gb-1830-07-20-01
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Berlin, 20. Juli 1830
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
1 Doppelbl.: S. 1-2 Brieftext; S. 3 leer; S. 4 Adresse, 3 Poststempel [BERLIN 2-3 / 20 / 7], [R12 / 20/7 / N°4], [AUSLAGE], Siegel.
Rebecka Mendelssohn Bartholdy
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
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Kerstorff
MünchenFelix Mendelssohn Bartholdy
Dies soll Nro. 1 meiner Privatbriefe werden, und der eigentliche Abschiedsbrief, denn wir sehen uns nicht, ehe Du wiederkommst.
Am Ende ists gar Unrecht, daß ich Dir so die Ohren voll klage, aber mir ist doch einmal so, und die Feder ist mir davongelaufen; ich denke aber, theile ich Dir so Alles mit, was mich erfreut, so muß ich auch einmal klagen, und sind es auch immer wieder die alten Geschichten, so bleib
Mein geliebter Felix! Dies soll Nro. 1 meiner Privatbriefe werden, und der eigentliche Abschiedsbrief, denn wir sehen uns nicht, ehe Du wiederkommst. Fanny und Hensel und der Kleine gehen fort, aber ich nicht, und ich will nicht, mehr als je habe ich jetzt die Überzeugung, daß es nicht geht. Du hattest einmal wieder Recht, daß der ganze vorige Skandal Mutters Benehmen nicht im mindesten ändern würde, so ists; indem sie so außer sich war, daß Vater all sein Glück zum Unglück mache, so kann sie sich auch gar nicht zufrieden geben, über den Unsinn, daß Fanny im schönsten aller Länder zusammentrifft mit ihrem Bruder. Solltest Du, denn ich lese jetzt Mutters Briefe an Dich nicht, etwa wieder Unangenehmes zu hören bekommen, so schiebe es nur auf die jetzige gereizte Stimmung, und denke, daß Du mit mir Gemeinsames leidest, aber schwerer, wie jetzt, habe ich es nie ertragen, so ganz allein wie ich jetzt mit Mutter bin; da ich mit ihr zusammen schlafe, so habe ich nicht einmal mehr den Trost, daß ich bis spät lese, und meine Gedanken ein wenig sammle, sondern die gewohnten spitzen bittren Reden über die Undankbarkeit der Kinder, über das schreckliche Unglück welches sie zu tragen, machen mir beim Einschlafen noch böses Blut. Daß unter solchen Umständen an Mitreisen gar nicht zu denken ist, wirst Du begreiflich finden, und es selbst nicht einmal wünschen. Noch kann ich mich gar nicht daran gewöhnen, diesen Gedanken aufzugeben, und zwischen meine Berliner Winterpläne kommt mir immer unwillkührlich die Vorstellung, wie wir zusammen in Neapel spatzieren gehen könnten, und wenn ich von solchem Traume erwachend, das große graue Haus gegenüber ansehe, das von dem vielen Regen so schmutzig und trübe aussieht, und bedenke, daß ich nun wieder den ganzen Winter nichts Anderes, als eben das schmutzige graue Haus zu sehen bekomme, mir wird nicht besser. Und daß auch nun gerade Vater nicht hier ist! Gerade in dieser Sache hätte er bessern können, und eine gewichtige Opposition bilden. Und bei Hensels darf ich jetzt auch nicht sprechen, der, wie mir es scheint, sehr einleuchtende Vorschlag, den ich ihnen neulich machte, sie möchten nach der Reise ausziehen, schien ihnen so abschreckend und fürchterlich, und reizte Fanny so, daß ich gleich abbrechen mußte. Trotz dem halte ich es doch für nothwendig, und gedenke sogar darüber an Vater zu schreiben, den ich überhaupt bitten will, in dieser Sache ein Wort von Paris aus mitzureden; obgleich Mutter auch diese Reise für den größten Leichtsinn hält, und sich doch eigentlich ängstigt, daß Vater Bankrott machen wird, so wird doch ein Wort von ihm seine Wirkung nicht verfehlen. Meinst Du, daß ich es thue? ich erwarte Deine Antwort, als ginge ich zu Dir auf die Stube, und früge Dich um Rath. Am Ende ists gar Unrecht, daß ich Dir so die Ohren voll klage, aber mir ist doch einmal so, und die Feder ist mir davongelaufen; ich denke aber, theile