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gb-1834-04-27-02

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Wilhelm von Boguslawski an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf <lb></lb> Wriezen, 27. April 1834 Ihr gütiger Brief vom 19ten d. M. hat mich vorgestern Abend sehr angenehm überrascht da ich zwar immer in diesen Tagen auf einen von Ihnen hoffte aber nicht mehr zu einer so späten Tagesstunde /gegen Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) Felix Mendelssohn Bartholdy an Wilhelm von Boguslawski in Wriezen; Düsseldorf, 19. April 1834 Felix Mendelssohn Bartholdy an Wilhelm von Boguslawski in Berlin; Berlin, 20. September 1834 Boguslawski, Wilhelm von (1803-1874)Boguslawski, Wilhelm von (1803-1874) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. 29/117. Autograph Wilhelm von Boguslawski an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf; Wriezen, 27. April 1834 Ihr gütiger Brief vom 19ten d. M. hat mich vorgestern Abend sehr angenehm überrascht da ich zwar immer in diesen Tagen auf einen von Ihnen hoffte aber nicht mehr zu einer so späten Tagesstunde /gegen

1 Doppelbl.: S. 1-3 Brieftext; S. 4 leer.

Wilhelm von Boguslawski

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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

27. April 1834 Boguslawski, Wilhelm von (1803-1874)counter-resetBoguslawski, Wilhelm von (1803–1874) Wriezen Deutschland Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Düsseldorf Deutschland deutsch
Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874) Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874) Wriezen den 27sten April 1834

Ihr gütiger Brief <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1834-04-19-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Wilhelm von Boguslawski in Wriezen; Düsseldorf, 19. April 1834</name> vom 19ten d. M. hat mich vorBoguslawski, Wilhelm von (1803–1874)vorgestern Abend sehr angenehm überrascht da ich zwar immer in diesen Tagen auf einen von Ihnen hoffte aber nicht mehr zu einer so späten Tagesstunde /gegen 8 Uhr/. Ich danke Ihnen dafür recht herzlich, er ist mir sehr viel werth. Wohl kam mir zuweilen der Gedanke ein, besonders zu Anfang meiner Oper<name key="PSN0110007" style="hidden" type="author">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name><name key="CRT0108251" style="hidden" type="music">Elfino</name>, daß es ein eitler Wahn sei daß ich so etwas machen könne, und wenn ich nun auch Vergnügen dabei hatte, so will doch niemand gern ein Don Quichote sein d. h. man will sich nicht blos auf den rechten Wege fühlen, sondern auch gern darauf sein, zu welcher Überzeugung vielleicht alle Menschen, namentlich in Sachen der Kunst, ohne der Billigung Anderer zu den sie Vertrauen haben bedürfen. Ich wollte hinsichtlich meines Musiktreibens über mich selbst möglichst ins Klare kommen als ich mich an Sie wandte, Ihre Bemerkungen haben meine Erwartungen erfüllt, ich war grade an die rechte Schmiede gegangen. Was Sie mir hinsichtlich der ernsten größeren breiteren Stücke zum Vorwurf machen hat mich wie eine plötzliche Erleuchtung etwas hart getroffen, aber es hat mich auch erleuchtet und ich hoffe nur, daß es nicht bei der bloßen Einsicht bleibe sondern auch zur Besserung komme. Gesetzt auch ich bliebe dabei manches Einzelne zu vertheidigen z.B. die mir liebe Arie der Angelica in c moll,die Arie der Angelica in c moll – Die Oper Elfino von Wilhelm von Boguslawski ist verschollen. das Finale des 4tn Acts über das Sie ganz schweigen Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874), und das des 3ten Acts worüber Sie nur wenig sagen, ja sogar es mir scheint als hättenwären Sie gegen die, doch so sehr patriotisch sein sollende, Arie Aldrovans in d etwas zu kritisch verfahren, so gebe ich Ihnen doch im Allgemeinen recht und sage: nur ein Streben nach Faßlichkeit hat mich zu der kurzen und conventionellen Periode verleitet die Sie rügen, und gesetzt eine Schwäche und Bequemlichkeit wäre auch unbewußtBoguslawski, Wilhelm von (1803–1874) dazu gekommen, so will ich doch dies zu benennen suchen. Lieb ist es mir nur, daß auch Manches Sie ergötzt hat, dies kann doch nur der ureigensten Natur doch leugnen nicht, daß ich nicht schreiben würde wenn ich nicht hoffte hier und dort mehr als eine bloße Wiederholung des schon Bekannten zu machen und mein Ziel und Wunsch ist,Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874) einen Fortschritt der Kunst bei mir und Andern zu sehen. Namentlich scheint mir nun als könne in der Oper hierbei nochnoch viel geleistet werden, im Dramatischen. Daher wird es gekommen sein, so sonderbar oder gar anmaßend es Ihnen auch vorkommen mag, daß ich mit meinen ganz unberührten Kräften mich grade darauf geworfen habe. Und nun lassen Sie mich Ihnen nur gleich beichten, mit welchen tollen Plänen ich jetzt umgehe, die Ihnen so sehr