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gb-1830-07-03-03

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Adolph Bernhard Marx an Felix Mendelssohn Bartholdy in München <lb></lb> Berlin, 2. und 3. Juli 1830 Nun endlich, Freitags den 3 Juli, kann ich Dir, Liebster, Bescheid und Antwort auf Deinen Brief geben. Ich habe in Arbeiten und Unterhandlungen und Zweifeln gesteckt; die letztern wenigstens sind ganz besiegt, die erstern werden Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) Felix Mendelssohn Bartholdy an Adolph Bernhard Marx in Berlin; München, vor dem 3. Juli 1830 Felix Mendelssohn Bartholdy an Adolph Bernhard Marx in Nürnberg; München, vor dem 17. Juli 1830 Marx, Adolph Bernhard (1795-1866)Marx, Adolph Bernhard (1795-1866) Transkription: Edition: Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. d. 28/51. Autograph Adolph Bernhard Marx an Felix Mendelssohn Bartholdy in München; Berlin, 2. und 3. Juli 1830 Nun endlich, Freitags den 3 Juli, kann ich Dir, Liebster, Bescheid und Antwort auf Deinen Brief geben. Ich habe in Arbeiten und Unterhandlungen und Zweifeln gesteckt; die letztern wenigstens sind ganz besiegt, die erstern werden

1 Doppelbl. und 1 Bl.: S. 1-5 Brieftext; S. 6 Adresse, 1 Poststempel [BERLIN 7-8 A / 3 / 7], Siegel.

Adolph Bernhard Marx

Green Books

Albrecht-Hohmaier, Mendelssohns Paulus, S. 264-266.

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

2. und 3. Juli 1830 Marx, Adolph Bernhard (1795-1866)counter-resetMarx, Adolph Bernhard (1795–1866) BerlinDeutschland Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) MünchenDeutschland deutsch
Herrn Felix Mendelssohn Bartholdy Wohlgeboren in München Burggasse no. 167. frei
Marx, Adolph Bernhard (1795–1866) Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)

Nun endlich, Freitags den 3 Juli,Freitags den 3 Juli – Marx irrte hier; er schrieb den Briefbeginn am 2. Juli 1830. kann ich Dir, Liebster, Bescheid und Antwort auf Deinen Brief <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1830-07-02-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Adolph Bernhard Marx in Berlin; München, vor dem 3. Juli 1830</name> geben. Ich habe in Arbeiten und Unterhandlungen und Zweifeln gesteckt; die letztern wenigstens sind ganz besiegt, die erstern werden es; der letzteren zweitenMarx, Adolph Bernhard (1795–1866) ungeacht – gähnt auch die Hölle! –

sitz ich Donnerstag den 8 Juli 1830. p. C. n.p. C. n. – lat. post Christum natum, nach Christi Geburt.

Abends um 6 Uhr

in der Schnellpost, rolle nach Naumburg und trolle mich in der Stunde meiner Ankunft schon weiter über Kösen nach Jena, Rudolstadt pp. – Dies steht fest. Aber die Freude, die Du mir andeutest, Dich schon diesseits München zu finden, scheint mir bedenklich. Hier haben wir Tag für Tag so heftige und anhaltende Regen, daß ich auf die Möglichkeit gefaßt sein muß, entweder einen Tag aufgeha unterwegs aufgehalten zu werden, oder gar nicht zu Fuß weiter zu können, sondern von Naumburg, oder sonst wo immerfort nach München fahren zu müßen. Denk’ wie infam ein Irrgehn und Verfehlen. Ich dächte, Du erwartest mich lieber in be München bei a Bier, und machtest etwanige Abstecher lieber vor oder nachher. Dein Brief war ja so schon, als wenn wir uns unverhofft unter Lerchenschlag auf einem Morgenhügel sähen.

Leider schreib’ ich das im furchtbarsten Kopfweh. Aber eben die stets wiederkehrenden Zeichen eines tiefern Uebelbefindens treiben mich über Zweifelsanfälle weg, zu denen es Anlaß genug gegeben. Ich will aus diesem Brief eine RelationRelation – Bericht; von lat. referre. machen; desto weniger OdiosesOdioses – Widerwärtiges, Unausstehliches; von lat. odiosus. und Langweiliges haben wir dann mündlich. Nimm die Worte aber leicht; es ist nichts Sonderliches – nur Hemmung.

Nach Deinem AbgangDeinem Abgang – Felix Mendelssohn war am 13. Mai 1830 von Berlin zu seiner großen Europareise aufgebrochen (Hensel, Tagebücher, S. 28). hab’ ich ein Paar Tage nichts gethan und dann wie ein Bär gearbeitet, aber nichts komponirt.

Vorerst die 6 Kantaten<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0111583" style="hidden" type="music">Johann Sebastian Bach, Kirchen-Musik [BWV 101 bis 106] (Herausgabe)</name>die 6 Kantaten … sind in Bonn – Adolph Bernhard Marx veröffentlichte die Bach-Kantaten BWV 101 bis 106 im Jahre 1830 unter dem Titel Kirchen-Musik im Bonner Verlag N. Simrock. Der 1. Band enthält: Eingangschor »Nimm von uns, Herr, du treuer Gott« der gleichnamigen Kantate BWV 101 unter dem Titel »Litanei«, Herr, deine Augen sehen nach dem Glauben BWV 102 und Ihr werdet weinen und heulen BWV 103. Der 2. Band enthält: Du Hirte Israel, höre BWV 104, Herr, gehe nicht ins Gericht BWV 105 und Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit (Actus tragicus) BWV 106. KlvszgKlvszg – Klavierauszug. und Korrektur; sind in Bonn, wo ich Geld zu holen hoffe. 2. Den Gesetzvorschlag für GansGans, Eduard (bis 1825: Elias) (1797-1839) – der sich mit wahrer Freundschaftlichkeit für meine Min. ang.Min. ang. – Ministerialangelegenheit. interessirt, was unter den vorwaltenden Umständen doppelte Achtung und Dank|2|barkeit verdient.

