gb-1834-06-10-01
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Berlin, 10. Juni 1834
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext. – Datierung: Nach Angabe Adolph Bernhard Marx: »es ist heut der 10 Juni«.
Adolph Bernhard Marx.
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Ach!!! – !!!
Nun will ich mich bei Dir erholen,
Wenn ich nur wüßte, was ich hier anfangen sollte! Stunden hab’ ich nicht, habe zufällig nie (oder selten) gute Schüler gehabt, als auswärtige, und bin nicht in ihren Cliquen, wo sich solche Carrière macht. Meine amtliche Stellung wird zwischen könnte! – und das gilt bei der Entscheidung. Meine Plane werden von andern ausgeführt; und damit ich nicht zweifle, daß man mir so im Min. nachspürt, werden meine Gutachten unter dem Bruch eidlich angelobter Amtsverschwiegenheit verrathen. Neulich sagte mir der Dir. Kähler ein Nagel zu dessen Sarge geworden; er erzählte genug vom Inhalte, daß ich an der Veröffentlichung nicht zweifeln konnte. Zum Glück war mein Gewissen ruhig und ich berichtigte das entstellte Factum, – ich erzähl’s nachher. Und das alles thun die Bestien so artig, und wohlwollend, und sind alle so einig darüber, daß Du, wenn Du eben zur Ohrfeige ausholst, ein Kußhändchen wirfst. – Ich schreib’ ein Stück nach dem andern und kann keins los werden, weil Alle gegen mich sind und keiner sich für mich vernehmen läßt. Damit’s mir aber nicht an Plaisir fehle, hab’ ich meine Arbeit zurücklegen müssen und muß Tag und Nacht
vordruckenlassen will. Hab’ ich aber die Bücher edirt, so werden die andern sie benutzen, werden sagen: das hätten sie längst gewußt und längst gethan; sie werden dreifache Aemter und Gehalte und allen Einfluß haben, und ich werde 200 rh. Honorar und Schulden und einen vernichteten Wirkungskreis haben. Ließe sich der Min. nur einmal den Lehrplan von uns allen vorlegen, so könnte jeder Sekretair ohne Brille unterscheiden; denn die Herren kennen nicht einmal die Rubr
kihres Fachs. Aber so –
könnteich ihnen entgegen sein.
Na was hilft’s Seufzen! Ich will noch – weil ichs doch eingeredet habe – die Sargnagelgeschichte erzählen, und dann lustig sein. Also Kähler hatte dem Min. eine (sehr schwache) Komp. mit untermischten Deklamationssätzen für eine Schul- oder Kirchenfeier vorgelegt und gemeint, damit eine neue für die Kunst förderliche Gattung hergestellt zu haben. Das Min. theilte mir die Arbeit und zugleich seine Eingabe mit. Ich urtheilte höchst schonend, fast unwahr, mußte aber sagen: die Form scheine nicht kunstfördernd und auch nicht neu (vielmehr in den deutschen Opern gewöhnlich, – früher auch in Kirchensachen) sondern höchstens auf ein neues Genus übertragen. Nun aber nahm ich aus der Arbeit und der Eingabe Anlaß, dringend vorzustellen, daß
Ein zänkisch Weib und ein lamentirender Freundtacite begraben, die
Lirum larum! Das ist all’ nichts Wesentliches! Es hemmt und ärgert, und man kommt doch weiter. Seit hab’ ich (es ist
Nämlich nun kommt der lustige Theil der Predigt. Am
sechszigersten Tenören tritt! Gerade dazu ist diese Schreibart wohl gut, – und ohnedem glaub nur, daß mein Stück wenigstens das kirchlichste war. Kurz ich fand da den alten
Nun bin ich dran, den ersten Psalm 4stimmig recht leicht zu schreiben und den 30 Vorstehern zu widmenvorläufig eingeladen, zum
Nun gehts auf das 2. Juli festgesetzt habe und vielleicht auf den 9ten verschiebe. Es ist ein gefährlich Ding damit; noch ist der Chor nicht zahlreich genug (einige 60) und nicht pünktlich in den Uebungsstunden, obwohl er besser singt, als vorm Jahre. Noch jedesmal ist es so gewesen, daß die Masse erst zuletzt gekommen ist. Noch nie haben sie mich bei der Ausführung sitzen lassen, haben mich offenbar lieb (an meinem Geburtstage brachten sie mir – denk! – eine große Abendmusik) und haben Eifer für die Sache – wenn sie da sind. Aber welches Risiko mit unbesuchten Uebungsstunden! Und wiederum, geb’ ichs aus Besorgniß auf, so ist das Vertrauen hin, ich kann nie wieder was mit dem Chor unternehmen und er sinkt, ohne solches Ziel, auf Null. Was das für Noth ist, wenn man den Leuten Plaisir machen will! Heute bitte ich den muß das gefährliche Spiel machen, weil ich andre Karten ’mal nicht habe.