Sie auch bis jetzt mich für bei Verstand gehalten haben mögen, dann doch vielleicht ver |2| schroben vorkommen mögen und so unüberlegt wie dieser Brief, da ich nur in Eile und ohne vorheriges ruhiges Nachdenken schreiben kann. Ich versuche nämlich aus den Piraten von Mr. Scott<name key="PSN0114821" style="hidden" type="author">Scott, (seit 1820) Sir Walter (1771–1832)</name><name key="CRT0112321" style="hidden" type="literature">The Pirate</name> eine Oper zu Stande zu bringen, ja ich habe den Text sogar schon längst, diesen Winter mit mehreren zierlichen Verßen u. s. w. zusammengeschmiedet. Sie werden über meine Kühnheit erstaunen, daß Sie mich nur nicht gleich, wenn Sie von diesem Text hören, verhöhnen und etwaBoguslawski, Wilhelm von (1803–1874) gleich überzeugt sind, daß derselbe untauglich sei! Bedenken Sie einmal diesen, Ihnen wohl noch erinnerlichen, Stoff etwas. Die mir gleich einleuchtende größte Schwierigkeit war das Ende, und doch kommt es mir vor, es gehe so wie ich es gemacht, wenn gleich es etwas ernst und moralisch ist. Das Ganze ist sehr bunt aber das sind Stücke von Schak., Wiesen, Feld, Berg und Himmel und es hat 5 Theile fünf Acte – aber die hat ni fallorni fallor – lat., wenn ich mich nicht irre.Robert<name key="PSN0113318" style="hidden" type="author">Meyerbeer (vorh. Liebmann Meyer Beer), Giacomo (Jakob) (1791–1864)</name><name key="CRT0109979" style="hidden" type="music">Robert le diable</name> und die Stumme<name key="PSN0109578" style="hidden" type="author">Auber, Daniel-François-Esprit (1782–1871)</name><name key="CRT0107680" style="hidden" type="music">La Muette de Portici (auch: Masaniello) AWV 16</name> auch. Bitte schreiben Sie mir, und ohne sich zu geniren daß ich schon 2 Acte der Musik im Wesentlichen fast vollendet, auch hierüber Ihre Meinung unverholen. – Übrigens noch etwas ohne Rückhalt. Grade so etwas Großes, dem volumen nach, Dramatisches würde ich am wenigstens vornehmen ohne die Idee, es aufführen zu lassen. Hier muß ich Sie auf die Eigenthümlichkeit meiner Lage aufmerksam machen. Ich habe sehr viel Geschäfte und muß mich meiner Existenz wegen, natürlich mit Ehren, wenigstens fürs Erste in meinem gegenwärtigenBoguslawski, Wilhelm von (1803–1874) Amt erhalten. Wenn ich ohne andreBoguslawski, Wilhelm von (1803–1874) erhebliche Unterbrechung als 1/2 Stunde spatzieren gehen den ganzen Tag über arbeite, so kann ich, wie es bis jetzt scheint, mir die Morgenstunden von 5-8 (mit Ausnahme zweier Wochentage) für die Noten frei haten, sonst nicht. – In CottbusCottbusDeutschland war bei weitemBoguslawski, Wilhelm von (1803–1874) mehr Zeit aber dafür unangenehme Collegen, so daß mir hier viel wohler ist. – Eine solche beständigeBoguslawski, Wilhelm von (1803–1874) Anstrengung, wobei für Lectüre d. h. für allgemeinere Ausbildung so gut wie keine Zeit bleibt ist kein angenehmes Leben. Ich bin malgré moimalgré moi – frz., gegen meinen Willen. Jurist geworden als doch geblieben da ich Kameralist oder Diplomat hatte werden wollen und fühle mich durch das viele Nichtswürdige in der juristischen Praxis (besonders wenn ich für immer dabei seinBoguslawski, Wilhelm von (1803–1874) sollte) getäuscht. Daher wird es Ihnen vielleicht nicht so ganz unvernünftig vorkommen wenn ich die Idee habe eine Oper, und namentlich jetzt die Piraten, wenn ich sie kann einmalBoguslawski, Wilhelm von (1803–1874) zur Aufführung zu bringen, wo möglich zuerst in Berlin (doch zuerst als pseudonymus) und auf diese Art empfohlen (si Diis placet)si Diis placet – lat., wenn es den Göttern gefällt. in einer bessern Lage einer Art zu kommen, gewiß werden Sie mich nicht für so thöricht halten, daß ich mir in dieser Beziehung auch nur einigermaßen sichre und bestimmte Hoffnungen machte, vielmehr bin ich auch auf ein völlig obscures mühevolles Leben gefaßt und Geschmack an einem besseren will und kann ich nicht ändernBoguslawski, Wilhelm von (1803–1874) sie es auch noch inBoguslawski, Wilhelm von (1803–1874) einem juristischen Posten, der |3| aber doch mehr Freiheit ließe wie der jetzige und nicht einem solchen Nest (hierbei ist jedoch wohl nur BerlinBerlinDeutschland gemeint). Mag Ihnen nun ein solcher Nebenzweck – ich müßte Ihnen mehr als jeder Andre und nicht wahr das bleibt streng unter uns? – der Kunst unwürdig erscheinen, ich kann nicht läugnen, daß ich ihn habe und vielleicht auch seinetwegen so sehr auf Oper versessen binBoguslawski, Wilhelm von (1803–1874) will und darüber Symphonie und alles Andre ruhen lasse. – Den Text schickte ich Ihnen am liebsten gleich, aber ich habe ihn nur in Andern unlesbarenBoguslawski, Wilhelm von (1803–1874) BrouillonsBrouillons – frz., Skizzen, Entwürfe. und kam für jetzt noch nicht diesen Augenblick an die neue Arbeit ihn ab zu schreiben, doch will ich mich, wenn sie ihn zu lesen geneigt sind, bald daran machen. Doch nun genug von meinen vielleicht so erfolglosen