3 Hab’ ich die Vorarbeiten zum Choralb<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0109899" style="hidden" type="music">Evangelisches Choral- und Orgelbuch. 235 Choräle mit Vorspielen zunächst in Bezug auf das neue berliner Gesangbuch</name>. fast vollendet – als da sind, Wahl und Prüfung der Lieder, Vergleichung der Choralbücher pp. Nur Seb. BachBach, Johann Sebastian (1685-1750) und die ältesten fehlen noch. Dies hat mich zu einer neuen Proposition gebracht; nämlich nicht blos die Melodien, sondern alle vier Stimmen, sowie die Choräle in 3stimmigem Satze für weibliche oder männliche Stimmen allein (für Schulen, Militair, Seminare pp) zu ediren. Keiner ist darauf eingegangen. Ich hoffe, damit KönigPreußen, Friedrich Wilhelm III. von (1770-1840) und MilitairnisterMarx, Adolph Bernhard (1795–1866)Witzleben, Karl Ernst Job Wilhelm von (1783-1837) zu gewinnen und habe die bedingungsweis stipulirtenstipulirten – vertraglich vereinbarten. 20 fr d’or jetzt unbedingt. – Beiläufig hat mir eben diese Arbeit fortwährende Scrupel gegen die Reise erregt. Dein Brief hat mich entschieden, wenigstens nach München zu reisen, sollt’ ich auch dann schnurgrade oder über Dresden zurückeilen. Ich weiß noch nicht.

4. Hab’ ich viel Orgel gespielt und schon manche Entdeckung für die Präl.Präl. – Präludien. gemacht. Als da: zu einem Abendlied, oder etwa zu: mit Fried’ und Freud ich fahr dahin<name key="PSN0112987" style="hidden" type="author">Luther, Martin (1483–1546)</name><name key="CRT0109824" style="hidden" type="literature / music">Mit Fried und Freud ich fahr dahin</name>, nehme ich die Melodie verziert aufm Oberklavier mit 4 F. Rohrflöte und 16 Fuß vox angelica, ohne 8 Fuß. Klingt als wenn ein süßes junges Kind mit dem alten kränklichen Vater Abends unter der Linde säng. Dazu begleit ich ganz schwach aufm Hauptman.Hauptm. – Hauptmanual. und Pedal mit 8 und 16 Fuß Violon, in still gehenden Stimmen 2 oder 3stimmige Begleitung. FernerMitten wir im Leben sind<name key="PSN0112987" style="hidden" type="author">Luther, Martin (1483–1546)</name><name key="CRT0109825" style="hidden" type="literature">Mitten wir im Leben sind</name>: alle 16 Füße des Pedals (n ur icht die allerstärksten nicht) und des Hauptmanuals machen 2stimmigen nachahm. Satz, und die Mel. sehr stark 8 und 4füßig (vorherrschend 8) Ferner zu einem hellen Morgenjubel nehm’ ich alle 4 Fuß, wenige 8 Fuß auf den Manualen, oder dem obern (vorherrschend 4 F.) lasse sie lustig durcheinander klimpern und klirren und spiele die Mel. sehr stark 16 und 8 Fuß im Pedale. Noch eins hab’ ich im Sinne, habs aber nicht herausbringen können, weil meine Hände wohl Füße, nicht aber Deine Hände Füße Hände sind. Ich meine den Choral vierstimmig, verziert pp auf den gekoppelten |3| Manualen; das Pedal als 2ter Chor m m d it allen Stimmen dagegen und dadurch. Kurz, es läßt sich viel machen und noch ungeheuer viel finden auf der Orgel. Davon mündlich.

5. hab’ ich ungeheuer für die Ztg.<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0111566" style="hidden" type="periodical">Berliner Allgemeine Musikalische Zeitung</name>die Ztg. – die 1824 bis 1830 von Adolph Bernhard Marx herausgegebene Berliner Allgemeine Musikalische Zeitung. gearbeitet, in 4 Wochen für 12. Gott, wieviel schlechte Musik läuft einem da durch die Finger! Das letzte Unglück der Ztg ist, daß jetzt so gar nichts herauskommt, das ein Wort verdiente und hervorriefe. Uebrigens fehlen mir noch an 3 Druckbogen, und schon hab’ ich in der Zerstreuung und Vorempfindung der Reise jeden Gedanken an Rec.Rec. – Rezension. verloren, und keinen Pelzstiefel zur Seite. Und zwar seit Mittwoch DonnerstagMarx, Adolph Bernhard (1795–1866) Abend bin ich in einem leiden Delirio, das man nur begreift, wenn man so lange gefangen gesessen. Da um halb 7 begleitete ich nämlich mit meiner KousineMarx, Cousine von → Adolph Bernhard M. eine Freundin derselben zur Post – sie wollte bis nach Brandenburg reisen. Ich war zum erstenmal in einer Passagierstube, von wo man in den Wagen steigt. Rings Ottomanen, wo der An kommende ruhen kann, wenn er nicht in die GrünBurgMarx, Adolph Bernhard (1795–1866)straße No 167Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)Burgstraße No 167 – Mendelssohns Adresse in München lautete Burggasse Nr. 167. Dort wohnte er seit dem 11. Juni 1830 bei dem namentlich nicht bekannten Bruder von Peter Joseph Lindpaintner. Vgl. Brief fmb-1830-06-14-02 (Brief Nr. 309) Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy in Berlin, München, 14. Juni 1830. läuft. Ein müder alter Offizier, greisem Kopf und stolzer Haltung, ein schüchternes Mamsellchen, die sich mit stummen Knixen im Voraus jedermann empfahl, ein ovaler Kaufmann, der um Trinkgeld, und andre Groschenausgaben erboßt feilschte, und dabei erst ein Glas, dann den Pfeifenkopf zerbrach, dann den Rockschoß zerriß und erboßt umhersah, weil wir lachen könnten. Dann ein höflicher wichtiger Schirrmeister der meine Fragen nie anders als: (wir (Er und NaglerNagler, Karl Ferdinand Friedrich (seit 1823/24) von (1770-1846) und der König) haben das so eingerichtet) meine gerührte Kousine, ihre gespannte Freundin, deren hübsches Mädchen in Thränen ob der großen Trennung, der ungewöhnlich dienstwillige Eheherr – alles machte mir schon den Kopf wirblich. Fangen auf einmal zwei Trompeten so hell und heiter an zu blasen, daß mir die Luft vergeht. „’S sei der Postillion,“ sagten sie. Ich dachte er fa st an ein fürstlich Paar mit 4 Pferden Extrapost; es klang gar zu hoch. Unter dem Vorfahren, Einparken, die Leute werden |4| unruhiger. Da setzen wieder die Trompeten ein, drei, dann vier, es war mir, als wenn alle Straßen wankten, mich herüberzuschaukeln. Wahrlich es kostete mir Ueberwindung, mich nicht an den Wagen zu hängen. Die göttlichen Trompeten! Sie sind königlich. In Amerika können sie nicht klingen. Reiter und Könige und die helle Freiheit. Nun – es waren eben nur Postillione, die sich im Nebenhof übten, wie ich nachher sah. Seitdem hab’ ich noch nicht arbeiten können, sondern kaufe zur Reise ein. Deinen Brief darf ich nun gar nicht mehr lesen, sonst lauf ich heut weg und lasse alles liegen, wie’s will. Jetzt geh ich, einen Paß zu holen.