ich Dir so Alles mit, was mich erfreut, so muß ich auch einmal klagen, und sind es auch immer wieder die alten Geschichten, so bleib tn sie doch ewig neu, und wem sie just passiren, das weißt Du, wie dem geschieht. Du bleibst mir doch mein Alles, und ich weiß, wenn Ihr Euch da unten seht, und zusammen lebt und genießt, und immer zusammen seyd, eure Schwester zu Hause, die nichts sieht, nichts erlebt, als Trennung von den Liebsten, wird euch doch nachher nicht weniger nahe seyn, wenn wir endlich wieder zusammentreffen, und zusammenbleiben. Als Du in England verwundet lagst, da schriebst Du auch traurige Briefe, ich bin auch verwundet, und brauche zwei Jahre, daß die Wunde vernarbt. Du, Deine Briefe, das ist meine größte Freude, laß mich die nur immer haben. Lebe wohl, eigentlich nehme ich heut erst Abschied von Dir, ich habe mirs doch nicht bestimmt so gedacht. Was ich Musik nenne, das kriege ich nun ein Jahr lang nicht zu hören. Lebe wohl, auf vergnügteres Wiederschreiben, ärgert Dich dieser Brief, so wirf ihn ins Feuer, und denke nur, daß das Thema durchgeht, ich habe Dich lieber, als Alles Andre, und so bleibt es, und Du bleibst mir auch gut.
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Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1830-07-20" xml:id="date_7a913557-e470-4aa7-83a5-d0900fdcef4f">20. 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Hensel trat am 19. Juni 1830 mit der schriftlichen Bitte an Friedrich Wilhelm III. von Preußen heran, in Italien mit Hilfe einer neuen Technik ein Raffael-Fresco in Öl kopieren zu dürfen. Der Antrag wurde am 2. Juli 1830 vom Monarchen ablehnend beschieden. Zugleich bestanden Vorbehalte von Abraham Mendelssohn Bartholdy gegen die Reise; siehe Lowenthal-Hensel / Arnold, Wilhelm Hensel, S. 176 ff. Die Hensels konnten ihre Reise erst 1839 realisieren.</note> aber ich nicht, und ich will nicht, mehr als je habe ich jetzt die Überzeugung, daß es nicht geht. Du hattest einmal wieder Recht, daß der ganze vorige Skandal <persName xml:id="persName_13eab6d4-fcc6-4b37-81e8-6a91c847bac2">Mutters<name key="PSN0113260" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> Benehmen nicht im mindesten ändern würde, so ists; indem sie so außer sich war, daß <persName xml:id="persName_5b840ef4-9c99-4d2d-8e45-f939cabc08f9">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> all sein Glück zum Unglück mache, so kann sie sich auch gar nicht zufrieden geben, über den Unsinn, daß Fanny im schönsten aller Länder zusammentrifft mit ihrem Bruder. Solltest Du, denn ich lese jetzt Mutters Briefe an Dich nicht, etwa wieder Unangenehmes zu hören bekommen, so schiebe es nur auf die jetzige gereizte Stimmung, und denke, daß Du mit mir Gemeinsames leidest, aber schwerer, wie jetzt, habe ich es nie ertragen, so ganz allein wie ich jetzt mit Mutter bin; da ich mit ihr zusammen schlafe, so habe ich nicht einmal mehr den Trost, daß ich bis spät lese, und meine Gedanken ein wenig sammle, sondern die gewohnten spitzen bittren Reden über die Undankbarkeit der Kinder, über das schreckliche Unglück welches sie zu tragen, machen mir beim Einschlafen noch böses Blut. Daß unter solchen Umständen an Mitreisen gar nicht zu denken ist, wirst Du begreiflich finden, und es selbst nicht einmal wünschen. Noch kann ich mich gar nicht daran gewöhnen, diesen Gedanken aufzugeben, und zwischen meine Berliner Winterpläne kommt mir immer unwillkührlich die Vorstellung, wie wir zusammen in Neapel spatzieren gehen könnten, und wenn ich von solchem Traume erwachend, das große graue Haus gegenüber ansehe, das von dem vielen Regen so schmutzig und trübe aussieht, und bedenke, daß ich nun wieder den ganzen Winter nichts Anderes, als eben das schmutzige graue Haus zu sehen bekomme, mir wird nicht besser. Und daß auch nun gerade Vater nicht hier ist!