Bestrebungen. – Ihr kleines P.S. das ich von Ihrem Leben und Streben als vielmehr Schaffen nächstens hören würde hat mich ebenfalls sehr erfreut und läßt mich auch um so ehr auf baldige gütige Antwort hoffen. Ich kann nicht dazu kommen, von Ihren neuesten Sachen auch das Geringste kennen zu lernen, sie glauben nicht welche Freude mir alles neue Schöne in der Musik macht. – In BerlinBerlinDeutschland hörte ich die Bachsche Passion<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685–1750)</name><name key="CRT0107794" style="hidden" type="music">Matthäus-Passion BWV 244</name> wo ich Sie an der Spitze und Ihren verst. Freund RietzRietz, Eduard Theodor Ludwig (1802-1832) im Violinsolo (von Hrn HenningHenning, Karl Wilhelm (1784-1867) ni fallorni fallor – lat., wenn ich mich nicht irre. viel zu dünn und scheußlich gespielt) und natürlich auch Zelter sehr vermißte. Ein andermal brachte die <hi rend="latintype">F</hi><name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770–1827)</name><name key="CRT0108067" style="hidden" type="music">6. Sinfonie F-Dur, op. 68 (»Pastorale«)</name> und c moll<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770–1827)</name><name key="CRT0108069" style="hidden" type="music">8. Sinfonie F-Dur, op. 93</name>Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874) Symph. von Beeth. mich wie meine Frau außer uns. Noch zuletzt, den in den wenigen Tagen was gar viel vor den Geschäften, auch Gängen zu meiner Mutter, die ihren Mainberg bekanntlich am Ende der WeltBoguslawski, Wilhelm von (1803–1874) nicht verlassen kann, war ich so frei, meine FrauBoguslawski, Wassilissa von (1809-1895) Ihren ElternMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842) die sehr gütig waren, vor zu stellen. Doch jetzt lieber Felix muß ich schließen so gern ich auch zu Ihnen rede, da ich weiß daß wenn man mit Ihnen spricht nicht bloße Conversation oder Geschwätz daraus wird sondern man den Gegenständen dabei etwas mehr auf den Leib rückt und sich aufklärt. Möchte Ihnen doch auch dieser Brief und ich selbst nicht ganz unangenehm sein.

Ihr vBoguslawski
Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874) Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)

Wird M SalingSaaling (Saling), Helene Luise Marianne (bis 1812: Mirjam Salomon) (1786-1868) RahelsVarnhagen (seit 1826) von Ense, Antonie Friederike (Rahel) (1771-1833) PlatzRahels Platz – Der Ehemann von Rahel Varnhagen, Karl August Varnhagen van Ense, hatte sich ein Jahr nach ihrem Tod mit Marianne Saaling verlobt. wohl würdig einnehmen? Diese Nachricht durch meine Schwäger die Dr. Beckerschen EheleuteBecker, Ferdinand Wilhelm (1805-1834)Becker, Ziliaris (Zilli) Florentine (1812-1876)meine Schwäger die Dr. Beckerschen Eheleute – Ferdinand Wilhelm Beckers Ehefrau Ziliaris Florentine, geb. von Roedlich, war die Schwester von Boguslawskis Ehefrau Wassilissa, geb. von Roedlich. überraschte uns heute sehr.

            Wriezen den 27sten April 1834 Ihr gütiger Brief vom 19ten d. M. hat mich vorvorgestern Abend sehr angenehm überrascht da ich zwar immer in diesen Tagen auf einen von Ihnen hoffte aber nicht mehr zu einer so späten Tagesstunde /gegen 8 Uhr/. Ich danke Ihnen dafür recht herzlich, er ist mir sehr viel werth. Wohl kam mir zuweilen der Gedanke ein, besonders zu Anfang meiner Oper, daß es ein eitler Wahn sei daß ich so etwas machen könne, und wenn ich nun auch Vergnügen dabei hatte, so will doch niemand gern ein Don Quichote sein d. h. man will sich nicht blos auf den rechten Wege fühlen, sondern auch gern darauf sein, zu welcher Überzeugung vielleicht alle Menschen, namentlich in Sachen der Kunst, ohne der Billigung Anderer zu den sie Vertrauen haben bedürfen. Ich wollte hinsichtlich meines Musiktreibens über mich selbst möglichst ins Klare kommen als ich mich an Sie wandte, Ihre Bemerkungen haben meine Erwartungen erfüllt, ich war grade an die rechte Schmiede gegangen. Was Sie mir hinsichtlich der ernsten größeren breiteren Stücke zum Vorwurf machen hat mich wie eine plötzliche Erleuchtung etwas hart getroffen, aber es hat mich auch erleuchtet und ich hoffe nur, daß es nicht bei der bloßen Einsicht bleibe sondern auch zur Besserung komme. Gesetzt auch ich bliebe dabei manches Einzelne zu vertheidigen z. B. die mir liebe Arie der Angelica in c moll, das Finale des 4tn Acts über das Sie ganz schweigen, und das des 3ten Acts worüber Sie nur wenig sagen, ja sogar es mir scheint als wären Sie gegen die, doch so sehr patriotisch sein sollende, Arie Aldrovans in d etwas zu kritisch verfahren, so gebe ich Ihnen doch im Allgemeinen recht und sage: nur ein Streben nach Faßlichkeit hat mich zu der kurzen und conventionellen Periode verleitet die Sie rügen, und gesetzt eine Schwäche und Bequemlichkeit wäre auch unbewußt dazu gekommen, so will ich doch dies zu benennen suchen. Lieb ist es mir nur, daß auch Manches Sie ergötzt hat, dies