gb-1834-12-14-01
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Brüssow, 14. Dezember 1834
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
1 Doppelbl.: S. 1-3 Brieftext; S. 4 Adresse.
Ernst Friedrich Albert Baur, Eduard Devrient
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Brüssowd.
ten
Dec34
Zuerst vielen Dank lieber Felix für das schöne
O lux beata etc. begonnen, so wird es denn auch weiter gehen. Die Leute haben viel Eifer, ergreifen dankbar diese Gelegenheit zur Musikübung, und das macht mich bei dem greulichen Gebrüll doch ganz tröstlich.
Wovon ich Dir aber so recht eigentlich schreiben wollte, das ist die schöne Adventszeit, in der wir jetzt leben. Ich sehne mich dann nämlich nach einer noch viel besseren Feier, und dazu sollst Du helfen. Hat Dichs denn noch nicht so recht gefaßt, eine recht wunderschöne Advents und Weihnachtsmusik zu machen? Es ist doch nicht genug am
HaydnsWeihnachtsmusik.
ReichardtsCantate
Freilich sind der Formen gar viele in welchen ichs möchte ausgeprägt haben, und Du mußt es besser wissen, ob Du es möchtest für das Bedürfniß einer Familie als Quartett zum Clavier setzen, oder als Oratorium, oder was mir eigentlich am höchsten, und freilich auch am fernsten vorschwebt, als wahre Kirchenmusik zum sogenannten Gottesdienst.
Nun muß ich Dir auch weiter erzählen, daß mir dieser Wunsch ganz besonders lebendig geworden ist in diesem Jahr, (wiewohl er schon alt ist) als ich für die Adv.zeit zu meinen Predigten den Täufer Johannes erwählt hatte. Mir kam diese Ordnung der Zeiten (damals) so wie nun auch die Ordnung dieser Festzeit im Anfang des Kirchenjahres so unbeschreiblich musikalisch vor. Du mußt mich schon anhören. Der leitende Gedanke für mich war der. Weihnacht ist das neue Tageslicht. Es war schon einmal Tag im Paradiese, sie lebten im Licht. Aber sie sündigten, es ward Nacht, die letzten Abendstrahlen welche in das Herz der Menschen fielen, kündeten an,
Gottist
heilig. Da mußten die Menschen aus dem Paradiese. Aber am Nachthimmel zog der Abendschein um, und ward von dem Berge
Sinaiund vom Berge
Zionwidergestrahlt, immer nur rief es
heiligist
Gott. Nun war auch auf dem Berge Zion der Glanz verlassen, (die Propheten waren längst begraben eine elende Zeit); da wandelte sich das Spätroth in Frühroth und die Hoffnung wachte auf, aber freilich
diesimmer noch, „
Gottist heilig und die Unheiligen werden seinen Tag nicht sehen“:
Thut Buße(jedoch schon
Hoffnungwillen thut Buße). Nun erst wird man der Finsterniß inne, der Morgen bricht schauerlich an und schüttelt die Glieder mit Reue Schmerzen, Furcht und Zittern. Aber der strenge Johannes weiset in Demuth schon auf den gegenwärtigen
heilige
Gottist als die
Liebe
Johannis, nämlich der
spätgeborne, 2) Predigt und Taufe 3) Leben in der Wüste und Gefängniß und Tod 4) Hinweisung auf Χρ) So geht nun die volle Weihnachtsfreude auf,
Johanneszeigt uns die
finstereSündenwelt und das Licht, Christus bringt uns die neue lichte Welt. Ich möchte nicht gernweitläuftig sein, vielleicht bin ich darüber zu kurz geworden, um Dich für die Herrlichkeit zu gewinnen, die ich darin sehe.