Noch ein Spielchen wird bald gespielt sein Zeichnung: GB-Ob, M.D.M. d. 29/190, fol. 2v.
sie auch in den äußern Verhältnißen die Sache fördern wird. Hätt’ ich jetzt einen Hausstand, so hätt’ ich in 1/2casse auf Deine möglichste Hülfe. Indeß, wer weiß auch? – Dieser Sache wegen und da ich doch theoretisiren muß, hab’ ich die Mitarbeiterschaft an einem in
Ich denke drauf, meine
Nun wird mein
Eigentl. wollt’ ich an
Ach!!! – !!! Nun will ich mich bei Dir erholen, Felix! Seit zwei Tagen bin ich wieder in Berlin und schon wieder hundsmüde. Zwei Tage war ich draußen, und wohl und heiter, ein Mensch unter Menschen. Wo bin ich nicht all’ gewesen! In München und Nürnberg, Naumburg, Halle, Dessau, Dresden, Potsdam – allenthalben, selbst in Leipzig, wars gut, und hier, – verfluchtes Zeug! Indeß ich habe unrecht. Da ich doch mal nirgends unterzukommen weiß, so muß ja wohl Berlin der rechte Ort für mich sein. Wenn ich nur wüßte, was ich hier anfangen sollte! Stunden hab’ ich nicht, habe zufällig nie (oder selten) gute Schüler gehabt, als auswärtige, und bin nicht in ihren Cliquen, wo sich solche Carrière macht. Meine amtliche Stellung wird zwischen Akademie und Orgelschule anvisitirt, ohne daß ich dagegen was vermag; denn jene haben alle Mittel, alle Versorgungen, stehen zu einander gegen mich; ich habe nichts und stehe allein. Jene Institute verschließen sich mir, weil – wie die Herren mir und dem Min. unverholen sagen – ich ihnen entgegen sein könnte! – und das gilt bei der Entscheidung. Meine Plane werden von andern ausgeführt; und damit ich nicht zweifle, daß man mir so im Min. nachspürt, werden meine Gutachten unter dem Bruch eidlich angelobter Amtsverschwiegenheit verrathen. Neulich sagte mir der Dir. Hientzsch (Spezialfreund von Bach) öffentlich daß mein Gutachten über einen gew. Kähler ein Nagel zu dessen Sarge geworden; er erzählte genug vom Inhalte, daß ich an der Veröffentlichung nicht zweifeln konnte. Zum Glück war mein Gewissen ruhig und ich berichtigte das entstellte Factum, – ich erzähl’s nachher. Und das alles thun die Bestien so artig, und wohlwollend, und sind alle so einig darüber, daß Du, wenn Du eben zur Ohrfeige ausholst, ein Kußhändchen wirfst. – Ich schreib’ ein Stück nach dem andern und kann keins los werden, weil Alle gegen mich sind und keiner sich für mich vernehmen läßt. Damit’s mir aber nicht an Plaisir fehle, hab’ ich meine Arbeit zurücklegen müssen und muß Tag und Nacht an der Theorie arbeiten, denn ich habe noch zu guter letzt erfahren, daß man der und der meine Hefte mir vordrucken lassen will. Hab’ ich aber die Bücher edirt, so werden die andern sie benutzen, werden sagen: das hätten sie längst gewußt und längst gethan; sie werden dreifache Aemter und Gehalte und allen Einfluß haben, und ich werde 200 rh. Honorar und Schulden und einen vernichteten Wirkungskreis haben. Ließe sich der Min. nur einmal den Lehrplan von uns allen vorlegen, so könnte jeder Sekretair ohne Brille unterscheiden; denn die Herren kennen nicht einmal die Rubrk ihres Fachs. Aber so – könnte ich ihnen entgegen sein. Na was hilft’s Seufzen! Ich will noch – weil ichs doch eingeredet habe – die Sargnagelgeschichte erzählen, und dann lustig sein. Also Kähler hatte dem Min. eine (sehr schwache) Komp. mit untermischten Deklamationssätzen für eine Schul- oder Kirchenfeier vorgelegt und gemeint, damit eine neue für die Kunst förderliche Gattung hergestellt zu haben. Das Min. theilte mir die Arbeit und zugleich seine Eingabe mit. Ich urtheilte höchst schonend, fast unwahr, mußte aber sagen: die Form scheine nicht kunstfördernd und auch nicht neu (vielmehr in den deutschen Opern gewöhnlich, – früher auch in Kirchensachen) sondern höchstens auf ein neues Genus übertragen. Nun aber nahm ich aus der Arbeit und der Eingabe Anlaß, dringend vorzustellen, daß K. offenbar ein eifrig wirkender und Strebender sei, und daß sein Schaffen, hätte es auch nicht jene allgemeine Wichtigkeit, jedenfalls ihn auf einer Höhe des Wirkens erhalte, die bloße Amtspflicht nicht erreiche; zudem sehe man ihn in krankhaftem, mit sich selbst zerfallnen Zustande. Ich bat also förmlich, ihn mit Anerkennung und Unterstützung aufzurichten. Nun sieh die Hallunken! – Was hilfts, daß ich eine Lüge enlarve? Sie sagen mit freundlicher Miene: O! und erzählen zehn ärgere, wenn ich fort bin. Ein zänkisch Weib und ein lamentirender Freund – nicht wahr, Felix? – sind ein übel Ding. Warum erzähl’ ich Dir