kann doch nur der ureigensten Natur doch leugnen nicht, daß ich nicht schreiben würde wenn ich nicht hoffte hier und dort mehr als eine bloße Wiederholung des schon Bekannten zu machen und mein Ziel und Wunsch ist, einen Fortschritt der Kunst bei mir und Andern zu sehen. Namentlich scheint mir nun als könne in der Oper hierbei noch viel geleistet werden, im Dramatischen. Daher wird es gekommen sein, so sonderbar oder gar anmaßend es Ihnen auch vorkommen mag, daß ich mit meinen ganz unberührten Kräften mich grade darauf geworfen habe. Und nun lassen Sie mich Ihnen nur gleich beichten, mit welchen tollen Plänen ich jetzt umgehe, die Ihnen so sehr Sie auch bis jetzt mich für bei Verstand gehalten haben mögen, dann doch vielleicht ver schroben vorkommen mögen und so unüberlegt wie dieser Brief, da ich nur in Eile und ohne vorheriges ruhiges Nachdenken schreiben kann. Ich versuche nämlich aus den Piraten von Mr. Scott eine Oper zu Stande zu bringen, ja ich habe den Text sogar schon längst, diesen Winter mit mehreren zierlichen Verßen u. s. w. zusammengeschmiedet. Sie werden über meine Kühnheit erstaunen, daß Sie mich nur nicht gleich, wenn Sie von diesem Text hören, verhöhnen und etwa gleich überzeugt sind, daß derselbe untauglich sei! Bedenken Sie einmal diesen, Ihnen wohl noch erinnerlichen, Stoff etwas. Die mir gleich einleuchtende größte Schwierigkeit war das Ende, und doch kommt es mir vor, es gehe so wie ich es gemacht, wenn gleich es etwas ernst und moralisch ist. Das Ganze ist sehr bunt aber das sind Stücke von Schak., Wiesen, Feld, Berg und Himmel und es hat 5 Theile fünf Acte – aber die hat ni fallor – Robert und die Stumme auch. Bitte schreiben Sie mir, und ohne sich zu geniren daß ich schon 2 Acte der Musik im Wesentlichen fast vollendet, auch hierüber Ihre Meinung unverholen. – Übrigens noch etwas ohne Rückhalt. Grade so etwas Großes, dem volumen nach, Dramatisches würde ich am wenigstens vornehmen ohne die Idee, es aufführen zu lassen. Hier muß ich Sie auf die Eigenthümlichkeit meiner Lage aufmerksam machen. Ich habe sehr viel Geschäfte und muß mich meiner Existenz wegen, natürlich mit Ehren, wenigstens fürs Erste in meinem gegenwärtigen Amt erhalten. Wenn ich ohne andre erhebliche Unterbrechung als 1/2 Stunde spatzieren gehen den ganzen Tag über arbeite, so kann ich, wie es bis jetzt scheint, mir die Morgenstunden von 5-8 (mit Ausnahme zweier Wochentage) für die Noten frei haten, sonst nicht. – In Cottbus war bei weitem mehr Zeit aber dafür unangenehme Collegen, so daß mir hier viel wohler ist. – Eine solche beständige Anstrengung, wobei für Lectüre d. h. für allgemeinere Ausbildung so gut wie keine Zeit bleibt ist kein angenehmes Leben. Ich bin malgré moi Jurist geworden als doch geblieben da ich Kameralist oder Diplomat hatte werden wollen und fühle mich durch das viele Nichtswürdige in der juristischen Praxis (besonders wenn ich für immer dabei sein sollte) getäuscht. Daher wird es Ihnen vielleicht nicht so ganz unvernünftig vorkommen wenn ich die Idee habe eine Oper, und namentlich jetzt die Piraten, wenn ich sie kann einmal zur Aufführung zu bringen, wo möglich zuerst in Berlin (doch zuerst als pseudonymus) und auf diese Art empfohlen (si Diis placet) in einer bessern Lage einer Art zu kommen, gewiß werden Sie mich nicht für so thöricht halten, daß ich mir in dieser Beziehung auch nur einigermaßen sichre und bestimmte Hoffnungen machte, vielmehr bin ich auch auf ein völlig obscures mühevolles Leben gefaßt und Geschmack an einem besseren will und kann ich nicht ändern sie es auch noch in einem juristischen Posten, der aber doch mehr Freiheit ließe wie der jetzige und nicht einem solchen Nest (hierbei ist jedoch wohl nur Berlin gemeint) . Mag Ihnen nun ein solcher Nebenzweck – ich müßte Ihnen mehr als jeder Andre und nicht wahr das bleibt streng unter uns? – der Kunst unwürdig erscheinen, ich kann nicht läugnen, daß ich ihn habe und vielleicht auch seinetwegen so sehr auf Oper versessen bin will und darüber Symphonie und alles Andre ruhen lasse. – Den Text schickte ich Ihnen am liebsten gleich, aber ich habe ihn nur in Andern unlesbaren Brouillons und kam für jetzt noch nicht diesen Augenblick an die neue Arbeit ihn ab zu schreiben, doch will ich mich, wenn sie ihn zu lesen geneigt sind, bald daran machen. Doch nun genug von meinen vielleicht so erfolglosen Bestrebungen. – Ihr kleines P. S. das ich von Ihrem Leben und Streben als vielmehr Schaffen nächstens hören würde hat mich ebenfalls sehr erfreut und läßt mich auch um so ehr auf baldige gütige Antwort hoffen. Ich kann nicht dazu kommen, von Ihren neuesten Sachen auch das Geringste kennen zu lernen, sie glauben nicht welche Freude mir alles neue Schöne in der Musik macht. – In Berlin hörte ich die Bachsche Passion wo ich Sie an der Spitze und Ihren verst. Freund Rietz im Violinsolo (von Hrn Henning ni fallor viel zu dünn und