gb-1834-08-12-01
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Berlin, 12. August 1834
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
1 Doppelbl.: S. 1-3 Brieftext; S. 4 Adresse, Siegelmarke »D«, Notiz von Felix Mendelssohn Bartholdys Hand: »MacDaniel / goldeyed no 11 / 343 OxfordStreet«.
Eduard Devrient
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
tAugust 1834
Ich zähle schon Wochen und Tage bis zu Deiner 1/2
Ebenso wird sich ein Hr Solo sich übel macht, jedoch Du kannst ihn auch hören. Er meldet sich als zweiter Tenor. Ferner sind zwei Rheinländer, gute Choristen hier, ein 1 Tenor und ein Bass, die ziemlich gut lesen und zurück an den Rhein wollen, die haben sich zu Deinem Chor gemeldet, die kannst Du auch prüfen. Sie wollen sich hier nicht länger engagiren lassen, sondern da sie ihrer Militärpflicht genügt, zurück an den Rhein. So bereite ich Dir denn hier noch einige Direktionsgeschäfte, wenn Du sie magst.
Berlin d 12t August 1834 Ich zähle schon Wochen und Tage bis zu Deiner Hieherkunft und habe herausgebracht, daß es nun gar nicht mehr lange bis dahin ist. Zurückgezählt, finde ich freilich daß wir uns fast 2 Jahre nicht gesehen haben, doch nein Du warst im Frühjahr 33 hier, also werden’s erst 11/2 Jahr. Genug es ist lange her und wären wir andre Leute könnten wir uns indessen verändert haben. Vom meinem Ausfluge bin ich also zurück und habe auch schon eine schlimme Zeit wieder durchgemacht. Ich fand nämlich meinen jüngsten Knaben todtkrank und vom Arzte aufgegeben, in den ersten Stunden unsres Wiedersehens mußten wir den lieben Knaben, den wir wie zum Troste und Ersatz bekommen hatten, immer mehr zusammensinken sehen. Da warf eine günstige Fügung in der höchsten Noth uns einen jungen Artzt zu, dessen unermüdliche Sorgfalt eine Wendung in der Krankheit des Kindes hervorbrachte und dem wir also vornehmlich seine Rettung zu danken haben. Einige Tage und Nächte brachten wir in Sorgen, Angst und Mühen zu, jetzt aber nach 14 Tagen blüht der Knabe wieder auf und bald wird jede Spur des Siechthums verwischt sein. Das waren harte Tage aber schöne, da sie so überstanden sind, Therese hat sich wieder ganz herrlich benommen wie überall und immer, wo die große Zeit alle Kleinlichkeiten niederschlägt und ihr eigen innerliches Wesen im vollen Adel ihrer sanften Größe hervortritt. Wenn es möglich wäre, liebte ich sie mehr seitdem. – Meine 18tägige Reise war übrigens sehr schön. Drei Tage war ich bei Baur. Da ist es schön still und freundlich. Das Städtchen gar nicht so arg, sehr hübsche umgängliche Leute in der Nachbarschaft, da muß man prächtig ungestört arbeiten können. In Haus und Garten sieht es sehr hübsch, wohnlich und pastorlich aus. Seine Frau liebt ihn über alles und geht ganz in ihm auf. Kinder fehlen aber sehr, die zwei hübschen Katzen im Hause thun’s nicht, so zierlich sie auch spielen. Baurs Predigt war sehr lebhaft, ja heftig, er ist in das Extrem seiner früheren Blödigkeit gerathen und so wird er gewiß die rechte Mitte finden. Mir war sehr wohl da, Baurs Umgang ist eine ununterbrochne Kette geistiger Anregung. Beide begleiteten mich nach Stettin, wo Löwe sehr langweilig war und auch unhörbar und unverständlich viele neue Compositionen zu Stieglitz Bildern des Orients vorsang. Es sind immer schöne Gedanken drin. Wir sangen auch 4stimmige geistl Lieder von ihm, von denen manche mir sehr gefielen, obschon ich gerade zum Umfallen schläfrig war. Nun schifften wir zusammen nach Swinemünde, wo Baur seiner Frau nur Abends und am nächsten Morgen die See zeigte und dann wieder zurückeilte zu seinen Amtsgeschäften. Ich aber kostete Alles gehörig aus, badete bei stürmischm und stillem Wetter, besuchte das schöne Heringsdorf, mit seiner eigenthümlich stylisirten Naturschönheit. Traf dort Fürst, unglaublich guten Humors, ganz entzückt