solches? Ich weiß wahrhaftig nicht. Denn Du kannst ja nicht helfen. Deinen Antrag haben sie auch tacite begraben, die Akademie mein’ ich. Lirum larum! Das ist all’ nichts Wesentliches! Es hemmt und ärgert, und man kommt doch weiter. Seit gestern hab’ ich (es ist heut der 10 Juni) hab’ ich den 1ten Psalm für meine Männerchöre in der Mark angefangen und nun gehts wieder. Nämlich nun kommt der lustige Theil der Predigt. Am 5ten und 6ten hatte ein Seminarlehrer Schärtlich in Potsdam zum 2ten Mal ein Musikfest angeordnet und dazu die Männerchöre der Provinz – über 400 Stimmen – vereinigt. Schneider hatte ihm was dazu komponiren müssen, und von mir hatte er die erste Hymne dazu genommen, den sogenannten Ambrosius. Ich hätte das Stück vielleicht nicht nennen sollen; denn nun wirst Du lachen, wenn ich Dir sage, daß ich großen Erfolg damit gehabt; aber bedenke mal, wenn zu 5 aktiven Stimmen die sechste mit sechszig ersten Tenören tritt! Gerade dazu ist diese Schreibart wohl gut, – und ohnedem glaub nur, daß mein Stück wenigstens das kirchlichste war. Kurz ich fand da den alten Steinbeck mit 24. Brandenburgern, einen 70jährigen Kantor aus Spandau im geflickten grauen Oberrock, der seinen Leuten die ausfallenden Stunden bezahlte, damit sie nur hinkommen könnten, manchen schon versorgten Schüler, sonstige Anfänger aus dem akad. Chor, und von der Ztg. her und durchweg eine so entschiedne Theilnahme, solchen Eifer und Zutrauen, wie sich’s der höchststehende Künstler nicht besser wünschen könnte. Treuherzig erzählte mir der und jener, sie hätten erst gar nicht daran gewollt an den Ambr., er wäre ihnen zu schwer gewesen und sie seien nicht klug daraus geworden und nun sei er ihr Liebling. In der zweiten Probe übernahm ich die Direktion; nie wünsche ich mir einen bessern und folgsamern Chor. Jedes Wort und jeder Blick ward befolgt. In der Aufführung, als ich ans Pult trat und mich nach meinen aufgethürmten Leuten wandte, war eine Wand von Augen auf mich gespannt und ich machte unbesorgt, was ich wollte, Eilen und Zögern, pp es ging Alles. Und nachher die Freude! Wie sie mich zehnmal fragten, ob sies recht gemacht und ich zufrieden sei und ihnen mehr anvertrauen wolle und ob nicht noch mehr von mir herauskäme! Dann kamen die Götter herniedergestiegen (Du kennst sie aus Nal und Damajanti an den steifen Gesichtern und Flammenblicken) Rungenhagen, Spontini – ich habe unrecht, zu scherzen; wenn sie mir auch manches gethan, so waren sie doch da ganz human und es war einer der angenehmsten Tage, die ich erlebt. Nun bin ich dran, den ersten Psalm 4stimmig recht leicht zu schreiben und den 30 Vorstehern zu widmen und zu schenken, daß sie auch mal ohne Noth was von mir lernen. Schon bin ich vorläufig eingeladen, zum nächsten Feste was Großes zu schreiben, soll Johannes an mehrern Orten aufführen, namentlich zu Michael in Brandenburg oder Rathenow – kurz (wenn auch nicht alles wird) ich habe mir viel Freunde und Anhang erworben und sogar viele Berliner gewonnen. Nun gehts auf das akad. Konzert los, das ich auf den 2. Juli festgesetzt habe und vielleicht auf den 9ten verschiebe. Es ist ein gefährlich Ding damit; noch ist der Chor nicht zahlreich genug (einige 60) und nicht pünktlich in den Uebungsstunden, obwohl er besser singt, als vorm Jahre. Noch jedesmal ist es so gewesen, daß die Masse erst zuletzt gekommen ist. Noch nie haben sie mich bei der Ausführung sitzen lassen, haben mich offenbar lieb (an meinem Geburtstage brachten sie mir – denk! – eine große Abendmusik) und haben Eifer für die Sache – wenn sie da sind. Aber welches Risiko mit unbesuchten Uebungsstunden! Und wiederum, geb’ ichs aus Besorgniß auf, so ist das Vertrauen hin, ich kann nie wieder was mit dem Chor unternehmen und er sinkt, ohne solches Ziel, auf Null. Was das für Noth ist, wenn man den Leuten Plaisir machen will! Heute bitte ich den König um Erlaubniß und wag’ es. Ich muß das gefährliche Spiel machen, weil ich andre Karten ’mal nicht habe. Noch ein Spielchen wird bald gespielt sein mit Schellenbuben und Coeur Dame – kennst Du die alten Kartenspiele? Aber das ist Gehäumniß. Du bist nicht sicher, daß ich nicht ehestens meine Bitte wiederhole. Ich weiß, daß sie auch in den äußern Verhältnißen die Sache fördern wird. Hätt’ ich jetzt einen Hausstand, so hätt’ ich in 1/2 Jahr eine Akademie von 100 und mehr, da Hansmann sich aufgelöst hat. Und lächerlich ists, daß mir für den Fall ein höheres Gehalt zugesichert