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gb-1834-01-15-01

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Adolph Bernhard Marx an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf <lb></lb> Berlin, 15. Januar 1834Natürlich, lieber Felix, habe ich in der ganzen Briefgeschichte unrecht; ich war Dir schnelle Antwort schuldig, und hätte auch schon des Acad.-Geschäfts wegen umgehend schreiben sollen. Auch rühme ich mich sonst, theils mit Recht, theilsFelix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)Felix Mendelssohn Bartholdy an Adolph Bernhard Marx in Berlin; Düsseldorf, 22. Dezember 1833Felix Mendelssohn Bartholdy an Adolph Bernhard Marx in Berlin; Düsseldorf, vor dem 5. Mai 1834 Marx, Adolph Bernhard (1795-1866)Marx, Adolph Bernhard (1795-1866)Transkription: FMB-CEdition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
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Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. 29/10. Autograph Adolph Bernhard Marx an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf; Berlin, 15. Januar 1834 Natürlich, lieber Felix, habe ich in der ganzen Briefgeschichte unrecht; ich war Dir schnelle Antwort schuldig, und hätte auch schon des Acad.-Geschäfts wegen umgehend schreiben sollen. Auch rühme ich mich sonst, theils mit Recht, theils

1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext; S. 4 Adresse, 2 Poststempel [BERLIN 4-5 / 15 / 1], [19 1], Siegel.

Adolph Bernhard Marx

Green Books

Albrecht-Hohmaier, Mendelssohns Paulus, S. 271 (Teildruck).

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

15. Januar 1834 Marx, Adolph Bernhard (1795-1866)counter-resetMarx, Adolph Bernhard (1795–1866) Berlin Deutschland Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Düsseldorf Deutschland deutsch
Herrn MusikdirektorFelix Mendelssohn-BartholdyWohlgeboreninDüsseldorf
Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)

Natürlich, lieber Felix, habe ich in der ganzen Briefgeschichte unrecht; ich war Dir schnelle Antwort schuldig, und hätte auch schon des Acad.-Geschäfts wegendes Acad.-Geschäfts wegen – Mendelssohn sollte Marx behilflich sein, bei der Königlich Preußischen Akademie der Künste als Mitglied vorgeschlagen zu werden. Vgl. Brief fmb-1833-11-20-01 (Brief Nr. 816) Felix Mendelssohn Bartholdy an Adolph Bernhard Marx in Berlin, Düsseldorf, nach dem 19. November 1833. Marx wurde Zeit seines Lebens nicht in die Akademie berufen. umgehend schreiben sollen. Auch rühme ich mich sonst, theils mit Recht, theils mit Unrecht einer Geschäftspünktlichkeit; aber eben jetzt lebt’ ich in einer gar zu bunten Zeit. Mich bindet mein Wort, sonst würde ich Dir viel zu lachen und auch viel zu denken geben; ich habe seit unsrer Trennungunsrer Trennung – Marx war am 16. September 1833 mit Mendelssohn von Berlin aus in Richtung Leipzig gereist und blieb noch einige Tage in Dessau. viel erlebt, sehr viel und höchst Glückliches, und fühle Dir jetzt etwas ganz nach, was sonst nur halb. Aber ich stehe wie ein glücklicher Dachdecker, der wirklich die Thurmspitze erreicht hat; er ist oben, es fragt sich nur, ob er nicht auf der andern Seite herunterpurzelt. – Auf diese Angelegenheiten bezieht sich auch meine Geldbitte. Ich fürchte fast, daß ich sie zurücknehmen werde; ist das aber nicht, so nehme ich mit Dank Dein Erbieten von 100Dein Erbieten von 100 – Am 31. Dezember 1833 bat Marx um »eine möglichst große Summe Geldes zu seinem Glücke«. Siehe Brief gb-1833-12-31-01 Adolph Bernhard Marx an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 31. Dezember 1833. an, und kannst Du mir mehr geben, so wächst damit die Sicherheit meines Glücks. In keinem Fall ist es so eilig; ich schreibe 2, 3 Monate voraus, damit Du Dir die Sache überlegen und soweit Du magst, nach meinen Wünschen einrichten kannst. Auch das bisher Mitgetheiltedas bisher Mitgetheilte – Gemeint sind wohl Mendelssohns Mitteilungen über seine Aktivitäten in Bezug auf Marx’ Akademiemitgliedschaft in Brief fmb-1833-12-22-03 (Brief Nr. 832) Felix Mendelssohn Bartholdy an Adolph Bernhard Marx in Berlin, Düsseldorf, 22. Dezember 1833. bitte ich dringend, zu verschweigen; hier hat keiner eine Ahnung davon, daß irgend was vorgeht.

Wie sonderbar aber ist es mit uns Menschen? In dieser meiner glücklichen, frohen Zeit (denn die Sorge beißt mich wenig, so gegründet sie ist) muß ich also noch einen Männerhymnus aus der Bibel schreiben von wegen der Herausgabe; und worauf fällt meine Wahl? auf den Bußpsalm: Ach Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn und züchtige mich nicht in deinem Grimm<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0109910" style="hidden" type="music">Ach! Herr! strafe mich nicht in deinem Zorn op. 4/2</name>.Bußpsalm: Ach Herr, strafe mich nicht … Grimm – Die Motette Ach! Herr! strafe mich nicht in deinem Zorn erschien als Nr. 2 in den Zwei Motetten für sechsstimmigen Männerchor op. 4, Berlin 1834. Vgl. Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx, in: Sammelbände der Internationalen Musikgesellschaft 10, H. 1 (1908), S. 1-72, hier S. 16 f. Und wahrhaftig, es ist kein Eigensinn bei der Wahl, und es ist Andacht bei der Arbeit! Wie ist das nun? Am Ende muß man sich vor einer komischen Oper durchprügeln lassen. Aber ernstlich gehört eine Quantität von Glück dazu, um uns überhaupt potent zu machen; das Unglück kettet uns, sperrt uns ein in unsre Persönlichkeit und stöhnt höchst herzbrechend aber auch höchst prosaisch heraus. Ich glaube, daß Shakespear bei seinem Richard III recht grimmig lustig gewesen und selbst Marx in seiner betrübten Periode weniger geschrieben; als jetzt, wo es ihm gottwaltischgottwaltisch – in der Art des Peter Gottwalt, einer Figur in Jean Pauls Roman Flegeljahre (Erstdruck: Tübingen 1804/05). geht.

Nun ziehts mich mit Gewalt, Dir ein Wort von ShakespearShakespeare, William (1564-1616) zu sagen; aber ich thu’s nicht, bis ich zweierlei nachgeholt. Die Akademiesache laß gehn, wies ist. Ich habe sie HenselnHensel, Wilhelm (1794-1861) |2| übergeben; der mache damit was er will, – ich bin doch zu wenig orientirt, um sicher zu beschließen.