Was aber – ohne die Ankunft Deines lieben Briefs meine Reise wahrscheinlich hintertrieben hätte, oder lange hinausgeschoben (No 2. meines konfusen Anfangs) ist ein neuer Antrag, den ich auf HenselsHensel, Wilhelm (1794-1861) Rath beim Min. gemacht: mich auf 2 Jahr nach Rom u. s. w. zu schicken. Ueber das Wesentliche mündlich. Hensel hat sich der Sache brüderlich angenommen, mit dem Min. gesprochen, ihn bereitwillig gefunden, so wie ich KörnernKörner, Christian Gottfried (1756-1831) Gans SchulzSchulze, Johannes Karl Hartwig (1786-1869) und KampzenKamptz, Carl Christoph Albert Heinrich von (1769-1849). Doch haben alle Einleitungen meine Eingabe bis auf vor 10 Tagen verspätet. Nun, wenn ich von der jetzigenMarx, Adolph Bernhard (1795–1866) Reise sprach, staunte Gans, seufzte Hensel; fragt’ ich aber nach ihrer bestimmten Meinung, ob ich bleiben müße, mir schaden könne, sichre Hoffnung habe, so kriegt ich diagonalen Bescheid. Kurz: ich rechnete nicht sonderlich auf ein Gelingen schon jetzt, und hielt es doch fast für leichtfertig, zu reisen. Noch in diesem Augenblicke fehlen mir (es ist Sonnabend worden) die entscheidenden Gründe aus der Sache; aber Dein Brief hat mich bestimmt, oder vielmehr mir leichtes Blut gemacht neben der Ministerialtinte, die sich schon durch meine Adern wälzte und blähte. Ich werde alle ersinnlichen Vorkehrungen treffen, Schaden abzuwenden. Aber ich will auch einmal meiner Freude |5| und – meiner Wiederherstellung opfern. Morgen früh geh’ ich zu Gans, dann zu Hofräthen, dann zum Minister und Donnerstag reis’ ich, neugeboren in die mir neue Welt. Dank’ Dir dafür – und für noch einiges.

Ich wollte Dir noch viel von HenselsHensel, Familie von → Wilhelm H. schreiben, nichts als Liebes und Schönes. Aber der Brief muß fort; und ich bin in der tollsten Zerstreuung zwischen Kopfweh, Paßbehörden, Zeitungsarbeiten, und tausend andern Präparatorien.

Aber noch eins. Zu unsrer Korr.Korr. – Korrespondenz. hab’ ich ein Portefeuille machen lassen im größten Quart, wie ein großes Schreibbuch, aber zwischen den Blättern Falze, daß alles bequem liegt, auf allen drei Seiten Gürtel wie an Schreibtafeln. Da ist nun alles bequem und räumlich geordnet, Göthe’nGoethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832) würd’ es gefallen, so auch Dir. Euer Zusammensein war wol göttlich

Und nun weg mit der Feder Mir ist nicht betrübt. In kurzer Zeit sehn wir uns wieder. Du bester der Menschen Dein Marx
Marx, Adolph Bernhard (1795–1866) Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)