ist. Das alles unter uns; kein Mensch weiß hier davon; ich rechne auf strengste Verschwiegenheit und in casse auf Deine möglichste Hülfe. Indeß, wer weiß auch? – Dieser Sache wegen und da ich doch theoretisiren muß, hab’ ich die Mitarbeiterschaft an einem in Stutgard erscheinenden Mus. Lexicon übernommen, den Bogen zu 15 rh. über 150 Artikel. Von Maurice sind mir 4 Louis für den Bogen geboten; ich werd’ ihm schicken, aber mehr aus folgendem Grunde. Ich denke drauf, meine Theorie zugleich in Deutschland, Paris und London herauszugeben. Was meinst Du? Es wird die erste wirkliche Komp. lehre, aus der man lernen kann, was gelernt werden muß, und vollständig. Ich mache damit einen Schlag und kriege einmal eine Summe, die mir aus den Schulden, und aufhilft. Nun wird mein Psalm prächtig. Ruhig. – Könntest Du mir in London und vielleicht auch in Paris helfen? Ich kann nun nicht mehr schreiben. Schreib Du. Antworte doch genauer, z. B. auf den letzten Punkt und schreib mehr, sehr Fauler! Eigentl. wollt’ ich an Hensel noch schreiben. Marx
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Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1834-06-10" xml:id="date_337d2645-b699-4cc4-b8af-79a9e848b3fd">10. 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Meine amtliche Stellung wird zwischen <placeName xml:id="placeName_f4f28879-4812-44c5-92aa-8b517f1270cf">Akademie<name key="NST0100722" style="hidden" subtype="Sektion Musik" type="institution">Königlich Preußische Akademie der Künste</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> und <placeName xml:id="placeName_864cafe5-83f4-428b-aaac-c26f2d3232eb">Orgelschule<name key="NST0103409" style="hidden" subtype="" type="institution">Königliches Musik-Institut zu Berlin (Königliches Institut für Kirchenmusik)</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> anvisitirt, ohne daß ich dagegen was vermag; denn jene haben alle Mittel, alle Versorgungen, stehen zu einander gegen mich; ich habe nichts und stehe allein. Jene Institute verschließen sich mir, weil – wie die Herren mir und dem <persName xml:id="persName_57930149-947c-41b0-846c-807962aa0f9a">Min<name key="PSN0115086" style="hidden" type="person">Stein zum Altenstein, Karl Siegmund Franz Freiherr vom (1770-1840)</name></persName>. unverholen sagen – ich ihnen entgegen sein <hi n="1" rend="underline">könnte</hi>! – und das gilt bei der Entscheidung. Meine Plane werden von andern ausgeführt; und damit ich nicht zweifle, daß man mir so im Min. nachspürt, werden meine Gutachten unter dem Bruch eidlich angelobter Amtsverschwiegenheit verrathen. Neulich sagte mir der Dir. <persName xml:id="persName_c12d1d9e-20ff-4bc7-b153-6d38b4a25107">Hientzsch<name key="PSN0117070" style="hidden" type="person">Hientsch, Johann Gottfried (1787-1856)</name></persName> (Spezialfreund von <persName xml:id="persName_9921eba5-1244-4b51-8485-19d0bf372cb7">Bach<name key="PSN0109606" style="hidden" type="person">Bach, August Wilhelm (1796-1869)</name></persName>) <add place="above">öffentlich<name key="PSN0113108" resp="writers_hand" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name></add> daß mein Gutachten über einen gew. <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_a5ba2e2f-c8d6-4448-8357-b9c5bd39595c">Kähler<name key="PSN0117208" style="hidden" type="person">Kähler, Moritz Friedrich</name></persName></hi> ein Nagel zu dessen Sarge geworden; er erzählte genug vom Inhalte, daß ich an der Veröffentlichung nicht zweifeln konnte. Zum Glück war mein Gewissen ruhig und ich berichtigte das entstellte Factum, – ich erzähl’s nachher. Und das alles thun die Bestien so artig, und wohlwollend, und sind alle so einig darüber, daß Du, wenn Du eben zur Ohrfeige ausholst, ein Kußhändchen wirfst. – Ich schreib’ ein Stück nach dem andern und kann keins los werden, weil Alle gegen mich sind und keiner sich für mich vernehmen läßt. Damit’s mir aber nicht an Plaisir fehle, hab’ ich meine Arbeit zurücklegen müssen und muß Tag und Nacht <title xml:id="title_96bd3e46-1f69-49fd-94a7-3537f8cd5a50">an der Theorie arbeiten<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0109904" style="hidden" type="science">Die Lehre von der musikalischen Komposition, praktisch-theoretisch</name></title>,<seg type="pagebreak"> |2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> denn ich habe noch zu guter letzt erfahren, daß <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_8c7a0fde-f1f8-49f9-8e2b-e22d5876d5fc">man</del> der und der meine Hefte mir <hi n="1" rend="underline">vordrucken</hi> lassen will. Hab’ ich aber die Bücher edirt, so werden die andern sie benutzen, werden sagen: das hätten sie längst gewußt und längst gethan; sie werden dreifache Aemter und Gehalte und allen Einfluß haben, und ich werde 200 rh. Honorar und Schulden und einen vernichteten Wirkungskreis haben. Ließe sich der Min. nur einmal den Lehrplan von uns allen vorlegen, so könnte jeder Sekretair ohne Brille unterscheiden; denn die Herren kennen nicht einmal die Rubr<hi rend="superscript">k</hi> ihres Fachs. Aber so – <hi n="1" rend="underline">könnte</hi> ich ihnen entgegen sein.</p> <p>Na was hilft’s Seufzen! Ich will noch – weil ichs doch eingeredet habe – die Sargnagelgeschichte erzählen, und dann lustig sein. Also <hi rend="latintype">Kähler</hi> hatte dem Min. eine (sehr schwache) Komp. mit untermischten Deklamationssätzen für eine Schul- oder Kirchenfeier vorgelegt und gemeint, damit eine <hi n="1" rend="underline">neue für die Kunst förderliche</hi> Gattung hergestellt zu haben. Das Min. theilte mir die Arbeit und zugleich seine Eingabe mit. Ich urtheilte höchst schonend, fast unwahr, mußte aber sagen: die Form scheine nicht kunstfördernd und auch nicht neu (vielmehr in den deutschen Opern gewöhnlich, – früher auch in Kirchensachen) sondern höchstens auf ein neues Genus übertragen. Nun aber nahm ich aus der Arbeit und der Eingabe Anlaß, dringend vorzustellen, daß <persName xml:id="persName_3ec37803-4d7c-4996-a56c-006495dcabf1">K.<name key="PSN0117208" style="hidden" type="person">Kähler, Moritz Friedrich</name></persName> offenbar ein eifrig wirkender und Strebender sei, und daß sein Schaffen, hätte es auch nicht jene allgemeine Wichtigkeit, jedenfalls ihn auf einer Höhe des Wirkens erhalte, die bloße Amtspflicht nicht erreiche; zudem sehe man ihn in krankhaftem, mit sich selbst zerfallnen Zustande. Ich bat also förmlich, ihn mit Anerkennung und Unterstützung aufzurichten. Nun sieh die Hallunken! – Was hilfts, daß ich eine Lüge enlarve? Sie sagen mit freundlicher Miene: O! und erzählen zehn ärgere, wenn ich fort bin.</p> <p>Ein zänkisch Weib und ein lamentirender Freund<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_98f56d3b-87ac-447a-8bd9-f6b2129b1e60" xml:lang="de">Ein zänkisch Weib und ein lamentirender Freund – Vermutlich abgewandeltes Sprichwort: Drei Dinge sind schädlicher als Gift: ein böser Geselle, ein arg Weib und ein falscher Freund.</note> – nicht wahr, Felix? – sind ein übel Ding. Warum erzähl’ ich Dir solches? Ich weiß wahrhaftig nicht. Denn<seg type="pagebreak"> |3|<pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg> Du kannst ja nicht helfen. Deinen Antrag<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_f480e02b-7b5b-45a8-b7fe-29b0ac75ea5f" xml:lang="de">Deinen Antrag – Mendelssohn sollte Marx behilflich sein, bei der Königlich Preußischen Akademie der Künste als Mitglied vorgeschlagen zu werden. Vgl. Brief gb-1833-11-19-01 Adolph Bernhard Marx an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf; Berlin, 19. November 1833.</note> haben sie auch <hi rend="latintype">tacite</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_2e7fea95-b1d8-4a05-9cdc-266333720937" xml:lang="la ">tacite – frz., stillschweigend.</note> begraben, die <placeName xml:id="placeName_c0fc500f-185b-4686-95b3-2f62ff0a0e30">Akademie<name key="NST0100240" style="hidden" subtype="" type="institution">Königlich Preußische Akademie der Künste</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> mein’ ich.</p> <p>Lirum larum! Das ist all’ nichts Wesentliches! Es hemmt und ärgert, und man kommt doch weiter. Seit <date cert="high" when="1834-06-09" xml:id="date_7e8d1242-3667-473c-8afa-7cb9dd074d0b">gestern</date> <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_383d8b78-2def-4de9-ae8f-3650a16e5447">hab’ ich</del> (es ist <date cert="high" when="1834-06-10" xml:id="date_13498724-4179-409e-910c-34272e7c8a7c">heut der 10 Juni</date>) hab’ ich den <title xml:id="title_3f57770c-3abc-40d1-9613-6b2ba82e2296">1ten Psalm für meine Männerchöre<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0112347" style="hidden" type="music">Der erste Psalm für vierstimmigen Männerchor mit Begleitung des Piano-Forte op. 5</name></title> in der Mark angefangen und nun gehts wieder.