scheußlich gespielt) und natürlich auch Zelter sehr vermißte. Ein andermal brachte die F und c mollBeethoven, Ludwig van (1770–1827) 8. Sinfonie F-Dur, op. 93 Symph. von Beeth. mich wie meine Frau außer uns. Noch zuletzt, den in den wenigen Tagen was gar viel vor den Geschäften, auch Gängen zu meiner Mutter, die ihren Mainberg bekanntlich am Ende der Welt nicht verlassen kann, war ich so frei, meine Frau Ihren Eltern die sehr gütig waren, vor zu stellen. Doch jetzt lieber Felix muß ich schließen so gern ich auch zu Ihnen rede, da ich weiß daß wenn man mit Ihnen spricht nicht bloße Conversation oder Geschwätz daraus wird sondern man den Gegenständen dabei etwas mehr auf den Leib rückt und sich aufklärt. Möchte Ihnen doch auch dieser Brief und ich selbst nicht ganz unangenehm sein.
Ihr
vBoguslawski
Wird M Saling Rahels Platz wohl würdig einnehmen? Diese Nachricht durch meine Schwäger die Dr. Beckerschen Eheleute überraschte uns heute sehr.          
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Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1834-04-27">27. April 1834</date> </creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0110007" resp="author">Boguslawski, Wilhelm von (1803-1874)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0110007" resp="writer">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</persName> <placeName type="writing_place"> <settlement key="STM0100371">Wriezen</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place"> <settlement key="STM0100109">Düsseldorf</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"></revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div n="1" type="act_of_writing"> <docAuthor key="PSN0110007" resp="author" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0110007" resp="writer" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</docAuthor> <dateline rend="right"><hi rend="latintype">Wriezen</hi> den <date cert="high" when="1834-04-27">27sten April 1834</date></dateline> <p style="paragraph_without_indent">Ihr gütiger <title xml:id="title_69ae13c8-658a-4ca4-9e79-088f5093b9f0">Brief <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1834-04-19-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Wilhelm von Boguslawski in Wriezen; Düsseldorf, 19. April 1834</name> </title> vom <date cert="high" when="1834-04-19">19ten d. M.</date> hat mich <date cert="high" when="1834-04-25"><add place="above">vor<name key="PSN0110007" resp="writers_hand" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name></add>vorgestern</date> Abend sehr angenehm überrascht da ich zwar immer in diesen Tagen auf einen von Ihnen hoffte aber nicht mehr zu einer so späten Tagesstunde /gegen 8 Uhr/. Ich danke Ihnen dafür recht herzlich, er ist mir sehr viel werth. Wohl kam mir zuweilen der Gedanke ein, besonders zu Anfang meiner <title xml:id="title_20962df1-f2ce-48f1-8d91-04837ef29467">Oper<name key="PSN0110007" style="hidden" type="author">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name><name key="CRT0108251" style="hidden" type="music">Elfino</name></title>, daß es ein eitler Wahn sei daß ich so etwas machen könne, und wenn ich nun auch Vergnügen dabei hatte, so will doch niemand gern ein Don Quichote sein d. h. man will sich nicht blos auf den rechten Wege <hi n="1" rend="underline">fühlen</hi>, sondern auch gern darauf <hi n="1" rend="underline">sein</hi>, zu welcher Überzeugung vielleicht alle Menschen, namentlich in Sachen der Kunst, <del cert="high" rend="strikethrough">ohne</del> der Billigung Anderer zu den sie Vertrauen haben bedürfen. Ich wollte hinsichtlich meines Musiktreibens über mich selbst möglichst ins Klare kommen als ich mich an Sie wandte, Ihre Bemerkungen haben meine Erwartungen erfüllt, ich war grade an die rechte Schmiede gegangen. Was Sie mir hinsichtlich der ernsten größeren breiteren Stücke zum Vorwurf machen hat mich wie eine plötzliche Erleuchtung etwas hart getroffen, aber es hat mich auch erleuchtet und ich hoffe nur, daß es nicht bei der bloßen Einsicht bleibe sondern auch zur Besserung komme. Gesetzt auch ich bliebe dabei manches Einzelne zu vertheidigen z.B. die mir liebe Arie der Angelica in <hi rend="latintype">c moll</hi>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_97faafb7-79c9-4da3-b0ea-af92bc23964a" xml:lang="de">die Arie der Angelica in c moll – Die Oper Elfino von Wilhelm von Boguslawski ist verschollen. </note> das <hi rend="latintype">Finale</hi> des 4tn Acts über das Sie<gap quantity="3" reason="deletion" unit="characters"></gap> ganz <add place="above">schweigen <name key="PSN0110007" resp="writers_hand" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name></add>, und das des 3ten Acts worüber Sie nur wenig sagen, ja sogar es mir scheint als <choice resp="writer" source="autograph_edition_template"><corr resp="writer">hätten</corr><sic resp="writer">wären</sic></choice> Sie