und erheitert von dem Reitz des Ortes. Es sagte, daß er von Dir eine Abschrift des Oratoriums erwarte, welche er nun erhalten wird, wie ich jetzt von Deiner Schwester gehört. Ferner fuhr ich mit dem Dampfschiffe nach Rügen, 7 Stunden auf stürmischer See, mit heftigem Winde, Regen, Sturzwellen, enormer Seekrankheit an Bord, der ich selbst auf eine halbe Stunde unterlag. Ich dachte viel dabei an Dich und hatte eine Ahndung von dem verzwei felten, apathischen Zustande, den Du mir schildertest. Rügen hat meine Erwartung übertroffen, die See bei Arkona war göttlich schön, bei Stubbenkammer hatte sie Farben, wie ich sie auf Bildern vom Mittelmeer gesehen, kurzum ich war überaus erfrischt und erfreut, und bin es heut noch. Ich war nah daran mich in Heringsdorf anzukaufen, so hatte die See mich zum Sklaven gemacht, aber es ist wol besser, daß ich es bleiben lasse. Nun noch etwas Geschäftliches. Ich habe wieder eine Sängerin gehört, ein Frl Kohlmetz, Pflegetochter der Fr v Bernuth. Die Stimme ist jetzt (ich hörte sie schon vor Jahr und Tag) recht gleichmäßig, mächtig klingend, groß, kurz ganz prächtig. Von schwerem Kaliber, für Gluck vortrefflich, aber die Dame ist sehr unschön, mag sich wol in der Ferne erträglicher ausnehmen, aber ein Anstoß muß es immer bleiben. Die Gestalt ist gereckt, platt, eckig. Ich schreibe Dir davon nur damit Du von ihrer Existenz wissest, wenn Du herkommst kannst Du selbst zusehen. Ebenso wird sich ein Hr Wolf a. d. Chor bei Dir gemeldet haben, mit dem ich nichts verhandeln wollte, da er unser bester Tenor im Chore ist. Er will Solosänger werden, hat aber einen fatalen Kehlansatz, den man im Chor nicht hört, der aber Solo sich übel macht, jedoch Du kannst ihn auch hören. Er meldet sich als zweiter Tenor. Ferner sind zwei Rheinländer, gute Choristen hier, ein 1 Tenor und ein Bass, die ziemlich gut lesen und zurück an den Rhein wollen, die haben sich zu Deinem Chor gemeldet, die kannst Du auch prüfen. Sie wollen sich hier nicht länger engagiren lassen, sondern da sie ihrer Militärpflicht genügt, zurück an den Rhein. So bereite ich Dir denn hier noch einige Direktionsgeschäfte, wenn Du sie magst. Beutler ist jetzt ganz einverstanden mit Deinen Anträgen und wird den Contrakt bei Deiner Anwesenheit vollziehen, er wird Dir das auch schreiben. Nun ade für heut, Therese grüßt Dich sammt all den Meinen. Dein Eduard Devrient
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Zurückgezählt, finde ich freilich daß wir uns fast 2 Jahre nicht gesehen</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_3e19a532-00e3-4c37-9fe9-2a83015accb5">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="fmb-1834-08-02-02" type="precursor" xml:id="title_d0b67581-9769-4172-abf5-5f927689ef38">Felix Mendelssohn Bartholdy an Eduard Devrient in Berlin; Düsseldorf, 2. August 1834</title> <title key="fmb-1834-11-26-02" type="successor" xml:id="title_9a1db356-69c3-4471-98f7-b277f84e7ef7">Felix Mendelssohn Bartholdy an Eduard Devrient in Berlin; Düsseldorf, 26. 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Zurückgezählt, finde ich freilich daß wir uns fast 2 Jahre nicht gesehen</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>1 Doppelbl.: S. 1-3 Brieftext; S. 4 Adresse, Siegelmarke »D«, Notiz von Felix Mendelssohn Bartholdys Hand: »MacDaniel / goldeyed no 11 / 343 OxfordStreet«.</p> <handDesc hands="1"> <p>Eduard Devrient</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1834-08-12" xml:id="date_a154fefd-1e48-4d24-96b1-0fb3b83a750b">12. 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Oktober eintraf.