Welcher herrliche Text ist hier aus der Bibel zu gewinnen! Es müßte aber auch eine ganz gewaltige Musik werden, nicht eine historische ja nicht einmal bloß eine dramatische sondern eine die dem Zuhörer geflissentlich mitspielt, ihm Mark und Bein schüttelt daß er neu wird. Darum mein Wunsch höher hinauf geht als zu einem Oratorium, ich möchte sie zu einem Theil, zum besten Theil der Predigt machen. Ebenso habe ich den Wunsch den Johannes in der Kirche gemalt zu haben, er müßte aber auch den Beschauer ansehen, ihn mit dem Blick fassen, damit es ihm Johannes
te
Adv.sonntag
nucealtes und neues Testament beisammen zu haben, die Heiligkeit
Gottesals das Frühroth der heiligen Liebe? Das Gesetz und das Evangelium!
P.S. Es hätte mir früher einfallen sollen, daß nicht erst zu fragen ist, ob es eine solche Kirchenmusik gibt, die
Prosit Weihnacht, lieber Felix, sei so vergnügt, als das wunderschöne Fest es verdient und sei mir nicht böse, daß ich Dir das verabredete Bildchen nicht gemalt habe. Mein Trost ist, daß Du, so wie ich vor Geschäftstrudel nicht zu den dazu nöthigen ruhigen Stunden wirst gekommen sein, obschon es meine Weihnachtsfreude sehr versüßen würde, wenn Du mich recht tief beschämtest, nächstens schreibe ich Dir ordentlich. Daß Du beim
Brüssow d. 14ten Dec 34 Zuerst vielen Dank lieber Felix für das schöne Geschenk, das Du mir in Berlin zurückgelassen. Jetzt kann ich schon mit besserem Gewissen danken, als wenn ich es gleich gethan hätte, denn anfangs betrübte ich mich, daß ichs nicht würde nutzen können für meine Schullehrer, nun aber habe ich doch Muth gefaßt trotz ihrer großen Schwachheit, und mit dem leichteren Satz am Ende O lux beata etc. begonnen, so wird es denn auch weiter gehen. Die Leute haben viel Eifer, ergreifen dankbar diese Gelegenheit zur Musikübung, und das macht mich bei dem greulichen Gebrüll doch ganz tröstlich. Wovon ich Dir aber so recht eigentlich schreiben wollte, das ist die schöne Adventszeit, in der wir jetzt leben. Ich sehne mich dann nämlich nach einer noch viel besseren Feier, und dazu sollst Du helfen. Hat Dichs denn noch nicht so recht gefaßt, eine recht wunderschöne Advents und Weihnachtsmusik zu machen? Es ist doch nicht genug am Messias und unseren Chorälen und Haydns Weihnachtsmusik. Reichardts Cantate kenne ich freilich nicht, aber es muß noch ganz anders kommen. Freilich sind der Formen gar viele in welchen ichs möchte ausgeprägt haben, und Du mußt es besser wissen, ob Du es möchtest für das Bedürfniß einer Familie als Quartett zum Clavier setzen, oder als Oratorium, oder was mir eigentlich am höchsten, und freilich auch am fernsten vorschwebt, als wahre Kirchenmusik zum sogenannten Gottesdienst. Für die letzte Form hättest Du wohl am ersten Gelegenheit in der kathol. Kirche, aber ich sehne mich auch darnach, dergleichen in der evangel. K. zu hören. Also für 4 Adventssonntage und das Weihnachtsfest. Nun muß ich Dir auch weiter erzählen, daß mir dieser Wunsch ganz besonders lebendig geworden ist in diesem Jahr, (wiewohl er schon alt ist) als ich für die Adv. zeit zu meinen Predigten den Täufer Johannes erwählt hatte. Mir kam diese Ordnung der Zeiten (damals) so wie nun auch die Ordnung dieser Festzeit im Anfang des Kirchenjahres so unbeschreiblich musikalisch vor. Du mußt mich schon anhören. Der leitende Gedanke für mich war der. Weihnacht ist das neue Tageslicht. Es war schon einmal Tag im Paradiese, sie lebten