</p> <p>Nämlich nun kommt der lustige Theil der Predigt. Am <date cert="high" when="1834-06-05" xml:id="date_792c8a2d-2a4f-4e96-bf15-7b931dabb659">5ten</date> und <date cert="high" when="1834-06-06" xml:id="date_8c1f7f05-ade2-4111-951f-e4571a15d1c5">6ten</date> hatte ein Seminarlehrer <persName xml:id="persName_baf75fb0-e087-451a-9ae8-1bfc4d406c19">Schärtlich<name key="PSN0114505" style="hidden" type="person">Schärtlich, Johann Christian (1789-1859)</name></persName> in <placeName xml:id="placeName_6478f602-75b4-4270-ab66-90f5ec5efc9b">Potsdam<settlement key="STM0100330" style="hidden" type="locality">Potsdam</settlement><country style="hidden"></country></placeName> zum 2ten Mal ein Musikfest angeordnet und dazu die Männerchöre der Provinz – über 400 Stimmen – vereinigt. <persName xml:id="persName_bb454ff9-6e51-4164-add9-ddbdf5788b7a">Schneider<name key="PSN0114644" style="hidden" type="person">Schneider, Georg Abraham (1770-1839)</name></persName> hatte ihm was dazu komponiren müssen, und von mir hatte er die erste Hymne dazu genommen, den sogenannten <title xml:id="title_dafc9c9a-0131-4d85-83cd-1aaffb435828">Ambrosius<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0109908" style="hidden" type="music">Zwei Motetten für sechsstimmigen Männerchor op. 4</name></title>. Ich hätte das Stück vielleicht nicht nennen sollen; denn nun wirst Du lachen, wenn ich Dir sage, daß ich großen Erfolg damit gehabt; aber bedenke mal, wenn zu 5 aktiven Stimmen die sechste mit <hi n="1" rend="underline">sechszig</hi> ersten Tenören tritt! Gerade dazu ist diese Schreibart wohl gut, – und ohnedem glaub nur, daß mein Stück wenigstens das kirchlichste war. Kurz ich fand da den alten <persName xml:id="persName_dd005d02-bf32-4dee-8fa2-4986ce644403">Steinbeck<name key="PSN0115094" style="hidden" type="person">Steinbeck, Samuel Dietrich (1774-1838)</name></persName> mit 24. <placeName xml:id="placeName_7d5d32bf-c59e-42a4-898b-08627886e6b4">Brandenburgern<settlement key="STM0100155" style="hidden" type="locality">Brandenburg</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, einen 70jährigen Kantor aus <placeName xml:id="placeName_78a74183-f6c5-4a22-8825-750b961822a6">Spandau<settlement key="STM0100585" style="hidden" type="locality">Spandau</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> im geflickten grauen Oberrock, der seinen Leuten die ausfallenden Stunden bezahlte, damit sie nur hinkommen könnten, manchen schon versorgten Schüler, sonstige Anfänger aus dem <placeName xml:id="placeName_f6ec08fc-a7e8-49b5-9812-10674db24751">akad. Chor<name key="NST0104734" style="hidden" subtype="Chor" type="institution">Friedrich-Wilhelms-Universität</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, und von der Ztg. her und durchweg eine so entschiedne Theilnahme, solchen Eifer und Zutrauen, wie sich’s der höchststehende Künstler nicht besser wünschen könnte. Treuherzig erzählte mir der und jener, sie hätten erst gar nicht daran gewollt an den Ambr., er wäre ihnen zu schwer gewesen und sie seien nicht klug daraus geworden und nun sei er ihr Liebling. In der zweiten Probe übernahm ich die Direktion; nie wünsche ich mir einen bessern und folgsamern Chor. Jedes Wort und jeder Blick ward befolgt. In der Aufführung, als ich ans Pult trat und mich nach meinen aufgethürmten Leuten wandte, war eine Wand von Augen auf mich gespannt und ich machte unbesorgt, was ich wollte, Eilen und Zögern, pp es ging Alles. Und nachher die Freude! Wie sie mich zehnmal fragten, ob sies recht gemacht und ich zufrieden sei und ihnen mehr anvertrauen wolle und ob nicht noch mehr von mir herauskäme! Dann kamen die Götter herniedergestiegen (Du kennst sie aus <title xml:id="title_9a282f77-f07a-449b-8088-aabcefe451c7">Nal und Damajanti<name key="PSN0114344" style="hidden" type="author">Rückert, Friedrich (Pseud.: Freimund Raimar) (1788–1866)</name><name key="CRT0112348" style="hidden" type="literature">Das Lied von Nala und Damayanti</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_170d0b4e-eae2-456d-8c4c-61be107050f8" xml:lang="de">Nal und Damaianti – altindisches Märchen, übersetzt aus dem Sanskrit unter anderem von Friedrich Rückert unter dem Titel »Das Lied von Nala und Damayanti«.