Zweite Nachholung. Wir haben schon mal gemeint: nach meiner „höhern“ Komp.lehre<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0109903" style="hidden" type="science">Die Kunst des Gesanges, theoretisch-praktisch</name>meiner „höhern“ Komp.lehre – Die Kunst des Gesanges, theoretisch-praktisch, Berlin 1826. käme „die hohe“<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0109904" style="hidden" type="science">Die Lehre von der musikalischen Komposition, praktisch-theoretisch</name>.„die hohe“ – Später erschien Die Lehre von der musikalischen Komposition, praktisch theoretisch, 4 Bde., Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1837-1847. Seit gestern beiß’ ich mich mit einer Kleinigkeit daraus herum, und kann sie nicht los werden. Du wirst lachen, so klein ist sie; und doch muß ich sie hersetzen. Ich habe nämlich in honorem nominisin honorem nominis – lat., zu Ehren des Namens. mit meinen Studenten auch einen Gesang von Fr. SchneiderSchneider, Johann Christian Friedrich (1786-1853) angefangen. Nun kennst Du unsre Meinung von ihm als Komponisten. Auch dieser Gesang ist nicht von den allerschönsten. Da kommt aber ein Akkord drin vor; es ist keiner der sogenannten Fehler, auch sonst nichts Auffallendes, – aber er setzt mich förmlich in Verzweiflung; es ist mir, als wenn einem grobfaserigen brutalen dumpfstirnigen Philister in niedriger Tabaksstube bei runtergebrannten ungeputzten Talglichtern aufstieße und nun alles nach Bier und Käse röche. Erst dachte ich, es würde falsch gesungen; ich brachte die Stelle zur höchsten Reinheit, spielte sie auf 3 Klavieren, – und es bleibt dabei. Ich setze das Ganze bis dahin her.

Noten: GB-Ob, M.D.M. d. 29/10, fol. 1v.Notennotat von Adolph Bernhard Marx: Gesang von Friedrich Schneider

Nun Achtung:

Noten: GB-Ob, M.D.M. d. 29/10, fol. 1v.Notennotat von Adolph Bernhard Marx – Gesang von Friedrich Schneider
Was mich das g b mit dem neuen Tenor d drüber choquirt und mir den Athem nimmt, kann ich gar nicht sagen; ich könnte abergläubig daran werden, so blästs mich an, wenn die Kerls das verfluchte g b d herausstinken. Aber warum? – ’s ist einmal meine Antipathie! kann man doch in der „hohen“ Kompos.lehre nicht sagen. Und wenn ich Dich versichre, daß in mir keine absichtliche Uebertreibung ist, daß das Gefühl dieses Akkordes mich förmlich überrascht hat, so weiß ich doch nichts zu sagen, als: es giebt zwischen Menschen und – Akkorden gewisse Antipathien, auch Sympathien, über die das Nähere an einem andern Orte mitgetheilt werden soll. Nun schnitz’ mir gelegentlich Dein sentimentsentiment – frz., Gefühl. bei der Sache. – Uebrigens muß |3| man SchneidernSchneider, Johann Christian Friedrich (1786-1853) in Dessau kennen lernen, um ihn hochzuschätzen. Was der Mann da angerichtet hat, ist unglaublich. Nebenbei eine MusikschuleMusikschule zu DeßauDessauDeutschland mit 20 Scholaren,eine Musikschule mit 20 Scholaren – Die 1829 in Dessau eröffnete »Musikschule zu Deßau« leitete Friedrich Schneider bis 1844. Aus der Schule gingen mehr als 120 Absolventen hervor. Schneiders Verzeichnis seiner Schüler ist abgedruckt in Friedrich Kempe, Friedrich Schneider als Mensch und Künstler. Ein Lebensbild, Dessau 1859, S. 451-456. die alle weiße Mützen tragen und wie Wandelsterne durch Krügers GartenKrüger’scher GartenDessauDeutschland ziehen, wo ihnen 50 reizende Kinder nachschielen, sich auch von ihnen unterhalten lassen, etwa von der „zauberischen Beleuchtung“, wenn die 8 Lauben jede mit 4 bunten Oellampen behängt werden. Ich hab’s erlebt! und gehört! und die Lampen gezählt und – gerochen! Bitt’ Felix, laß uns da studieren! Oder giebts Deine akademische WürdigkeitDeine akademische Würdigkeit – Mendelssohn war im Mai 1833 zum Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Künste ernannt worden. und der SalmenbauchSalmenbauch – Salm: veraltete Schreibweise für Psalm. nicht mehr zu? Dann hat der Mensch ein Orchester, comme il faut;comme il faut – frz., wie es sich gehört, mustergültig. zu viel Geigen (24 gegen einfache Bläser) wär das Einzige, was ich dagegen wüßte. Was spielen die Kerls BeethovensBeethoven, Ludwig van (1770-1827) Sachen! Wie präcise, stark und fein! Das ganze Jahr hält er mit ihnen Uebungsstunden. Dann kommt die AkademieSingakademieDessauDeutschland,die Akademie – die im Mai 1821 von Friedrich Schneider gegründete Dessauer Singakademie. die ich leider nicht – gesehen habe, mit ihren Aufführungen. Dann Kirchenmusik, dann sein Orgelspiel. Nun ist es in der kleinen feinen Stadt komisch, wie komplett Alles von Musik lebt. Zu 2 gr. kannst Du den besten Lehrer haben (nur Schneider nimmt 18) und da, wie mir scheint, in jedem Hause wenigstens 7 schöne Töchter sitzen, so kannst Du Dir denken, wie um 10, 11, 2, 3 Uhr die Weißmützen von Hausthüre zu Hausthüre springen und aus allen Ritzchen und Fensterchen „ach ich liebte<name key="PSN0113466" style="hidden" type="author">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756–1791)</name><name key="CRT0110090" style="hidden" type="music">Die Entführung aus dem Serail KV 384</name>,„ach ich liebte – Arie der Konstanze aus dem ersten Akt, siebente Szene, der Oper Die Entführung aus dem Serail KV 384 von Wolfgang Amadeus Mozart. diavolo<name key="PSN0113466" style="hidden" type="author">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756–1791)</name><name key="CRT0110086" style="hidden" type="music">Così fan tutte ossia La scuola degli amanti KV 588</name>,diavolo – »Che diavolo«, Duett Despina und Fiordiligi aus dem zweiten Akt, erste Szene, der Oper Così fan tutte KV 588 von Mozart. petit tambour<name key="PSN0112873" style="hidden" type="author">Lindpaintner, Peter Joseph (seit 1844) von (1791–1856)</name><name key="CRT0111691" style="hidden" type="music">Zeila, ou le petit Tambour op. 254</name>,petit tambour – Möglicherweise Anspielung auf Peter Joseph Lindpaintners Ballett Zeila, ou le petit Tambour op. 254 (1827). ach nur einmal noch<name key="PSN0113466" style="hidden" type="author">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756–1791)</name><name key="CRT0110085" style="hidden" type="music">La clemenza