im Licht. Aber sie sündigten, es ward Nacht, die letzten Abendstrahlen welche in das Herz der Menschen fielen, kündeten an, Gott ist heilig. Da mußten die Menschen aus dem Paradiese. Aber am Nachthimmel zog der Abendschein um, und ward von dem Berge Sinai und vom Berge Zion widergestrahlt, immer nur rief es heilig ist Gott. Nun war auch auf dem Berge Zion der Glanz verlassen, (die Propheten waren längst begraben eine elende Zeit) ; da wandelte sich das Spätroth in Frühroth und die Hoffnung wachte auf, aber freilich faßt rief auch dies immer noch, „Gott ist heilig und die Unheiligen werden seinen Tag nicht sehen“: Thut Buße (jedoch schon mit um der inwohnenden Hoffnung willen thut Buße) . Nun erst wird man der Finsterniß inne, der Morgen bricht schauerlich an und schüttelt die Glieder mit Reue Schmerzen, Furcht und Zittern. Aber der strenge Johannes weiset in Demuth schon auf den gegenwärtigen Heiland in welchem der heilige Gott ist als die Liebe (meine 4 Predigten hierüber sind abgetheilt 1) Geburt Johannis, nämlich der spät geborne, 2) Predigt und Taufe 3) Leben in der Wüste und Gefängniß und Tod 4) Hinweisung auf Χρ) So geht nun die volle Weihnachtsfreude auf, Johannes zeigt uns die finstere Sündenwelt und das Licht, Christus bringt uns die neue lichte Welt. Ich möchte nicht gernweitläuftig sein, vielleicht bin ich darüber zu kurz geworden, um Dich für die Herrlichkeit zu gewinnen, die ich darin sehe. Welcher herrliche Text ist hier aus der Bibel zu gewinnen! Es müßte aber auch eine ganz gewaltige Musik werden, nicht eine historische ja nicht einmal bloß eine dramatische sondern eine die dem Zuhörer geflissentlich mitspielt, ihm Mark und Bein schüttelt daß er neu wird. Darum mein Wunsch höher hinauf geht als zu einem Oratorium, ich möchte sie zu einem Theil, zum besten Theil der Predigt machen. Ebenso habe ich den Wunsch den Johannes in der Kirche gemalt zu haben, er müßte aber auch den Beschauer ansehen, ihn mit dem Blick fassen, damit es ihm Johannes besser ergeht als Sohns zürnender Diana, die jedermann ganz bequem betrachten kann. Oder kann das kein Kunstwerk? Ich denke doch. Welche schöne Adventschoräle haben wir auch dazu! Mach doch diese Musik lieber Felix, leider ist heut der 3te Adv. sonntag und ich habe mich schon müde gepredigt, so daß der Brief nun wohl recht trocken gerathen sein mag, ja ja ich habs zu kurz abgefertigt, Du wirst viel guten Willen haben müssen um Dich hinein zu versetzen. Aber ists denn nicht köstlich so in nuce altes und neues Testament beisammen zu haben, die Heiligkeit Gottes als das Frühroth der heiligen Liebe? Das Gesetz und das Evangelium! P. S. Es hätte mir früher einfallen sollen, daß nicht erst zu fragen ist, ob es eine solche Kirchenmusik gibt, die Passion von Bach ists für ihre Zeit. – Unsere arme Kirche! Antworte mir recht bald lieber Felix. Deinem Freund A. Baur. Prosit Weihnacht, lieber Felix, sei so vergnügt, als das wunderschöne Fest es verdient und sei mir nicht böse, daß ich Dir das verabredete Bildchen nicht gemalt habe. Mein Trost ist, daß Du, so wie ich vor Geschäftstrudel nicht zu den dazu nöthigen ruhigen Stunden wirst gekommen sein, obschon es meine Weihnachtsfreude sehr versüßen würde, wenn Du mich recht tief beschämtest, nächstens schreibe ich Dir ordentlich. Daß Du beim Theater nicht aushalten würdest habe ich immer gefürchtet. Siehst Du nun ein daß es ein Martyrium ist dabei zu sein? Eduard Dt.
