]> Brief: gb-1833-12-01-01

gb-1833-12-01-01

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Fanny Hensel an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf <lb></lb>Berlin, 1. Dezember 1833 Es vergeht recht lange Zeit, ehe wir von dem Verlauf Deines Concerts etwas erfahren, liebster Felix, und wir sind recht neugierig darauf. Deine Freundinn, die Zeitung läßt sich auch Zeit mit solchen Berichten, und so Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) Felix Mendelssohn Bartholdy an Fanny Hensel und Lea Mendelssohn Bartholdy in Berlin; Düsseldorf, 14. November 1833 Felix Mendelssohn Bartholdy an die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Abraham Mendelssohn Bartholdy; Düsseldorf, 20. Dezember 1833 Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847) Transkription: Edition: FMB- Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. 28/158. Autograph Fanny Hensel an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf; Berlin, 1. Dezember 1833 Es vergeht recht lange Zeit, ehe wir von dem Verlauf Deines Concerts etwas erfahren, liebster Felix, und wir sind recht neugierig darauf. Deine Freundinn, die Zeitung läßt sich auch Zeit mit solchen Berichten, und so

1 Doppelbl.: S. 1-4 Brieftext, S. 1 oben links Blindprägung.

Fanny Hensel

Green Books

Weissweiler, Portrait in Briefen, S. 120-122. Citron, Letters, S. 449 f. Weissweiler, Briefwechsel, S. 143-145.

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

1. Dezember 1833 Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)counter-resetHensel, Fanny Cäcilia (1805–1847) BerlinDeutschland Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) DüsseldorfDeutschland deutsch
Hensel, Fanny Cäcilia (1805–1847) Hensel, Fanny Cäcilia (1805–1847) Berlin, 1sten Decemb. 33.

Es vergeht recht lange Zeit, ehe wir von dem Verlauf Deines ConcertsDeines Concerts – Am 22. November 1833 dirigierte Mendelssohn anlässlich des Cäcilientags sein erstes Konzert des Vereins zur Beförderung der Tonkunst in Düsseldorf (vgl. Kortländer, Konzerte in Düsseldorf, S. 184). Siehe Mendelssohns Beschreibung des Ereignisses im Brief fmb-1833-11-28-01 (Brief Nr. 820) Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy und die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin, Düsseldorf, 28. November 1833. etwas erfahren, liebster Felix, und wir sind recht neugierig darauf. Deine Freundinn, die Zeitung läßt sich auch Zeit mit solchen Berichten, und so wissen wir noch nichts. Gestern war der Düsseldorfer SchrödterSchrödter, Adolf (1805-1875) hier, den wir aber leider verfehlt haben, wahrscheinlich hat er Dich doch in letzter Zeit gesehn. (O weh, die gerühmte englische Dinte hat auch die Bleichsucht.)die gerühmte englische Dinte hat auch die Bleichsucht – Die Tinte auf der ersten, dem Beginn der zweiten und der vierten Briefseite ist sehr blass.

Wir haben, nachdem ich dankbar anerkennen muß, daß Alles, viele Monate lang, ganz glatt gegangen ist, wieder ein kleines Hauskreuz. LuiseHensel, Louisa Aloysia Maria (Luise) (1798-1876) ist sehr unwohl,Luise ist sehr unwohl – Fanny Hensels Schwägerin Luise Hensel lebte in den Jahren 1833 bis 1836 im Haus der Familie Mendelssohn in der Leipziger Straße 3 in Berlin. Zu deren Krankheit siehe Hensel, Tagebücher, S. 50 (Eintrag vom 31. Januar 1834). und seit heute bettlägerig, und mir ist zu Muthe, als würde es ein langwieriges Krankenlager werden. Gott verhüte es. Eigentlich habe ich heut angefangen Dir zu schreiben, um einmal mein Herz über den Zelterschen Briefwechsel<name key="PSN0114188" style="hidden" type="author">Riemer, Friedrich Wilhelm (1774–1845)</name><name key="CRT0110463" style="hidden" type="literature">Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1796 bis 1832 (Herausgabe)</name>den Zelterschen Briefwechsel – Bis Ende 1833 erschienen drei Bände des Briefwechsels zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1796 bis 1832, hrsg. von Friedrich Wilhelm Riemer, 6 Bde., Berlin 1833/34. Siehe weiterführend Kommentar zu Brief gb-1833-11-02-01 Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 1. und 2. November 1833, Z.: den eben erschienenen Goethe-Zelter. auszuschütten, über den ich in einer fortwährenden stillen Empörung bin. Er wird uns freilich sehr löffelweis eingegeben, denn da VaterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) jetzt nicht Abends lesen kann,da Vater jetzt nicht Abends lesen kann – Aufgrund einer Erkrankung an Grauem Star konnte Abraham Mendelssohn Bartholdy insbesondere Abends nur schlecht sehen. wird er drübendrüben – Gemeint ist die Wohnung der Eltern im Vorderhaus der Leipziger Straße 3. vorgelesen, und da genießt man dies Buch |2| mehr als billig. Vater ist