di Tito KV 621</name>!ach nur einmal noch – Arie des Sextus »Ach, nur einmal noch im Leben« aus dem zweiten Akt der Oper La clemenza di Tito KV 621 von Mozart. <hi n="1" rend="underline">wär’</hi> es wahr<name key="PSN0114545" style="hidden" type="author">Schiller, Johann Christoph Friedrich (seit 1802) von (1759-1805)</name><name key="CRT0110657" style="hidden" type="dramatic_work">Don Carlos, Infant von Spanien</name>!ach nur einmal noch – Arie des Sextus »Ach, nur einmal noch im Leben« aus dem zweiten Akt der Oper La clemenza di Tito KV 621 von Mozart. schwirrt und klingt und seufzt und summt. Währenddem leuchten Friedland-Schneiders Sterne<name key="PSN0114545" style="hidden" type="author">Schiller, Johann Christoph Friedrich (seit 1802) von (1759-1805)</name><name key="CRT0110677" style="hidden" type="dramatic_work">Wallensteins Tod</name>Friedland-Schneiders Sterne – Anspielung auf Wallensteins Worte »Nacht muß es sein, wo Friedlands Sterne strahlen« in Friedrich Schillers Trauerspiel Wallensteins Tod, dritter Akt, zehnter Auftritt. (nebst Zubehör an Stirn, Nase Wange) in der einzigen Weinstube der Residenz; dann ernährt er noch 2 Liedertafeln im Dessauer und Köthenschen ReicheLiedertafelDessauDeutschland,2 Liedertafeln im Dessauer und Köthenschen Reiche – die 1821 von Friedrich Schneider und dem Dichter Wilhelm Müller in Dessau gegründete Liedertafel und die seit Oktober 1830 in Bernburg bestehende Provinzialliedertafel, ein Zusammenschluss der Liedertafeln Magdeburg, Dessau und Zerbst. dirigirt die Oper Zampa<name key="PSN0111922" style="hidden" type="author">Hérold, Louis Joseph Ferdinand (1791–1833)</name><name key="CRT0111682" style="hidden" type="music">Zampa ou La fiancée de marbre</name> schimpfend, und schreibt nach Halberstadt oder Erfurt ein neues MusikfestElbmusikfesteAnhaltDeutschland aus. Der HerzogAnhalt-Dessau, Leopold IV. Friedrich Herzog von (1794-1871) bewilligt ihm Alles, unter der Bedingung, daß er keine Revolution anstifte; denn ich wenigstens zweifle nicht, daß er auch das könnte. Um nun auf ShakespearShakespeare, William (1564-1616) zu kommen, so wisse, daß ich ihn (von SchlegelSchlegel, Karl Wilhelm Friedrich (seit 1815) von (1772-1829) und TiekTieck, Johann Ludwig (1773-1853)) ganz vollständig<name key="PSN0114560" style="hidden" type="author">Schlegel, August Wilhelm (seit 1815) von (1767–1845)</name><name key="CRT0111417" style="hidden" type="dramatic_work">Shakspeare’s dramatische Werke (dt. Übersetzung)</name><name key="PSN0115334" style="hidden" type="author">Tieck, Johann Ludwig (1773–1853)</name><name key="CRT0111075" style="hidden" type="dramatic_work">Shakspeare’s dramatische Werke (dt. Übersetzung)</name>Shakespear … ganz vollständig – Shakspeare‘s dramatische Werke. Uebersetzt von August Wilhelm von Schlegel, ergänzt und erläutert von Ludwig Tieck, 9 Bde., Berlin 1825-1833. und prächtig geschenkt bekommen habe, und zwar von meiner KousineMarx, Cousine von → Adolph Bernhard M.. |4| Nun thu mir ’mal den den Gefallen, und lies von Johann<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564–1616)</name><name key="CRT0110864" style="hidden" type="dramatic_work">König Johann (King John)</name> bis <title xml:id="title_679a9047-9f47-4c88-8711-5fdc7d7dedbf">Heinrich VIII<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564–1616)</name><name key="CRT0111684" style="hidden" type="dramatic_work">Heinrich VIII. (King Henry VIII)</name> seine historischen Stücke rasch hintereinander, über alle Einzelheiten weg. Es ist der größte Wurf, den je ein Künstler gethan. K. Johann ist der Prolog, der uns das Lokal zeigt, Richard II<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564–1616)</name><name key="CRT0111683" style="hidden" type="dramatic_work">Richard II. (King Richard II)</name> das Vorspiel. Nun Heinrich IV<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564–1616)</name><name key="CRT0110860" style="hidden" type="dramatic_work">Heinrich IV. (King Henry IV)</name> bis Heinrich der VI<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564–1616)</name><name key="CRT0110861" style="hidden" type="dramatic_work">Heinrich VI. (King Henry VI)</name>, – dann Richard III<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564–1616)</name><name key="CRT0110869" style="hidden" type="dramatic_work">Richard III. (King Richard III)</name> als fünfter Akt, dann das Nachspiel, Heinrich der VIII, Alles wie Ein unermeßlich großes Trauerspiel! Von allem Einzelnen abgesehen die einheitvollste, gewaltigste Konstruktion! Nicht blos eine Formung in größern Dimensionen; sondern in der erhabensten, ja oft zermalmenden geistigen Potenzirung. Wie das im 2 und 3 Theil von Heinrich VI aufbrennt. Wie erst auf dem vulkanischen Boden in Heinrich IV getanzt und gespaßt wird und jeder ernste Einfall, z. B. die furchtbare Empörung der Percisder Percis – Lady Percy, Person in Shakespeares Drama Heinrich IV. (King Henry IV). weggeblasen. Wie dann Nationen gegen einander treten, und der Funke des Bruderzwistes still heimlich emsig fortglimmt, dann ausbricht in jenem dritten Akt des Ganzen (Heinrich VI Th. 2.) Und dann der vierte Akt! Das Stärkste, was in andern Stücken kaum zu ertragen wär, wird durch die Großheit und Gewalt des Ganzen zu einem dekorirenden Nebenzug. Wenn da ein Sohn seinen Vater und ein Vater den Sohn erschlagen in der blinden Wuth des Gefechts, so ist das, als wenn HomerHomer beiläufig sagt, Zeus habe die Augenbrauen zusammengezogen. Und wenn sie YorkYork – Richard, Herzog von York, Person aus Heinrich VI. auf dem Maulwurfshügel krönen und RutlandsRutland – Edmund, Graf von Rutland, Person aus Heinrich VI. Blut sich mit seinen späten Thränen mischt, so ist mir, ohne daß das Mindeste Geisterhafte nur erwähnt wird, wie bei altnordischen Zauber- und Drachenkämpfen und Martern der Riesen. Und wie der Waldbrand zusammenbricht und der böse Funke noch die letzten Reiser umherhüpfend aufzehrt. Es ist sogar wichtig, daß Richard III hinkt. Alles wahr, alles nothwendig, alles weise vorbereitet und riesenkräftig vollführt. Ja wieviel Briefe müßt’ ich darüber schreiben! – Vorwärts!