</note> an den steifen Gesichtern und Flammenblicken) <persName xml:id="persName_55fe76cd-d9c5-4790-b6b7-71ecfa37608e">Rungenhagen<name key="PSN0114359" style="hidden" type="person">Rungenhagen, Karl Friedrich (1778-1851)</name></persName>, <persName xml:id="persName_9a3f68e3-b3d6-43c7-a434-df10d49d4f07">Spontini<name key="PSN0115037" style="hidden" type="person">Spontini, Gaspare Luigi Pacifico (1774-1851)</name></persName> – ich habe unrecht, zu scherzen; wenn sie mir auch manches gethan, so waren sie doch da ganz human und es war einer der angenehmsten Tage, die ich erlebt.</p> <p>Nun bin ich dran, den ersten Psalm 4stimmig recht leicht zu schreiben und den 30 Vorstehern zu widmen<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_54da47dd-26eb-4f1d-9458-e9c25b68c7bd" xml:lang="de">den 30 Vorstehern zu widmen – Vermutlich sind die Leiter der am Musikfest beteiligten teilnehmenden Männerchöre der Provinz Brandenburg gemeint. Das Werk trug, als es 1834 erstmals gedruckt erschien, keine Widmung. Eine vierstimmige Fassung ging nicht in Druck.</note> und zu schenken, daß sie auch mal ohne Noth was von mir lernen. Schon bin ich <hi n="1" rend="underline">vorläufig</hi> eingeladen, zum<seg type="pagebreak"> |4|<pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg> nächsten Feste was Großes zu schreiben, soll <title xml:id="title_558e6c65-11ca-4783-99b2-058cb0afa101">Johannes<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0109898" style="hidden" type="music">Am Tage Johannes des Täufers</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_d5a9359a-f0aa-4e4c-bf5e-c9dcce95d496" xml:lang="de">Johannes – Das Oratorium Am Tage Johannes des Täufers, komponiert 1833/34, blieb bis ins 20. Jahrhundert ungedruckt.</note> an mehrern Orten aufführen, namentlich zu Michael in <placeName xml:id="placeName_160391ee-0981-4f62-afb2-58144c597e04">Brandenburg<settlement key="STM0100155" style="hidden" type="locality">Brandenburg</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> oder <placeName xml:id="placeName_20c1148e-edee-4a6d-adf9-32ff901208a4">Rathenow<settlement key="STM0104540" style="hidden" type="locality">Rathenow</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> – kurz (wenn auch nicht alles wird) ich habe mir viel Freunde und Anhang erworben und sogar viele Berliner gewonnen.</p> <p>Nun gehts auf das <placeName xml:id="placeName_65180c8c-263d-4173-90cb-92260d1dcf49">akad. Konzert<name key="NST0104735" style="hidden" subtype="Akademisches Konzert" type="institution">Friedrich-Wilhelms-Universität</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> los, das ich auf den <hi n="1" rend="underline">2. Juli</hi> festgesetzt habe und vielleicht auf den 9ten verschiebe. Es ist ein gefährlich Ding damit; noch ist der Chor nicht zahlreich genug (einige 60) und nicht pünktlich in den Uebungsstunden, obwohl er besser singt, als vorm Jahre. Noch jedesmal ist es so gewesen, daß die Masse erst zuletzt gekommen ist. Noch nie haben sie mich bei der Ausführung sitzen lassen, haben mich offenbar lieb (an meinem Geburtstage brachten sie mir – denk! – eine große Abendmusik) und haben Eifer für die Sache – <hi n="1" rend="underline">wenn</hi> sie da sind. Aber welches Risiko mit unbesuchten Uebungsstunden! Und wiederum, geb’ ichs aus Besorgniß auf, so ist das Vertrauen hin, ich kann nie wieder was mit dem Chor unternehmen und er sinkt, ohne solches Ziel, auf Null. Was das für Noth ist, wenn man den Leuten Plaisir machen will! Heute bitte ich den <persName xml:id="persName_95d43eb2-98f6-420f-ba50-a07469f1aaec">König<name key="PSN0113989" style="hidden" type="person">Preußen, Friedrich Wilhelm III. von (1770-1840)</name></persName> um Erlaubniß und wag’ es. Ich <hi n="1" rend="underline">muß</hi> das gefährliche Spiel machen, weil ich andre Karten ’mal nicht habe.</p> <p>Noch ein Spielchen wird bald gespielt sein <figure rend="inline_big_size" style="center" subtype="quarter_page" type="drawing" xml:id="figure_5bd3a2ef-64c7-419b-9b1a-00d6cfc4767f"> <graphic url="https://www.felix-mendelssohn-bartholdy.org/_api/letters/letter_image/Zeichnungen/gb-1834-06-10-01-Z-001.jpg"></graphic> <head style="display_none">Zeichnung: GB-Ob, M.D.M. d. 29/190, fol. 2v.</head> <figDesc style="display_none">Zeichnung Spiekarten von Adolph Benrhard Marx.