übrigens auch sehr unwillig darüber,Vater ist übrigens auch sehr unwillig darüber – Die ersten beiden Bände des Briefwechsels zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1796 bis 1832 enthalten u. a. die folgenden, auf Abraham Mendelssohn Bartholdy bezogenen Briefstellen: 1. Brief Carl Friedrich Zelters an Johann Wolfgang von Goethe vom 7. September 1803: »Zu einem recht brauchbaren Correspondenten in Paris, wäre ich geneigt den jungen Mendelssohn, der Sie vor einigen Jahren in Frankfurt a. M. zu sprechen das Glück gehabt hat, vorzuschlagen. Er ist ein braver junger Mann, von Kenntnissen und gutem allgemeinen Geschmack. Er ist jetzt in Berlin und hofft auf seiner Rückreise nach Paris über Weimar zu gehen. Wäre es Ihnen recht, so würde ich ihm etwas an Sie mitgeben« (Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1796 bis 1832, hrsg. von Friedrich Wilhelm Riemer, Bd. 1: 1796 bis 1811, Berlin 1833, S. 84; vgl. Goethe, Münchner Ausgabe, Bd. 20.1, S. 55). 2. Brief Zelters an Goethe vom 4. April 1816: »Der Banquier Abraham Mendelssohn ist es der Dir diesen Brief bringt. Er ist der zweyte Sohn des Philosophen und von seinen ersten Jünglingsjahren an, nach dem Tode des Vaters hat er sich mein Haus mit dem was drinnen war gefallen lassen. Er gehört zu den Braven und so wirst Du ihn aufnehmen. Er hat liebenswürdige Kinder und sein ältestes Töchterchen könnte Dich etwas von Sebastian Bach hören lassen. Sie, die Frau, ist zugleich eine höchst treffliche Mutter und Hausfrau, leider von etwas schwacher Gesundheit. Er, der Mann, ist mir sehr gewogen und ich habe offene Casse bey ihm, denn er ist in den Zeiten der allgemeinen Noth ohne Schaden an seiner Seele reich geworden« (Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1796 bis 1832, hrsg. von Friedrich Wilhelm Riemer, Bd. 2: 1812 bis 1818, Berlin 1833, S. 233; vgl. Goethe, Münchner Ausgabe, Bd. 20.1, S. 411). und es tritt hier der seltene Fall ein, daß wir Alle einstimmig derselben Meinung sind, und auch noch nicht einmal über eine einzelne Stelle gestritten haben. Es thut mir wirklich ZeltersZelter, Carl Friedrich (1758-1832) wegen leid, der sich selbst hier auf eine so schlechte Art auf die Nachwelt bringt. GoethesGoethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832) Ruf kann erstlich schon eher einen Puff vertragen, und dann sind seine Briefe unendlich besser als Zelters, obwohl Beide durch diese Veröffentlichung nur verlieren können. Von Zelters Seite herrscht darin eine unangenehme fatale Gesinnung, die wir zwar immer bei ihm vermuthen konnten, die wir uns aber auch immer wegraisonnirt haben, hier ist sie aber unabweislich ausgesprochen. Eigennutz, Selbsucht, eine ekelhafte Vergötterung Goethes, ohne eigentliche verständige Würdigung, die indiscreteste Blosstellung aller Andern, die zwar in einem vertraulichem Briefwechsel zu entschuldigen ist, aber die Bekanntmachung hätte unmöglich machen müssen, alles dies und noch manches Andre macht mir dies Buch ordentlich verächtlich. Ein Beispiel unter vielen von unglaublicher Unwissenheit findet sich |3| auch drin, Zelter frägt Goethen, was Byzanz eigentlich ist,Zelter frägt Goethen, was Byzanz eigentlich ist … die gewünschte Auskunft – Im Brief an Johann Wolfgang von Goethe vom 1. August 1816 fragte Carl Friedrich Zelter: »Was war Byzanz? Wo war es? – Kannst Du mir darüber nach Deiner und meiner Art in kurzen oder wenigen Worten Aufschluß geben; so laß Dich meine Unwissenheit nicht verdrießen und belehre mich.« Der Brief ist im zweiten Band des Briefwechsels zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1796 bis 1832, hrsg. von Friedrich Wilhelm Riemer, Berlin 1833, S. 294-296 abgedruckt, das Zitat S. 295. Goethes Antwort datiert vom 9. August 1816: »Byzanz steht für Constantinopel, es ist der alte Name, paßt besser in den Styl und wird in Sachen der bildenden Kunst gewöhnlich gebraucht« (Abdruck ebenda, S. 297 f., das Zitat S. 298). Vgl. auch Goethe, Münchner Ausgabe, Bd. 20.1, S. 445 und S. 447. und erhält von ihm die gewünschte Auskunft. Dazu korrespondirt man mit Goethe! Die Leerheit der ganzen Sammlung übertrifft wahrhaftig jede Erwartung. Theatergeschwätz und Klatschereien sind der einzige Inhalt, und daß Goethe darauf auch nicht viel Gescheutes antworten kann, liegt am Tage. Pfui baba! Nun hat man hier noch die Freude, es natürlich von Jedem durchsprechen zu hören, der mit Recht beleidigt ist, sich ohne seine Zustimmung darin durchgehechelt zu finden, es giebt Leute, die ordentlich steckbriefmäßig drin geschildert sind. Und nun genug von diesem unsaubern Gegenstande, mir hat dies Buch das Andenken an einen Mann, den ich lieb gehabt habe, und gern geachtet hätte, ganz und für immer getrübt.