</note> und habe herausgebracht, daß es nun gar nicht mehr lange bis dahin ist. Zurückgezählt, finde ich freilich daß wir uns fast 2 Jahre nicht gesehen haben, doch nein Du warst im Frühjahr 33 hier, also werden’s erst 1<formula rend="fraction_slash"><hi rend="supslash">1</hi><hi rend="barslash">/</hi><hi rend="subslash">2</hi></formula> Jahr. Genug es ist lange her und wären wir andre Leute könnten wir uns indessen verändert haben. Vom meinem Ausfluge<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_89b14a4a-118a-4659-8709-c7c7c1a6b40e" xml:lang="de">meinem Ausfluge – Devrients Reise an die Ostsee und auf die Insel Rügen; vgl. Brief gb-1834-08-15-01 Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf; Berlin, 15. August 1834.</note> bin ich also zurück und habe auch schon eine schlimme Zeit wieder durchgemacht. Ich fand nämlich meinen jüngsten <persName xml:id="persName_609b922a-4c16-4a29-a26a-0e3f3ea8a76d">Knaben<name key="PSN0110630" style="hidden" type="person">Devrient, Georg Anton (1834-1891)</name></persName> todtkrank und vom Arzte aufgegeben, in den ersten Stunden unsres Wiedersehens mußten wir den lieben Knaben, den wir wie zum Troste und Ersatz bekommen hatten,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_70136e57-cba9-4413-9670-af491d0cb650" xml:lang="de">den lieben Knaben, den wir wie zum Troste und Ersatz bekommen hatten – Der 1829 geborene Sohn Gustav Devrient war 1832 gestorben.</note> immer mehr zusammensinken sehen. Da warf eine günstige Fügung in der höchsten Noth uns einen jungen Artzt zu, dessen unermüdliche Sorgfalt eine Wendung in der Krankheit des Kindes hervorbrachte und dem wir also vornehmlich seine Rettung zu danken haben. Einige Tage und Nächte brachten wir in Sorgen, Angst und Mühen zu, jetzt aber nach 14 Tagen blüht der Knabe wieder auf und bald wird jede Spur des Siechthums verwischt sein. Das waren harte Tage aber schöne, da sie so überstanden sind, <persName xml:id="persName_0e4bc34b-1abb-42ac-b899-062e5c2ebb32">Therese<name key="PSN0110639" style="hidden" type="person">Devrient, Marie Therese (1803-1882)</name></persName> hat sich wieder ganz herrlich benommen wie überall und immer, wo die große Zeit alle Kleinlichkeiten niederschlägt und ihr eigen innerliches Wesen im vollen Adel ihrer sanften Größe hervortritt. Wenn es möglich wäre, liebte ich sie mehr seitdem. – Meine 18tägige Reise war übrigens sehr schön. Drei Tage war ich bei <persName xml:id="persName_4993ca06-9b80-43f9-bcb6-0b1a1cb5a532">Baur<name key="PSN0109710" style="hidden" type="person">Baur, Ernst Friedrich Albert (1803-1886)</name></persName>. Da ist es schön still und freundlich. Das <placeName xml:id="placeName_72fe0692-e204-4b2e-ab46-320f4f567637">Städtchen<settlement key="STM0100603" style="hidden" type="locality">Brüssow</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> gar nicht so arg, sehr hübsche umgängliche Leute in der Nachbarschaft, da muß man prächtig ungestört arbeiten können. In Haus und Garten<seg type="pagebreak"> |2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> sieht es sehr hübsch, wohnlich und pastorlich aus. Seine <persName xml:id="persName_a2fabae1-11b8-4298-86b7-d21adeecb6c4">Frau<name key="PSN0109713" style="hidden" type="person">Baur, Luise Henriette (1807-1848)</name></persName> liebt ihn über alles und geht ganz in ihm auf. Kinder fehlen aber sehr, die zwei hübschen Katzen im Hause thun’s nicht, so zierlich sie auch spielen. Baurs Predigt war sehr lebhaft, ja heftig, er ist in das Extrem seiner früheren Blödigkeit gerathen und so wird er gewiß die rechte Mitte finden. Mir war sehr wohl da, Baurs Umgang ist eine ununterbrochne Kette geistiger Anregung. Beide begleiteten mich nach <placeName xml:id="placeName_d01dcc73-4641-4e6c-bad0-2d1ba73bd05f">Stettin<settlement key="STM0100153" style="hidden" type="locality">Stettin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, wo <persName xml:id="persName_5c9bc9bb-992f-4f41-b019-8baf09b2a198">Löwe<name key="PSN0112914" style="hidden" type="person">Loewe, Johann Carl Gottfried (1796-1869)</name></persName> sehr langweilig war und auch unhörbar und unverständlich viele <title xml:id="title_fca0d9e0-7d37-4b9a-a52a-60d104930882">neue Compositionen<name key="PSN0112914" style="hidden" type="author">Loewe, Johann Carl Gottfried (1796–1869)</name><name key="CRT0112387" style="hidden" type="music">Bilder des Orients op 10</name></title> zu <title xml:id="title_313726a2-3165-422a-9dec-f29c09754ff0">Stieglitz Bildern des Orients<name key="PSN0115134" style="hidden" type="author">Stieglitz, Heinrich Wilhelm August (1801–1849)</name><name key="CRT0110984" style="hidden" type="literature">Bilder des Orients</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_c4bb4cd1-195b-40e1-b0ae-cb0614013a65" xml:lang="de">viele neue Compositionen zu Stieglitz Bildern des Orients – Nach den vier Gedichtbänden Bilder des Orients von Heinrich Wilhelm August Stieglitz, veröffentlicht 1831 bis 1833, entstand Carl Loewes Liederkranz Bilder des Orients, op 10, der 1834 bei Breitkopf & Härtel in Leipzig erschien.</note> vorsang. Es sind immer schöne Gedanken drin. Wir sangen auch <title xml:id="title_527cff30-de08-4fc9-80e1-96b5595b11b3">4stimmige geistl Lieder<name key="PSN0112914" style="hidden" type="author">Loewe, Johann Carl Gottfried (1796–1869)</name><name key="CRT0112388" style="hidden" type="music">Vierstimmige geistliche Lieder</name></title> von ihm, von denen manche mir sehr gefielen, obschon ich gerade zum Umfallen schläfrig war. Nun schifften wir zusammen nach <placeName xml:id="placeName_b73bb801-1836-49b3-874e-58813f566509">Swinemünde<settlement key="STM0104711" style="hidden" type="locality">Swinemünde</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, wo Baur seiner Frau nur Abends und am nächsten Morgen die See zeigte und dann wieder zurückeilte zu seinen Amtsgeschäften. Ich aber kostete Alles gehörig aus, badete bei stürmischm und stillem Wetter, besuchte das schöne <placeName xml:id="placeName_64456549-0cbf-4ae7-835a-8160aa45ecbe">Heringsdorf<settlement key="STM0104559" style="hidden" type="locality">Heringsdorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, mit seiner eigenthümlich stylisirten Naturschönheit. Traf dort <persName xml:id="persName_1d91e337-2473-41d2-bb56-afe7dcdba956">Fürst<name key="PSN0111259" style="hidden" type="person">Fürst, Joseph (1794-1859)</name></persName>, unglaublich guten Humors, ganz entzückt und erheitert von dem Reitz des Ortes. <choice resp="writer" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_5d2e8246-4ea2-484d-b3c3-742f85deda6f"> <corr resp="writer">Er</corr> <sic resp="writer">Es</sic> </choice> sagte, daß er von Dir eine Abschrift des <title xml:id="title_437e4e26-a10b-4b50-acf9-b4442828a648">Oratoriums<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_nj7d6xh1-gzpc-8tlf-5ihn-tjaggkozmlxp"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title> erwarte, welche er nun erhalten wird, wie ich jetzt von Deiner <persName xml:id="persName_c653b507-7547-400d-a9dc-96fe71d37a2b">Schwester<name key="PSN0111893" style="hidden" type="person">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> gehört. Ferner fuhr ich mit dem Dampfschiffe nach Rügen, 7 Stunden auf stürmischer See, mit heftigem Winde, Regen, Sturzwellen, enormer Seekrankheit an Bord, der ich selbst auf eine halbe Stunde unterlag. Ich dachte viel dabei an Dich und hatte eine Ahndung von dem verzwei<seg type="pagebreak"> |3|<pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg> felten, apathischen Zustande, den Du mir schildertest. Rügen hat meine Erwartung übertroffen, die See bei <placeName xml:id="placeName_aff269c3-1276-4074-8b59-094466893927">Arkona<settlement key="STM0104788" style="hidden" type="locality">Kap Arkona</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> war göttlich schön, bei <placeName xml:id="placeName_5c593727-def8-4cc4-be74-5906cbe26d24">Stubbenkammer<settlement key="STM0104789" style="hidden" type="area">Stubbenkammer</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_e1ac7f69-2206-44ce-891d-5411b27e1a7f" xml:lang="de">Stubbenkammer – von slawisch stopin (Stufe) und kamen (Fels), Kreidefelsen in der Nähe von Sassnitz, Wahrzeichen der Insel Rügen.