</figDesc> </figure> mit Schellenbuben und Coeur Dame – kennst Du die alten Kartenspiele? Aber das ist Gehäumniß. Du bist nicht sicher, daß ich nicht ehestens meine Bitte wiederhole. Ich weiß, daß <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_2aef25cc-c19b-4161-9d8d-c3dcaeca906d">sie</del> auch in den äußern Verhältnißen die Sache fördern wird. Hätt’ ich jetzt einen Hausstand, so hätt’ ich in <formula rend="fraction_slash"><hi rend="supslash">1</hi><hi rend="barslash">/</hi><hi rend="subslash">2</hi></formula> Jahr eine Akademie von 100 und mehr, da <placeName xml:id="placeName_d2779628-1390-411e-af76-c89520ef10cc">Hansmann<name key="NST0100714" style="hidden" subtype="" type="institution">Hansmann’sches Gesangs-Institut (Hansmann’scher Singverein)</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> sich aufgelöst hat.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_b04c98b1-4c0a-4be5-9344-6ee759821a00" xml:lang="de">da Hansmann sich aufgelöst hat – Hansmannischer Singverein, vgl. Brief fmb-1828-10-06-01 (Brief Nr. 123) Felix Mendelssohn Bartholdy an Sigismund von Neukomm in Paris; Berlin, 6. Oktober 1828, Z. 40.</note> Und lächerlich ists, daß mir für den Fall ein höheres Gehalt zugesichert ist. Das alles unter uns; kein Mensch weiß hier davon; ich rechne auf strengste Verschwiegenheit und in <hi rend="latintype">casse</hi> auf Deine möglichste Hülfe. Indeß, wer weiß auch? – Dieser Sache wegen und da ich doch theoretisiren muß, hab’ ich die Mitarbeiterschaft an einem in <placeName xml:id="placeName_7c99b3e2-4ce0-4214-99a7-ebb4b21f2b89">Stutgard<settlement key="STM0100140" style="hidden" type="locality">Stuttgart</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> erscheinenden <title xml:id="title_e1e5129c-e7de-42d8-84ff-e5a592db0b8c">Mus. Lexicon<name key="PSN0118124" style="hidden" type="author">Schilling, Friedrich Gustav (1805–1880)</name><name key="CRT0110679" style="hidden" type="science">Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften, oder Universal-Lexicon der Tonkunst</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_d9379d57-2871-4b4f-a9d2-853dc394e454" xml:lang="de">einen in Stutgard erscheinenden Mus. Lexicon – Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften, oder Universal-Lexicon der Tonkunst, Redakteur: Gustav Schilling, 6 Bände und Ergänzungsband, Stuttgart: Franz Heinrich Köhler 1835–1838 und 1842.</note> übernommen, den Bogen zu 15 rh. über 150 Artikel. Von <persName xml:id="persName_c3827283-5ab8-418e-8c72-f41c71ca4cbc">Maurice<name key="PSN0114586" style="hidden" type="person">M. Schlesinger, Musikverlag in Paris</name></persName> sind mir 4 Louis für den Bogen geboten; ich werd’ ihm schicken, aber mehr aus folgendem Grunde.</p> <p>Ich denke drauf, meine <title xml:id="title_cefa8996-d935-4272-b76c-5744c6cbebe1">Theorie<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0109904" style="hidden" type="science">Die Lehre von der musikalischen Komposition, praktisch-theoretisch</name></title> zugleich in Deutschland, <placeName xml:id="placeName_85caaebb-651a-470b-98e7-8bf79a195382">Paris<settlement key="STM0100105" style="hidden" type="locality">Paris</settlement><country style="hidden">Frankreich</country></placeName> und <placeName xml:id="placeName_4e3cff67-9bd5-4c88-9378-96babb28ad59">London<settlement key="STM0100126" style="hidden" type="locality">London</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName> herauszugeben.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_069aba48-8233-45e1-a827-d5e25ac0fafe" xml:lang="de">meine Theorie zugleich in Deutschland, Paris und London heraus zu geben – Die Lehre von der musikalischen Komposition praktisch theoretisch erschien zunächst in Leipzig und wurde später auch ins Englische übersetzt.</note> Was meinst Du? Es wird die erste wirkliche Komp. lehre, aus der man lernen kann, was gelernt werden muß, und vollständig. Ich mache damit einen Schlag und kriege einmal eine Summe, die mir aus den Schulden, und aufhilft.</p> <p>Nun wird mein <title xml:id="title_01f2c847-0e16-416d-bf4c-e9ec3d82f9bf">Psalm<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0112347" style="hidden" type="music">Der erste Psalm für vierstimmigen Männerchor mit Begleitung des Piano-Forte op. 5</name></title> prächtig. Ruhig. – Könntest Du mir in London und vielleicht auch in Paris helfen? Ich kann nun nicht mehr schreiben. Schreib Du. Antworte doch genauer, z. B. auf den letzten Punkt und schreib mehr, sehr Fauler!</p> <p>Eigentl. wollt’ ich an <persName xml:id="persName_206e9ef6-be1e-4ded-8c2f-23715a5621ee">Hensel<name key="PSN0111899" style="hidden" type="person">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name></persName> noch schreiben. </p> <signed rend="right">Marx</signed> </div> </body> </text></TEI>