SebastianHensel, Sebastian Ludwig Felix (1830-1898) ist ganz allerliebst, und von dem Andenken an Onkel Felix immerfort erfüllt, Du nimmst einen bedeutenden Platz in seinen Zielen ein, und bist immer derjenige, den er als Postillion herfährt. Oft sagt er auch so ganz ohne Veranlassung: Wann kommt denn endlich mein guter Onkel Felix wieder? Er meint auch gewiß, Du kämest zu Weihnachten. Eben spricht er wieder von Dir. Da ich jetzt niemand mit ihm auszuschicken habe, so gehe ich jeden Tag selbst mit ihm spatzieren; oder wenn ich |4| Besorgungen und Besuche zu machen habe, so nehme ich ihn mit. Man kann schon die weitesten Wege mit ihm machen. Er ist magerer aber munterer und ausgelassener als je, und sein Sprechen setzt mich, obgleich ich es täglich höre, doch immer von Neuem in Verwunderung.Sebastian … sein Sprechen setzt mich … in Verwunderung – vgl. dazu Hensel, Tagebücher, S. 46 ff. Seine Neigung zu den Damen aber, lieber Felix, ist noch immer dieselbe, heut hat sich die HähnelHaehnel, Amalie (1807-1849) zu Tisch bei uns melden lassen, da kann er die Zeit gar nicht erwarten, und hat schon 20mal nach ihr gefragt. Eben war die DeckerDecker, Johanne Sophie Friederike Pauline (1812-1882) hier, bei der am Mittwoch Don Juan gesungen werden soll. Ich bedaure sehr, daß mir meine Partitur gestohlen ist, und werde suchen, mir eine Andre zu verschaffen, denn lieber Felix, ich renommire da, und setze die Leute in Erstaunen indem ich die Zauberflöte<name key="PSN0113466" style="hidden" type="author">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756–1791)</name><name key="CRT0110155" style="hidden" type="music">Die Zauberflöte KV 620</name> aus der Partitur, und das Opferfest<name key="PSN0115815" style="hidden" type="author">Winter, Peter von (1754–1825)</name><name key="CRT0111308" style="hidden" type="music">Das unterbrochene Opferfest</name> vom Blatte spiele,die Zauberflöte aus der Partitur, und das Opferfest vom Blatte spiele – Der Termin von Pauline Deckers Aufführung von Mozarts Oper Die Zauberflöte KV 620 war möglicherweise der 6. November 1833. Die Aufführung von Peter von Winters Das unterbrochene Opferfest fand am 20. November 1833 statt (vgl. Brief gb-1833-11-23-02 Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 22. und 23. November 1833, Z.: »vorgestern im Opferfest«). das Letztere aber war eine unschuldige Renommage, es traf so mit meinem Cäcilienfestmeinem Cäcilienfest – Fanny Hensel richtete am 22. November 1833 eine musikalische Feier zu Ehren der heiligen Cäcilie, der Schutzpatronin der Musik, aus. Sie führte darin ihre am 21. und 22. November 1833 komponierte Musik Zum Fest der heiligen Cäcilia für Sopran, Alt, Tenor, Bass, vierstimmigen Chor und Klavier HU 272 mit lebenden Bildern auf. Siehe dazu ihre eigene Beschreibung in Brief gb-1833-11-23-01 Sebastian Hensel, Rebecka Lejeune Dirichlet und Fanny Hensel an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 21. und 23. November 1833. Lea Mendelssohn Bartholdy berichtete darüber ausführlich in Brief gb-1833-11-23-02 Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 22. und 23. November 1833. zusammen, daß ich nicht Zeit hatte, es durchzusehn. Im Ganzen mache ich diesen Winter sehr viel Musik, und bin ganz wohl damit zufrieden. Meine SonntagmorgenSonntagsmusiken der Familie Mendelssohn BartholdyBerlinDeutschland erhalten sich ziemlich brillant, bis auf den letzten, der brillant klaterigklaterig – armselig, jämmerlich; von norddt. Klater, Schmutz, Lumpen. war. Lebe wohl für heut.