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Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1834-12-14" xml:id="date_3c9e2bd9-fddc-44cf-9d8c-2be26d0f0492">14. 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Nun war auch auf dem Berge Zion der Glanz verlassen, (die Propheten waren längst begraben eine elende Zeit); da wandelte sich das Spätroth in Frühroth und die Hoffnung wachte auf, aber freilich <del cert="low" rend="strikethrough" xml:id="del_ee5a5f02-3587-42f9-9771-9645029ceb7e">faßt</del> <add place="above">rief<name key="PSN0109710" resp="writers_hand" style="hidden">Baur, Ernst Friedrich Albert (1803–1886)</name></add> auch <hi n="1" rend="underline">dies</hi> immer noch, „<hi rend="latintype">Gott</hi> ist heilig und die Unheiligen werden seinen Tag nicht sehen“: <hi n="1" rend="underline">Thut Buße</hi> (jedoch schon <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_7b3b168b-ff08-4fa5-9640-5fe603990ac2">mit</del> <add place="above">um<name key="PSN0109710" resp="writers_hand" style="hidden">Baur, Ernst Friedrich Albert (1803–1886)</name></add> der inwohnenden <hi n="1" rend="underline">Hoffnung</hi> willen thut Buße). Nun erst wird man der Finsterniß inne, der Morgen bricht schauerlich an und schüttelt die Glieder mit Reue Schmerzen, Furcht und Zittern. Aber der strenge Johannes weiset in Demuth schon auf den gegenwärtigen<seg type="pagebreak"> |3|<pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg> Heiland <add place="above">in welchem der <hi n="1" rend="underline">heilige</hi> <hi rend="latintype">Gott</hi> ist als die <hi n="1" rend="underline">Liebe</hi><name key="PSN0109710" resp="writers_hand" style="hidden">Baur, Ernst Friedrich Albert (1803–1886)</name></add> (meine 4 Predigten hierüber sind abgetheilt 1) Geburt <hi rend="latintype">Johannis</hi>, nämlich der <hi n="1" rend="underline">spät</hi> geborne, 2) Predigt und Taufe 3) Leben in der Wüste und Gefängniß und Tod 4) Hinweisung auf Χρ) So geht nun die volle Weihnachtsfreude auf, <hi rend="latintype">Johannes</hi> zeigt uns die <hi n="1" rend="underline">finstere</hi> Sündenwelt und das Licht, Christus bringt uns die neue lichte Welt. Ich möchte nicht gernweitläuftig sein, vielleicht bin ich darüber zu kurz geworden, um Dich für die Herrlichkeit zu gewinnen, die ich darin sehe.</p> <p>Welcher herrliche Text ist hier aus der Bibel zu gewinnen! Es müßte aber auch eine ganz gewaltige Musik werden, nicht eine historische ja nicht einmal bloß eine dramatische sondern eine die dem Zuhörer geflissentlich mitspielt, ihm Mark und Bein schüttelt daß er neu wird. Darum mein Wunsch höher hinauf geht als zu einem <hi rend="latintype">Oratorium</hi>, ich möchte sie zu einem Theil, zum besten Theil der Predigt machen. Ebenso habe ich den Wunsch den <hi rend="latintype">Johannes</hi> in der Kirche gemalt zu haben, er müßte aber auch den Beschauer ansehen, ihn mit dem Blick fassen, damit es ihm <add place="above"><hi rend="latintype">Johannes</hi><name key="PSN0109710" resp="writers_hand" style="hidden">Baur, Ernst Friedrich Albert (1803–1886)</name></add> besser ergeht als <title xml:id="title_a3bbfcb7-1019-4250-8ebe-798a67a344ee">Sohns zürnender Diana<name key="PSN0114959" style="hidden" type="author">Sohn, Carl Ferdinand (1805–1867)</name><name key="CRT0110884" style="hidden" type="art">Diana