<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_8cd61b38-ff49-4ed2-acde-ab20ba68dafe" xml:lang="de">daß auch nun gerade Vater nicht hier ist – Abraham Mendelssohn war am 5. Juli 1830 nach Paris gereist. Er hielt sich länger als ursprünglich geplant dort auf, da er durch die Ereignisse der Julirevolution aufgehalten wurde (Hensel, Tagebücher, S. 29 f., Einträge vom 6. August 1830 und vom 4. März 1831).</note> Gerade in dieser Sache hätte er bessern können, und eine gewichtige Opposition bilden. Und bei Hensels darf ich jetzt auch nicht sprechen, der, wie mir es scheint, sehr einleuchtende Vorschlag, den ich ihnen<seg type="pagebreak"> |2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> neulich machte, sie möchten nach der Reise ausziehen, schien ihnen so abschreckend und fürchterlich, und reizte Fanny so, daß ich gleich abbrechen mußte. Trotz dem halte ich es doch für nothwendig, und gedenke sogar darüber an Vater zu schreiben, den ich überhaupt bitten will, in dieser Sache ein Wort von Paris aus mitzureden; obgleich Mutter auch diese Reise für den größten Leichtsinn hält, und sich doch eigentlich ängstigt, daß Vater Bankrott machen wird, so wird doch ein Wort von ihm seine Wirkung nicht verfehlen. Meinst Du, daß ich es thue? ich erwarte Deine Antwort, als ginge ich zu Dir auf die Stube, und früge Dich um Rath.</p> <p>Am Ende ists gar Unrecht, daß ich Dir so die Ohren voll klage, aber mir ist doch einmal so, und die Feder ist mir davongelaufen; ich denke aber, theile ich Dir so Alles mit, was mich erfreut, so muß ich auch einmal klagen, und sind es auch immer wieder die alten Geschichten, so bleib<choice resp="writer" source="autograph_edition_template"> <corr resp="writer">e</corr> <sic resp="writer">t</sic> </choice>n sie doch ewig neu, und wem sie just passiren,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_2d63c306-d05c-4deb-8fde-0ea70ccc60f8" xml:lang="de">die alten Geschichten … und wem sie just passiren – Anspielung auf die dritte Strophe des Gedichts Ein Jüngling liebt ein Mädchen von Heinrich Heine aus dem Buch der Lieder, Lyrisches Intermezzo, Nr. 39: »Es ist eine alte Geschichte, / Doch bleibt sie immer neu; / Und wem sie just passieret, / Dem bricht das Herz entzwei.« (Heinrich Heine. Sämtliche Schriften, Bd. 1, hrsg. von Klaus Briegleb, München und Wien 1976, S. 90 f.). </note> das weißt Du, wie dem geschieht. Du bleibst mir doch mein Alles, und ich weiß, wenn Ihr Euch da unten seht, und zusammen lebt und genießt, und immer zusammen seyd, eure Schwester zu Hause, die nichts sieht, nichts erlebt, als Trennung von den Liebsten, wird euch doch nachher nicht weniger nahe seyn, wenn wir endlich wieder zusammentreffen, und zusammenbleiben. Als Du in England verwundet lagst,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_1dd45294-9313-4b5c-8a26-55002107ffbe" xml:lang="de">Als Du in England verwundet lagst – Mendelssohn hatte sich bei einem Unfall mit einem offenen Wagen am 17. September 1829 in London am Knie verletzt. Er musste mehrere Wochen liegen.</note> da schriebst Du auch traurige Briefe, ich bin auch verwundet, und brauche zwei Jahre, daß die Wunde vernarbt. Du, Deine Briefe, das ist meine größte Freude, laß mich die nur immer haben. Lebe wohl, eigentlich nehme ich <date cert="high" when="1830-07-20">heut</date> erst Abschied von Dir, ich habe mirs doch nicht bestimmt so gedacht. Was ich Musik nenne, das kriege ich nun ein Jahr lang nicht zu hören. Lebe wohl, auf vergnügteres Wiederschreiben, ärgert Dich dieser Brief, so wirf ihn ins Feuer, und denke nur, daß das Thema durchgeht, <seg type="closer">ich habe Dich lieber, als Alles Andre, und so bleibt es, und Du bleibst mir auch gut.</seg></p> </div> </body> </text></TEI>