            Berlin, 1sten Decemb. 33. Es vergeht recht lange Zeit, ehe wir von dem Verlauf Deines Concerts etwas erfahren, liebster Felix, und wir sind recht neugierig darauf. Deine Freundinn, die Zeitung läßt sich auch Zeit mit solchen Berichten, und so wissen wir noch nichts. Gestern war der Düsseldorfer Schrödter hier, den wir aber leider verfehlt haben, wahrscheinlich hat er Dich doch in letzter Zeit gesehn. (O weh, die gerühmte englische Dinte hat auch die Bleichsucht. )
Wir haben, nachdem ich dankbar anerkennen muß, daß Alles, viele Monate lang, ganz glatt gegangen ist, wieder ein kleines Hauskreuz. Luise ist sehr unwohl, und seit heute bettlägerig, und mir ist zu Muthe, als würde es ein langwieriges Krankenlager werden. Gott verhüte es. Eigentlich habe ich heut angefangen Dir zu schreiben, um einmal mein Herz über den Zelterschen Briefwechsel auszuschütten, über den ich in einer fortwährenden stillen Empörung bin. Er wird uns freilich sehr löffelweis eingegeben, denn da Vater jetzt nicht Abends lesen kann, wird er drüben vorgelesen, und da genießt man dies Buch mehr als billig. Vater ist übrigens auch sehr unwillig darüber, und es tritt hier der seltene Fall ein, daß wir Alle einstimmig derselben Meinung sind, und auch noch nicht einmal über eine einzelne Stelle gestritten haben. Es thut mir wirklich Zelters wegen leid, der sich selbst hier auf eine so schlechte Art auf die Nachwelt bringt. Goethes Ruf kann erstlich schon eher einen Puff vertragen, und dann sind seine Briefe unendlich besser als Zelters, obwohl Beide durch diese Veröffentlichung nur verlieren können. Von Zelters Seite herrscht darin eine unangenehme fatale Gesinnung, die wir zwar immer bei ihm vermuthen konnten, die wir uns aber auch immer wegraisonnirt haben, hier ist sie aber unabweislich ausgesprochen. Eigennutz, Selbsucht, eine ekelhafte Vergötterung Goethes, ohne eigentliche verständige Würdigung, die indiscreteste Blosstellung aller Andern, die zwar in einem vertraulichem Briefwechsel zu entschuldigen ist, aber die Bekanntmachung hätte unmöglich machen müssen, alles dies und noch manches Andre macht mir dies Buch ordentlich verächtlich. Ein Beispiel unter vielen von unglaublicher Unwissenheit findet sich auch drin, Zelter frägt Goethen, was Byzanz eigentlich ist, und erhält von ihm die gewünschte Auskunft. Dazu korrespondirt man mit Goethe! Die Leerheit der ganzen Sammlung übertrifft wahrhaftig jede Erwartung. Theatergeschwätz und Klatschereien sind der einzige Inhalt, und daß Goethe darauf auch nicht viel Gescheutes antworten kann, liegt am Tage. Pfui baba! Nun hat man hier noch die Freude, es natürlich von Jedem durchsprechen zu hören, der mit Recht beleidigt ist, sich ohne seine Zustimmung darin durchgehechelt zu finden, es giebt Leute, die ordentlich steckbriefmäßig drin geschildert sind. Und nun genug von diesem unsaubern Gegenstande, mir hat dies Buch das Andenken an einen Mann, den ich lieb gehabt habe, und gern geachtet hätte, ganz und für immer getrübt.
