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gb-1826-07-01-01

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Fanny Mendelssohn Bartholdy und Abraham Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy, Felix Mendelssohn Bartholdy, Rebecka Mendelssohn Bartholdy und Paul Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Lea Mendelssohn Bartholdy<lb></lb> Doberan, 30. Juni und 1. Juli 1826 Daselbst bin ich so wohl etablirt, als wohnte ich seit einem Jahre hier. Vater, der eben aus war, piecht ein wenig, aber ich bin frisch genug, Euch zu sagen, daß ich erhitzt und etwas müde Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) unbekannt Felix Mendelssohn Bartholdy an Abraham Mendelssohn Bartholdy und Fanny Mendelssohn Bartholdy in Doberan; Berlin, 18. Juli 1826 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) Transkription: Edition: FMB- Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Deutschland Berlin D-B Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Musikabteilung MA Depos. 3,2,21. Autograph Fanny Mendelssohn Bartholdy und Abraham Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy, Felix Mendelssohn Bartholdy, Rebecka Mendelssohn Bartholdy und Paul Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Lea Mendelssohn Bartholdy; Doberan, 30. Juni und 1. Juli 1826 Daselbst bin ich so wohl etablirt, als wohnte ich seit einem Jahre hier. Vater, der eben aus war, piecht ein wenig, aber ich bin frisch genug, Euch zu sagen, daß ich erhitzt und etwas müde

2 Doppelbl. und 1 Bl., S. 1-9 Brieftext; S. 10 Adresse von Fanny Mendelssohn Bartholdys Hand, 1 Poststempel [DOBERAN 1826 / 2. JULI], Siegel und Vermerk von Lea Mendelssohn Bartholdys Hand: »Weiß. 1 rt.«

Fanny Mendelssohn Bartholdy, Abraham Mendelssohn Bartholdy

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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

30. Juni und 1. Juli 1826 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) DoberanDeutschland Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874) BerlinDeutschland deutsch
An Frau Mendelssohn-Bartholdy in Berlin. Leipziger Straße No. 3.
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847) Dobberan, 30 Juni 26.

Daselbst bin ich so wohl etablirt,Daselbst bin ich so wohl etablirt – Abraham und Fanny Mendelssohn Bartholdy waren gemäß der Datierung vorliegenden Briefs am Abend des 29. Juni 1926 in Doberan angekommen. In der gedruckten Doberaner Badeliste ist abweichend davon der 24. Juni als Ankunftstag festgehalten. Die Mendelssohns wohnten im Haus des Pfarrers Friedrich Ludwig Röper (Zweites Verzeichniß der im Sommer 1826 zu Doberan angekommenen Cur-Gäste und Fremden, Rostock [1826], Nr. 82 und Nr. 83). als wohnte ich seit einem Jahre hier. VaterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835), der eben aus war, piechtpiecht – piechen: berlinerisch, keuchen. ein wenig, aber ich bin frisch genug, Euch zu sagen, daß ich erhitzt und etwas müde bin. Wir sind gestern 21 Stunden gefahren, von 1/25 bis nach 1. Die 7meilige 7melige Station, vor der ich mich wie vor der Wüste Saharah gefürchtet hatte, war durch Hitze und Staub glücklich zurück gelegt, als wir in Güstrow einen Postillion bekamen, der den Weg nach Dobberan noch nicht gemacht hatte, und dennoch keinen Wegweiser annehmen wollte. Er mußte nun an jedem hölzernen hinauf klettern, um in der Dunkelheit die Schrift zu erkennen, und sich endlich doch entschließen, da Vater uns verirrt glaubte, in einem Dorfe einen Bauer heraus zu trommeln, durch dessen weise Leitung wir denn endlich den wahren Weg zum Heile erkannten. Ich war sehr geneigt, den Himmel für einen Dudelsack anzusehn, denn ich konnte vor Müdigkeit weder stehen noch sitzen, aber der wie ein Goldklumpen aufgehende Mond belehrte mich eines Bessern. Es hat etwas Reizendes, einen Ort zuerst in zweifelhaftem Lichte erkennenzu sehnMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847), es war hell genug, das V die Gegenstände im Umris zu erkennen, und meine Neugier zu spannen, die auch bisjetzt der drückenden Hitze wegen, noch nicht befriedigt ist. Unter den vielen großen Städten, die wir gesehn, |2| hat mir Neustrelitz am wenigsten mißfallen. Der See war durch eine schöne Abendbeleuchtung verherrlicht, und im Wirthhaus staubte es nicht, was mir noch lieber war. Als wir Neustrel. verließen, sahen wir etwas, das auch noch keinem Reisenden an dieser Stelle mag vorgekommen seyn, (lest von hier an ja nicht vor) einen großen Wasserfall nämlich, die pissevache.pissevache – Anspielung auf den 114 Meter hohen Wasserfall zwischen Martigny und Saint-Maurice im Wallis (Schweiz). Wir hätten hier auch 6 oder 7 sehn können, vielleicht gar 20 oder 40, denn so viel vachen waren es wenigstens, die uns aus Strel. begleiteten. – Während des Fahrens dachte ich zuweilen der andre Wagen mit Euch sey vor oder nachkommend, aber bei Tisch fiel diese Täuschung ganz weg. – Ich sehe schon, Du liebe Mutter wirst uns wollen wohnen sehn. Ich werde mich bei allen Örtlichkeiten, beliebiger Kürze wegen, auf das Reisebuch Felixdas Reisebuch Felix – Fanny Mendelssohn Bartholdy verwies nicht nur hier auf Aufzeichnungen des Bruders Felix aus Doberan vom Juli 1824, die nicht überliefert sind. Neben den von dort geschriebenen Briefen (Druck: MSB Bd. 1, Nr. 41-50) hat er möglicherweise noch eine Art Tagebuch in Doberan geführt. berufen. Vater schläft in demselben Zimmer, das er vor 2 J. hatte,demselben Zimmer, das er vor 2 J. hatte – Abraham Mendelssohn Bartholdy hatte sich mit dem Sohn Felix vom 3. Juli bis Anfang August 1824 in Doberan zu einer Badekur aufgehalten. ich in dem der Damen BayerBeyer, von, zwei Schwestern in Berlin (siehe “Felix”)der Damen Bayer (siehe “Felix”) – In Felix Mendelssohn Bartholdys Briefen aus Doberan von 1824 werden die Schwestern nicht erwähnt. Gemeint sind »Zwey Fräulein v. Beyer, aus Berlin«, die sich ab dem 5. Juli 1824 in Doberan aufgehalten hatten (Drittes Verzeichniß der im Sommer 1824 zu Doberan angekommenen Cur-Gäste und Fremden, Rostock [1824], Nr. 166 und Nr. 167). mit der Aussicht auf ein Blumengärtchen. An dieses stößt ein hübsches großes Zimmer mit der Aussicht auf den KampKamp – um 1800 angelegte Promenade in Doberan; im 19. Jahrhundert der gesellschaftliche Mittelpunkt der Stadt., das meine, und ein 2tes ähnliches, Vaters Wohnzimmer. Die ersten weiblichen Bekannten, die ich hier erblickte, die beiden Wölfinnen, erregten mir eine große Freude, und wir heulten nicht so wohl miteinander, als wir vielmehr fielmehr schnatterten und lachten.

