästig geworden, bist Du los; was also steht zwischen uns? Eine schriftliche Erwidrung auf diese Zeilen wünsche und erwarte ich nicht, und bitte Dich ausdrücklich, mich damit nicht abzufinden. Die Absicht derselben ist eine ganz einfache, nämlich zu erfahren, ob Du noch etwas mit mir zu thun haben willst, oder nicht? Die Antwort darauf kannst Du nur dadurch geben, daß Du Dich wie sonst mir persönlich näherst, alle geschriebne Worte würden das Ja oder Nein, worauf ich warte, nur umgehn. In Acht Tagen wird sich wohl, wie früher, eine Stunde für mich finden, und während dieser Tage soll mir ein vertrauensvoller Besuch das Ja bedeuten. Kommst Du nicht, so hast Du das Nein gesprochen. Auf etwas Conventionelles, auf einen Schein kommt es mir bei Dir nicht an. Hast Du Dich während dieser drittehalb Monate wohl ohne mich befunden, kein Verlangen nach mir gehabt, so wäre es ein Irrthum und eine uns Beiden verderbliche Thorheit, mit mir wieder anzuknüpfen, Du wirst dann ferner ohne mich fertig werden können. Ist es aber anders bei Dir, ist Dir, wie mir zu Muthe gewesen, so weißt Du nun, was zu thun. Ich glaube zwar eigentlich nicht, daß es noch einer solchen Versichrung bedürfe, indessen will ich sie doch hier noch geben, nämlich, daß ich nach den stattgehabten Vorfällen und von Dir ausgegangnen Erklärungen Dein Verhältniß zur hiesigen Bühne als für immer gelöst betrachte, und weder selbst den Versuch machen, noch durch Andre machen lassen werde, Dich wieder mit Dingen in Berührung zu bringen, die Dir nicht zusagen. Du kannst also in dieser Beziehung, wenn Du mit mir umgehst, völlig ruhig seyn. Wie viel mir an Dir liegt, ersiehst Du aus diesem Briefe. Auf der andern Seite weißt Du auch, daß ich um Niemandes Liebe bettle, und meine Neigung zu gut ist, um Jemandem nachgeworfen zu werden, der ihrer nicht achtet. Ein höheres Gefühl und eine zarte Pflicht haben mich getrieben, an Dich zu schreiben; ich wünsche und hoffe sogar, daß in Dir eine edle Bewegung entstehn werde, bin indessen auch gefaßt auf Deine Einbuße, über welche mir denn die Mächte, die bisher mein Leben geschirmt haben, auch hinaushelfen werden. – Vor allen Dingen, wiederhole ich, sei wahr, und thue nichts zum Schein mit mir! Immermann Düsseldorf 18. Januar. 1835
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Immermann, Tagebücher, S. 420).</p> <handDesc hands="1"> <p>Karl Leberecht Immermann.</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance><p>-</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="printed_letter">Fellner, Musterbühne, S. 298-300.</bibl> <bibl type="printed_letter">Karl Immermann, Werke in Fünf Bänden, Bd. 5: Dramen, Lebenszeugnisse, Briefe, hrsg. von Benno von Wiese, Wiesbaden 1977, S. 904-907 (nach Fellner).</bibl> <bibl type="printed_letter">Immermann, Briefe, Bd. 2, S. 375-378.</bibl> <bibl type="printed_letter">Immermann, Tagebücher, S. 420-423.</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation><date cert="high" when="1835-01-18" xml:id="date_c95d07c9-db16-44e8-b892-6a678e686f21">18. 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An Dir war es also, die Aufrichtigkeit des mir beim Abschiede gesagten Wortes zu bethätigen.</p> <p>Wäre ich nun der Stolze und Harte, wozu mich Manche machen wollen, so würde ich mich, da Du Dich so fern zu mir gestellt, in mein Selbstgefühl einhüllen, und Dich Deines Weges wandern lassen. Da ich aber der nicht, und überhaupt nichts von dem bin, was ich nach jener karikirenden Meinung seyn soll, so verfahre ich ganz anders, und glaube mich gar nicht herabzusetzen, wenn ich bekenne, daß Du mir durch Dein Benehmen weh gethan hast, und daß ich wünsche, Du möchtest zu mir umkehren. Jedenfalls aber wünsche ich eine Entscheidung, denn im ungewissen Zwielicht der Verhältnisse verliert man nur sich und sein Leben.</p> <p>Bei Mißstimmungen der Dinge und Umstände bemächtigt sich unsrer wohl ein Gefühl der Verlegenheit, ein Unbehagen, welches uns den Schein der Kälte, ja der Abneigung geben, und Hand und Fuß fesseln kann. Es ist möglich, daß nur dieses hindernd zwischen uns gestanden hat; ja, ich muß es sogar voraussetzen, denn ohne diese Voraussetzung würde ich gewiß nicht an Dich schreiben. Ist es nun so, so kann ich Dir die Versichrung geben, daß wenigstens meinerseits nichts geschehn wird, was dieses Gefühl des Unbehagens in Dir bei einem persönlichen Zusammentreffen irgend nähren oder steigern könnte. 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Ist es aber anders bei Dir, ist Dir, wie mir zu Muthe gewesen, so weißt Du nun, was zu thun.</p> <p>Ich glaube zwar eigentlich nicht, daß es noch einer solchen Versichrung bedürfe, indessen will ich sie doch hier noch geben, nämlich, daß ich nach den stattgehabten Vorfällen und von Dir ausgegangnen Erklärungen Dein Verhältniß zur hiesigen Bühne als für immer gelöst betrachte, und weder selbst den Versuch machen, noch durch Andre machen lassen werde, Dich wieder mit Dingen in Berührung zu bringen, die Dir nicht zusagen. Du kannst also in dieser Beziehung, wenn Du mit mir umgehst, völlig ruhig seyn.</p> <p>Wie viel mir an Dir liegt, ersiehst Du aus diesem Briefe. Auf der andern Seite weißt Du auch, daß ich um Niemandes Liebe bettle, und meine Neigung zu gut ist, um Jemandem nachgeworfen zu werden, der ihrer nicht achtet. Ein höheres Gefühl und eine zarte Pflicht haben mich getrieben, an Dich zu schreiben; ich wünsche und hoffe sogar, daß in Dir eine edle Bewegung entstehn werde, bin indessen auch gefaßt auf Deine Einbuße, über welche mir denn die Mächte, die bisher mein Leben geschirmt haben, auch hinaushelfen werden. – Vor allen Dingen, wiederhole ich, sei wahr, und thue nichts zum Schein mit mir!</p> <signed rend="right">Immermann</signed> <dateline rend="left">Düsseldorf <date cert="high" when="1835-01-18" xml:id="date_64af18e5-27fb-4c39-b53b-8332a8a8d735">18. Januar. 1835</date></dateline> </div> </body> </text></TEI>