gb-1833-12-05-03
Hilfe zum Zitier-Tool
Um wichtige Textpassagen (Zitate) zu speichern und auf diese via Hyperlink zu verweisen, markieren Sie bitte den gewünschten Textbereich.
Daraufhin erscheint ein Fenster, in welchem Sie die ausgewählte Textpassage inkl. des Hyperlinks zur weiteren Verwendung in die Zwischenablage kopieren können.
Dessau, 5. Dezember 1833
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
1 Doppelbl.: S. 1-3 Brieftext; S. 4 Adresse, 1 Poststempel [DESSAU / 6. DEC.], Siegel.
Julius Schubring
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
F. Mendelssohn Bartholdy
Düsseldorf.
franco.
Die nächste Veranlassung zu meinem jetzigen Briefchen ist eine äußerliche, die deshalb auch gleich zuerst daran kommen soll. Es ist jetzt dort bei Euch eine junge Dame, Dem. Euryanthe zum Klavier singen ließ; dabei machte sie die Rolle der
Euryanthesehr hübsch und zu Aller Freude. Auf dem Theater als Spielerin – wo ich sie zufällig nicht gesehn, war sie noch Anfängerin, und deshalb war das Publikum lau gegen sie. Doch kam sie nachher mit
Weinholdhat leider 2 Engagements (ich glaube eins in
Sologesungen.) Kannst Du das, so thue es doch. Natürlich wirst Du selber urtheilen, wie weit sie für Dich taugt; ich glaube sie Dir für lieblichen Gesang empfehlen zu können. Nun bitte ich Dich also – denn man kann dem Mädchen wirklich gut sein, und ich bin es auch – daß Du Dir die Mühe giebst sie kennen zu lernen, und wenn Du mit gutem Gewissen etwas für sie thun
Sapienti sat.
Ich habe mich eigentlich schon immer einmal auf eine Antwort von Dir gespitzt, was Du wol zu dem
Recitativhat. Denn die Erzählung dieser Geschichte hat doch weniger Werth als z. B. die Erzählung der Leiden Jesu, wo man aus Liebe zum Text sehr gern in
Recitativenvorlesen hört. Ich habe deshalb schon damals einiges zusammengezogen; vielleicht ists aber noch mehr nöthig.
Neues habe ich hier nicht erlebt. Musikalisches etwas, z.B. die
te Lesung vom
tenTheil des Faust
Saulusauf dem Wege nach Damaskus. Oder sonstwie – aber gründliche Cur. Ohne dieses Gründliche wirds am Ende kein Mensch erlangen.
Deßau d. 5. December 1833. Mein lieber Felix! Die nächste Veranlassung zu meinem jetzigen Briefchen ist eine äußerliche, die deshalb auch gleich zuerst daran kommen soll. Es ist jetzt dort bei Euch eine junge Dame, Dem. Auguste Weinhold, die voriges Jahr als Sängerin bei unserer Oper war, die mich jetzt um eine Art Recommandation hat bitten lassen. Ich lernte sie durch die Basedowsche Familie (Hofräthin Müller) kennen und freute mich damals über ihre recht hübsche Stimme, wie auch über ihr äußerst liebenswürdiges und nettes Betragen im häusliche Leben. Ich weiß nicht, ob Du noch weißt, daß ich im vorigen Winter hier die Euryanthe zum Klavier singen ließ; dabei machte sie die Rolle der Euryanthe sehr hübsch und zu Aller Freude. Auf dem Theater als Spielerin – wo ich sie zufällig nicht gesehn, war sie noch Anfängerin, und deshalb war das Publikum lau gegen sie. Doch kam sie nachher mit Schneiders Empfehlung nach Kassel wo sie gefallen haben soll. Dort ist nun die Oper aufgelöst, und die Weinhold hat leider 2 Engagements (ich glaube eins in