Wahrlich ich kann nicht mehr schreiben

            Nun endlich, Freitags den 3 Juli, kann ich Dir, Liebster, Bescheid und Antwort auf Deinen Brief geben. Ich habe in Arbeiten und Unterhandlungen und Zweifeln gesteckt; die letztern wenigstens sind ganz besiegt, die erstern werden es; der letzteren zweiten ungeacht – gähnt auch die Hölle! –
sitz ich Donnerstag den 8 Juli 1830. p. C. n.
Abends um 6 Uhr
in der Schnellpost, rolle nach Naumburg und trolle mich in der Stunde meiner Ankunft schon weiter über Kösen nach Jena, Rudolstadt pp. – Dies steht fest. Aber die Freude, die Du mir andeutest, Dich schon diesseits München zu finden, scheint mir bedenklich. Hier haben wir Tag für Tag so heftige und anhaltende Regen, daß ich auf die Möglichkeit gefaßt sein muß, entweder einen Tag aufgeha unterwegs aufgehalten zu werden, oder gar nicht zu Fuß weiter zu können, sondern von Naumburg, oder sonst wo immerfort nach München fahren zu müßen. Denk’ wie infam ein Irrgehn und Verfehlen. Ich dächte, Du erwartest mich lieber be München bei a Bier, und machtest etwanige Abstecher lieber vor oder nachher. Dein Brief war ja so schon, als wenn wir uns unverhofft unter Lerchenschlag auf einem Morgenhügel sähen.
Leider schreib’ ich das im furchtbarsten Kopfweh. Aber eben die stets wiederkehrenden Zeichen eines tiefern Uebelbefindens treiben mich über Zweifelsanfälle weg, zu denen es Anlaß genug gegeben. Ich will aus diesem Brief eine Relation machen; desto weniger Odioses und Langweiliges haben wir dann mündlich. Nimm die Worte aber leicht; es ist nichts Sonderliches – nur Hemmung.
Nach Deinem Abgang hab’ ich ein Paar Tage nichts gethan und dann wie ein Bär gearbeitet, aber nichts komponirt.
Vorerst die 6 Kantaten Klvszg und Korrektur; sind in Bonn, wo ich Geld zu holen hoffe. 2. Den Gesetzvorschlag für Gans – der sich mit wahrer Freundschaftlichkeit für meine Min. ang. interessirt, was unter den vorwaltenden Umständen doppelte Achtung und Dankbarkeit verdient.
3 Hab’ ich die Vorarbeiten zum Choralb. fast vollendet – als da sind, Wahl und Prüfung der Lieder, Vergleichung der Choralbücher pp. Nur Seb. Bach und die ältesten fehlen noch. Dies hat mich zu einer neuen Proposition gebracht; nämlich nicht blos die Melodien, sondern alle vier Stimmen, sowie die Choräle in 3stimmigem Satze für weibliche oder männliche Stimmen allein (für Schulen, Militair, Seminare pp) zu ediren. Keiner ist darauf eingegangen. Ich hoffe, damit König und Militairnister zu gewinnen und habe die bedingungsweis stipulirten 20 fr d’or jetzt unbedingt. – Beiläufig hat mir eben diese Arbeit fortwährende Scrupel gegen die Reise erregt. Dein Brief hat mich entschieden, wenigstens nach München zu reisen, sollt’ ich auch dann schnurgrade oder über Dresden zurückeilen. Ich weiß noch nicht.
4. Hab’ ich viel Orgel gespielt und schon manche Entdeckung für die Präl. gemacht. Als da: zu einem Abendlied, oder etwa zu: mit Fried’ und Freud ich fahr dahin, nehme ich die Melodie verziert aufm Oberklavier mit 4 F. Rohrflöte und 16 Fuß vox angelica, ohne 8 Fuß. Klingt als wenn ein süßes junges Kind mit dem alten kränklichen Vater Abends unter der Linde säng. Dazu begleit ich ganz schwach aufm Hauptman. und Pedal mit 8 und 16 Fuß Violon, in still gehenden Stimmen 2 oder 3stimmige Begleitung. Ferner „Mitten wir im Leben sind: alle 16 Füße des Pedals (n icht die allerstärksten nicht) und des Hauptmanuals machen 2stimmigen nachahm. Satz, und die Mel. sehr stark 8 und 4füßig (vorherrschend 8) Ferner zu einem hellen Morgenjubel nehm’ ich alle 4 Fuß, wenige 8 Fuß auf den Manualen, oder dem obern (vorherrschend 4 F. ) lasse sie lustig durcheinander klimpern und klirren und spiele die Mel. sehr stark 16 und 8 Fuß im Pedale. Noch eins hab’ ich im Sinne, habs aber nicht herausbringen können, weil meine Hände wohl Füße, nicht aber Deine Hände Füße Hände sind. Ich meine den Choral vierstimmig, verziert pp auf den gekoppelten Manualen; das Pedal als 2ter Chor dit allen Stimmen dagegen und dadurch. Kurz, es läßt sich viel machen und noch ungeheuer viel finden auf der Orgel. Davon mündlich.
5. hab’ ich ungeheuer für die Ztg. gearbeitet, in 4 Wochen für 12. Gott, wieviel schlechte Musik läuft einem da durch die Finger! Das letzte Unglück der Ztg ist, daß jetzt so gar nichts herauskommt, das ein Wort verdiente und hervorriefe. Uebrigens fehlen mir noch an 3 Druckbogen, und schon hab’ ich in der Zerstreuung und Vorempfindung der Reise jeden Gedanken an Rec. verloren, und keinen Pelzstiefel zur Seite. Und zwar seit Mittwoch Donnerstag Abend bin ich in einem leiden Delirio, das man nur begreift, wenn man so lange gefangen gesessen. Da um halb 7 begleitete ich nämlich mit meiner Kousine eine Freundin derselben zur Post – sie wollte bis nach Brandenburg reisen. Ich war zum erstenmal in einer Passagierstube, von wo man in den Wagen steigt. Rings Ottomanen, wo der Ankommende ruhen kann, wenn er nicht in die GrünBurgstraße No 167 läuft. Ein müder alter Offizier, greisem Kopf und stolzer Haltung, ein schüchternes Mamsellchen, die sich mit stummen Knixen im Voraus jedermann empfahl, ein ovaler Kaufmann, der um Trinkgeld, und andre Groschenausgaben erboßt feilschte, und dabei erst ein Glas, dann den Pfeifenkopf zerbrach, dann den Rockschoß zerriß und erboßt umhersah, weil wir lachen könnten. Dann ein höflicher wichtiger Schirrmeister der meine Fragen nie anders als: (wir (Er und Nagler und der König) haben das so eingerichtet) meine gerührte Kousine, ihre gespannte Freundin, deren hübsches Mädchen in Thränen ob der großen Trennung, der ungewöhnlich dienstwillige Eheherr – alles machte mir schon den Kopf wirblich. Fangen auf einmal zwei Trompeten so hell und heiter an zu blasen, daß mir die Luft vergeht. „’S sei der Postillion, “ sagten sie. Ich dachte fast an ein fürstlich Paar mit 4 Pferden Extrapost; es klang gar zu hoch. Unter dem Vorfahren, Einparken, die Leute werden unruhiger. Da setzen wieder die Trompeten ein, drei, dann vier, es war mir, als wenn alle Straßen wankten, mich herüberzuschaukeln. Wahrlich es kostete mir Ueberwindung, mich nicht an den Wagen zu hängen. Die göttlichen Trompeten! Sie sind königlich. In Amerika können sie nicht klingen. Reiter und Könige und die helle Freiheit. Nun – es waren eben nur Postillione, die sich im Nebenhof übten, wie ich nachher sah. Seitdem hab’ ich noch nicht arbeiten können, sondern kaufe zur Reise ein. Deinen Brief darf ich nun gar nicht mehr lesen, sonst lauf ich heut weg und lasse alles liegen, wie’s will. Jetzt geh ich, einen Paß zu holen.