Dein Marx. Berlin 15.1.34.
            Natürlich, lieber Felix, habe ich in der ganzen Briefgeschichte unrecht; ich war Dir schnelle Antwort schuldig, und hätte auch schon des Acad. -Geschäfts wegen umgehend schreiben sollen. Auch rühme ich mich sonst, theils mit Recht, theils mit Unrecht einer Geschäftspünktlichkeit; aber eben jetzt lebt’ ich in einer gar zu bunten Zeit. Mich bindet mein Wort, sonst würde ich Dir viel zu lachen und auch viel zu denken geben; ich habe seit unsrer Trennung viel erlebt, sehr viel und höchst Glückliches, und fühle Dir jetzt etwas ganz nach, was sonst nur halb. Aber ich stehe wie ein glücklicher Dachdecker, der wirklich die Thurmspitze erreicht hat; er ist oben, es fragt sich nur, ob er nicht auf der andern Seite herunterpurzelt. – Auf diese Angelegenheiten bezieht sich auch meine Geldbitte. Ich fürchte fast, daß ich sie zurücknehmen werde; ist das aber nicht, so nehme ich mit Dank Dein Erbieten von 100 an, und kannst Du mir mehr geben, so wächst damit die Sicherheit meines Glücks. In keinem Fall ist es so eilig; ich schreibe 2, 3 Monate voraus, damit Du Dir die Sache überlegen und soweit Du magst, nach meinen Wünschen einrichten kannst. Auch das bisher Mitgetheilte bitte ich dringend, zu verschweigen; hier hat keiner eine Ahnung davon, daß irgend was vorgeht.
Wie sonderbar aber ist es mit uns Menschen? In dieser meiner glücklichen, frohen Zeit (denn die Sorge beißt mich wenig, so gegründet sie ist) muß ich also noch einen Männerhymnus aus der Bibel schreiben von wegen der Herausgabe; und worauf fällt meine Wahl? auf den Bußpsalm: Ach Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn und züchtige mich nicht in deinem Grimm. Und wahrhaftig, es ist kein Eigensinn bei der Wahl, und es ist Andacht bei der Arbeit! Wie ist das nun? Am Ende muß man sich vor einer komischen Oper durchprügeln lassen. Aber ernstlich gehört eine Quantität von Glück dazu, um uns überhaupt potent zu machen; das Unglück kettet uns, sperrt uns ein in unsre Persönlichkeit und stöhnt höchst herzbrechend aber auch höchst prosaisch heraus. Ich glaube, daß Shakespear bei seinem Richard III recht grimmig lustig gewesen und selbst Marx in seiner betrübten Periode weniger geschrieben; als jetzt, wo es ihm gottwaltisch geht.
Nun ziehts mich mit Gewalt, Dir ein Wort von Shakespear zu sagen; aber ich thu’s nicht, bis ich zweierlei nachgeholt. Die Akademiesache laß gehn, wies ist. Ich habe sie Henseln übergeben; der mache damit was er will, – ich bin doch zu wenig orientirt, um sicher zu beschließen.
Zweite Nachholung. Wir haben schon mal gemeint: nach meiner „höhern“ Komp. lehre käme „die hohe“. Seit gestern beiß’ ich mich mit einer Kleinigkeit daraus herum, und kann sie nicht los werden. Du wirst lachen, so klein ist sie; und doch muß ich sie hersetzen. Ich habe nämlich in honorem nominis mit meinen Studenten auch einen Gesang von Fr. Schneider angefangen. Nun kennst Du unsre Meinung von ihm als Komponisten. Auch dieser Gesang ist nicht von den allerschönsten. Da kommt aber ein Akkord drin vor; es ist keiner der sogenannten Fehler, auch sonst nichts Auffallendes, – aber er setzt mich förmlich in Verzweiflung; es ist mir, als wenn einem grobfaserigen brutalen dumpfstirnigen Philister in niedriger Tabaksstube bei runtergebrannten ungeputzten Talglichtern aufstieße und nun alles nach Bier und Käse röche. Erst dachte ich, es würde falsch gesungen; ich brachte die Stelle zur höchsten Reinheit, spielte sie auf 3 Klavieren, – und es bleibt dabei. Ich setze das Ganze bis dahin her.
Nun Achtung:
Was mich das g b mit dem neuen Tenor d drüber choquirt und mir den Athem nimmt, kann ich gar nicht sagen; ich könnte abergläubig daran werden, so blästs mich an, wenn die Kerls das verfluchte g b d herausstinken. Aber warum? – ’s ist einmal meine Antipathie! kann man doch in der „hohen“ Kompos. lehre nicht sagen. Und wenn ich Dich versichre, daß in mir keine absichtliche Uebertreibung ist, daß das Gefühl dieses Akkordes mich förmlich überrascht hat, so weiß ich doch nichts zu sagen, als: es giebt zwischen Menschen und – Akkorden gewisse Antipathien, auch Sympathien, über die das Nähere an einem andern Orte mitgetheilt werden soll. Nun schnitz’ mir gelegentlich Dein sentiment bei der Sache. – Uebrigens muß man Schneidern in Dessau kennen lernen, um ihn hochzuschätzen. Was der Mann da angerichtet hat, ist unglaublich. Nebenbei eine Musikschule mit 20 Scholaren, die alle weiße Mützen tragen und wie Wandelsterne durch Krügers Garten ziehen, wo ihnen 50 reizende Kinder nachschielen, sich auch von ihnen unterhalten lassen, etwa von der „zauberischen Beleuchtung“, wenn die 8 Lauben jede mit 4 bunten Oellampen behängt werden. Ich hab’s erlebt! und gehört! und die Lampen gezählt und – gerochen! Bitt’ Felix, laß uns da studieren! Oder giebts Deine akademische Würdigkeit und der Salmenbauch nicht mehr zu? Dann hat der Mensch ein Orchester, comme il faut; zu viel Geigen (24 gegen einfache Bläser) wär das Einzige, was ich dagegen wüßte. Was spielen die Kerls Beethovens Sachen! Wie präcise, stark und fein! Das ganze Jahr hält er mit ihnen Uebungsstunden. Dann kommt die Akademie, die ich leider nicht – gesehen habe, mit ihren Aufführungen. Dann Kirchenmusik, dann sein Orgelspiel. Nun ist es in der kleinen feinen Stadt komisch, wie komplett Alles von Musik lebt. Zu 2 gr. kannst Du den besten Lehrer haben (nur Schneider nimmt 18) und da, wie mir scheint, in jedem Hause wenigstens 7 schöne Töchter sitzen, so kannst Du Dir denken, wie um 10, 11, 2, 3 Uhr die Weißmützen von Hausthüre zu Hausthüre springen und aus allen Ritzchen und Fensterchen „ach ich liebte, diavolo, petit tambour, ach nur einmal noch! wär’ es wahr! schwirrt und klingt und seufzt und summt. Währenddem leuchten Friedland-Schneiders Sterne (nebst Zubehör an Stirn, Nase Wange) in der einzigen Weinstube der Residenz; dann ernährt er noch 2 Liedertafeln im Dessauer und Köthenschen Reiche, dirigirt die Oper Zampa schimpfend, und schreibt nach Halberstadt oder Erfurt ein neues Musikfest aus. Der Herzog bewilligt ihm Alles, unter der Bedingung, daß er keine Revolution anstifte; denn ich wenigstens zweifle nicht, daß er auch das könnte. Um nun auf Shakespear zu kommen, so wisse, daß ich ihn (von Schlegel und Tiek) ganz vollständig und prächtig geschenkt bekommen habe, und zwar von meiner Kousine. Nun thu mir ’mal den den Gefallen, und lies von Johann bis Heinrich VIII seine historischen Stücke rasch hintereinander, über alle Einzelheiten weg. Es ist der größte Wurf, den je ein Künstler gethan. K. Johann ist der Prolog, der uns das Lokal zeigt, Richard II das Vorspiel. Nun Heinrich IV bis Heinrich der VI, – dann Richard III als fünfter Akt, dann das Nachspiel, Heinrich der VIII, Alles wie Ein unermeßlich großes Trauerspiel! Von allem Einzelnen abgesehen die einheitvollste, gewaltigste Konstruktion! Nicht blos eine Formung in größern Dimensionen; sondern in der erhabensten, ja oft zermalmenden geistigen Potenzirung. Wie das im 2 und 3 Theil von Heinrich VI aufbrennt. Wie erst auf dem vulkanischen Boden in Heinrich IV getanzt und gespaßt wird und jeder ernste Einfall, z. B. die furchtbare Empörung der Percis weggeblasen. Wie dann Nationen gegen einander treten, und der Funke des Bruderzwistes still heimlich emsig fortglimmt, dann ausbricht in jenem dritten Akt des Ganzen (Heinrich VI Th. 2. ) Und dann der vierte Akt! Das Stärkste, was in andern Stücken kaum zu ertragen wär, wird durch die Großheit und Gewalt des Ganzen zu einem dekorirenden Nebenzug. Wenn da ein Sohn seinen Vater und ein Vater den Sohn erschlagen in der blinden Wuth des Gefechts, so ist das, als wenn Homer beiläufig sagt, Zeus habe die Augenbrauen zusammengezogen. Und wenn sie York auf dem Maulwurfshügel krönen und Rutlands Blut sich mit seinen späten Thränen mischt, so ist mir, ohne daß das Mindeste Geisterhafte nur erwähnt wird, wie bei altnordischen Zauber- und Drachenkämpfen und Martern der Riesen. Und wie der Waldbrand zusammenbricht und der böse Funke noch die letzten Reiser umherhüpfend aufzehrt. Es ist sogar wichtig, daß Richard III hinkt. Alles wahr, alles nothwendig, alles weise vorbereitet und riesenkräftig vollführt. Ja wieviel Briefe müßt’ ich darüber schreiben! – Vorwärts!