</note> hatte sie Farben, wie ich sie auf Bildern vom Mittelmeer gesehen, kurzum ich war überaus erfrischt und erfreut, und bin es heut noch. Ich war nah daran mich in Heringsdorf anzukaufen, so hatte die See mich zum Sklaven gemacht, aber es ist wol besser, daß ich es bleiben lasse. Nun noch etwas Geschäftliches. Ich habe wieder eine Sängerin gehört, ein Frl <persName xml:id="persName_c6c82d3c-3cf5-4190-97fc-cc8b21b6ef48">Kohlmetz<name key="PSN0117277" style="hidden" type="person">Kohlmetz, Fräulein (1816-?)</name></persName>, Pflegetochter der Fr v <persName xml:id="persName_03090180-0e45-4c85-800e-e0af2566318f">Bernuth<name key="PSN0116213" style="hidden" type="person">Bernuth, C. von</name></persName>. Die Stimme ist jetzt (ich hörte sie schon vor Jahr und Tag) recht gleichmäßig, mächtig klingend, groß, kurz ganz prächtig. Von schwerem Kaliber, für Gluck vortrefflich, aber die Dame ist sehr unschön, mag sich wol in der Ferne erträglicher ausnehmen, aber ein Anstoß muß es immer bleiben. Die Gestalt ist gereckt, platt, eckig. Ich schreibe Dir davon nur damit Du von ihrer Existenz wissest, wenn Du herkommst kannst Du selbst zusehen.</p> <p>Ebenso wird sich ein Hr <persName xml:id="persName_9ec10839-bb33-47a3-8555-79185a5fb8ee">Wolf<name key="PSN0115841" style="hidden" type="person">Wolff, Carl Maria</name></persName><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_3dcbc0c2-0fca-4862-b9db-e3bb59087cef" xml:lang="de">Hr Wolf – Carl Maria Wolff, vgl. Brief fmb-1834-08-23-01 (Brief Nr. 991) Felix Mendelssohn Bartholdy an William Horsley in London; Düsseldorf, 23. August 1834.</note> a. d. Chor bei Dir gemeldet haben, mit dem ich nichts verhandeln wollte, da er unser bester Tenor im Chore ist. Er will Solosänger werden, hat aber einen fatalen Kehlansatz, den man im Chor nicht hört, der aber <hi rend="latintype">Solo</hi> sich übel macht, jedoch Du kannst ihn auch hören. Er meldet sich als zweiter <hi rend="latintype">Tenor</hi>. Ferner sind zwei Rheinländer, gute Choristen hier, ein 1 <hi rend="latintype">Tenor</hi> und ein <hi rend="latintype">Bass</hi>, die ziemlich gut lesen und zurück an den Rhein wollen, die haben sich zu Deinem Chor gemeldet, die kannst Du auch prüfen. Sie wollen sich hier nicht länger engagiren lassen, sondern da sie ihrer Militärpflicht genügt, zurück an den Rhein. So bereite ich Dir denn hier noch einige Direktionsgeschäfte, wenn Du sie magst. <persName xml:id="persName_ca92f603-390d-4c35-a2ed-1af163bef88c">Beutler<name key="PSN0109929" style="hidden" type="person">Beutler, Franz (1787-1852)</name></persName> ist jetzt ganz einverstanden mit Deinen Anträgen und wird den Contrakt<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_90d73a11-5fcc-48e9-af0e-7e0fe7f93f51" xml:lang="de">Deinen Anträgen … den Contrakt – Felix Mendelssohn Bartholdy verhandelte zweimal brieflich wegen eines Siebenmonatsvertrags mit Franz Beutler, um dessen Tochter, die Sopranistin Carline Beutler, für ein Hauptengagement an der Düsseldorfer Bühne zu gewinnen.</note> bei Deiner Anwesenheit vollziehen, er wird Dir das auch schreiben. Nun ade für heut, <persName xml:id="persName_e39d63c8-f89b-4483-9ae9-b723e70661f7">Therese<name key="PSN0110639" style="hidden" type="person">Devrient, Marie Therese (1803-1882)</name></persName> grüßt Dich sammt all den Meinen.</p> <signed rend="right">Dein</signed> <signed rend="right">Eduard Devrient</signed> </div> </body> </text></TEI>