Was aber – ohne die Ankunft Deines lieben Briefs meine Reise wahrscheinlich hintertrieben hätte, oder lange hinausgeschoben (No 2. meines konfusen Anfangs) ist ein neuer Antrag, den ich auf Hensels Rath beim Min. gemacht: mich auf 2 Jahr nach Rom u. s. w. zu schicken. Ueber das Wesentliche mündlich. Hensel hat sich der Sache brüderlich angenommen, mit dem Min. gesprochen, ihn bereitwillig gefunden, so wie ich Körnern Gans Schulz und Kampzen. Doch haben alle Einleitungen meine Eingabe bis auf vor 10 Tagen verspätet. Nun, wenn ich von der jetzigen Reise sprach, staunte Gans, seufzte Hensel; fragt’ ich aber nach ihrer bestimmten Meinung, ob ich bleiben müße, mir schaden könne, sichre Hoffnung habe, so kriegt ich diagonalen Bescheid. Kurz: ich rechnete nicht sonderlich auf ein Gelingen schon jetzt, und hielt es doch fast für leichtfertig, zu reisen. Noch in diesem Augenblicke fehlen mir (es ist Sonnabend worden) die entscheidenden Gründe aus der Sache; aber Dein Brief hat mich bestimmt, oder vielmehr mir leichtes Blut gemacht neben der Ministerialtinte, die sich schon durch meine Adern wälzte und blähte. Ich werde alle ersinnlichen Vorkehrungen treffen, Schaden abzuwenden. Aber ich will auch einmal meiner Freude und – meiner Wiederherstellung opfern. Morgen früh geh’ ich zu Gans, dann zu Hofräthen, dann zum Minister und Donnerstag reis’ ich, neugeboren in die mir neue Welt. Dank’ Dir dafür – und für noch einiges.
Ich wollte Dir noch viel von Hensels schreiben, nichts als Liebes und Schönes. Aber der Brief muß fort; und ich bin in der tollsten Zerstreuung zwischen Kopfweh, Paßbehörden, Zeitungsarbeiten, und tausend andern Präparatorien.
Aber noch eins. Zu unsrer Korr. hab’ ich ein Portefeuille machen lassen im größten Quart, wie ein großes Schreibbuch, aber zwischen den Blättern Falze, daß alles bequem liegt, auf allen drei Seiten Gürtel wie an Schreibtafeln. Da ist nun alles bequem und räumlich geordnet, Göthe’n würd’ es gefallen, so auch Dir. Euer Zusammensein war wol göttlich
Und nun weg mit der Feder Mir ist nicht betrübt. In kurzer Zeit sehn wir uns wieder. Du bester der Menschen Dein Marx
Wahrlich ich kann nicht mehr schreiben          
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Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName xml:id="placeName_c2f40725-97d2-4168-b982-9af79e647fc3"> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Oxford</settlement> <institution key="RISM">GB-Ob</institution> <repository>Oxford, Bodleian Library</repository> <collection>Music Section</collection> <idno type="signatur">M.D.M. d. 28/51.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="gb-1830-07-03-03" type="letter" xml:id="title_e0661315-385c-4f62-8de1-e3363e4f90d6">Adolph Bernhard Marx an Felix Mendelssohn Bartholdy in München;  Berlin, 2. und 3. Juli 1830</title> <incipit>Nun endlich, Freitags den 3 Juli, kann ich Dir, Liebster, Bescheid und Antwort auf Deinen Brief geben. Ich habe in Arbeiten und Unterhandlungen und Zweifeln gesteckt; die letztern wenigstens sind ganz besiegt, die erstern werden</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>1 Doppelbl. und 1 Bl.: S. 1-5 Brieftext; S. 6 Adresse, 1 Poststempel [BERLIN 7-8 A / 3 / 7], Siegel.</p> <handDesc hands="1"> <p>Adolph Bernhard Marx</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>Green Books</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="printed_letter">Albrecht-Hohmaier, Mendelssohns Paulus, S. 264-266.</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1830-07-02" xml:id="date_78ad4311-ee38-4800-8ee5-1c416da6c4a4">2.</date> und <date cert="high" when="1830-07-03" xml:id="date_69637435-6a5b-41c2-8b8b-4b5755fde5a7">3. Juli 1830</date> </creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0113108" resp="author" xml:id="persName_6247c590-8ddb-4445-bc41-f88edea9a00c">Marx, Adolph Bernhard (1795-1866)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0113108" resp="writer">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_c6c17577-5ed2-4ee6-9d06-88021118ae64"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_1359fbc1-61c0-4d18-9c91-bbc8e80a4914">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_1937a635-b125-46a5-be57-7dd13c2b1e95"> <settlement key="STM0100169">München</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_37e75eaa-7722-43d2-929a-4127701dd16b"> <head> <address> <addrLine>Herrn <hi rend="latintype"><hi n="1" rend="underline">Felix Mendelssohn Bartholdy</hi></hi></addrLine> <addrLine>Wohlgeboren</addrLine> <addrLine>in</addrLine> <addrLine><hi rend="latintype"><hi n="1" rend="underline">München</hi></hi></addrLine> <addrLine>Burggasse <hi rend="latintype">no</hi>. 167.</addrLine> <addrLine><hi n="1" rend="underline">frei</hi></addrLine> </address> </head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_74a158cc-ecf2-40ea-abfc-e5a9a62d76bf"> <docAuthor key="PSN0113108" resp="author" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113108" resp="writer" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">Nun endlich, <seg type="dateline"><date cert="high" when="1830-07-02" xml:id="date_be4baa52-11f7-42a0-bf3e-574ed8d93dec">Freitags den 3 Juli</date></seg>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_d6d3634f-c3eb-4efe-8f3f-45710ea57fe5" xml:lang="de">Freitags den 3 Juli – Marx irrte hier; er schrieb den Briefbeginn am 2. Juli 1830. </note> kann ich Dir,<seg type="salute"> Liebster,</seg> Bescheid und Antwort auf <title xml:id="title_77ae4f00-c6af-46a0-abc5-86335dabd9a3">Deinen Brief <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1830-07-02-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Adolph Bernhard Marx in Berlin; München, vor dem 3. Juli 1830</name> </title> geben. Ich habe in Arbeiten und Unterhandlungen und Zweifeln gesteckt; die letztern wenigstens sind ganz besiegt, die erstern werden es; der <del cert="high" rend="strikethrough">letzteren</del> <add place="above">zweiten<name key="PSN0113108" resp="writers_hand" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name></add> ungeacht – gähnt auch die Hölle! – </p> <p style="paragraph_centered">sitz ich <date cert="high" when="1830-07-08" xml:id="date_78394e8f-ead3-455a-bd16-6a26b43e83f0"><hi n="2" rend="underline">Donnerstag</hi> <hi n="2" rend="underline">den 8 Juli 1830</hi></date>. <hi rend="latintype">p. C. n.