Sebastian ist ganz allerliebst, und von dem Andenken an Onkel Felix immerfort erfüllt, Du nimmst einen bedeutenden Platz in seinen Zielen ein, und bist immer derjenige, den er als Postillion herfährt. Oft sagt er auch so ganz ohne Veranlassung: Wann kommt denn endlich mein guter Onkel Felix wieder? Er meint auch gewiß, Du kämest zu Weihnachten. Eben spricht er wieder von Dir. Da ich jetzt niemand mit ihm auszuschicken habe, so gehe ich jeden Tag selbst mit ihm spatzieren; oder wenn ich Besorgungen und Besuche zu machen habe, so nehme ich ihn mit. Man kann schon die weitesten Wege mit ihm machen. Er ist magerer aber munterer und ausgelassener als je, und sein Sprechen setzt mich, obgleich ich es täglich höre, doch immer von Neuem in Verwunderung. Seine Neigung zu den Damen aber, lieber Felix, ist noch immer dieselbe, heut hat sich die Hähnel zu Tisch bei uns melden lassen, da kann er die Zeit gar nicht erwarten, und hat schon 20mal nach ihr gefragt. Eben war die Decker hier, bei der am Mittwoch Don Juan gesungen werden soll. Ich bedaure sehr, daß mir meine Partitur gestohlen ist, und werde suchen, mir eine Andre zu verschaffen, denn lieber Felix, ich renommire da, und setze die Leute in Erstaunen indem ich die Zauberflöte aus der Partitur, und das Opferfest vom Blatte spiele, das Letztere aber war eine unschuldige Renommage, es traf so mit meinem Cäcilienfest zusammen, daß ich nicht Zeit hatte, es durchzusehn. Im Ganzen mache ich diesen Winter sehr viel Musik, und bin ganz wohl damit zufrieden. Meine Sonntagmorgen erhalten sich ziemlich brillant, bis auf den letzten, der brillant klaterig war. Lebe wohl für heut.          
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Dezember 1833</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0111893" resp="author" xml:id="persName_fd63f047-0a17-4985-a485-24c6e9f7d3da">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0111893" resp="writer">Hensel, Fanny Cäcilia (1805–1847)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_fdeb6a19-ec8e-49ae-84d3-b8018f7efc35"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_4d278cd6-393c-4148-8c2c-341792beda34">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_c60662ec-56fe-48d6-a870-73d983d67bb8"> <settlement key="STM0100109">Düsseldorf</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_6c1d5cc3-cef9-4092-9293-021a8414884c"> <docAuthor key="PSN0111893" resp="author" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805–1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0111893" resp="writer" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805–1847)</docAuthor> <dateline rend="right">Berlin, <date cert="high" when="1833-12-01" xml:id="date_b9e9d17d-8a61-49f9-b292-b9c719c7107e">1sten Decemb.</date></dateline> <dateline rend="right"><date cert="high" when="1833-12-01" xml:id="date_16ea4d4d-918b-4cac-bd84-4326b94815bb">33.</date></dateline> <p style="paragraph_without_indent">Es vergeht recht lange Zeit, ehe wir von dem Verlauf Deines Concerts<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_b1f0412f-6500-47b2-941f-2ef4b4e7261d" xml:lang="de">Deines Concerts – Am 22. November 1833 dirigierte Mendelssohn anlässlich des Cäcilientags sein erstes Konzert des Vereins zur Beförderung der Tonkunst in Düsseldorf (vgl. Kortländer, Konzerte in Düsseldorf, S. 184). Siehe Mendelssohns Beschreibung des Ereignisses im Brief fmb-1833-11-28-01 (Brief Nr. 820) Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy und die Familie Mendelssohn Bartholdy in Berlin, Düsseldorf, 28. November 1833.</note> etwas erfahren, <seg type="salute">liebster Felix</seg>, und wir sind recht neugierig darauf. Deine Freundinn, die Zeitung läßt sich auch Zeit mit solchen Berichten, und so wissen wir noch nichts. <date cert="high" when="1833-11-30" xml:id="date_b7e5ca16-c376-4d1f-9f90-ada5e4bbc1be">Gestern</date> war der Düsseldorfer <persName xml:id="persName_a700b535-10ad-4494-b0f3-8ca87759bcfc">Schrödter<name key="PSN0114708" style="hidden" type="person">Schrödter, Adolf (1805-1875)</name></persName> hier, den wir aber leider verfehlt haben, wahrscheinlich hat er Dich doch in letzter Zeit gesehn. (O weh, die gerühmte englische Dinte hat auch die Bleichsucht.)<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_e1a54728-895e-4161-a693-d55e12619e79" xml:lang="de">die gerühmte englische Dinte hat auch die Bleichsucht – Die Tinte auf der ersten, dem Beginn der zweiten und der vierten Briefseite ist sehr blass.