|3| Uebrigens ist Dobberan noch ganz im négligé, MediniMedini, Gaetano (Gustav) (1772-1857), HarmonieHarmoniemusik (Hofharmonie)DoberanDeutschland,Harmonie – Die Harmoniemusiken in Doberan wurden von der »Hof-Harmonie« aus Ludwigslust des im Sommer anwesenden Großherzogs Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin veranstaltet. In der Sommersaison 1826 spielte das Orchester erstmals am Sonntag, dem 9. Juli; siehe Brief gb-1826-07-12-01 Fanny Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy, Felix Mendelssohn Bartholdy, Rebecka Mendelssohn Bartholdy und Paul Mendelssohn Bartholdy in Berlin, Doberan, 11. und 12. Juli 1826. ErbgroßherzoginMecklenburg-Schwerin, Friederike Wilhelmine Alexandrine Maria Helene von (1803-1892), Friseur, alle diese Dinge kommen erst in einigen Tagen, und der Gästeschwarm hinterher. – Lieber Felix, Du brauchst nicht zu fürchten, daß ich meinen Geschmack an guter Musik hier verliere, Mme. RobertRobert-Tornow, Ernestine (1794-1846) hat für Klassisches gesorgt, und eine Menge, BlanginiBlangini, Giuseppe Marco Maria Felice (1781-1841) – dini – rini – CalcaraCalcara, Herr – dara – trara und mehr dergl. mitgebracht. Ich werde mich also diese 4 Wochen über auf das Studium der Trommelbässe legen. Sie hat übrigens ein recht gutes Instrument (wenn i nur was davon hätt’)wenn i nur was davon hätt’ – von der Figur des Staberl ständig und für jede Situation verwendete Redewendung in Adolf Bäuerles Wiener Lustspiel Die Bürger in Wien (UA Wien, 1813). wenn nur erst der Clavierstimmer da wäre. 3 Exemplare des Titan<name key="PSN0114173" style="hidden" type="author">Richter, Johann Paul Friedrich (Pseud.: Jean Paul) (1763–1825)</name><name key="CRT0110459" style="hidden" type="literature">Titan</name>Titan – Roman von Jean Paul, Erstdruck: 4 Bde., Berlin 1800-1803. logiren hier, WolffsWolff, Friderike Auguste (1806-?)Wolff, Johanna Caroline (1805-?) haben eins, und der PastorRöper, Friedrich Ludwig (1768-1830) auch eins. RebeckaMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858), in meiner Schlafstube steht noch ein Bett, da liegt mein Hut drin. – Beruhigt Tante JetteMendelssohn, Henriette Maria (Jette) (1775-1831) über den Toilettenartikel, alles ist gut angekommen, und ich werde mich gräulich putzen. Heut bin ich schon en Jockoen Jocko – wie ein Affe; Jocko: Affe, Orang-Utan oder Schimpanse. Eine beliebte Figur in Theaterpossen. E. T. A. Hoffmann verwendet die Figur in der »Nachricht von einem gebildeten jungen Mann« (Fantasiestücke in Callot’s Manier, viertes Stück der »Kreisleriana«). Siehe auch Adolph Bernhard Marx, Erinnerungen, Bd. 2, Leipzig 1868, S. 127 f. gewichst, Mittags essen wir mit den Hausgenossen, Fräulein RöperRöper, Julie Elisabeth (1802-1872) ist allerliebst, wenn ich ihr nur halb so gefalle, wie sie mir, bin ich schon zufrieden. – Nachmittags. Wir fahren noch heut ans Meer, gegen Sonnenuntergang. Ich bin sehr gespannt darauf. Jetzt habe ich auch erfahren, woher wir eigentlich so sehr weitläufig wohnen, sie haben geglaubt, Marianne SaalingSaaling (Saling), Helene Luise Marianne (bis 1812: Mirjam Salomon) (1786-1868) würde mit uns wohnen, und da dies nicht der Fall ist, findet sichs, daß Marianne keine |4| Wohnung in unserm Hause hat, Vater hat aber nebenan beim Dr. SchmidtSchmidt, Friedrich (S. F.) für sie gemiethet. – Sonntag fürchten wir noch keine Briefe von Euch zu bekommen, da die Post schon Donnerstag gegangen ist. So viel wißt, Alles ist mir hier neu, alle Einrichtungen im Hause gefallen mir, und ich werde mich außerordentlich amüsiren. Frau Präpositus Prpositus Röper, Charlotte Lucia (1769-1837) ist doch ein harter Titel? Allein bei einiger näheren Bekanntschaft denke ich mich davon loszusagen.

Lieber Felix, sage RitzRietz, Eduard Theodor Ludwig (1802-1832), daß ich von dem Postmeister in Gransee erfahren habe, dieser sehe seinen VaterRietz, Johann Friedrich (1767-1828) täglich, der befinde sich sehr wohl. Liebe Rebecka eine kleine Bitte, Du wirst in meinem Nähtisch ein Alphabet großer und kleiner gothischer Buchstaben auf einem kleinen Tippbogen finden, Du weißt schon, dies bitte ich Dich, herzuschicken, Du kannst allenfalls die Nummern abschneiden wenn es zu groß ist. Frl. Röpers Aussteuer soll danach gezeichnet werden. Lieber Paul, Dir weiß ich nichts zu sagen, das Dich besonders interessiren könnte, ich denke aber an Dich so gut, als an die Andern, das weißt Du. Morgen sollst Du erfahren, ob die See naß ist oder nicht. Ich habe unterwegs sehr viel musicirt und mir unter Andern Fs halbe OperFs halbe Oper – Mendelssohn war vor der Abreise der Schwester Fanny nach Doberan mit der Komposition der Oper Die Hochzeit des Camacho op. 10 (MWV L 5) beschäftigt gewesen. vorgedacht. Bei meiner natürlichen, und vielseitig ausgebildeten Anlage zum Schlafen war es mir unangenehm auf der Reise dies Talent gar nicht anwenden zu können. Hingegen habe |5| ich viel in Blumen- Frucht- und Dornenstücken<name key="PSN0114173" style="hidden" type="author">Richter, Johann Paul Friedrich (Pseud.: Jean Paul) (1763–1825)</name><name key="CRT0110458" style="hidden" type="literature">Blumen-, Frucht- und Dornenstükke oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten F. St. Siebenkäs im Reichsmarktflecken Kuhschnappel</name> gelesen, und über eine Stelle darin, 2 Stunden im Withshaus zu Waren gelacht. Es ist ein prächtiges Buch.

Fanny Mendelssohn Bartholdy
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)

ich werde mich für diese Reise wohl kurz zu fassen haben. Kluges wächßt in Dobberan wenig, und dummes Zeug hatte Fanny hier zu placiren, dazu ist es zu warm.

Daß man an einem diminutivo von Heimweh bis zur Verzweiflung und zum Ausziehn leiden könne, hat Mad. Robert hier erfahren, und seitdem ich im vorigen Jahre in unsrer Gartenschlafstube erprobt erfahren , was einem ein Heimchen zu schaffen machen kann, finde ich es allerdings natürlich, daß man einem ganzen Chor oder Orchester derselben ad ogni costoad ogni costo – ital., um jeden Preis. aus auf dem Wege gehn geht geht. Wenn nur wenigstens die Heimchen auf ini oder ara endeten wie FannyMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847) sagte; Me R. wollte aus dem Hause aber RöpersRöper, Familie von → Friedrich Ludwig R. laßen sie nicht, und da ihrem ungebildeten musikalischen Sinne, die künstlichen Melodien weniger zusagen als die natürlichen herzlichen, ungeschminckten der Rüpel, vierfüßigen Thiere und Grillen, so |6| werden sie im schlimmsten Falle mit Me R. tauschen. Dies ist für jezt das wichtigste Hausereignis, denn es kann Euch wenig interessiren zu erfahren, daß man hier den Dr NeuburgNeuburg, Johann Georg (vorh. Simon) (1757-1830) und Marianne Saaling für 7/8 von Braut und Bräutigam gehalten, und darauf, und auf die Vermuthung hin, Fanny würde mit Marianne und ich mit dem Bräutigam zusammen wohnen und allen Wohnungen zugesagt hatten, die nun sich nicht wohl wollen finden laßen. Marianne hat aber in dem unmittelbar angränzenden Hause eine recht hübsche Wohnung, und kann sogar mit dem Bräutigam, der hier wohnen kann aus dem Fenster correspondiren.