</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_d42a3689-d82f-498b-96f8-bc753d9030cf" xml:lang="la ">p. C. n. – lat. post Christum natum, nach Christi Geburt.</note></p> <p style="paragraph_centered">Abends um 6 Uhr</p> <p style="paragraph_without_indent">in der Schnellpost, rolle nach Naumburg und trolle mich in der Stunde meiner Ankunft schon weiter über Kösen nach Jena, Rudolstadt <hi rend="latintype">pp</hi>. – Dies steht fest. Aber die Freude, die Du mir andeutest, Dich schon diesseits München zu finden, scheint mir bedenklich. Hier haben wir Tag für Tag so heftige und anhaltende Regen, daß ich auf die <hi n="1" rend="underline">Möglichkeit</hi> gefaßt sein muß, entweder einen Tag <del cert="high" rend="strikethrough">aufgeha</del> unterwegs aufgehalten zu werden, oder gar nicht zu Fuß weiter zu können, sondern von Naumburg, oder sonst wo immerfort nach München fahren zu müßen. Denk’ wie infam ein Irrgehn und Verfehlen. Ich dächte, Du erwartest mich lieber <choice resp="writer" source="autograph_edition_template"> <corr resp="writer">in</corr> <sic resp="writer">be</sic> </choice> München bei a Bier, und machtest etwanige Abstecher lieber vor oder nachher. Dein Brief war ja so schon, als wenn wir uns unverhofft unter Lerchenschlag auf einem Morgenhügel sähen.</p> <p>Leider schreib’ ich das im furchtbarsten Kopfweh. Aber eben die stets wiederkehrenden Zeichen eines tiefern Uebelbefindens treiben mich über Zweifelsanfälle weg, zu denen es Anlaß genug gegeben. Ich will aus diesem Brief eine Relation<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_9d70e5a0-3d37-4ad6-b1b5-0f5b2618f324" xml:lang="de">Relation – Bericht; von lat. referre.</note> machen; desto weniger Odioses<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_a010cc71-7834-4191-9cf9-b413c90e3600" xml:lang="de">Odioses – Widerwärtiges, Unausstehliches; von lat. odiosus.</note> und Langweiliges haben wir dann mündlich. Nimm die Worte aber leicht; es ist nichts Sonderliches – nur Hemmung.</p> <p>Nach Deinem Abgang<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_22670eb5-9d03-4d38-b2fa-f34b3464a413" xml:lang="de">Deinem Abgang – Felix Mendelssohn war am 13. Mai 1830 von Berlin zu seiner großen Europareise aufgebrochen (Hensel, Tagebücher, S. 28).</note> hab’ ich ein Paar Tage nichts gethan und dann wie ein Bär gearbeitet, aber nichts komponirt.</p> <p>Vorerst die <title xml:id="title_592f930e-14ee-403f-b553-e54b77cd1aec">6 Kantaten<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0111583" style="hidden" type="music">Johann Sebastian Bach, Kirchen-Musik [BWV 101 bis 106] (Herausgabe)</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_1aca5bb2-33dc-48ae-af8c-315c2c2e8c77" xml:lang="de">die 6 Kantaten … sind in Bonn – Adolph Bernhard Marx veröffentlichte die Bach-Kantaten BWV 101 bis 106 im Jahre 1830 unter dem Titel Kirchen-Musik im Bonner Verlag N. Simrock. Der 1. Band enthält: Eingangschor »Nimm von uns, Herr, du treuer Gott« der gleichnamigen Kantate BWV 101 unter dem Titel »Litanei«, Herr, deine Augen sehen nach dem Glauben BWV 102 und Ihr werdet weinen und heulen BWV 103. Der 2. Band enthält: Du Hirte Israel, höre BWV 104, Herr, gehe nicht ins Gericht BWV 105 und Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit (Actus tragicus) BWV 106.</note> Klvszg<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_897dbc81-4245-442c-8caa-efa3c964899d" xml:lang="de">Klvszg – Klavierauszug.</note> und Korrektur; sind in Bonn, wo ich Geld zu holen hoffe. 2. Den Gesetzvorschlag für <persName xml:id="persName_fa206f74-a8a7-4f03-aedf-3c4f43496ff3">Gans<name key="PSN0111279" style="hidden" type="person">Gans, Eduard (bis 1825: Elias) (1797-1839)</name></persName> – der sich mit wahrer Freundschaftlichkeit für meine Min. ang.<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_5e329703-cd52-48e8-a28e-269a2582762d" xml:lang="de">Min. ang. – Ministerialangelegenheit.</note> interessirt, was unter den vorwaltenden Umständen doppelte Achtung und Dank<seg type="pagebreak">|2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg>barkeit verdient. </p> <p>3 Hab’ ich die Vorarbeiten zum <title xml:id="title_fc05306d-f927-4d33-a848-ead542f77dc1">Choralb<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0109899" style="hidden" type="music">Evangelisches Choral- und Orgelbuch. 235 Choräle mit Vorspielen zunächst in Bezug auf das neue berliner Gesangbuch</name></title>. fast vollendet – als da sind, Wahl und Prüfung der Lieder, Vergleichung der Choralbücher <hi rend="latintype">pp</hi>. Nur <persName xml:id="persName_9a018f6c-e7de-4a3f-a5d9-5a9c42330f04">Seb. Bach<name key="PSN0109617" style="hidden" type="person">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name></persName> und die ältesten fehlen noch. Dies hat mich zu einer neuen Proposition gebracht; nämlich nicht blos die Melodien, sondern alle vier Stimmen, sowie die Choräle in 3stimmigem Satze für weibliche oder männliche Stimmen allein (für Schulen, Militair, Seminare <hi rend="latintype">pp</hi>) zu ediren. Keiner ist darauf eingegangen. Ich hoffe, damit <persName xml:id="persName_aedd2b5e-227b-4c39-9950-b1db9551d2f4">König<name key="PSN0113989" style="hidden" type="person">Preußen, Friedrich Wilhelm III. von (1770-1840)</name></persName> und <persName xml:id="persName_da4c263e-58ec-469a-be3f-53024bb9a84d">Mi<del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_726ef175-d87c-41ca-a2db-ad285fa37367">litair</del><add place="above">nister<name key="PSN0113108" resp="writers_hand" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name></add><name key="PSN0115835" style="hidden" type="person">Witzleben, Karl Ernst Job Wilhelm von (1783-1837)</name></persName> zu gewinnen und habe die bedingungsweis stipulirten<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_a6fb3a6b-cda3-4485-8a03-eec6115803f0" xml:lang="de">stipulirten – vertraglich vereinbarten. </note> 20 <hi rend="latintype">fr d’or</hi> jetzt unbedingt. – Beiläufig hat mir eben diese Arbeit fortwährende Scrupel gegen die Reise erregt. Dein Brief hat mich entschieden, wenigstens nach München zu reisen, sollt’ ich auch dann schnurgrade oder über Dresden zurückeilen. Ich weiß noch nicht.