Dein Marx. Berlin 15. 1. 34.          
            <TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="gb-1834-01-15-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt><title key="gb-1834-01-15-01">Adolph Bernhard Marx an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf <lb></lb> Berlin, 15. Januar 1834</title><title level="s" type="incipit">Natürlich, lieber Felix, habe ich in der ganzen Briefgeschichte unrecht; ich war Dir schnelle Antwort schuldig, und hätte auch schon des Acad.-Geschäfts wegen umgehend schreiben sollen. Auch rühme ich mich sonst, theils mit Recht, theils</title><title level="s" type="sub">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title><title key="fmb-1833-12-22-03" type="precursor" xml:id="title_f5d79492-018c-45f5-aa2b-86d35d1b9ef0">Felix Mendelssohn Bartholdy an Adolph Bernhard Marx in Berlin; Düsseldorf, 22. Dezember 1833</title><title key="fmb-1834-05-04-02" type="successor" xml:id="title_d6a4eaa1-06bf-4732-9a1f-7e0d7d78a81f">Felix Mendelssohn Bartholdy an Adolph Bernhard Marx in Berlin; Düsseldorf, vor dem 5. Mai 1834</title> <author key="PSN0113108">Marx, Adolph Bernhard (1795-1866)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0113108" resp="writer">Marx, Adolph Bernhard (1795-1866)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"><resp resp="transcription">Transkription: </resp><name resp="transcription">FMB-C</name></respStmt><respStmt resp="edition"><resp resp="edition">Edition: </resp><name resp="edition">FMB-C</name></respStmt></titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. d. 29/10.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="gb-1834-01-15-01" type="letter">Adolph Bernhard Marx an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf;  Berlin, 15. Januar 1834</title> <incipit>Natürlich, lieber Felix, habe ich in der ganzen Briefgeschichte unrecht; ich war Dir schnelle Antwort schuldig, und hätte auch schon des Acad.-Geschäfts wegen umgehend schreiben sollen. Auch rühme ich mich sonst, theils mit Recht, theils</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext; S. 4 Adresse, 2 Poststempel [BERLIN 4-5 / 15 / 1], [19 1], Siegel.</p> <handDesc hands="1"> <p>Adolph Bernhard Marx</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="printed_letter">Albrecht-Hohmaier, Mendelssohns Paulus, S. 271 (Teildruck).</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1834-01-15">15. Januar 1834</date> </creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0113108" resp="author">Marx, Adolph Bernhard (1795-1866)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0113108" resp="writer">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</persName> <placeName type="writing_place"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place"> <settlement key="STM0100109">Düsseldorf</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc></teiHeader> <text type="letter"><body><div type="address"><head><address><addrLine>Herrn Musikdirektor</addrLine><addrLine><hi n="1" rend="underline"><hi rend="latintype">Felix Mendelssohn-Bartholdy</hi></hi></addrLine><addrLine>Wohlgeboren</addrLine><addrLine>in</addrLine><addrLine><hi n="1" rend="underline"><hi rend="latintype">Düsseldorf</hi></hi></addrLine></address></head></div><div n="1" type="act_of_writing"><docAuthor key="PSN0113108" resp="author" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</docAuthor><docAuthor key="PSN0113108" resp="writer" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</docAuthor><p style="paragraph_without_indent">Natürlich, <seg type="salute">lieber Felix</seg>, habe ich in der ganzen Briefgeschichte unrecht; ich war Dir schnelle Antwort schuldig, und hätte auch schon des Acad.-Geschäfts wegen<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_6eecfe4d-c69b-4cfd-84d6-14eea965ef8f" xml:lang="de">des Acad.-Geschäfts wegen – Mendelssohn sollte Marx behilflich sein, bei der Königlich Preußischen Akademie der Künste als Mitglied vorgeschlagen zu werden. Vgl. Brief fmb-1833-11-20-01 (Brief Nr. 816) Felix Mendelssohn Bartholdy an Adolph Bernhard Marx in Berlin, Düsseldorf, nach dem 19. November 1833. Marx wurde Zeit seines Lebens nicht in die Akademie berufen.</note> umgehend schreiben sollen. Auch rühme ich mich sonst, theils mit Recht, theils mit Unrecht einer Geschäftspünktlichkeit; aber eben jetzt lebt’ ich in einer gar zu bunten Zeit. Mich bindet mein Wort, sonst würde ich Dir viel zu lachen und auch viel zu denken geben; ich habe seit unsrer Trennung<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_747ba101-caf8-4b6e-90ce-c1709aabd4e2" xml:lang="de">unsrer Trennung – Marx war am 16. September 1833 mit Mendelssohn von Berlin aus in Richtung Leipzig gereist und blieb noch einige Tage in Dessau.</note> viel erlebt, sehr viel und höchst Glückliches, und fühle Dir jetzt etwas ganz nach, was sonst nur halb. Aber ich stehe wie ein glücklicher Dachdecker, der wirklich die Thurmspitze erreicht hat; er ist oben, es fragt sich nur, ob er nicht auf der andern Seite herunterpurzelt. – Auf diese Angelegenheiten bezieht sich auch meine Geldbitte. Ich fürchte fast, daß ich sie zurücknehmen werde; ist das aber nicht, so nehme ich mit Dank Dein Erbieten von 100<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_3d4c7e5c-6f08-45bd-bd27-9d7c6765582f" xml:lang="de">Dein Erbieten von 100 – Am 31. Dezember 1833 bat Marx um »eine möglichst große Summe Geldes zu seinem Glücke«. Siehe Brief gb-1833-12-31-01 Adolph Bernhard Marx an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 31. Dezember 1833.</note> an, und kannst Du mir mehr geben, so wächst damit die Sicherheit meines Glücks. In keinem Fall ist es so eilig; ich schreibe 2, 3 Monate voraus, damit Du Dir die Sache überlegen und soweit Du magst, nach meinen Wünschen einrichten kannst. Auch das bisher Mitgetheilte<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_bd8895f5-bbbf-4a73-9a4b-c2ebf6f422f1" xml:lang="de">das bisher Mitgetheilte – Gemeint sind wohl Mendelssohns Mitteilungen über seine Aktivitäten in Bezug auf Marx’ Akademiemitgliedschaft in Brief fmb-1833-12-22-03 (Brief Nr. 832) Felix Mendelssohn Bartholdy an Adolph Bernhard Marx in Berlin, Düsseldorf, 22. Dezember 1833.</note> bitte ich dringend, zu verschweigen; hier hat keiner eine Ahnung davon, daß irgend was vorgeht.