gegen die, doch so sehr patriotisch sein sollende, Arie Aldrovans in d etwas zu kritisch verfahren, so gebe ich Ihnen doch im Allgemeinen recht und sage: nur ein Streben nach <hi n="1" rend="underline">Faßlichkeit</hi> hat mich zu der kurzen und conventionellen Periode verleitet die Sie rügen, und gesetzt eine Schwäche und Bequemlichkeit wäre auch <add place="above">unbewußt<name key="PSN0110007" resp="writers_hand" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name></add> dazu gekommen, so will ich doch dies zu <hi n="1" rend="underline">benennen</hi> suchen. Lieb ist es mir nur, daß auch Manches Sie ergötzt hat, dies kann doch nur der ureigensten Natur doch leugnen nicht, daß ich nicht schreiben würde wenn ich nicht hoffte hier und dort mehr als eine bloße Wiederholung des schon Bekannten zu machen und mein Ziel und Wunsch <add place="above">ist,<name key="PSN0110007" resp="writers_hand" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name></add> einen <hi n="1" rend="underline">Fortschritt</hi> der Kunst bei mir und Andern zu sehen. Namentlich scheint mir nun als könne in der Oper hierbei <corr resp="writer">noch</corr>noch viel geleistet werden, im Dramatischen. Daher wird es gekommen sein, so sonderbar oder gar anmaßend es Ihnen auch vorkommen mag, daß ich mit meinen ganz unberührten Kräften mich grade darauf geworfen habe. Und nun lassen Sie mich Ihnen nur gleich beichten, mit welchen tollen Plänen ich jetzt umgehe, die Ihnen so sehr Sie auch bis jetzt mich für bei Verstand gehalten haben mögen, dann doch vielleicht ver<seg type="pagebreak"> |2| <pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg>schroben vorkommen mögen und so unüberlegt wie dieser Brief, da ich nur in Eile und ohne vorheriges ruhiges Nachdenken schreiben kann. Ich versuche nämlich aus den <title xml:id="title_e2048ff7-89c9-4de0-8190-22c1065fe041">Piraten von Mr. Scott<name key="PSN0114821" style="hidden" type="author">Scott, (seit 1820) Sir Walter (1771–1832)</name><name key="CRT0112321" style="hidden" type="literature">The Pirate</name></title> eine Oper zu Stande zu bringen, ja ich habe den Text sogar schon längst, diesen Winter mit mehreren zierlichen Verßen u. s. w. zusammengeschmiedet. Sie werden über meine Kühnheit erstaunen, <unclear reason="covering" resp="SP">daß</unclear> Sie mich nur nicht gleich, wenn Sie von diesem Text hören, verhöhnen und <add place="above">etwa<name key="PSN0110007" resp="writers_hand" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name></add> gleich überzeugt <unclear reason="covering" resp="SP">sind,</unclear> daß derselbe untauglich sei! Bedenken Sie einmal diesen, Ihnen wohl noch erinnerlichen, Stoff etwas. Die mir gleich einleuchtende größte Schwierigkeit war das Ende, und doch kommt es mir vor, es gehe so wie ich es gemacht, wenn gleich es etwas ernst und moralisch ist. Das Ganze ist sehr bunt aber das sind Stücke von Schak., Wiesen, Feld, Berg und Himmel und es hat 5 Theile fünf Acte – aber <hi n="1" rend="underline">die</hi> hat <hi rend="latintype">ni fallor</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_f0a001f3-eeaf-4da8-bdb5-033400c0168e" xml:lang="la ">ni fallor – lat., wenn ich mich nicht irre.</note> – <hi rend="latintype"><title xml:id="title_df36cb14-f38b-4f9e-9ada-1190ef18043a">Robert<name key="PSN0113318" style="hidden" type="author">Meyerbeer (vorh. Liebmann Meyer Beer), Giacomo (Jakob) (1791–1864)</name><name key="CRT0109979" style="hidden" type="music">Robert le diable</name></title></hi> und die <title xml:id="title_342f0f6e-c459-4d79-9d3b-7a6b77697822">Stumme<name key="PSN0109578" style="hidden" type="author">Auber, Daniel-François-Esprit (1782–1871)</name><name key="CRT0107680" style="hidden" type="music">La Muette de Portici (auch: Masaniello) AWV 16</name></title> auch. Bitte schreiben Sie mir, und ohne sich zu geniren daß ich schon 2 Acte der Musik im Wesentlichen fast vollendet, auch hierüber Ihre Meinung unverholen. – Übrigens noch etwas ohne Rückhalt. Grade so etwas Großes, dem <hi rend="latintype">volumen</hi> nach, Dramatisches würde ich <unclear reason="covering" resp="SP">am</unclear> wenigstens vornehmen ohne die Idee, es aufführen zu lassen. Hier muß <unclear reason="covering" resp="SP">ich</unclear> Sie auf die Eigenthümlichkeit meiner Lage aufmerksam machen. <unclear reason="covering" resp="SP">Ich</unclear> habe sehr viel Geschäfte und muß mich meiner Existenz wegen, natürlich mit Ehren, wenigstens fürs Erste in meinem <add place="above">gegenwärtigen<name key="PSN0110007" resp="writers_hand" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name></add> Amt erhalten. Wenn ich ohne <add place="above">andre<name key="PSN0110007" resp="writers_hand" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name></add> erhebliche Unterbrechung als <formula rend="fraction_slash"><hi rend="supslash">1</hi><hi