Breslau) wegen damaliger Krankheit aufgeben müssen. Nun will sie doch auch gern wieder irgend wie ankommen, und wünscht daher, daß Du sie irgend wie singen läßt und ans Licht ziehn hilfst (Sie hat hier auch in einem Händelschen Oratorium gut Solo gesungen. ) Kannst Du das, so thue es doch. Natürlich wirst Du selber urtheilen, wie weit sie für Dich taugt; ich glaube sie Dir für lieblichen Gesang empfehlen zu können. Nun bitte ich Dich also – denn man kann dem Mädchen wirklich gut sein, und ich bin es auch – daß Du Dir die Mühe giebst sie kennen zu lernen, und wenn Du mit gutem Gewissen etwas für sie thun kannst, das auch zu thun. Sie schrieb an hiesige Bekannte, von Koblenz aus, daß sie nicht recht wüßte, wie sie sich an Dich, als jungen, unverheirathet Mann, machen könnte. Jetzt mag sie etwa 14 Tage in Düsseldorf sein. Sie ist eine Predigerstochter, natürlich arm, dabei etwas zart und schwach. – Sapienti sat. Ich habe mich eigentlich schon immer einmal auf eine Antwort von Dir gespitzt, was Du wol zu dem Paulus in der Gestalt, wie ich ihn geschickt habe (hoffentlich ist er doch angekommen) denken magst. Eins liegt mir noch auf dem Gewissen, daß er am Ende doch zu viel Recitativ hat. Denn die Erzählung dieser Geschichte hat doch weniger Werth als z. B. die Erzählung der Leiden Jesu, wo man aus Liebe zum Text sehr gern in Recitativen vorlesen hört. Ich habe deshalb schon damals einiges zusammengezogen; vielleicht ists aber noch mehr nöthig. Neues habe ich hier nicht erlebt. Musikalisches etwas, z. B. die Brüder Müller, die ein herrliches Quartett zusammen bilden, uns auch als solches hier erfreute. Außerdem machen mir Trio’s, die ich mir regelmäßig eingerichtet habe, viel Freude. Wir spielen so einiges schon ganz passabel z. B. Haydnische, auch einige Beethovensche. Wir haben dann gewöhnlich ein paar, höchstens 5 or 6 Bekannte zum Zuhören dabei, die aber gern zuhören, und sind dabei sehr niedlich zusammen. Überhaupt gefällt mirs in meinem Häuschen wundernett. Und meine Frau ist zu gut. Man glaubt nicht, was in so einem lieben, treuen weiblichen Wesen alles steckt. In ästhetischer Literatur bin ich noch nicht weiter gekommen als bis in die 2te Lesung vom 2ten Theil des Faust. Ich lerne dabei die einzelnen subtilern Schönheiten besser finden als das erste Mal. Aber das Ganze – es genügt mir auch gar nicht. Von der Welt von Gedanken und Ideen, die in jeder Scene vom ersten Theil mich übermannen, von dem großen durchgreifenden Plan ist doch das hier ein schwächlicher Ausgang. Es spinnt sich am Einzelnen hin. Wo bleibt der Faust? Und das Ende ist mir philosophisch, or theologisch total zuwider. Das bloße Altwerden oder das sogenannte Streben – (wobei nicht gefragt wird, wonach? –) ist doch eine gar zu matte Sühne für alle die schrecklichen Verirrungen. Dem mußte es doch einmal mit Gewalt kommen – wie etwa dem Saulus auf dem Wege nach Damaskus. Oder sonstwie – aber gründliche Cur. Ohne dieses Gründliche wirds am Ende kein Mensch erlangen. Schreib mir einmal, was Du treibst. Ich freue mich immer gar zu sehr, wenn ich von Dir etwas sehe or höre. Lebewohl. Meine Frau grüßt Dich schön. Dein J. Schubring.
<TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="gb-1833-12-05-02" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="gb-1833-12-05-02" xml:id="title_4fce3541-89ee-4be7-84f4-2e66cf41a48a">Julius Schubring an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf <lb></lb>Dessau, 5. Dezember 1833</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_a48eda66-0e29-4e25-bd5f-2afb9da3d850">Die nächste Veranlassung zu meinem jetzigen Briefchen ist eine äußerliche, die deshalb auch gleich zuerst daran kommen soll. Es ist jetzt dort bei Euch eine junge Dame, Dem. Auguste Weinhold, die voriges Jahr als Sängerin</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_bca10ec2-aaa6-42f2-90df-c59386344946">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="fmb-1833-09-06-02" type="precursor" xml:id="title_e0991e6e-d604-498d-9ae5-e66978d56a32">Felix Mendelssohn Bartholdy an Julius Schubring in Dessau; Koblenz, 6. September 1833</title> <title key="fmb-1834-07-15-01" type="successor" xml:id="title_10717e95-b836-443b-8193-941bbc41ab05">Felix Mendelssohn Bartholdy an Julius Schubring in Dessau; Düsseldorf, 15. Juli 1834</title> <author key="PSN0114732">Schubring, Karl Julius (1806-1889)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0114732" resp="writer">Schubring, Karl Julius (1806-1889)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription"></name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition"> FMB- </name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName xml:id="placeName_3e433ee8-6b4a-417a-bdfc-d999fa70758a"> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. d. 28/165.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="gb-1833-12-05-03" type="letter" xml:id="title_8b688c13-ed90-4580-8fea-3f7c153bcb34">Julius Schubring an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf; Dessau, 5. Dezember 1833</title> <incipit>Die nächste Veranlassung zu meinem jetzigen Briefchen ist eine äußerliche, die deshalb auch gleich zuerst daran kommen soll. Es ist jetzt dort bei Euch eine junge Dame, Dem. Auguste Weinhold, die voriges Jahr als Sängerin</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>1 Doppelbl.: S. 1-3 Brieftext; S. 4 Adresse, 1 Poststempel [DESSAU / 6. DEC.], Siegel.</p> <handDesc hands="1"> <p>Julius Schubring</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="printed_letter">Schubring, Briefwechsel, S. 64-66.</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1833-12-05" xml:id="date_0a6c20bf-8793-4786-aac1-0cdfabb5eb0d">5. Dezember 1833</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0114732" resp="author" xml:id="persName_9cb0ad79-e692-47b4-bb6b-a6d1dfac91a6">Schubring, Karl Julius (1806-1889)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0114732" resp="writer">Schubring, Karl Julius (1806–1889)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_b283c52b-870d-400a-bdaa-ed2b97594049"> <settlement key="STM0100131">Dessau</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_4a9dff63-2d9b-40d1-afb1-32618ad25d6e">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_4a1cc9ca-8a01-40e0-a0d4-2abee7bf73fd"> <settlement key="STM0100109">Düsseldorf</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"> </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_06ce73eb-3e4e-4ec7-8297-8e37f840d9f4"> <head> <address> <addrLine>Herrn Musikdirektor <hi rend="latintype">F. Mendelssohn Bartholdy</hi></addrLine> <addrLine>Wohlgeb.</addrLine> <addrLine><hi rend="latintype">Düsseldorf</hi>.</addrLine> <addrLine><hi rend="latintype">franco</hi>.</addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_8eef588b-c037-4551-8ed4-a51ab80afc29"> <docAuthor key="PSN0114732" resp="author" style="hidden">Schubring, Karl Julius (1806–1889)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0114732" resp="writer" style="hidden">Schubring, Karl Julius (1806–1889)</docAuthor> <dateline rend="right">Deßau d. <date cert="high" when="1833-12-05" xml:id="date_b095bb4b-fa85-45ec-89f2-231619068e86">5. December 1833.</date></dateline> <salute rend="left">Mein lieber Felix!