</note></p> <p>Wir haben, nachdem ich dankbar anerkennen muß, daß Alles, viele Monate lang, ganz glatt gegangen ist, wieder ein kleines Hauskreuz. <persName xml:id="persName_161fe88a-606c-4ed8-9ff8-68e555045b8e">Luise<name key="PSN0111896" style="hidden" type="person">Hensel, Louisa Aloysia Maria (Luise) (1798-1876)</name></persName> ist sehr unwohl,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_fd75905f-a79c-4cf8-89b0-c80c6f044349" xml:lang="de">Luise ist sehr unwohl – Fanny Hensels Schwägerin Luise Hensel lebte in den Jahren 1833 bis 1836 im Haus der Familie Mendelssohn in der Leipziger Straße 3 in Berlin. Zu deren Krankheit siehe Hensel, Tagebücher, S. 50 (Eintrag vom 31. Januar 1834).</note> und seit heute bettlägerig, und mir ist zu Muthe, als würde es ein langwieriges Krankenlager werden. Gott verhüte es. Eigentlich habe ich heut angefangen Dir zu schreiben, um einmal mein Herz über den <title xml:id="title_f81f4657-1e44-4faa-9bde-85d7b045cba3">Zelterschen Briefwechsel<name key="PSN0114188" style="hidden" type="author">Riemer, Friedrich Wilhelm (1774–1845)</name><name key="CRT0110463" style="hidden" type="literature">Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1796 bis 1832 (Herausgabe)</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_fae6a6dc-79b6-421c-bc0f-8a0287aee6d2" xml:lang="de">den Zelterschen Briefwechsel – Bis Ende 1833 erschienen drei Bände des Briefwechsels zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1796 bis 1832, hrsg. von Friedrich Wilhelm Riemer, 6 Bde., Berlin 1833/34. Siehe weiterführend Kommentar zu Brief gb-1833-11-02-01 Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 1. und 2. November 1833, Z.: den eben erschienenen Goethe-Zelter.</note> auszuschütten, über den ich in einer fortwährenden stillen Empörung bin. Er wird uns freilich sehr löffelweis eingegeben, denn da <persName xml:id="persName_bd182629-581a-48fb-9321-5829145bc1f6">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> jetzt nicht Abends lesen kann,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_b82ff857-b13b-48fc-9b1c-a508c9c6a926" xml:lang="de">da Vater jetzt nicht Abends lesen kann – Aufgrund einer Erkrankung an Grauem Star konnte Abraham Mendelssohn Bartholdy insbesondere Abends nur schlecht sehen.</note> wird er drüben<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_b6a96988-e622-4b86-bd41-45490f0ca89d" xml:lang="de">drüben – Gemeint ist die Wohnung der Eltern im Vorderhaus der Leipziger Straße 3.</note> vorgelesen, und da genießt man dies Buch<seg type="pagebreak"> |2| <pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg>mehr als billig. Vater ist übrigens auch sehr unwillig darüber,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_3e510b87-8caf-4913-8168-fb8e342f3c92" xml:lang="de">Vater ist übrigens auch sehr unwillig darüber – Die ersten beiden Bände des Briefwechsels zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1796 bis 1832 enthalten u. a. die folgenden, auf Abraham Mendelssohn Bartholdy bezogenen Briefstellen: 1. Brief Carl Friedrich Zelters an Johann Wolfgang von Goethe vom 7. September 1803: »Zu einem recht brauchbaren Correspondenten in Paris, wäre ich geneigt den jungen Mendelssohn, der Sie vor einigen Jahren in Frankfurt a. M. zu sprechen das Glück gehabt hat, vorzuschlagen. Er ist ein braver junger Mann, von Kenntnissen und gutem allgemeinen Geschmack. Er ist jetzt in Berlin und hofft auf seiner Rückreise nach Paris über Weimar zu gehen. Wäre es Ihnen recht, so würde ich ihm etwas an Sie mitgeben« (Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1796 bis 1832, hrsg. von Friedrich Wilhelm Riemer, Bd. 1: 1796 bis 1811, Berlin 1833, S. 84; vgl. Goethe, Münchner Ausgabe, Bd. 20.1, S. 55). 2. Brief Zelters an Goethe vom 4. April 1816: »Der Banquier Abraham Mendelssohn ist es der Dir diesen Brief bringt. Er ist der zweyte Sohn des Philosophen und von seinen ersten Jünglingsjahren an, nach dem Tode des Vaters hat er sich mein Haus mit dem was drinnen war gefallen lassen. Er gehört zu den Braven und so wirst Du ihn aufnehmen. Er hat liebenswürdige Kinder und sein ältestes Töchterchen könnte Dich etwas von Sebastian Bach hören lassen. Sie, die Frau, ist zugleich eine höchst treffliche Mutter und Hausfrau, leider von etwas schwacher Gesundheit. Er, der Mann, ist mir sehr gewogen und ich habe offene Casse bey ihm, denn er ist in den Zeiten der allgemeinen Noth ohne Schaden an seiner Seele reich geworden« (Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1796 bis 1832, hrsg. von Friedrich Wilhelm Riemer, Bd. 2: 1812 bis 1818, Berlin 1833, S. 233; vgl. Goethe, Münchner Ausgabe, Bd. 20.1, S. 411).