Dobberan ist übrigens zu Waßer und zu Lande so still wie ich es noch nicht gesehen; das Meer spiegelglatt, und der Kamp Kirchenstarr.

und somit seyd alle Gott befohlen samt und sonders!

Noch eins liebe Lea! laße die anliegende Anweisung in der Lindenstraße 48 eincassiren |7| geht sie ein, so zeige es mir an, und gieb das Geld an Leopold LimanLiman (vorh. Liepmann), Leopold Christian (1784-?), CasparsCasper, Johann Ludwig (1796-1864) Schwager,Leopold Liman, Caspars Schwager – Der Berliner Bankier Leopold Christian Liman war seit 1817 mit Wilhelmine Adelheid Casper, der Schwester des Mediziners Johann Ludwig Casper, verheiratet. damit er es mitbringe; geht sie nicht ein, so schicke sie ohne Weiteres zurück.

Ich grüße Dich und alle herzlich. Abraham Mendelssohn Bartholdy
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)

Gestern wurde uns die Meerfahrt versalzen, Vogel kam, kam spät, und ich schämte mich ganz entsetzlich, ihm als B b rauchen-wollende vorgestellt zu werden, und wenn ich die Wahrheit sagen soll, so ho wünschte ich mir zum erstenmal in meinem Leben ein Endechen Krankheit an den Hals. Ich habe ihm Minna WernersWerner, Minna Grüße bestellt, und bitte Dich, derselben durch NatalieNatalie, Frau sagen zu lassen, daß er mit der größten Theilnahme und aufs detaillierteste nach ihr und den ihrigen Irigen gefragt. Heute früß also gings ans Meer, das spiegelglatt und in seiner Majestät unendlich lieblich war. Ihr würdet sagen, es sey grotesk, ich würde was anders sagen, wenn ich überhaupt was sagen wollte. Das Wannenseebad hat mich schon so entzückt, daß ich mit der größten Sehnsucht dem See. Seebade entgegen sehe. Und nach dem Bade unter die Säulen des BadehausesBadehaus HeiligendammHeiligendammDeutschlanddes Badehauses – das 1795/96 nach Plänen von Johann Christoph Heinrich von Seydewitz (1748-1824) errichtete Kurhaus von Heiligendamm (heute ein Stadtteil von Bad Doberan) mit Anbauten von Carl Theodor Severin (1763-1838) aus dem Jahr 1820. zu treten, und wieder in die liebe Fluth zu sehn – Felix Du weißt ja, wie das ist. Ich finde den Unterschied des Eindrucks |8| zwischen der Berg- und Meergröße sehr bedeutend. Ein Berg drückt mehr nieder, und ein danebenstehender Mensch Vergleichungspunkt, ein Haus oder ein Mensch läßt uns unsre Zwergnatur deutlich empfinden. Beim Meer ists ganz anders. Ein davor stehener Mensch bedeckt schon einen bedeutenden Theil der sichtbaren Fläche, eine lumpige Segelstange überragt sie, und die stille Größe die wir mehr ahnden als sinnlich wahrnehmen, wirkt um so tiefer. Ich möchte wissen, was ein Mensch empfände, der das Meer sähe, ohne zu wissen, daß seine Ausdehnung weit über unsere sinnliche Wahrnehmung reicht. Jetzt ein Trompetenstoß, und nun verkündige ich Euch, daß ich nicht nur ein Instrument, sondern die Wahl zwischen zweien haben werde, unter denen ich dann offenbar das was weniger verstimmte nehme. Musikal. Leiden und Freuden habe ich auch schon gehabt, Mme. Robert sang „Glöcklein im Thale<name key="PSN0115645" style="hidden" type="author">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786–1826)</name><name key="CRT0111242" style="hidden" type="music">Euryanthe op. 81 (WeV C. 9)</name><name key="PSN0115645" style="hidden" type="author">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786–1826)</name><name key="CRT0111242" style="hidden" type="music">Euryanthe op. 81 (WeV C. 9)</name><name key="PSN0115645" style="hidden" type="author">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786–1826)</name><name key="CRT0111242" style="hidden" type="music">Euryanthe op. 81 (WeV C. 9)</name>„Glöcklein im Thale„ – Kavatine der Euryanthe aus Carl Maria von Webers gleichnamiger Oper op. 81. allerliebst, und mein Heim- oder Heimchenweh<name key="PSN0111893" style="hidden" type="author">Hensel, Fanny Cäcilia (1805–1847)</name><name key="CRT0111617" style="hidden" type="music">»Das Heimweh« für eine Singstimme und Klavier HU 129 (19. Juli 1824)</name> so, daß mir noch die Zähne davon knirren.knirren – veraltet für »knirschen«. Ich möchte Dir Felix gleich die ganze Melodie hersetzen, die sie daraus gemacht, und wie sie unter andern bei „o Schmerzenslaut„ den ersten Ton b tapfer in a umsetzte. – Seyd nur Alle recht vergnügt, während wir fort sind, denn wenn ich mich, so wie heut früh am Meere, so ausgelassen, und innig zugleich freue, und mir |9| dann plötzlich durch den Kopf fährt, MutterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842) könnte Verdruß mit JetteMendelssohn, Henriette Maria (Jette) (1775-1831) haben, oder PaulMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874) mit der Schule, oder RebMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858). mit ihren Augen, od. Felix mit sich selbst, dann durchfährt es mich wie mit einem Messer. Heut esse ich noch mit den Damen hier zusammen, morgen werden wir Alle alle miteinander dem GroßherzogMecklenburg-Schwerin, Friedrich Franz I. von (1756-1837) vorgeführt, Präpositus ist schon böse, daß es nicht geschehn, als wir noch in Berlin waren. Heute Abend fahren wir wieder nach dem Bade, denn ich will nun einmal partout die Sonne da untergehn sehn, und gestern mußte ich, weil daMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847) sie unterging untergehe , aufgehn, nämlich in mein Zimmer, und dem geheimen Vogel nachfliegen. Alles hier im Hause lebt wie ein Olymp voll Götter in Frankreich, bis auf Mme R. der die grillenhaften Heimchen den Schlaf nehmen. Ein HeimHeim, Ernst Ludwig (1747-1834) sollte sie gesund machen, und ein Heimchen macht sie krank. Verzeiht! Ach! Ich kann hier gar kein dummes Zeug sprechen, die Wölfe sind viel zu klug, vor dem PräpositusRöper, Friedrich Ludwig (1768-1830) habe ich Respekt, die FrauRöper, Charlotte Lucia (1769-1837) ist zu sanft, und die TochterRöper, Julie Elisabeth (1802-1872) Braut. Ich habe nur noch den halben Bogen, und muß doch wol nun anfangen, meine Grüße auszupacken. Alles in Partien: alle Hausgenossen, dito Freunde, halb Charlottenb., und ZelterZelter, Carl Friedrich (1758-1832), der heute Sonnab. um 2 hoffentlich in der Leipzig. Str. No. 3 ist. Hier hat die Woche keine Tage, und der Tag keine Stunden, er läuft so in einem fort. Nun leben Sie tausendmal wohl, und verbleiben Sie meinen theuern