rend="barslash">/</hi><hi rend="subslash">2</hi></formula> Stunde spatzieren gehen den ganzen Tag über arbeite, so kann ich, wie es bis jetzt scheint, mir die Morgenstunden von 5-8 (mit Ausnahme zweier Wochentage) für die Noten frei haten, sonst nicht. – In <placeName xml:id="placeName_fe1502c9-f9da-4529-9a7b-409253a600d9">Cottbus<settlement key="STM0100188" style="hidden" type="locality">Cottbus</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> war <add place="above">bei weitem<name key="PSN0110007" resp="writers_hand" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name></add> mehr Zeit aber dafür unangenehme Collegen, so daß mir hier viel wohler ist. – Eine solche <add place="above">beständige<name key="PSN0110007" resp="writers_hand" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name></add> Anstrengung, wobei für Lectüre d. h. <gap quantity="1" reason="covering" unit="words"></gap> für allgemeinere Ausbildung so gut wie keine Zeit bleibt ist <hi n="1" rend="underline">kein</hi> angenehmes Leben. Ich bin <hi rend="latintype">malgré moi</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_fe338ff0-4f02-497a-9b2f-636a74600685" xml:lang="fr ">malgré moi – frz., gegen meinen Willen.</note> Jurist geworden als doch geblieben da ich Kameralist oder Diplomat hatte werden wollen und fühle mich durch das viele Nichtswürdige in der juristischen Praxis (besonders wenn ich für immer dabei <add place="above">sein<name key="PSN0110007" resp="writers_hand" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name></add> sollte) getäuscht. Daher wird es Ihnen vielleicht nicht so ganz unvernünftig vorkommen <unclear reason="covering" resp="SP">wenn</unclear> ich die Idee habe eine Oper, und namentlich jetzt die Piraten, <add place="above">wenn ich sie kann einmal<name key="PSN0110007" resp="writers_hand" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name></add> zur Aufführung zu bringen, wo möglich zuerst in Berlin (doch zuerst als <hi rend="latintype">pseudonymus</hi>) und auf diese Art empfohlen (<hi rend="latintype">si Diis placet</hi>)<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_292963f7-054d-4334-9d42-2f8a1ac47757" xml:lang="la ">si Diis placet – lat., wenn es den Göttern gefällt.</note> in einer bessern <gap quantity="1" reason="deletion" unit="words"></gap> Lage <gap quantity="1" reason="covering" unit="words"></gap> einer Art zu kommen, <add place="bottom">gewiß werden Sie mich nicht für so thöricht halten, daß ich mir in dieser Beziehung auch nur einigermaßen sichre und bestimmte Hoffnungen machte, vielmehr bin ich auch auf ein völlig obscures mühevolles Leben gefaßt und <gap quantity="1" reason="covering" unit="words"></gap> <hi n="1" rend="underline">Geschmack</hi> an einem besseren will und kann ich nicht ändern<name key="PSN0110007" resp="writers_hand" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name></add> sie es auch noch <add place="above">in<name key="PSN0110007" resp="writers_hand" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name></add> einem juristischen Posten, der <gap quantity="1" reason="covering" unit="words"></gap> <seg type="pagebreak"> |3| <pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg>aber doch mehr Freiheit ließe wie der jetzige und nicht einem solchen Nest (hierbei ist jedoch wohl nur <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_647649f4-62e9-4079-84ec-aa7d6494993e">Berlin<settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName></hi> gemeint). Mag Ihnen nun ein solcher Nebenzweck – ich müßte Ihnen mehr als jeder Andre und nicht wahr <hi n="1" rend="underline">das</hi> bleibt streng unter uns? – der Kunst unwürdig erscheinen, ich kann nicht läugnen, daß ich ihn habe und vielleicht auch seinetwegen so sehr auf Oper versessen <add place="above">bin<name key="PSN0110007" resp="writers_hand" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name></add> <del cert="high" rend="strikethrough">will</del> und darüber Symphonie und alles Andre ruhen lasse. – Den Text schickte ich Ihnen am liebsten gleich, aber ich habe ihn nur in <add place="above">Andern unlesbaren<name key="PSN0110007" resp="writers_hand" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name></add> Brouillons<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_ae54b150-be26-4182-a808-d2cbbea1efb1" xml:lang="fr ">Brouillons – frz., Skizzen, Entwürfe.</note> und kam für jetzt noch nicht diesen Augenblick an die neue Arbeit ihn ab zu schreiben, doch will ich mich, wenn sie ihn zu lesen geneigt sind, bald daran machen. Doch nun genug von meinen vielleicht so erfolglosen Bestrebungen. – Ihr kleines <hi rend="latintype">P.S.