</salute> <p style="paragraph_without_indent">Die nächste Veranlassung zu meinem jetzigen Briefchen ist eine äußerliche, die deshalb auch gleich zuerst daran kommen soll. Es ist jetzt dort bei Euch eine junge Dame, Dem. <persName xml:id="persName_de122419-75e5-4339-a922-fddbd4a81867">Auguste Weinhold<name key="PSN0115676" style="hidden" type="person">Weinhold, Auguste</name></persName>, die voriges Jahr als Sängerin bei unserer <placeName xml:id="placeName_e4f39567-3486-4736-9429-75acf7c89e78">Oper<name key="NST0103474" style="hidden" subtype="" type="institution">Herzogliches Hoftheater</name><settlement key="STM0100131" style="hidden" type="locality">Dessau</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> war,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_aafb74ee-0516-4212-8e19-0897a6e71205" xml:lang="de">Dem. Auguste Weinhold, die voriges Jahr als Sängerin bei unserer Oper war – Auguste Weinhold war Mitglied der Operntruppe des Theaterdirektors Julius Miller, die von November 1832 bis Februar 1833 in Dessau gastierte (Wilhelm Köhler, Zur Geschichte des Dessauischen Hof-Theaters von seinem Entstehen bis zur Gegenwart, und der Hof-Kapelle, so weit sie mit Ersterem in Verbindung stand, Dessau 1846, S. 83 f.).</note> die mich jetzt um eine Art Recommandation<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_3ca2a37f-490c-4b41-8a51-cfd47b9437f0" xml:lang="de">Recommandation – frz. recommandation, Empfehlung.</note> hat bitten lassen. Ich lernte sie durch die <persName xml:id="persName_c3fa2917-775f-4795-8538-f062569a9f80">Basedowsche Familie<name key="PSN0109682" style="hidden" type="person">Basedow, Familie von → Ludwig von B.</name></persName> (Hofräthin <persName xml:id="persName_528773d7-5e0f-4d31-8022-e5df0fa41747">Müller<name key="PSN0113483" style="hidden" type="person">Müller, Adelheid (1800-1883)</name></persName>)<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_9530a4f2-47a6-4cb8-8793-4c9a4b87f7f5" xml:lang="de">die Basedowsche Familie (Hofräthin Müller) – Adelheid Müller war die Enkelin des Philanthropen Johann Bernhard Basedow.</note> kennen und freute mich damals über ihre recht hübsche Stimme, wie auch über ihr äußerst liebenswürdiges und nettes Betragen im häusliche Leben. Ich weiß nicht, ob Du <add place="above">noch<name key="PSN0114732" resp="writers_hand" style="hidden">Schubring, Karl Julius (1806–1889)</name></add> weißt, daß ich im vorigen Winter hier die <hi rend="latintype"><title xml:id="title_12ae113f-cadd-448a-87fe-412be0582e98">Euryanthe<name key="PSN0115645" style="hidden" type="author">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786–1826)</name><name key="CRT0111242" style="hidden" type="music">Euryanthe op. 81 (WeV C. 9)</name></title></hi> zum Klavier singen ließ; dabei machte sie die Rolle der <hi rend="latintype">Euryanthe</hi> sehr hübsch und zu Aller Freude. Auf dem Theater als Spielerin – wo ich sie zufällig nicht gesehn, war sie noch Anfängerin, und deshalb war das Publikum lau gegen sie. Doch kam sie nachher mit <persName xml:id="persName_dd49ad87-6b6b-49c4-9736-4ce0299e35cc">Schneiders<name key="PSN0114646" style="hidden" type="person">Schneider, Johann Christian Friedrich (1786-1853)</name></persName> Empfehlung nach <placeName xml:id="placeName_7424ef54-ab5a-4df1-b3ab-16d9c9103393">Kassel<settlement key="STM0100115" style="hidden" type="locality">Kassel</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> wo sie gefallen haben soll. Dort ist nun die <placeName xml:id="placeName_3172c7cf-6edb-46fa-adbe-c6e6ddabd346">Oper<name key="NST0103475" style="hidden" subtype="" type="institution">Kurfürstliches Hoftheater </name><settlement key="STM0100115" style="hidden" type="locality">Kassel</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> aufgelöst,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_6252ef53-53cd-4698-a219-7a5a00c3c577" xml:lang="de">die Oper aufgelöst – Kurprinz Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel kündigte im April 1832 allen am Kurfürstlichen Hoftheater in Kassel angestellten Sängern, Schauspielern und dem Ballettpersonal ohne langfristige Verträge. Der normale Theaterbetrieb wurde im November 1833 wieder aufgenommen.