</p><p>Wie sonderbar aber ist es mit uns Menschen? In dieser meiner glücklichen, frohen Zeit (denn die Sorge beißt mich wenig, so gegründet sie ist) muß ich also noch einen Männerhymnus aus der Bibel schreiben von wegen der Herausgabe; und worauf fällt meine Wahl? auf den Bußpsalm: <title xml:id="title_65bd0118-d7db-4d1e-8cc5-6dbf9e3e7159">Ach Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn und züchtige mich nicht in deinem Grimm<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0109910" style="hidden" type="music">Ach! Herr! strafe mich nicht in deinem Zorn op. 4/2</name></title>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_de3d9a45-6a49-470c-bb7d-75673ff67133" xml:lang="de">Bußpsalm: Ach Herr, strafe mich nicht … Grimm – Die Motette Ach! Herr! strafe mich nicht in deinem Zorn erschien als Nr. 2 in den Zwei Motetten für sechsstimmigen Männerchor op. 4, Berlin 1834. Vgl. Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx, in: Sammelbände der Internationalen Musikgesellschaft 10, H. 1 (1908), S. 1-72, hier S. 16 f.</note> Und wahrhaftig, es ist kein Eigensinn bei der Wahl, und es ist Andacht bei der Arbeit! Wie ist das nun? Am Ende muß man sich vor einer komischen Oper durchprügeln lassen. Aber ernstlich gehört eine Quantität von Glück dazu, um uns überhaupt potent zu machen; das Unglück kettet uns, sperrt uns ein in unsre Persönlichkeit und stöhnt höchst herzbrechend aber auch höchst prosaisch heraus. Ich glaube, daß Shakespear bei seinem Richard III recht grimmig lustig gewesen und selbst Marx in seiner betrübten Periode weniger geschrieben; als jetzt, wo es ihm gottwaltisch<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_a54b6f34-dd3e-4aed-a01a-b56b357a0801" xml:lang="de">gottwaltisch – in der Art des Peter Gottwalt, einer Figur in Jean Pauls Roman Flegeljahre (Erstdruck: Tübingen 1804/05).</note> geht.</p><p>Nun ziehts mich mit Gewalt, Dir ein Wort von <persName xml:id="persName_4e04d4f7-0796-4b29-a099-3c26bbd13323">Shakespear<name key="PSN0114889" style="hidden" type="person">Shakespeare, William (1564-1616)</name></persName> zu sagen; aber ich thu’s nicht, bis ich zweierlei nachgeholt. Die Akademiesache laß gehn, wies ist. Ich habe sie <persName xml:id="persName_583b72cf-979f-4fa0-bae0-a49a82242ba0">Henseln<name key="PSN0111899" style="hidden" type="person">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name></persName><seg type="pagebreak"> |2| <pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg>übergeben; der mache damit was er will, – ich bin doch zu wenig orientirt, um sicher zu beschließen.</p><p>Zweite Nachholung. Wir haben schon mal gemeint: nach <title xml:id="title_ece9c9cb-8d20-481d-9836-879383380f46">meiner „höhern“ Komp.lehre<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0109903" style="hidden" type="science">Die Kunst des Gesanges, theoretisch-praktisch</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_b8800bbe-b680-483f-930b-4dea098913ee" xml:lang="de">meiner „höhern“ Komp.lehre – Die Kunst des Gesanges, theoretisch-praktisch, Berlin 1826.</note> käme <title xml:id="title_a9dcba59-b38d-49f7-9699-6c83dca2190d">„die hohe“<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0109904" style="hidden" type="science">Die Lehre von der musikalischen Komposition, praktisch-theoretisch</name></title>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_3c305e20-f5b9-4e1d-ad15-fa1a99f91ff8" xml:lang="de">„die hohe“ – Später erschien Die Lehre von der musikalischen Komposition, praktisch theoretisch, 4 Bde., Leipzig: Breitkopf &amp; Härtel, 1837-1847.</note> Seit gestern beiß’ ich mich mit einer Kleinigkeit daraus herum, und kann sie nicht los werden. Du wirst lachen, so klein ist sie; und doch muß ich sie hersetzen. Ich habe nämlich <hi rend="latintype">in honorem nominis</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_f29bce09-e5f2-4664-bfb0-b9c2f7199390" xml:lang="la ">in honorem nominis – lat., zu Ehren des Namens.</note> mit meinen Studenten auch einen Gesang von <persName xml:id="persName_31e74723-c4f2-4e91-b498-8c7c18db2be2">Fr. Schneider<name key="PSN0114646" style="hidden" type="person">Schneider, Johann Christian Friedrich (1786-1853)</name></persName> angefangen. Nun kennst Du unsre Meinung von ihm als Komponisten. Auch dieser Gesang ist nicht von den allerschönsten. Da kommt aber ein Akkord drin vor; es ist keiner der sogenannten Fehler, auch sonst nichts Auffallendes, – aber er setzt mich förmlich in Verzweiflung; es ist mir, als wenn einem grobfaserigen brutalen dumpfstirnigen Philister in niedriger Tabaksstube bei runtergebrannten ungeputzten Talglichtern aufstieße und nun alles nach Bier und Käse röche. Erst dachte ich, es würde falsch gesungen; ich brachte die Stelle zur höchsten Reinheit, spielte sie auf 3 Klavieren, – und es bleibt dabei. Ich setze das Ganze bis dahin her.<figure rend="below" style="center" subtype="full_page" type="notated_Music"><graphic url="https://www.felix-mendelssohn-bartholdy.org/_api/letters/letter_image/Noten/gb-1834-01-15-01-N-001.jpg"></graphic><head style="display_none">Noten: GB-Ob, M.D.M. d. 29/10, fol. 1v.</head><figDesc style="display_none">Notennotat von Adolph Bernhard Marx: Gesang von Friedrich Schneider</figDesc></figure></p><p style="paragraph_hanging">Nun Achtung: </p><p><figure rend="below" style="center" subtype="three-quarter_page" type="notated_Music" xml:id="figure_f375c1b9-aef5-43b5-8b34-adbfdfa89019"><graphic url="https://www.felix-mendelssohn-bartholdy.org/_api/letters/letter_image/Noten/gb-1834-01-15-01-N-002.jpg"></graphic><head style="display_none">Noten: GB-Ob, M.D.M. d. 29/10, fol. 1v.</head><figDesc style="display_none">Notennotat von Adolph Bernhard Marx – Gesang von Friedrich Schneider</figDesc></figure>Was mich das <hi rend="latintype">g b</hi> mit dem neuen Tenor <hi rend="latintype">d</hi> drüber choquirt und mir den Athem nimmt, kann ich gar nicht sagen; ich könnte abergläubig daran werden, so blästs mich an, wenn die Kerls das verfluchte <hi rend="latintype">g b d</hi> herausstinken. Aber warum? – ’s ist einmal meine Antipathie! kann man doch in der „hohen“ Kompos.lehre nicht sagen. Und wenn ich Dich versichre, daß in mir keine absichtliche Uebertreibung ist, daß das Gefühl dieses Akkordes mich förmlich überrascht hat, so weiß ich doch nichts zu sagen, als: es giebt zwischen Menschen und – Akkorden gewisse Antipathien, auch Sympathien, über die das Nähere an einem andern Orte mitgetheilt werden soll. Nun schnitz’ mir gelegentlich Dein <hi rend="latintype">sentiment</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_d1a97e28-7679-450a-95a0-a699cbbc53d6" xml:lang="fr ">sentiment – frz., Gefühl.