</note> und es tritt hier der seltene Fall ein, daß wir Alle einstimmig derselben Meinung sind, und auch noch nicht einmal über eine einzelne Stelle gestritten haben. Es thut mir wirklich <persName xml:id="persName_15b71268-b3e2-4c93-bf4c-91cf97f5f39a">Zelters<name key="PSN0115916" style="hidden" type="person">Zelter, Carl Friedrich (1758-1832)</name></persName> wegen leid, der sich selbst hier auf eine so schlechte Art auf die Nachwelt bringt. <persName xml:id="persName_43eea555-23a0-4ea1-b8dc-68eea64f9844">Goethes<name key="PSN0111422" style="hidden" type="person">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> Ruf kann erstlich schon eher einen Puff vertragen, und dann sind seine Briefe unendlich besser als Zelters, obwohl Beide durch diese Veröffentlichung nur verlieren können. Von Zelters Seite herrscht darin eine unangenehme fatale Gesinnung, die wir zwar immer bei ihm vermuthen konnten, die wir uns aber auch immer wegraisonnirt haben, hier ist sie aber unabweislich ausgesprochen. Eigennutz<unclear reason="covering" resp="UW">,</unclear> Selbsucht, eine ekelhafte Vergötterung Goethes, ohne eigentliche verständige Würdigung, die indiscreteste Blosstellung aller Ander<unclear reason="covering" resp="UW">n,</unclear> die zwar in einem vertraulichem Briefwechsel zu entschuldigen ist, aber die Bekanntmachung hätte unmöglich machen müssen, alles dies und noch manches Andre macht mir dies Buch ordentlich verächtlich. Ein Beispiel unter viele<unclear reason="covering" resp="UW">n</unclear> von unglaublicher Unwissenheit findet sich<seg type="pagebreak"> |3| <pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg>auch drin, Zelter frägt Goethen, was Byzanz eigentlich ist,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_83067a2c-e63b-46ca-a2e8-97ec128b86d8" xml:lang="de">Zelter frägt Goethen, was Byzanz eigentlich ist … die gewünschte Auskunft – Im Brief an Johann Wolfgang von Goethe vom 1. August 1816 fragte Carl Friedrich Zelter: »Was war Byzanz? Wo war es? – Kannst Du mir darüber nach Deiner und meiner Art in kurzen oder wenigen Worten Aufschluß geben; so laß Dich meine Unwissenheit nicht verdrießen und belehre mich.« Der Brief ist im zweiten Band des Briefwechsels zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1796 bis 1832, hrsg. von Friedrich Wilhelm Riemer, Berlin 1833, S. 294-296 abgedruckt, das Zitat S. 295. Goethes Antwort datiert vom 9. August 1816: »Byzanz steht für Constantinopel, es ist der alte Name, paßt besser in den Styl und wird in Sachen der bildenden Kunst gewöhnlich gebraucht« (Abdruck ebenda, S. 297 f., das Zitat S. 298). Vgl. auch Goethe, Münchner Ausgabe, Bd. 20.1, S. 445 und S. 447.</note> und erhält von ihm die gewünschte Auskunft. Dazu korrespondirt man mit Goethe! Die Leerheit der ganzen Sammlung übertrifft wahrhaftig jede Erwartung. Theatergeschwätz und Klatschereien sind der einzige Inhalt, und daß Goethe darauf auch nicht viel Gescheutes antworten kann, liegt am Tage. Pfui baba! Nun hat man hier noch die Freude, es natürlich von Jedem durchsprechen zu hören, der mit Recht beleidigt ist, sich ohne seine Zustimmung darin durchgehechelt zu finden, es giebt Leute, die ordentlich steckbriefmäßig drin geschildert sind. Und nun genug von diesem unsaubern Gegenstande, mir hat dies Buch das Andenken an einen Mann, den ich lieb gehabt habe, und gern geachtet hätte, ganz und für immer getrübt.</p> <p><persName xml:id="persName_4bede0f4-4add-42df-9abf-0ed3f4f9e28f">Sebastian<name key="PSN0111898" style="hidden" type="person">Hensel, Sebastian Ludwig Felix (1830-1898)</name></persName> ist ganz allerliebst, und von dem Andenken an Onkel Felix immerfort erfüllt, Du nimmst einen bedeutenden Platz in seinen Zielen ein, und bist immer derjenige, den er als Postill<del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_3cfedf64-ed85-485c-bdcc-d74e84874097">i</del>on herfährt. Oft sagt er auch so ganz ohne Veranlassung: Wann kommt denn endlich mein guter Onkel Felix wieder? Er meint auch gewiß, Du kämest zu Weihnachten. Eben spricht er wieder von Dir. Da ich jetzt niemand mit ihm auszuschicken habe, so gehe ich jeden Tag selbst mit ihm spatzieren; oder wenn ich<seg type="pagebreak"> |4| <pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg>Besorgungen und Besuche zu machen habe, so nehme ich ihn mit. Man kann schon die weitesten Wege mit ihm machen. Er ist magerer aber munterer und ausgelassener als je, und sein Sprechen setzt mich, obgleich ich es täglich höre, doch immer von Neuem in Verwunderung.