</note> und die <hi rend="latintype">Weinhold</hi> hat leider 2 Engagements (ich glaube eins in <placeName xml:id="placeName_4fd350e5-3ea2-4738-a561-be278ed8739c">Breslau<settlement key="STM0100136" style="hidden" type="locality">Breslau</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>) wegen damaliger Krankheit aufgeben müssen. Nun will sie doch auch gern wieder irgend wie ankommen, und wünscht daher, daß Du sie irgend wie singen läßt und ans Licht ziehn hilfst (Sie hat hier auch in einem <title xml:id="title_d3379cf1-f1a2-4e16-b25e-11021994c89b">Händelschen Oratorium<name key="PSN0111693" style="hidden" type="author">Händel, Georg Friedrich (1685–1759)</name><name key="CRT0109001" style="hidden" type="music">Oratorien</name></title> gut <hi rend="latintype">Solo</hi> gesungen.) Kannst Du das, so thue es doch. Natürlich wirst Du selber urtheilen, wie weit sie für Dich taugt; ich glaube sie Dir für lieblichen Gesang empfehlen zu können. Nun bitte ich Dich also – denn man kann dem Mädchen wirklich gut sein, und ich bin es auch – daß Du Dir die Mühe giebst sie kennen zu lernen, und wenn Du mit gutem Gewissen etwas für sie thun<seg type="pagebreak"> |2| <pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg>kannst, das auch zu thun. Sie schrieb an hiesige Bekannte, von <placeName xml:id="placeName_6179d32b-3478-4405-993b-e7be2f644436">Koblenz<settlement key="STM0100617" style="hidden" type="locality">Koblenz</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> aus, daß sie nicht recht wüßte, wie sie sich an Dich, als jungen, unverheirathet Mann, machen könnte. Jetzt mag sie etwa 14 Tage in <placeName xml:id="placeName_d93ec47b-0d89-4fef-840e-4eaa0a72bbec">Düsseldorf<settlement key="STM0100109" style="hidden" type="locality">Düsseldorf</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> sein. Sie ist eine Predigerstochter, natürlich arm, dabei etwas zart und schwach. –</p> <p><hi rend="latintype">Sapienti sat.</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_b64a642e-573b-4afd-9892-bc3d184ade2f" xml:lang="la ">Sapienti sat – lat., dem Weisen ist es genug. Siehe Plautus, Persa 729, und Terenz, Phormio 541. </note></p> <p>Ich habe mich eigentlich schon immer einmal auf eine Antwort von Dir gespitzt, was Du wol zu dem <title xml:id="title_c6eb859c-86d6-4c47-ad8d-abbafc32c334">Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_rkrvitla-fldf-8hrg-4plt-o05br6gczl5q"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title> <title xml:id="title_b19068c2-ab0a-41ed-bf33-93da8592f1ce">in der Gestalt<name key="PSN0114732" style="hidden" type="author">Schubring, Karl Julius (1806–1889)</name><name key="CRT0110774" style="hidden" type="literature">Paulus (Libretto)</name></title>, wie ich ihn geschickt habe<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_9cb7aad3-f02a-4b4f-862b-815ba9b8b62a" xml:lang="de">Paulus in der Gestalt, wie ich ihn geschickt habe – der Mendelssohn mit dem Brief gb-1833-01-23-01 Julius Schubring an Felix Mendelssohn Bartholdy in Berlin, Dessau, 23. Januar 1833, zugesandte Textentwurf zum Oratorium Paulus op. 36 (MWV A 14).</note> (hoffentlich ist er doch angekommen) denken magst. Eins liegt mir noch auf dem Gewissen, daß er am Ende doch zu viel <hi rend="latintype">Recitativ</hi> hat. Denn die Erzählung dieser Geschichte hat doch weniger Werth als z. B. die Erzählung der Leiden Jesu, wo man aus Liebe zum Text sehr gern in <hi rend="latintype">Recitativen</hi> vorlesen hört. Ich habe deshalb schon damals einiges zusammengezogen; vielleicht ists aber noch mehr nöthig.</p> <p>Neues habe ich hier nicht erlebt. Musikalisches etwas, z.B. die <placeName xml:id="placeName_00de434c-f99b-414c-9fe1-c229dd9f9063">Brüder Müller<name key="NST0104560" style="hidden" subtype="" type="institution">Müller-Quartett</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="locality">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, die ein herrliches Quartett zusammen bilden, uns auch als solches hier erfreute.