</note> bei der Sache. – Uebrigens muß<seg type="pagebreak"> |3| <pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg>man <persName xml:id="persName_70b267da-1ae9-42ef-a9a3-43756b94aae6">Schneidern<name key="PSN0114646" style="hidden" type="person">Schneider, Johann Christian Friedrich (1786-1853)</name></persName> in Dessau kennen lernen, um ihn hochzuschätzen. Was der Mann da angerichtet hat, ist unglaublich. Nebenbei eine <placeName xml:id="placeName_8f8d6dc7-0fc1-4b60-9673-a69ddd5fb220">Musikschule<name key="NST0103320" style="hidden" subtype="" type="institution">Musikschule zu Deßau</name><settlement key="STM0100131" style="hidden" type="locality">Dessau</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> mit 20 Scholaren,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_f77f77a3-eb4c-45cf-bd84-c026754c56d0" xml:lang="de">eine Musikschule mit 20 Scholaren – Die 1829 in Dessau eröffnete »Musikschule zu Deßau« leitete Friedrich Schneider bis 1844. Aus der Schule gingen mehr als 120 Absolventen hervor. Schneiders Verzeichnis seiner Schüler ist abgedruckt in Friedrich Kempe, Friedrich Schneider als Mensch und Künstler. Ein Lebensbild, Dessau 1859, S. 451-456.</note> die alle weiße Mützen tragen und wie Wandelsterne durch <placeName xml:id="placeName_68eb9285-7b77-4fb8-a75c-b855e72cc410">Krügers Garten<name key="NST0103309" style="hidden" subtype="" type="institution">Krüger’scher Garten</name><settlement key="STM0100131" style="hidden" type="locality">Dessau</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> ziehen, wo ihnen 50 reizende Kinder nachschielen, sich auch von ihnen unterhalten lassen, etwa von der „zauberischen Beleuchtung“, wenn die 8 Lauben jede mit 4 bunten Oellampen behängt werden. Ich hab’s erlebt! und gehört! und die Lampen gezählt und – gerochen! Bitt’ Felix, laß uns da studieren! Oder giebts Deine akademische Würdigkeit<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_fb0b6cc5-66e1-4429-ab27-5b83371a13a8" xml:lang="de">Deine akademische Würdigkeit – Mendelssohn war im Mai 1833 zum Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Künste ernannt worden.</note> und der Salmenbauch<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_87d23dd7-0157-4ad0-886d-6d0158769c58" xml:lang="de">Salmenbauch – Salm: veraltete Schreibweise für Psalm.</note> nicht mehr zu? Dann hat der Mensch ein Orchester, <hi rend="latintype">comme il faut</hi>;<note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_2cbc8d02-32d6-4da7-ad78-6a4e5e9bebda" xml:lang="fr ">comme il faut – frz., wie es sich gehört, mustergültig.</note> zu viel Geigen (24 gegen einfache Bläser) wär das Einzige, was ich dagegen wüßte. Was spielen die Kerls <persName xml:id="persName_a57b538e-2abb-4e2d-8dd8-59f7ca0be19f">Beethovens<name key="PSN0109771" style="hidden" type="person">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName> Sachen! Wie präcise, stark und fein! Das ganze Jahr hält er mit ihnen Uebungsstunden. Dann kommt die <placeName xml:id="placeName_500cf3fe-b625-4e5a-aaca-e596f42fe0f5">Akademie<name key="NST0103308" style="hidden" subtype="" type="institution">Singakademie</name><settlement key="STM0100131" style="hidden" type="locality">Dessau</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_21f30900-0c12-4aa7-b8b2-89bb585109b2" xml:lang="de">die Akademie – die im Mai 1821 von Friedrich Schneider gegründete Dessauer Singakademie.</note> die ich leider nicht – gesehen habe, mit ihren Aufführungen. Dann Kirchenmusik, dann sein Orgelspiel. Nun ist es in der kleinen feinen Stadt komisch, wie komplett Alles von Musik lebt. Zu 2 gr. kannst Du den besten Lehrer haben (nur Schneider nimmt 18) und da, wie mir scheint, in jedem Hause wenigstens 7 schöne Töchter sitzen, so kannst Du Dir denken, wie um 10, 11, 2, 3 Uhr die Weißmützen von Hausthüre zu Hausthüre springen und aus allen Ritzchen und Fensterchen „<title xml:id="title_357c8a12-665b-4a91-a5aa-cc7d988643c0">ach ich liebte<name key="PSN0113466" style="hidden" type="author">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756–1791)</name><name key="CRT0110090" style="hidden" type="music">Die Entführung aus dem Serail KV 384</name></title>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_45be073a-0b01-4262-81ef-681309f5b7df" xml:lang="de">„ach ich liebte – Arie der Konstanze aus dem ersten Akt, siebente Szene, der Oper Die Entführung aus dem Serail KV 384 von Wolfgang Amadeus Mozart.</note> <title xml:id="title_994501ff-e839-4a40-bca6-256e3cee09ad">diavolo<name key="PSN0113466" style="hidden" type="author">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756–1791)</name><name key="CRT0110086" style="hidden" type="music">Così fan tutte ossia La scuola degli amanti KV 588</name></title>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_0ac6a51f-8641-446c-aa8e-e02bcf9e4d23" xml:lang="de">diavolo – »Che diavolo«, Duett Despina und Fiordiligi aus dem zweiten Akt, erste Szene, der Oper Così fan tutte KV 588 von Mozart.</note> <hi rend="latintype"><title xml:id="title_8a3c7acc-0a87-4fbd-896c-beb2483415b4">petit tambour<name key="PSN0112873" style="hidden" type="author">Lindpaintner, Peter Joseph (seit 1844) von (1791–1856)</name><name key="CRT0111691" style="hidden" type="music">Zeila, ou le petit Tambour op. 254</name></title></hi>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_f9d77c6e-c47c-43a2-8a96-bf79f0182550" xml:lang="de">petit tambour – Möglicherweise Anspielung auf Peter Joseph Lindpaintners Ballett Zeila, ou le petit Tambour op. 254 (1827).</note> <title xml:id="title_21998402-e740-4590-b058-578a12310e82">ach nur einmal noch<name key="PSN0113466" style="hidden" type="author">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756–1791)</name><name key="CRT0110085" style="hidden" type="music">La clemenza di Tito KV 621</name></title>!<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_6f360f5c-62ba-46a0-a7fc-859947ee92f5" xml:lang="de">ach nur einmal noch – Arie des Sextus »Ach, nur einmal noch im Leben« aus dem zweiten Akt der Oper La clemenza di Tito KV 621 von Mozart.</note> <title xml:id="title_761ca081-73a0-4619-86b3-42f46c305225"><hi n="1" rend="underline">wär’</hi> es wahr<name key="PSN0114545" style="hidden" type="author">Schiller, Johann Christoph Friedrich (seit 1802) von (1759-1805)</name><name key="CRT0110657" style="hidden" type="dramatic_work">Don Carlos, Infant von Spanien</name></title>!<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_7fe9face-2795-46f7-8af3-47ce029ec763" xml:lang="de">ach nur einmal noch – Arie des Sextus »Ach, nur einmal noch im Leben« aus dem zweiten Akt der Oper La clemenza di Tito KV 621 von Mozart.</note> schwirrt und klingt und seufzt und summt. Währenddem leuchten <title xml:id="title_3ce1b8c8-9356-4e0d-b6cc-209084793647">Friedland-Schneiders Sterne<name key="PSN0114545" style="hidden" type="author">Schiller, Johann Christoph Friedrich (seit 1802) von (1759-1805)</name><name key="CRT0110677" style="hidden" type="dramatic_work">Wallensteins Tod</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_3455cae7-5e16-400e-bfe1-4fd9eb30a0e2" xml:lang="de">Friedland-Schneiders Sterne – Anspielung auf Wallensteins Worte »Nacht muß es sein, wo Friedlands Sterne strahlen« in Friedrich Schillers Trauerspiel Wallensteins Tod, dritter Akt, zehnter Auftritt.</note> (nebst Zubehör an Stirn, Nase Wange) in der einzigen Weinstube der Residenz; dann ernährt er noch <placeName xml:id="placeName_611f77c4-17ad-4a4a-bcdb-db57f8989b6a">2 Liedertafeln im Dessauer und Köthenschen Reiche<name key="NST0103321" style="hidden" subtype="Provinzialliedertafel" type="institution">Liedertafel</name><settlement key="STM0100131" style="hidden" type="locality">Dessau</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_6fb36895-c8ee-4e5a-a979-43b73f77ef85" xml:lang="de">2 Liedertafeln im Dessauer und Köthenschen Reiche – die 1821 von Friedrich Schneider und dem Dichter Wilhelm Müller in Dessau gegründete Liedertafel und die seit Oktober 1830 in Bernburg bestehende Provinzialliedertafel, ein Zusammenschluss der Liedertafeln Magdeburg, Dessau und Zerbst.