</p> <p>4. Hab’ ich viel Orgel gespielt und schon manche Entdeckung für die Präl.<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_5f28adf8-8392-47ca-8993-39ca36c8dddd" xml:lang="de">Präl. – Präludien.</note> gemacht. <hi n="2" rend="underline">Als da</hi>: zu einem Abendlied, oder etwa zu: <title xml:id="title_404588d9-51f4-4cf2-b4fb-462fd005d0df">mit Fried’ und Freud ich fahr dahin<name key="PSN0112987" style="hidden" type="author">Luther, Martin (1483–1546)</name><name key="CRT0109824" style="hidden" type="literature / music">Mit Fried und Freud ich fahr dahin</name></title>, nehme ich die Melodie verziert aufm Oberklavier mit 4 F. Rohrflöte und 16 Fuß <hi rend="latintype">vox angelica</hi>, <hi n="1" rend="underline">ohne</hi> 8 Fuß. Klingt als wenn ein süßes junges Kind mit dem <del cert="high" rend="strikethrough">alten</del> kränklichen Vater Abends unter der Linde säng. Dazu begleit ich ganz schwach aufm Hauptman.<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_bf1f4607-4b93-4ff0-a09a-1c55c1e2bc44" xml:lang="de">Hauptm. – Hauptmanual.</note> und Pedal mit 8 und 16 Fuß Violon, in still gehenden Stimmen 2 oder 3stimmige Begleitung. <hi n="1" rend="underline">Ferner</hi> „<title xml:id="title_4a30abdc-07bb-4ee4-b697-340341dcd194">Mitten wir im Leben sind<name key="PSN0112987" style="hidden" type="author">Luther, Martin (1483–1546)</name><name key="CRT0109825" style="hidden" type="literature">Mitten wir im Leben sind</name></title>: alle 16 Füße des Pedals (n<choice resp="writer" source="autograph_edition_template"> <corr resp="writer">ur</corr> <sic resp="writer">icht</sic> </choice> die allerstärksten nicht) und des Hauptmanuals machen 2stimmigen nachahm. Satz, und die Mel. sehr stark 8 und 4füßig (vorherrschend 8) Ferner zu einem hellen Morgenjubel nehm’ ich alle 4 Fuß, wenige 8 Fuß auf den Manualen, oder dem obern (vorherrschend 4 F.) lasse sie lustig durcheinander klimpern und klirren und spiele die Mel. sehr stark 16 und 8 Fuß im Pedale. Noch eins hab’ ich im Sinne, habs aber nicht herausbringen können, weil meine Hände wohl Füße, nicht aber Deine <del cert="high" rend="strikethrough">Hände</del> Füße Hände sind. Ich meine den Choral vierstimmig, verziert <hi rend="latintype">pp</hi> auf den gekoppelten<seg type="pagebreak"> |3|<pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg> Manualen; das Pedal als 2ter Chor <corr resp="writer">m</corr><choice resp="writer" source="autograph_edition_template"> <corr resp="writer">m</corr> <sic resp="writer">d</sic> </choice>it allen Stimmen dagegen und dadurch. Kurz, es läßt sich viel machen und noch ungeheuer viel finden auf der Orgel. Davon mündlich.</p> <p>5. hab’ ich ungeheuer für <title xml:id="title_1d48d161-7744-42cf-be7a-7349e6e9556c">die Ztg.<name key="PSN0113108" style="hidden" type="author">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name><name key="CRT0111566" style="hidden" type="periodical">Berliner Allgemeine Musikalische Zeitung</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_04f29c23-e795-4b91-bac3-9bdb5cb763f1" xml:lang="de">die Ztg. – die 1824 bis 1830 von Adolph Bernhard Marx herausgegebene Berliner Allgemeine Musikalische Zeitung.</note> gearbeitet, in 4 Wochen für 12. Gott, wieviel schlechte Musik läuft einem da durch die Finger! Das letzte Unglück der Ztg ist, daß jetzt so gar nichts herauskommt, das ein Wort verdiente und hervorriefe. Uebrigens fehlen mir noch an 3 Druckbogen, und schon hab’ ich in der Zerstreuung und Vorempfindung der Reise jeden Gedanken an Rec.<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_77e62c30-cfcb-48bc-be0b-3a90f49edb49" xml:lang="de">Rec. – Rezension.</note> verloren, und keinen Pelzstiefel zur Seite. Und zwar seit <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_b496b556-1009-4343-b494-577b87cf50c6">Mittwoch</del> <add place="above"><hi rend="latintype"><date cert="high" when="1830-07-01" xml:id="date_1286db68-1771-4aa4-8e88-7a6a73f195ce">Donnerstag</date></hi><name key="PSN0113108" resp="writers_hand" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name></add> Abend bin ich in einem leiden Delirio, das man nur begreift, wenn man so lange gefangen gesessen. Da um halb 7 begleitete ich nämlich mit <persName xml:id="persName_74b31f0d-1e1d-4615-9f13-0d9acd2ce420">meiner Kousine<name key="PSN0116451" style="hidden" type="person">Marx, Cousine von → Adolph Bernhard M.</name></persName> eine Freundin derselben zur Post – sie wollte bis nach Brandenburg reisen. Ich war zum erstenmal in einer Passagierstube, von wo man in den Wagen steigt. Rings Ottomanen, wo der <choice resp="writer" source="autograph_edition_template"> <corr resp="writer">An</corr> <sic resp="writer"></sic> </choice>kommende ruhen kann, wenn er nicht in die <del cert="low" rend="strikethrough">Grün</del><add place="above">Burg<name key="PSN0113108" resp="writers_hand" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name></add>straße <add place="above"><hi rend="latintype">No</hi> 167<name key="PSN0113108" resp="writers_hand" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name></add><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_04b9634d-bb7e-4058-b2a8-c83a4dab2f82" xml:lang="de">Burgstraße No 167 – Mendelssohns Adresse in München lautete Burggasse Nr. 167. Dort wohnte er seit dem 11. Juni 1830 bei dem namentlich nicht bekannten Bruder von Peter Joseph Lindpaintner. Vgl. Brief fmb-1830-06-14-02 (Brief Nr. 309) Felix Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy in Berlin, München, 14. Juni 1830.