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_5326e4a6-6c74-41a8-ac71-511b8ecb611b" xml:lang="de">die Brüder Müller … hier erfreute – Der Termin des Dessauer Konzerts des 1828 gegründeten, aus den Brüdern Carl Friedrich (1. Violine), Franz Ferdinand Georg (2. Violine), Theodor Heinrich Gustav (Viola) und August Theodor Müller (Violoncello) bestehenden, damals berühmten Streichquartetts lässt sich nicht ermitteln. </note> Außerdem machen mir Trio’s,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_45de5b87-4eb3-4fa2-b093-5f4839c29c72" xml:lang="de">Trio’s – Gemeint sind Klaviertrios, Schubring spielte Klavier; vgl. u. a. Brief gb-1833-09-14-01 Julius Schubring an Felix Mendelssohn Bartholdy in Berlin, Dessau, 14. September 1833, Z.: »Das G-moll Concert, das ich mir jetzt geborgt habe, macht mir mancherlei Kohl«.</note> die ich mir regelmäßig eingerichtet habe, viel Freude. Wir spielen so einiges schon ganz passabel z. B. <title xml:id="title_27779927-4186-4169-9434-1f23e8b7631f">Haydnische<name key="PSN0111789" style="hidden" type="author">Haydn, Franz Joseph (1732–1809)</name><name key="CRT0109099" style="hidden" type="music">Trio (Klaviertrio)</name></title>, auch einige <title xml:id="title_580e347a-6193-440d-ae3c-7dfd568d525c">Beethovensche<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770–1827)</name><name key="CRT0108102" style="hidden" type="music">Trios</name></title>. Wir haben dann gewöhnlich ein paar, höchstens 5 or 6 Bekannte zum Zuhören dabei, die aber gern zuhören, und sind dabei sehr niedlich zusammen. Überhaupt gefällt mirs in meinem Häuschen wundernett. Und meine <persName xml:id="persName_be446268-86ad-4c3c-b10a-b22269f60078">Frau<name key="PSN0114725" style="hidden" type="person">Schubring, Anna Elisabeth (1811-1876)</name></persName> ist zu gut. Man glaubt nicht, was in so einem lieben, treuen weiblichen Wesen alles steckt.</p> <p><seg type="pagebreak"> |3| <pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg>In ästhetischer Literatur bin ich noch nicht weiter gekommen als bis in die 2<hi rend="superscript">te</hi> Lesung vom <title xml:id="title_5c3ef144-e8bc-42e7-8d44-a00d9ffa64c2">2<hi rend="superscript">ten</hi> Theil des Faust<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749–1832)</name><name key="CRT0108815" style="hidden" type="dramatic_work">Faust. Der Tragödie zweiter Theil</name></title>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_268f09a1-e317-4a68-9b77-6527ff943aee" xml:lang="de">2ten Theil des Faust – Nach Goethes Festlegung durfte der zweite Teil des Faust erst nach seinem Tod erscheinen; Erstdruck als Faust. Der Tragödie zweyter Theil in fünf Acten (Goethe’s Werke. Vollständige Ausgabe letzter Hand, Bd. 41), Stuttgart und Tübingen 1832. </note> Ich lerne dabei die einzelnen subtilern Schönheiten besser finden als das erste Mal. Aber das Ganze – es genügt mir auch gar nicht. Von der Welt von Gedanken und Ideen, die in jeder Scene vom <title xml:id="title_7982bdfa-29bf-40fb-8671-2febab1b2a65">ersten Theil<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749–1832)</name><name key="CRT0108814" style="hidden" type="dramatic_work">Faust. Der Tragödie erster Theil</name></title> mich übermannen, von dem großen durchgreifenden Plan ist doch das hier ein schwächlicher Ausgang. Es spinnt sich am Einzelnen hin. Wo bleibt der Faust? Und das Ende ist mir philosophisch, or theologisch total zuwider. Das bloße Altwerden oder das sogenannte Streben – (wobei nicht gefragt wird, wonach? –) ist doch eine gar zu matte Sühne für alle die schrecklichen Verirrungen. Dem mußte es doch einmal mit Gewalt kommen – wie etwa dem <hi rend="latintype">Saulus</hi> auf dem Wege nach Damaskus.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_4649a5e1-72f8-4c95-a089-97045ee84a79" xml:lang="de">Saulus auf dem Wege nach Damaskus – Die Szene hat Mendelssohn im ersten Teil des Paulus vertont: Auf dem Weg nach Damaskus erscheint Saulus Jesus. Zunächst erblindet Saulus und wird nach Damaskus gebracht. Er lässt er sich taufen und ändert seinen Namen in Paulus (Apg 22,5-16).</note> Oder sonstwie – aber gründliche Cur. Ohne dieses Gründliche wirds am Ende kein Mensch erlangen.</p> <closer rend="left">Schreib mir einmal, was Du treibst. Ich freue mich immer gar zu sehr, wenn ich von Dir etwas sehe or höre. Lebewohl. Meine <persName xml:id="persName_73d2da83-1f37-425b-b547-2f819578dc32">Frau<name key="PSN0114725" style="hidden" type="person">Schubring, Anna Elisabeth (1811-1876)</name></persName> grüßt Dich schön.</closer> <signed rend="center">Dein</signed> <signed rend="right">J. Schubring.</signed> </div> </body> </text></TEI>