Mutter und Geschwister.

|1| (Jetzt ein Intermezzo mit der Wäscherin)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805–1847)

Fanny Mendelssohn Bartholdy
            Dobberan, 30 Juni 26. Daselbst bin ich so wohl etablirt, als wohnte ich seit einem Jahre hier. Vater, der eben aus war, piecht ein wenig, aber ich bin frisch genug, Euch zu sagen, daß ich erhitzt und etwas müde bin. Wir sind gestern 21 Stunden gefahren, von 1/25 bis nach 1. Die 7melige Station, vor der ich mich wie vor der Wüste Saharah gefürchtet hatte, war durch Hitze und Staub glücklich zurück gelegt, als wir in Güstrow einen Postillion bekamen, der den Weg nach Dobberan noch nicht gemacht hatte, und dennoch keinen Wegweiser annehmen wollte. Er mußte nun an jedem hölzernen hinauf klettern, um in der Dunkelheit die Schrift zu erkennen, und sich endlich doch entschließen, da Vater uns verirrt glaubte, in einem Dorfe einen Bauer heraus zu trommeln, durch dessen weise Leitung wir denn endlich den wahren Weg zum Heile erkannten. Ich war sehr geneigt, den Himmel für einen Dudelsack anzusehn, denn ich konnte vor Müdigkeit weder stehen noch sitzen, aber der wie ein Goldklumpen aufgehende Mond belehrte mich eines Bessern. Es hat etwas Reizendes, einen Ort zuerst in zweifelhaftem Lichte erkennenzu sehn, es war hell genug, das V die Gegenstände im Umris zu erkennen, und meine Neugier zu spannen, die auch bisjetzt der drückenden Hitze wegen, noch nicht befriedigt ist. Unter den vielen großen Städten, die wir gesehn, hat mir Neustrelitz am wenigsten mißfallen. Der See war durch eine schöne Abendbeleuchtung verherrlicht, und im Wirthhaus staubte es nicht, was mir noch lieber war. Als wir Neustrel. verließen, sahen wir etwas, das auch noch keinem Reisenden an dieser Stelle mag vorgekommen seyn, (lest von hier an ja nicht vor) einen großen Wasserfall nämlich, die pissevache. Wir hätten hier auch 6 oder 7 sehn können, vielleicht gar 20 oder 40, denn so viel vachen waren es wenigstens, die uns aus Strel. begleiteten. – Während des Fahrens dachte ich zuweilen der andre Wagen mit Euch sey vor oder nachkommend, aber bei Tisch fiel diese Täuschung ganz weg. – Ich sehe schon, Du liebe Mutter wirst uns wollen wohnen sehn. Ich werde mich bei allen Örtlichkeiten, beliebiger Kürze wegen, auf das Reisebuch Felix berufen. Vater schläft in demselben Zimmer, das er vor 2 J. hatte, ich in dem der Damen Bayer (siehe “Felix”) mit der Aussicht auf ein Blumengärtchen. An dieses stößt ein hübsches großes Zimmer mit der Aussicht auf den Kamp, das meine, und ein 2tes ähnliches, Vaters Wohnzimmer. Die ersten weiblichen Bekannten, die ich hier erblickte, die beiden Wölfinnen, erregten mir eine große Freude, und wir heulten nicht so wohl miteinander, als wir fielmehr schnatterten und lachten.
 Uebrigens ist Dobberan noch ganz im négligé, Medini, Harmonie, Erbgroßherzogin, Friseur, alle diese Dinge kommen erst in einigen Tagen, und der Gästeschwarm hinterher. – Lieber Felix, Du brauchst nicht zu fürchten, daß ich meinen Geschmack an guter Musik hier verliere, Mme. Robert hat für Klassisches gesorgt, und eine Menge, Blangini – dini – rini – Calcara – dara – trara und mehr dergl. mitgebracht. Ich werde mich also diese 4 Wochen über auf das Studium der Trommelbässe legen. Sie hat übrigens ein recht gutes Instrument (wenn i nur was davon hätt’) wenn nur erst der Clavierstimmer da wäre. 3 Exemplare des Titan logiren hier, Wolffs haben eins, und der Pastor auch eins. Rebecka, in meiner Schlafstube steht noch ein Bett, da liegt mein Hut drin. – Beruhigt Tante Jette über den Toilettenartikel, alles ist gut angekommen, und ich werde mich gräulich putzen. Heut bin ich schon en Jocko gewichst, Mittags essen wir mit den Hausgenossen, Fräulein Röper ist allerliebst, wenn ich ihr nur halb so gefalle, wie sie mir, bin ich schon zufrieden. – Nachmittags. Wir fahren noch heut ans Meer, gegen Sonnenuntergang. Ich bin sehr gespannt darauf. Jetzt habe ich auch erfahren, woher wir eigentlich so sehr weitläufig wohnen, sie haben geglaubt, Marianne Saaling würde mit uns wohnen, und da dies nicht der Fall ist, findet sichs, daß Marianne keine Wohnung in unserm Hause hat, Vater hat aber nebenan beim Dr. Schmidt (S. F. ) für sie gemiethet. – Sonntag fürchten wir noch keine Briefe von Euch zu bekommen, da die Post schon Donnerstag gegangen ist. So viel wißt, Alles ist mir hier neu, alle Einrichtungen im Hause gefallen mir, und ich werde mich außerordentlich amüsiren. Frau Präpositus Prpositus ist doch ein harter Titel? Allein bei einiger näheren Bekanntschaft denke ich mich davon loszusagen.
Lieber Felix, sage Ritz, daß ich von dem Postmeister in Gransee erfahren habe, dieser sehe seinen Vater täglich, der befinde sich sehr wohl. Liebe Rebecka eine kleine Bitte, Du wirst in meinem Nähtisch ein Alphabet großer und kleiner gothischer Buchstaben auf einem kleinen Tippbogen finden, Du weißt schon, dies bitte ich Dich, herzuschicken, Du kannst allenfalls die Nummern abschneiden wenn es zu groß ist. Frl. Röpers Aussteuer soll danach gezeichnet werden. Lieber Paul, Dir weiß ich nichts zu sagen, das Dich besonders interessiren könnte, ich denke aber an Dich so gut, als an die Andern, das weißt Du. Morgen sollst Du erfahren, ob die See naß ist oder nicht. Ich habe unterwegs sehr viel musicirt und mir unter Andern Fs halbe Oper vorgedacht. Bei meiner natürlichen, und vielseitig ausgebildeten Anlage zum Schlafen war es mir unangenehm auf der Reise dies Talent gar nicht anwenden zu können. Hingegen habe ich viel in Blumen- Frucht- und Dornenstücken gelesen, und über eine Stelle darin, 2 Stunden im Withshaus zu Waren gelacht. Es ist ein prächtiges Buch.
Fanny Mendelssohn Bartholdy
ich werde mich für diese Reise wohl kurz zu fassen haben. Kluges wächßt in Dobberan wenig, und dummes Zeug hatte Fanny hier zu placiren, dazu ist es zu warm.
Daß man an einem diminutivo von Heimweh bis zur Verzweiflung und zum Ausziehn leiden könne, hat Mad. Robert hier erfahren, und seitdem ich im vorigen Jahre in unsrer Gartenschlafstube erfahren, was einem ein Heimchen zu schaffen machen kann, finde ich es allerdings natürlich, daß man einem ganzen Chor oder Orchester derselben ad ogni costo auf dem Wege gehn. Wenn nur wenigstens die Heimchen auf ini oder ara endeten wie Fanny sagte; Me R. wollte aus dem Hause aber Röpers laßen sie nicht, und da ihrem ungebildeten musikalischen Sinne, die künstlichen Melodien weniger zusagen als die natürlichen herzlichen, ungeschminckten der Rüpel, vierfüßigen Thiere und Grillen, so werden sie im schlimmsten Falle mit Me R. tauschen. Dies ist für jezt das wichtigste Hausereignis, denn es kann Euch wenig interessiren zu erfahren, daß man hier den Dr Neuburg und Marianne Saaling für 7/8 von Braut und Bräutigam gehalten, und darauf, und auf die Vermuthung hin, Fanny würde mit Marianne und ich mit dem Bräutigam zusammen wohnen und allen Wohnungen zugesagt hatten, die nun sich nicht wohl wollen finden laßen. Marianne hat aber in dem unmittelbar angränzenden Hause eine recht hübsche Wohnung, und kann sogar mit dem Bräutigam, der hier wohnen kann aus dem Fenster correspondiren.