</note> dirigirt die<title xml:id="title_91a41084-d414-419a-b995-00009f635718"> Oper Zampa<name key="PSN0111922" style="hidden" type="author">Hérold, Louis Joseph Ferdinand (1791–1833)</name><name key="CRT0111682" style="hidden" type="music">Zampa ou La fiancée de marbre</name></title> schimpfend, und schreibt <placeName xml:id="placeName_2db2fd31-761a-4579-8c97-77289c39817e">nach Halberstadt oder Erfurt ein neues Musikfest<name key="NST0103326" style="hidden" subtype="" type="institution">Elbmusikfeste</name><settlement key="STM0103325" style="hidden" type="area">Anhalt</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> aus. Der <persName xml:id="persName_5c5ad5fd-ec32-4cf2-b7b4-354f5f6d51db">Herzog<name key="PSN0109500" style="hidden" type="person">Anhalt-Dessau, Leopold IV. Friedrich Herzog von (1794-1871)</name></persName> bewilligt ihm Alles, unter der Bedingung, daß er keine Revolution anstifte; denn ich wenigstens zweifle nicht, daß er auch das könnte. Um nun auf <persName xml:id="persName_b1a67b61-9820-44ea-9620-a85dead4e58a">Shakespear<name key="PSN0114889" style="hidden" type="person">Shakespeare, William (1564-1616)</name></persName> zu kommen, so wisse, daß ich ihn (von <persName xml:id="persName_dba9a3c7-ad28-405b-896e-f2ca09e66b06">Schlegel<name key="PSN0114563" style="hidden" type="person">Schlegel, Karl Wilhelm Friedrich (seit 1815) von (1772-1829)</name></persName> und <persName xml:id="persName_5e766346-ff77-4a6c-a5eb-1f8a8ff28ba0">Tiek<name key="PSN0115334" style="hidden" type="person">Tieck, Johann Ludwig (1773-1853)</name></persName>) <title xml:id="title_f1a58493-c275-4cd6-9d46-7238c30466a5">ganz vollständig<name key="PSN0114560" style="hidden" type="author">Schlegel, August Wilhelm (seit 1815) von (1767–1845)</name><name key="CRT0111417" style="hidden" type="dramatic_work">Shakspeare’s dramatische Werke (dt. Übersetzung)</name><name key="PSN0115334" style="hidden" type="author">Tieck, Johann Ludwig (1773–1853)</name><name key="CRT0111075" style="hidden" type="dramatic_work">Shakspeare’s dramatische Werke (dt. Übersetzung)</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_51ff2b10-b574-42b2-87bd-627d870e6e08" xml:lang="de">Shakespear … ganz vollständig – Shakspeare‘s dramatische Werke. Uebersetzt von August Wilhelm von Schlegel, ergänzt und erläutert von Ludwig Tieck, 9 Bde., Berlin 1825-1833.</note> und prächtig geschenkt bekommen habe, und zwar von <persName xml:id="persName_c73eefed-3595-4aa6-88c6-f41cb5e49b73">meiner Kousine<name key="PSN0116451" style="hidden" type="person">Marx, Cousine von → Adolph Bernhard M.</name></persName>.<seg type="pagebreak"> |4| <pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg>Nun thu mir ’mal den den Gefallen, und lies von <title xml:id="title_7bfccdc6-dfff-486f-9f53-90a2d413cb3f">Johann<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564–1616)</name><name key="CRT0110864" style="hidden" type="dramatic_work">König Johann (King John)</name></title> bis <title xml:id="title_5f337ee4-a3d9-47cd-8314-023ebc395139"><title xml:id="title_679a9047-9f47-4c88-8711-5fdc7d7dedbf">Heinrich VIII<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564–1616)</name><name key="CRT0111684" style="hidden" type="dramatic_work">Heinrich VIII. (King Henry VIII)</name></title></title> seine historischen Stücke rasch hintereinander, über alle Einzelheiten weg. Es ist der größte Wurf, den je ein Künstler gethan. K. Johann ist der Prolog, der uns das Lokal zeigt, <title xml:id="title_648a9398-f5bb-487e-9b5e-2c33c1d03324">Richard II<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564–1616)</name><name key="CRT0111683" style="hidden" type="dramatic_work">Richard II. (King Richard II)</name></title> das Vorspiel. Nun <title xml:id="title_fef8e5f0-07f4-449c-bcd1-8e508d271504">Heinrich IV<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564–1616)</name><name key="CRT0110860" style="hidden" type="dramatic_work">Heinrich IV. (King Henry IV)</name></title> bis <title xml:id="title_8a48f69b-f742-4835-80ce-9ce5310509bf">Heinrich der VI<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564–1616)</name><name key="CRT0110861" style="hidden" type="dramatic_work">Heinrich VI. (King Henry VI)</name></title>, – dann <title xml:id="title_75408b8c-043e-45c0-b84d-4b933b0a304f">Richard III<name key="PSN0114889" style="hidden" type="author">Shakespeare, William (1564–1616)</name><name key="CRT0110869" style="hidden" type="dramatic_work">Richard III. (King Richard III)</name></title> als fünfter Akt, dann das Nachspiel, Heinrich der VIII, Alles wie Ein unermeßlich großes Trauerspiel! Von allem Einzelnen abgesehen die einheitvollste, gewaltigste Konstruktion! Nicht blos eine Formung in größern Dimensionen; sondern in der erhabensten, ja oft zermalmenden geistigen Potenzirung. Wie das im 2 und 3 Theil von Heinrich VI aufbrennt. Wie erst auf dem vulkanischen Boden in Heinrich IV getanzt und gespaßt wird und jeder ernste Einfall, z. B. die furchtbare Empörung der Percis<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_48eec4d2-2606-4d49-a53a-50d750c22deb" xml:lang="de">der Percis – Lady Percy, Person in Shakespeares Drama Heinrich IV. (King Henry IV).</note> weggeblasen. Wie dann Nationen gegen einander treten, und der Funke des Bruderzwistes still heimlich emsig fortglimmt, dann ausbricht in jenem dritten Akt des Ganzen (Heinrich VI Th. 2.) Und dann der vierte Akt! Das Stärkste, was in andern Stücken kaum zu ertragen wär, wird durch die Großheit und Gewalt des Ganzen zu einem dekorirenden Nebenzug. Wenn da ein Sohn seinen Vater und ein Vater den Sohn erschlagen in der blinden Wuth des Gefechts, so ist das, als wenn <persName xml:id="persName_8b50b60a-6dce-4cd4-b9cc-4e3ee9b2e747">Homer<name key="PSN0112080" style="hidden" type="person">Homer</name></persName> beiläufig sagt, Zeus habe die Augenbrauen zusammengezogen. Und wenn sie York<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_0a992910-e355-4f18-953a-1c4eb5a85179" xml:lang="de">York – Richard, Herzog von York, Person aus Heinrich VI.</note> auf dem Maulwurfshügel krönen und Rutlands<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_29aff22e-368e-42b3-bbeb-19e4522c6b0b" xml:lang="de">Rutland – Edmund, Graf von Rutland, Person aus Heinrich VI.</note> Blut sich mit seinen späten Thränen mischt, so ist mir, ohne daß das Mindeste Geisterhafte nur erwähnt wird, wie bei altnordischen Zauber- und Drachenkämpfen und Martern der Riesen. Und wie der Waldbrand zusammenbricht und der böse Funke noch die letzten Reiser umherhüpfend aufzehrt. Es ist sogar wichtig, daß Richard III hinkt. Alles wahr, alles nothwendig, alles weise vorbereitet und riesenkräftig vollführt. Ja wieviel Briefe müßt’ ich darüber schreiben! – Vorwärts! </p><signed rend="right">Dein Marx. <seg type="dateline">Berlin <date cert="high" when="1834-01-15">15.1.34</date>.</seg></signed></div></body></text></TEI>