mit ihren Nymphen im Bade</name></title>, die jedermann ganz bequem betrachten kann. Oder kann das kein Kunstwerk? Ich denke doch. Welche schöne Adventschoräle haben wir auch dazu! Mach doch diese Musik lieber Felix, leider ist <date cert="high" when="1834-12-21" xml:id="date_49dcfdf3-174e-4806-a3cd-e60193ac131c">heut der 3<hi rend="superscript">te</hi> <hi rend="latintype">Adv</hi>.sonntag</date> und ich habe mich schon müde gepredigt, so daß der Brief nun wohl recht trocken gerathen sein mag, ja ja ich habs zu kurz abgefertigt, Du wirst viel guten Willen haben müssen um Dich hinein zu versetzen. Aber ists denn nicht köstlich so in <hi rend="latintype">nuce</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_97c52538-067e-4576-aff0-ebaa8ef6fbfc" xml:lang="la ">in nuce – lat., im Kern, in Kürze.</note> altes und neues Testament beisammen zu haben, die Heiligkeit <hi rend="latintype">Gottes</hi> als das Frühroth der heiligen Liebe? Das Gesetz und das Evangelium!</p> <p><hi rend="latintype">P.S.</hi> Es hätte mir früher einfallen sollen, daß nicht erst zu fragen ist, ob es eine solche Kirchenmusik gibt, die <title xml:id="title_763e8ba8-bc20-4267-89d3-d222560980dd">Passion von Bach<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685–1750)</name><name key="CRT0107794" style="hidden" type="music">Matthäus-Passion BWV 244</name></title> ists für ihre Zeit. – Unsere arme Kirche!</p> <closer rend="left">Antworte mir recht bald lieber Felix.</closer> <signed rend="right">Deinem</signed> <signed rend="right">Freund</signed> <signed rend="right">A. Baur.</signed> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_13c7be02-9a1d-4a91-a0ef-5a32f5e32caa"> <docAuthor key="PSN0110637" resp="author" style="hidden" xml:id="docAuthor_ac0fa200-38a6-4db9-b347-a98c1acc0c0f">Devrient, Philipp Eduard (1801–1877)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0110637" resp="writer" style="hidden" xml:id="docAuthor_32013868-57e8-4acb-8a78-0bde8a4f9913">Devrient, Philipp Eduard (1801–1877)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent"><hi rend="latintype">Prosit</hi> Weihnacht, lieber Felix, sei so vergnügt, als das wunderschöne Fest es verdient und sei mir nicht böse, daß ich Dir das verabredete Bildchen nicht gemalt habe. Mein Trost ist, daß Du, so wie ich vor Geschäftstrudel nicht zu den dazu nöthigen ruhigen Stunden wirst gekommen sein, obschon es meine Weihnachtsfreude sehr versüßen würde, wenn Du mich recht tief beschämtest, nächstens schreibe ich Dir ordentlich. Daß Du beim <placeName xml:id="placeName_99eed482-269e-4a3f-b2e5-46fb1498d681">Theater<name key="NST0100296" style="hidden" subtype="" type="institution">Stadttheater</name><settlement key="STM0100109" style="hidden" type="locality">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> nicht aushalten würdest<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_f08fa7af-d976-4e40-95d1-33316802fdef" xml:lang="de">das du beim Theater nicht aushalten würdest – bezieht sich auf Felix Mendelssohn Bartholdys geheime Verhandlungen in Leipzig seit September 1834 bezüglich einer Anstellung als Kapellmeister des Gewandhauses.</note> habe ich immer gefürchtet. Siehst Du nun ein daß es ein Martyrium ist dabei zu sein?</p> <signed rend="right">Eduard Dt.</signed> </div> </body> </text></TEI>