Dobberan ist übrigens zu Waßer und zu Lande so still wie ich es noch nicht gesehen; das Meer spiegelglatt, und der Kamp Kirchenstarr.
und somit seyd alle Gott befohlen samt und sonders!
Noch eins liebe Lea! laße die anliegende Anweisung in der Lindenstraße 48 eincassiren geht sie ein, so zeige es mir an, und gieb das Geld an Leopold Liman, Caspars Schwager, damit er es mitbringe; geht sie nicht ein, so schicke sie ohne Weiteres zurück.
Ich grüße Dich und alle herzlich. Abraham Mendelssohn Bartholdy
Gestern wurde uns die Meerfahrt versalzen, Vogel kam, kam spät, und ich schämte mich ganz entsetzlich, ihm als brauchen-wollende vorgestellt zu werden, und wenn ich die Wahrheit sagen soll, so ho wünschte ich mir zum erstenmal in meinem Leben ein Endechen Krankheit an den Hals. Ich habe ihm Minna Werners Grüße bestellt, und bitte Dich, derselben durch Natalie sagen zu lassen, daß er mit der größten Theilnahme und aufs detaillierteste nach ihr und den Irigen gefragt. Heute früß also gings ans Meer, das spiegelglatt und in seiner Majestät unendlich lieblich war. Ihr würdet sagen, es sey grotesk, ich würde was anders sagen, wenn ich überhaupt was sagen wollte. Das Wannenseebad hat mich schon so entzückt, daß ich mit der größten Sehnsucht dem See. Seebade entgegen sehe. Und nach dem Bade unter die Säulen des Badehauses zu treten, und wieder in die liebe Fluth zu sehn – Felix Du weißt ja, wie das ist. Ich finde den Unterschied des Eindrucks zwischen der Berg- und Meergröße sehr bedeutend. Ein Berg drückt mehr nieder, und ein danebenstehender Mensch Vergleichungspunkt, ein Haus oder ein Mensch läßt uns unsre Zwergnatur deutlich empfinden. Beim Meer ists ganz anders. Ein davor stehener Mensch bedeckt schon einen bedeutenden Theil der sichtbaren Fläche, eine lumpige Segelstange überragt sie, und die stille Größe die wir mehr ahnden als sinnlich wahrnehmen, wirkt um so tiefer. Ich möchte wissen, was ein Mensch empfände, der das Meer sähe, ohne zu wissen, daß seine Ausdehnung weit über unsere sinnliche Wahrnehmung reicht. Jetzt ein Trompetenstoß, und nun verkündige ich Euch, daß ich nicht nur ein Instrument, sondern die Wahl zwischen zweien haben werde, unter denen ich dann offenbar was weniger verstimmte nehme. Musikal. Leiden und Freuden habe ich auch schon gehabt, Mme. Robert sang „Glöcklein im Thale„ allerliebst, und mein Heim- oder Heimchenweh so, daß mir noch die Zähne davon knirren. Ich möchte Dir Felix gleich die ganze Melodie hersetzen, die sie daraus gemacht, und wie sie unter andern bei „o Schmerzenslaut„ den ersten Ton b tapfer in a umsetzte. – Seyd nur Alle recht vergnügt, während wir fort sind, denn wenn ich mich, so wie heut früh am Meere, so ausgelassen, und innig zugleich freue, und mir dann plötzlich durch den Kopf fährt, Mutter könnte Verdruß mit Jette haben, oder Paul mit der Schule, oder Reb. mit ihren Augen, od. Felix mit sich selbst, dann durchfährt es mich wie mit einem Messer. Heut esse ich noch mit den Damen hier zusammen, morgen werden wir alle miteinander dem Großherzog vorgeführt, Präpositus ist schon böse, daß es nicht geschehn, als wir noch in Berlin waren. Heute Abend fahren wir wieder nach dem Bade, denn ich will nun einmal partout die Sonne da untergehn sehn, und gestern mußte ich, weil da sie untergehe, aufgehn, nämlich in mein Zimmer, und dem geheimen Vogel nachfliegen. Alles hier im Hause lebt wie ein Olymp voll Götter in Frankreich, bis auf Mme R. der die grillenhaften Heimchen den Schlaf nehmen. Ein Heim sollte sie gesund machen, und ein Heimchen macht sie krank. Verzeiht! Ach! Ich kann hier gar kein dummes Zeug sprechen, die Wölfe sind viel zu klug, vor dem Präpositus habe ich Respekt, die Frau ist zu sanft, und die Tochter Braut. Ich habe nur noch den halben Bogen, und muß doch wol nun anfangen, meine Grüße auszupacken. Alles in Partien: alle Hausgenossen, dito Freunde, halb Charlottenb., und Zelter, der heute Sonnab. um 2 hoffentlich in der Leipzig. Str. No. 3 ist. Hier hat die Woche keine Tage, und der Tag keine Stunden, er läuft so in einem fort. Nun leben Sie tausendmal wohl, und verbleiben Sie meinen theuern
Mutter und Geschwister.
 (Jetzt ein Intermezzo mit der Wäscherin)
Fanny Mendelssohn Bartholdy          
            <TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="gb-1826-07-01-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="gb-1826-07-01-01" xml:id="title_bb71b708-fe09-475b-9d58-54fe588c2df3">Fanny Mendelssohn Bartholdy und Abraham Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy, Felix Mendelssohn Bartholdy, Rebecka Mendelssohn Bartholdy und Paul Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Lea Mendelssohn Bartholdy<lb></lb> Doberan, 30. Juni und 1. Juli 1826</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_928bf692-591e-4eb1-a1d1-7a0d9cd72437">Daselbst bin ich so wohl etablirt, als wohnte ich seit einem Jahre hier. 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Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName xml:id="placeName_1aaacd13-c833-4ea6-8c3e-4edda25a9996"> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Deutschland</country> <settlement>Berlin</settlement> <institution key="RISM">D-B</institution> <repository>Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz</repository> <collection>Musikabteilung</collection> <idno type="signatur">MA Depos. 3,2,21.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="gb-1826-07-01-01" type="letter" xml:id="title_e091b3d8-9d9b-42a4-abff-d226fb14f497">Fanny Mendelssohn Bartholdy und Abraham Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy, Felix Mendelssohn Bartholdy, Rebecka Mendelssohn Bartholdy und Paul Mendelssohn Bartholdy in Berlin, adressiert an Lea Mendelssohn Bartholdy;  Doberan, 30. Juni und 1. Juli 1826</title> <incipit>Daselbst bin ich so wohl etablirt, als wohnte ich seit einem Jahre hier. Vater, der eben aus war, piecht ein wenig, aber ich bin frisch genug, Euch zu sagen, daß ich erhitzt und etwas müde</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>2 Doppelbl. und 1 Bl., S. 1-9 Brieftext; S. 10 Adresse von Fanny Mendelssohn Bartholdys Hand, 1 Poststempel [DOBERAN 1826 / 2. JULI], Siegel und Vermerk von Lea Mendelssohn Bartholdys Hand: »Weiß. 1 rt.