<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_c7983a23-0989-4b14-beca-f27c0956aa7b" xml:lang="de">Sebastian … sein Sprechen setzt mich … in Verwunderung – vgl. dazu Hensel, Tagebücher, S. 46 ff. </note> Seine Neigung zu den Damen aber, lieber Felix, ist noch immer dieselbe, heut hat sich die <persName xml:id="persName_47dd4584-cfbf-48f4-8b4c-b094ed132c1c">Hähnel<name key="PSN0111656" style="hidden" type="person">Haehnel, Amalie (1807-1849)</name></persName> zu Tisch bei uns melden lassen, da kann er die Zeit gar nicht erwarten, und hat schon 20mal nach ihr gefragt. Eben war die <persName xml:id="persName_8f58a310-c1b3-4037-98b4-b3f33a6e59b5">Decker<name key="PSN0110583" style="hidden" type="person">Decker, Johanne Sophie Friederike Pauline (1812-1882)</name></persName> hier, bei der am <date cert="high" when="1833-12-04" xml:id="date_06206e6f-3053-4f08-afaf-e4faacaf1de8">Mittwoch</date> Don Juan gesungen werden soll. Ich bedaure sehr, daß mir meine Partitur gestohlen ist, und werde suchen, mir eine Andre zu verschaffen, denn lieber Felix, ich renommire da, und setze die Leute in Erstaunen indem ich die <title xml:id="title_a40a99f9-993f-4c04-9e34-d67a7a2d8130">Zauberflöte<name key="PSN0113466" style="hidden" type="author">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756–1791)</name><name key="CRT0110155" style="hidden" type="music">Die Zauberflöte KV 620</name></title> aus der Partitur, und das <title xml:id="title_99ae4ec3-760c-4bd5-bd4e-2432777f15fa">Opferfest<name key="PSN0115815" style="hidden" type="author">Winter, Peter von (1754–1825)</name><name key="CRT0111308" style="hidden" type="music">Das unterbrochene Opferfest</name></title> vom Blatte spiele,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_eebebe07-223a-4787-8f0c-c2d4202479dc" xml:lang="de">die Zauberflöte aus der Partitur, und das Opferfest vom Blatte spiele – Der Termin von Pauline Deckers Aufführung von Mozarts Oper Die Zauberflöte KV 620 war möglicherweise der 6. November 1833. Die Aufführung von Peter von Winters Das unterbrochene Opferfest fand am 20. November 1833 statt (vgl. Brief gb-1833-11-23-02 Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 22. und 23. November 1833, Z.: »vorgestern im Opferfest«). </note> das Letztere aber war eine unschuldige Renommage, es traf so mit meinem Cäcilienfest<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_f42427f5-f13b-457c-9c77-c2b37f00bdc3" xml:lang="de">meinem Cäcilienfest – Fanny Hensel richtete am 22. November 1833 eine musikalische Feier zu Ehren der heiligen Cäcilie, der Schutzpatronin der Musik, aus. Sie führte darin ihre am 21. und 22. November 1833 komponierte Musik Zum Fest der heiligen Cäcilia für Sopran, Alt, Tenor, Bass, vierstimmigen Chor und Klavier HU 272 mit lebenden Bildern auf. Siehe dazu ihre eigene Beschreibung in Brief gb-1833-11-23-01 Sebastian Hensel, Rebecka Lejeune Dirichlet und Fanny Hensel an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 21. und 23. November 1833. Lea Mendelssohn Bartholdy berichtete darüber ausführlich in Brief gb-1833-11-23-02 Lea Mendelssohn Bartholdy an Felix Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf, Berlin, 22. und 23. November 1833.</note> zusammen, daß ich nicht Zeit hatte, es durchzusehn. Im Ganzen mache ich diesen Winter sehr viel Musik, und bin ganz wohl damit zufrieden. Meine <placeName xml:id="placeName_02698b27-4d6e-4da9-885e-29bc6dcffacb">Sonntagmorgen<name key="NST0100215" style="hidden" subtype="" type="institution">Sonntagsmusiken der Familie Mendelssohn Bartholdy</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> erhalten sich ziemlich brillant, bis auf den letzten, der brillant klaterig<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_94491239-9bf4-4707-921a-37fbe57756b9" xml:lang="de">klaterig – armselig, jämmerlich; von norddt. Klater, Schmutz, Lumpen.</note> war. <seg type="closer">Lebe wohl für heut.</seg></p> </div> </body> </text></TEI>