</hi> das ich von Ihrem Leben und Streben als vielmehr Schaffen nächstens hören würde hat mich ebenfalls sehr erfreut und läßt mich auch um so ehr auf baldige gütige Antwort hoffen. Ich kann nicht dazu kommen, von Ihren neuesten Sachen auch das Geringste kennen zu lernen, sie glauben nicht welche Freude mir alles neue Schöne in der Musik macht. – In <hi rend="latintype"><placeName xml:id="placeName_b7ef03bc-e077-4d2a-a72d-5c37bd620fce">Berlin<settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName></hi> hörte ich die <title xml:id="title_3a2dbaac-b302-4c61-92a0-8c204a8192b6">Bachsche Passion<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685–1750)</name><name key="CRT0107794" style="hidden" type="music">Matthäus-Passion BWV 244</name></title> wo ich Sie an der Spitze und Ihren verst. Freund <persName xml:id="persName_3daf92ea-fd90-47ea-8a0b-244e45a07a00">Rietz<name key="PSN0114202" style="hidden" type="person">Rietz, Eduard Theodor Ludwig (1802-1832)</name></persName> im Violinsolo (von Hrn <persName xml:id="persName_20acc8e4-2583-4bd3-943d-a7e068460df3">Henning<name key="PSN0111884" style="hidden" type="person">Henning, Karl Wilhelm (1784-1867)</name></persName> <hi rend="latintype">ni fallor</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_dfead167-5e21-4e44-9390-78b305ac13fc" xml:lang="la ">ni fallor – lat., wenn ich mich nicht irre.</note> viel zu dünn und scheußlich gespielt) und natürlich auch Zelter sehr vermißte. Ein andermal brachte die <title xml:id="title_acc303ef-6e55-43e6-b4cd-0b58bd90d309"><hi rend="latintype">F</hi><name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770–1827)</name><name key="CRT0108067" style="hidden" type="music">6. Sinfonie F-Dur, op. 68 (»Pastorale«)</name></title> <add place="above">und <hi rend="latintype"><title xml:id="title_6e7fc60e-2068-4a07-bc55-734a81e7766b">c moll<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770–1827)</name><name key="CRT0108069" style="hidden" type="music">8. Sinfonie F-Dur, op. 93</name></title></hi><name key="PSN0110007" resp="writers_hand" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name></add> Symph. von Beeth. mich wie meine Frau außer uns. Noch zuletzt, den in den wenigen Tagen was gar viel vor den Geschäften, auch Gängen zu meiner Mutter, die ihren Mainberg <add place="above">bekanntlich am Ende der Welt<name key="PSN0110007" resp="writers_hand" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</name></add> nicht verlassen kann, war ich so frei, meine <persName xml:id="persName_b6f565c4-d10e-45af-8bb4-d1f6caf03693">Frau<name key="PSN0110006" style="hidden" type="person">Boguslawski, Wassilissa von (1809-1895)</name></persName> Ihren <persName xml:id="persName_49fb9d0c-3d16-4bd1-a944-183283341eb1">Eltern<name key="PSN0113247" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name><name key="PSN0113260" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> die sehr gütig waren, vor zu stellen. <seg type="closer">Doch jetzt lieber Felix muß ich schließen so gern ich auch zu Ihnen rede, da ich weiß daß wenn man mit Ihnen spricht nicht bloße Conversation oder Geschwätz daraus wird sondern man den Gegenständen dabei etwas mehr auf den Leib rückt und sich aufklärt. Möchte Ihnen doch auch dieser Brief und ich selbst nicht ganz unangenehm sein.</seg></p> <signed rend="right">Ihr</signed> <signed rend="right"><hi rend="latintype">vBoguslawski</hi></signed> </div> <div n="2" type="act_of_writing"> <docAuthor key="PSN0110007" resp="author" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0110007" resp="writer" style="hidden">Boguslawski, Wilhelm von (1803–1874)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">Wird <persName xml:id="persName_f5dcb4eb-753f-4612-a451-14bcb9a7405b">M Saling<name key="PSN0114390" style="hidden" type="person">Saaling (Saling), Helene Luise Marianne (bis 1812: Mirjam Salomon) (1786-1868)</name></persName> <persName xml:id="persName_3658658d-6432-41ec-b24e-43a5165edfbb">Rahels<name key="PSN0115452" style="hidden" type="person">Varnhagen (seit 1826) von Ense, Antonie Friederike (Rahel) (1771-1833)</name></persName> Platz<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_d4510a61-0588-4771-9d28-3637b485f126" xml:lang="de">Rahels Platz – Der Ehemann von Rahel Varnhagen, Karl August Varnhagen van Ense, hatte sich ein Jahr nach ihrem Tod mit Marianne Saaling verlobt.</note> wohl würdig einnehmen? Diese Nachricht durch meine Schwäger die <persName xml:id="persName_3c1e7cb6-4c3a-4f81-8505-4b1ca6f53527">Dr. Beckerschen Eheleute<name key="PSN0109751" style="hidden" type="person">Becker, Ferdinand Wilhelm (1805-1834)</name><name key="PSN0109752" style="hidden" type="person">Becker, Ziliaris (Zilli) Florentine (1812-1876)</name></persName><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_b7991c81-7111-4d7a-90f9-11f424120294" xml:lang="de">meine Schwäger die Dr. Beckerschen Eheleute – Ferdinand Wilhelm Beckers Ehefrau Ziliaris Florentine, geb. von Roedlich, war die Schwester von Boguslawskis Ehefrau Wassilissa, geb. von Roedlich.</note> überraschte uns heute sehr.</p> </div> </body> </text></TEI>