«</p> <handDesc hands="2"> <p>Fanny Mendelssohn Bartholdy, Abraham Mendelssohn Bartholdy </p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>-</p> </provenance> </history> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1826-06-30" xml:id="date_d130c6db-f679-4400-bf84-c50f1138f582">30. Juni</date> und <date cert="high" when="1826-07-01" xml:id="date_b124e4af-3c8c-4cc4-91a7-f956b7cbce8d">1. Juli 1826</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0117585" resp="author" xml:id="persName_8b9bd785-5313-41ad-adb5-2d3345c6accb">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)</persName> <persName key="PSN0113247" resp="author" xml:id="persName_591399ff-44f8-48da-b94a-3dce1381dfdd">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0117585" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)</persName><persName key="PSN0113247" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_ed597e15-01cb-4a99-92db-2bdae1d0f092"> <settlement key="STM0100144">Doberan</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0113260" resp="receiver" xml:id="persName_1028ba45-a796-4ba3-87b1-ded3c795a324">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</persName> <persName key="PSN0000001" resp="receiver" xml:id="persName_b39903dc-5e3d-4500-9d3a-f412c147de89">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <persName key="PSN0117586" resp="receiver" xml:id="persName_ff904989-8860-49f6-95d2-0b7052815090">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</persName> <persName key="PSN0113263" resp="receiver" xml:id="persName_d114fc63-3472-4dce-b99f-fb1b5ad572f7">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_40608f6e-ffdd-4612-a8ba-2309414694e7"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div type="address" xml:id="div_7cd8f823-2c77-4846-ac30-85359b40c68c"> <head><address> <addrLine>An</addrLine> <addrLine>Frau Mendelssohn-Bartholdy</addrLine> <addrLine>in</addrLine> <addrLine><hi n="1" rend="underline">Berlin.</hi></addrLine> <addrLine>Leipziger Straße</addrLine> <addrLine><hi rend="latintype">No</hi>. 3.</addrLine> </address></head> </div> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_2f10cb1c-e597-4d4e-a00b-4b7c2b717235"> <docAuthor key="PSN0117585" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0117585" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)</docAuthor> <dateline rend="right">Dobberan, <date cert="high" when="1826-06-30" xml:id="date_a0bd821a-afca-4f2a-953b-0032dd74e86f">30 Juni 26.</date></dateline> <p style="paragraph_without_indent">Daselbst bin ich so wohl etablirt,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_837e2451-54de-4bf3-bba1-46983eb929c2" xml:lang="de">Daselbst bin ich so wohl etablirt – Abraham und Fanny Mendelssohn Bartholdy waren gemäß der Datierung vorliegenden Briefs am Abend des 29. Juni 1926 in Doberan angekommen. In der gedruckten Doberaner Badeliste ist abweichend davon der 24. Juni als Ankunftstag festgehalten. Die Mendelssohns wohnten im Haus des Pfarrers Friedrich Ludwig Röper (Zweites Verzeichniß der im Sommer 1826 zu Doberan angekommenen Cur-Gäste und Fremden, Rostock [1826], Nr. 82 und Nr. 83).</note> als wohnte ich seit einem Jahre hier. <persName xml:id="persName_6b927387-5d76-4689-a775-325b520ed6ea">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName>, der eben aus war, piecht<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_9b228dbf-3aa1-462c-aaea-d22e85fdcab1" xml:lang="de">piecht – piechen: berlinerisch, keuchen.</note> ein wenig, aber ich bin frisch genug, Euch zu sagen, daß ich erhitzt und etwas müde bin. Wir sind gestern 21 Stunden gefahren, von <formula rend="fraction_slash"><hi rend="supslash">1</hi><hi rend="barslash">/</hi><hi rend="subslash">2</hi></formula>5 bis nach 1. Die <choice resp="writer" source="autograph_edition_template"> <corr resp="writer">7meilige</corr> <sic resp="writer">7melige</sic> </choice> Station, vor der ich mich wie vor der Wüste Saharah gefürchtet hatte, war durch Hitze und Staub glücklich zurück gelegt, als wir in Güstrow einen Postillion bekamen, der den Weg nach Dobberan noch nicht gemacht hatte, und dennoch keinen Wegweiser annehmen wollte. Er mußte nun an jedem hölzernen hinauf klettern, um in der Dunkelheit die Schrift zu erkennen, und sich endlich doch entschließen, da Vater uns verirrt glaubte, in einem Dorfe einen Bauer heraus zu trommeln, durch dessen weise Leitung wir denn endlich den wahren Weg zum Heile erkannten. Ich war sehr geneigt, den Himmel für einen Dudelsack anzusehn, denn ich konnte vor Müdigkeit weder stehen noch sitzen, aber der wie ein Goldklumpen aufgehende Mond belehrte mich eines Bessern. Es hat etwas Reizendes, einen Ort zuerst in zweifelhaftem Lichte <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_de79286c-64e4-4dc1-96dd-4426bf7e34c0">erkennen</del><add place="above">zu sehn<name key="PSN0117585" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></add>, es war hell genug, <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_34570b27-dc85-42c4-bddc-921fb300cfc7">das V</del> die Gegenstände im Umris zu erkennen, und meine Neugier zu spannen, die auch bisjetzt der drückenden Hitze wegen, noch nicht befriedigt ist. Unter den vielen großen Städten, die wir gesehn,<seg type="pagebreak"> |2| <pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg>hat mir Neustrelitz am wenigsten mißfallen. Der See war durch eine schöne Abendbeleuchtung verherrlicht, und im Wirthhaus staubte es nicht, was mir noch lieber war. Als wir Neustrel. verließen, sahen wir etwas, das auch noch keinem Reisenden an dieser Stelle mag vorgekommen seyn, (<hi n="1" rend="underline">lest von hier an ja nicht vor</hi>) einen großen Wasserfall nämlich, die <hi rend="latintype">pissevache</hi>.<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_2a2e0235-8bbb-4e10-9198-7f20a6466fe9" xml:lang="de">pissevache – Anspielung auf den 114 Meter hohen Wasserfall zwischen Martigny und Saint-Maurice im Wallis (Schweiz).