</note> läuft. Ein müder alter Offizier, greisem Kopf und stolzer Haltung, ein schüchternes Mamsellchen, die sich mit stummen Knixen im Voraus jedermann empfahl, ein ovaler Kaufmann, der um Trinkgeld, und andre Groschenausgaben erboßt feilschte, und dabei erst ein Glas, dann den Pfeifenkopf zerbrach, dann den Rockschoß zerriß und erboßt umhersah, weil wir lachen könnten. Dann ein höflicher wichtiger Schirrmeister der meine Fragen nie anders als: <hi n="1" rend="underline"><del cert="high" rend="strikethrough">(</del>wir</hi> (Er und <persName xml:id="persName_3fee5719-be3e-43bf-a4d3-76409faa7a3e">Nagler<name key="PSN0113537" style="hidden" type="person">Nagler, Karl Ferdinand Friedrich (seit 1823/24) von (1770-1846)</name></persName> und der König) haben das so eingerichtet) meine gerührte Kousine, ihre gespannte Freundin, deren hübsches Mädchen in Thränen ob der großen Trennung, der ungewöhnlich dienstwillige Eheherr – alles machte mir schon den Kopf wirblich. Fangen auf einmal zwei Trompeten so hell und heiter an zu blasen, daß mir die Luft vergeht. „’S sei <hi n="1" rend="underline">der</hi> Postillion,“ sagten sie. Ich dachte <choice resp="writer" source="autograph_edition_template"> <corr resp="writer">er</corr> <sic resp="writer">fa</sic> </choice>st an ein fürstlich Paar mit 4 Pferden Extrapost; es klang gar zu hoch. Unter dem Vorfahren, Einparken, die Leute werden<seg type="pagebreak"> |4|<pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg> unruhiger. Da setzen wieder die Trompeten ein, drei, dann vier, es war mir, als wenn alle Straßen wankten, mich herüberzuschaukeln. Wahrlich es kostete mir Ueberwindung, mich nicht an den Wagen zu hängen. Die göttlichen Trompeten! Sie sind königlich. In Amerika können sie nicht klingen. Reiter und Könige und die helle Freiheit. Nun – es waren eben nur Postillione, die sich im Nebenhof übten, wie ich nachher sah. Seitdem hab’ ich noch nicht arbeiten können, sondern kaufe zur Reise ein. Deinen Brief darf ich nun gar nicht mehr lesen, sonst lauf ich <date cert="high" when="1830-07-02">heut</date> weg und lasse alles liegen, wie’s will. Jetzt geh ich, einen Paß zu holen.</p> <p>Was aber – ohne die Ankunft Deines lieben Briefs meine Reise wahrscheinlich hintertrieben hätte, oder lange hinausgeschoben (<hi rend="latintype">No</hi> 2. meines konfusen Anfangs) ist ein neuer Antrag, den ich auf <persName xml:id="persName_b24fe950-ce1e-4070-b0a1-9c269e141cae">Hensels<name key="PSN0111899" style="hidden" type="person">Hensel, Wilhelm (1794-1861)</name></persName> Rath beim Min. gemacht: mich auf 2 Jahr nach Rom u. s. w. zu schicken. Ueber das Wesentliche mündlich. Hensel hat sich der Sache brüderlich angenommen, mit dem Min. gesprochen, ihn bereitwillig gefunden, so wie ich <persName xml:id="persName_761281a6-1009-4d83-b15a-957f23f41deb">Körnern<name key="PSN0117274" style="hidden" type="person">Körner, Christian Gottfried (1756-1831)</name></persName> Gans <persName xml:id="persName_9986b13c-5622-4dab-aa1c-90dabfbf46f7">Schulz<name key="PSN0118213" style="hidden" type="person">Schulze, Johannes Karl Hartwig (1786-1869)</name></persName> und <persName xml:id="persName_5f16112d-084f-4563-9ad4-993d19d3ea1e">Kampzen<name key="PSN0112306" style="hidden" type="person">Kamptz, Carl Christoph Albert Heinrich von (1769-1849)</name></persName>. Doch haben alle Einleitungen meine Eingabe bis auf vor 10 Tagen verspätet. Nun, wenn ich von der <add place="above">jetzigen<name key="PSN0113108" resp="writers_hand" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</name></add> Reise sprach, staunte Gans, seufzte Hensel; fragt’ ich aber nach ihrer bestimmten Meinung, ob ich bleiben <hi n="1" rend="underline">müße</hi>, mir schaden <hi n="1" rend="underline">könne</hi>, sichre Hoffnung <hi n="1" rend="underline">habe</hi>, so kriegt ich diagonalen Bescheid. Kurz: ich rechnete nicht sonderlich auf ein Gelingen schon jetzt, und hielt es doch fast für leichtfertig, zu reisen. Noch in diesem Augenblicke fehlen mir (<seg type="dateline">es ist <date cert="high" when="1830-07-03" xml:id="date_c1f43a95-5fe3-4482-8843-a89163acacf4">Sonnabend</date> worden</seg>) die entscheidenden Gründe aus der Sache; aber Dein Brief hat mich bestimmt, oder vielmehr mir leichtes Blut gemacht neben der Ministerialtinte, die sich schon durch meine Adern wälzte und blähte. Ich werde alle ersinnlichen Vorkehrungen treffen, Schaden abzuwenden. Aber ich will auch einmal meiner Freude<seg type="pagebreak"> |5|<pb n="5" type="pagebreak"></pb></seg> und – meiner Wiederherstellung opfern. Morgen früh geh’ ich zu Gans, dann zu Hofräthen, dann zum Minister und <date cert="high" when="1830-07-08" xml:id="date_03abea24-836e-4a90-b9f4-20b9ab699a0d">Donnerstag</date> reis’ ich, neugeboren in die mir neue Welt. Dank’ Dir dafür – und für noch einiges.</p> <p>Ich wollte Dir noch viel von <persName xml:id="persName_c69622c7-5226-406b-b104-03276d83384a">Hensels<name key="PSN0111890" style="hidden" type="person">Hensel, Familie von → Wilhelm H.</name></persName> schreiben, nichts als Liebes und Schönes. Aber der Brief muß fort; und ich bin in der tollsten Zerstreuung zwischen Kopfweh, Paßbehörden, Zeitungsarbeiten, und tausend andern Präparatorien.</p> <p>Aber noch eins. Zu unsrer Korr.<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_e9a79bb9-3c4d-47d9-95ad-5c3e92dfc6be" xml:lang="de">Korr. – Korrespondenz.</note> hab’ ich ein Portefeuille machen lassen im größten Quart, wie ein großes Schreibbuch, aber zwischen den Blättern Falze, daß alles bequem liegt, auf allen drei Seiten Gürtel wie an Schreibtafeln. Da ist nun alles bequem und räumlich geordnet, <persName xml:id="persName_5ed1faa5-026b-4c79-8a07-fecf83f22901">Göthe’n<name key="PSN0111422" style="hidden" type="person">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName> würd’ es gefallen, so auch Dir. Euer Zusammensein war wol göttlich</p> <closer rend="left">Und nun weg mit der Feder</closer> <closer rend="left">Mir ist nicht betrübt. In kurzer Zeit sehn wir uns wieder.</closer> <closer rend="right">Du bester der Menschen</closer> <signed rend="right">Dein Marx</signed> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_6dfde2bd-8b23-4b50-be97-508499648399"> <docAuthor key="PSN0113108" resp="author" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113108" resp="writer" style="hidden">Marx, Adolph Bernhard (1795–1866)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">Wahrlich ich kann nicht mehr schreiben</p> </div> </body> </text></TEI>