</note> Wir hätten hier auch 6 oder 7 sehn können, vielleicht gar 20 oder 40, denn so viel <hi rend="latintype">vachen</hi> waren es wenigstens, die uns aus Strel. begleiteten. – Während des Fahrens dachte ich zuweilen der andre Wagen mit Euch sey vor oder nachkommend, aber bei Tisch fiel diese Täuschung ganz weg. – Ich sehe schon, Du liebe Mutter wirst uns wollen wohnen sehn. Ich werde mich bei allen Örtlichkeiten, beliebiger Kürze wegen, auf das Reisebuch Felix<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_17371726-fb63-4dd6-af9e-dc2c0aa54c37" xml:lang="de">das Reisebuch Felix – Fanny Mendelssohn Bartholdy verwies nicht nur hier auf Aufzeichnungen des Bruders Felix aus Doberan vom Juli 1824, die nicht überliefert sind. Neben den von dort geschriebenen Briefen (Druck: MSB Bd. 1, Nr. 41-50) hat er möglicherweise noch eine Art Tagebuch in Doberan geführt.</note> berufen. Vater schläft in demselben Zimmer, das er vor 2 J. hatte,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_a58171c3-ab72-42e1-95f1-f3bdaa5b4c0e" xml:lang="de">demselben Zimmer, das er vor 2 J. hatte – Abraham Mendelssohn Bartholdy hatte sich mit dem Sohn Felix vom 3. Juli bis Anfang August 1824 in Doberan zu einer Badekur aufgehalten.</note> ich in dem der <persName xml:id="persName_6bbeaf50-29ad-40f9-ae01-90ff2b197655">Damen Bayer<name key="PSN0119035" style="hidden" type="person">Beyer, von, zwei Schwestern in Berlin</name></persName> (siehe “Felix”)<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_a46139f4-b146-4ae0-8ca9-90f4465137c3" xml:lang="de">der Damen Bayer (siehe “Felix”) – In Felix Mendelssohn Bartholdys Briefen aus Doberan von 1824 werden die Schwestern nicht erwähnt. Gemeint sind »Zwey Fräulein v. Beyer, aus Berlin«, die sich ab dem 5. Juli 1824 in Doberan aufgehalten hatten (Drittes Verzeichniß der im Sommer 1824 zu Doberan angekommenen Cur-Gäste und Fremden, Rostock [1824], Nr. 166 und Nr. 167).</note> mit der Aussicht auf ein Blumengärtchen. An dieses stößt ein hübsches großes Zimmer mit der Aussicht auf den Kamp<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_8145035e-4a88-4b94-ad48-a0746e28e2a0" xml:lang="de">Kamp – um 1800 angelegte Promenade in Doberan; im 19. Jahrhundert der gesellschaftliche Mittelpunkt der Stadt.</note>, das meine, und ein 2tes ähnliches, Vaters Wohnzimmer. Die ersten weiblichen Bekannten, die ich hier erblickte, die beiden Wölfinnen, erregten mir eine große Freude, und wir heulten nicht so wohl miteinander, als wir <choice resp="writer" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_4a843c9d-1c6e-4303-92d8-563479cf698e"> <corr resp="writer">vielmehr</corr> <sic resp="writer">fielmehr</sic> </choice> schnatterten und lachten.</p> <p><seg type="pagebreak"> |3| <pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg>Uebrigens ist Dobberan noch ganz im <hi rend="latintype">négligé</hi>, <persName xml:id="persName_0633e631-1db8-4575-8bd4-dbf9f2323d44">Medini<name key="PSN0117555" style="hidden" type="person">Medini, Gaetano (Gustav) (1772-1857)</name></persName>, <placeName xml:id="placeName_2d475f3f-84ac-4572-b0c9-d668f27147b5">Harmonie<name key="NST0100220" style="hidden" subtype="" type="institution">Harmoniemusik (Hofharmonie)</name><settlement key="STM0100144" style="hidden" type="locality">Doberan</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_5e34adea-5226-4dc4-817b-b040ee50a75e" xml:lang="de">Harmonie – Die Harmoniemusiken in Doberan wurden von der »Hof-Harmonie« aus Ludwigslust des im Sommer anwesenden Großherzogs Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin veranstaltet. In der Sommersaison 1826 spielte das Orchester erstmals am Sonntag, dem 9. Juli; siehe Brief gb-1826-07-12-01 Fanny Mendelssohn Bartholdy an Lea Mendelssohn Bartholdy, Felix Mendelssohn Bartholdy, Rebecka Mendelssohn Bartholdy und Paul Mendelssohn Bartholdy in Berlin, Doberan, 11. und 12. Juli 1826.</note> <persName xml:id="persName_305619ea-8ffc-4e73-bc9a-e7a07c4e8f29">Erbgroßherzogin<name key="PSN0113162" style="hidden" type="person">Mecklenburg-Schwerin, Friederike Wilhelmine Alexandrine Maria Helene von (1803-1892)</name></persName>, Friseur, alle diese Dinge kommen erst in einigen Tagen, und der Gästeschwarm hinterher. – Lieber Felix, Du brauchst nicht zu fürchten, daß ich meinen Geschmack an guter Musik hier verliere, <persName xml:id="persName_9fa1f6ea-8a12-460d-85ef-ce58bfbcd1ff"><hi rend="latintype">Mme.</hi> Robert<name key="PSN0114235" style="hidden" type="person">Robert-Tornow, Ernestine (1794-1846)</name></persName> hat für Klassisches gesorgt, und eine Menge, <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_5a840b23-658a-4138-96dc-c0c63756aeba">Blangini<name key="PSN0116245" style="hidden" type="person">Blangini, Giuseppe Marco Maria Felice (1781-1841)</name></persName> – dini – rini – <persName xml:id="persName_af58fc71-ddb7-4513-929e-84accb886e67">Calcara<name key="PSN0119038" style="hidden" type="person">Calcara, Herr</name></persName> – dara – trara</hi> und mehr dergl. mitgebracht. Ich werde mich also diese 4 Wochen über auf das Studium der Trommelbässe legen. Sie hat übrigens ein recht gutes Instrument (wenn i nur was davon hätt’)<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_62d9e797-bd8c-453c-9651-f3a44811dab1" xml:lang="de">wenn i nur was davon hätt’ – von der Figur des Staberl ständig und für jede Situation verwendete Redewendung in Adolf Bäuerles Wiener Lustspiel Die Bürger in Wien (UA Wien, 1813).</note> wenn nur erst der Clavierstimmer da wäre. 3 Exemplare des <hi rend="latintype"><title xml:id="title_7d13a255-c145-4064-9e2c-463c69212080">Titan<name key="PSN0114173" style="hidden" type="author">Richter, Johann Paul Friedrich (Pseud.: Jean Paul) (1763–1825)</name><name key="CRT0110459" style="hidden" type="literature">Titan</name></title></hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_a6bbd805-fb80-4c9f-ad6b-0f7eb7b1520c" xml:lang="de">Titan – Roman von Jean Paul, Erstdruck: 4 Bde., Berlin 1800-1803.</note> logiren hier, <persName xml:id="persName_8668f0fa-0386-482f-8e18-010c9431d558">Wolffs<name key="PSN0119037" style="hidden" type="person">Wolff, Friderike Auguste (1806-?)</name><name key="PSN0119036" style="hidden" type="person">Wolff, Johanna Caroline (1805-?)</name></persName> haben eins, und der <persName xml:id="persName_f3facdcc-354f-4ca5-80e8-76f2f6f9606a">Pastor<name key="PSN0114278" style="hidden" type="person">Röper, Friedrich Ludwig (1768-1830)</name></persName> auch eins. <persName xml:id="persName_25ee1062-2ffe-4bab-9511-2da492f6c235">Rebecka<name key="PSN0117586" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName>, in meiner Schlafstube steht noch ein Bett, da liegt mein Hut drin. – Beruhigt <persName xml:id="persName_f9324464-50ad-4583-8348-21ed2ebc6a2d">Tante Jette<name key="PSN0113224" style="hidden" type="person">Mendelssohn, Henriette Maria (Jette) (1775-1831)</name></persName> über den Toilettenartikel, alles ist gut angekommen, und ich werde mich gräulich putzen. Heut bin ich schon <hi rend="latintype">en Jocko</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_2495f5e2-5eef-48bb-b62a-a24c0da2425b" xml:lang="de">en Jocko – wie ein Affe; Jocko: Affe, Orang-Utan oder Schimpanse. Eine beliebte Figur in Theaterpossen. E. T. A. Hoffmann verwendet die Figur in der »Nachricht von einem gebildeten jungen Mann« (Fantasiestücke in Callot’s Manier, viertes Stück der »Kreisleriana«). Siehe auch Adolph Bernhard Marx, Erinnerungen, Bd. 2, Leipzig 1868, S. 127 f.</note> gewichst, Mittags essen wir mit den Hausgenossen, <persName xml:id="persName_3a8d1e75-76c6-4b1a-b894-90de616c6dbc">Fräulein Röper<name key="PSN0117991" style="hidden" type="person">Röper, Julie Elisabeth (1802-1872)</name></persName> ist allerliebst, wenn ich ihr nur halb so gefalle, wie sie mir, bin ich schon zufrieden. – <hi n="1" rend="underline">Nachmittags.</hi> Wir fahren noch heut ans Meer, gegen Sonnenuntergang. Ich bin sehr gespannt darauf. Jetzt habe ich auch erfahren, woher wir eigentlich so sehr weitläufig wohnen, sie haben geglaubt, <persName xml:id="persName_d73df5a9-a27e-463f-8781-14965e2e7040">Marianne Saaling<name key="PSN0114390" style="hidden" type="person">Saaling (Saling), Helene Luise Marianne (bis 1812: Mirjam Salomon) (1786-1868)</name></persName> würde mit uns wohnen, und da dies nicht der Fall ist, findet sichs, daß Marianne keine<seg type="pagebreak"> |4| <pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg>Wohnung in unserm Hause hat, Vater hat aber nebenan beim <persName xml:id="persName_3915adf2-7f75-4543-b48b-662fff81cd96"><hi rend="latintype">Dr.</hi> Schmidt<name key="PSN0114611" style="hidden" type="person">Schmidt, Friedrich</name></persName> (S. F.) für sie gemiethet. – <date cert="high" when="1826-06-25" xml:id="date_d6952124-2eb0-47da-b2e5-0f4027a38760">Sonntag</date> fürchten wir noch keine Briefe von Euch zu bekommen, da die Post schon <date cert="high" when="1826-06-29" xml:id="date_8af8eb92-3b32-4884-a8d1-a214d73264e4">Donnerstag</date> gegangen ist. So viel wißt, Alles ist mir hier neu, alle Einrichtungen im Hause gefallen mir, und ich werde mich außerordentlich amüsiren. <persName xml:id="persName_d4125bdd-277d-4281-88db-f57786f7be09"><hi n="1" rend="underline">Frau <choice resp="writer" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_92be47da-f3f1-4082-ae5b-4da6ff5b628c"> <corr resp="writer">Präpositus</corr> <sic resp="writer">Prpositus</sic> </choice></hi><name key="PSN0117989" style="hidden" type="person">Röper, Charlotte Lucia (1769-1837)</name></persName> ist doch ein harter Titel? Allein bei einiger näheren Bekanntschaft denke ich mich davon loszusagen.</p> <p>Lieber Felix, sage <persName xml:id="persName_9b2b08f8-7d7d-4bab-9363-84d7e5514ad0">Ritz<name key="PSN0114202" style="hidden" type="person">Rietz, Eduard Theodor Ludwig (1802-1832)</name></persName>, daß ich von dem Postmeister in Gransee erfahren habe, dieser sehe <persName xml:id="persName_f8817eea-bde5-431f-86da-caa9b2e9dc43">seinen Vater<name key="PSN0114204" style="hidden" type="person">Rietz, Johann Friedrich (1767-1828)</name></persName> täglich, der befinde sich sehr wohl. Liebe Rebecka eine kleine Bitte, Du wirst in meinem Nähtisch ein Alphabet großer und kleiner gothischer Buchstaben auf einem kleinen Tippbogen finden, Du weißt schon, dies bitte ich Dich, herzuschicken, Du kannst allenfalls die Nummern abschneiden wenn es zu groß ist. Frl. Röpers Aussteuer soll danach gezeichnet werden. Lieber Paul, Dir weiß ich nichts zu sagen, das Dich besonders interessiren könnte, ich denke aber an Dich so gut, als an die Andern, das weißt Du. Morgen sollst Du erfahren, ob die See naß ist oder nicht. Ich habe unterwegs sehr viel musicirt und mir unter Andern Fs halbe Oper<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_adb50291-5e8e-4b67-961a-13ea4c992790" xml:lang="de">Fs halbe Oper – Mendelssohn war vor der Abreise der Schwester Fanny nach Doberan mit der Komposition der Oper Die Hochzeit des Camacho op. 10 (MWV L 5) beschäftigt gewesen.</note> vorgedacht. Bei meiner natürlichen, und vielseitig ausgebildeten Anlage zum Schlafen war es mir unangenehm auf der Reise dies Talent gar nicht anwenden zu können. Hingegen habe<seg type="pagebreak"> |5| <pb n="5" type="pagebreak"></pb></seg>ich viel in <title xml:id="title_73b5a912-289e-41de-a2e0-fe4ba8659825">Blumen- Frucht- und Dornenstücken<name key="PSN0114173" style="hidden" type="author">Richter, Johann Paul Friedrich (Pseud.: Jean Paul) (1763–1825)</name><name key="CRT0110458" style="hidden" type="literature">Blumen-, Frucht- und Dornenstükke oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten F. St. Siebenkäs im Reichsmarktflecken Kuhschnappel</name></title> gelesen, und über eine Stelle darin, 2 Stunden im Withshaus zu Waren gelacht. Es ist ein prächtiges Buch.</p> <signed rend="right"><add resp="UW" type="editors_addition">Fanny Mendelssohn Bartholdy</add></signed> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_f937ab3f-8fdb-4324-80e5-9fa8b90eec29"> <docAuthor key="PSN0113247" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0113247" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">ich werde mich für diese Reise wohl kurz zu fassen haben. Kluges <unclear reason="uncertain_reading" resp="MH">wächßt</unclear> in <hi rend="latintype">Dobberan</hi> wenig, und dummes Zeug hatte Fanny hier zu <hi rend="latintype">placiren</hi>, dazu ist es zu warm.</p> <p>Daß man an einem <hi rend="latintype">diminutivo</hi> von Heimweh bis zur Verzweiflung und zum Ausziehn leiden könne, hat <hi rend="latintype">Mad. Robert</hi> hier erfahren, und seitdem ich im vorigen Jahre in unsrer Gartenschlafstube <choice resp="writer" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_8b01d321-aae5-444e-9e8f-e06006d8ead4"> <corr resp="writer">erprobt</corr> <sic resp="writer">erfahren</sic> </choice>, was einem <hi n="1" rend="underline">ein</hi> Heimchen zu schaffen machen kann, finde ich es allerdings natürlich, daß man einem ganzen Chor oder Orchester derselben <hi rend="latintype">ad ogni costo</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_fa374409-f6f7-4345-918c-4f18aac9fbea" xml:lang="it ">ad ogni costo – ital., um jeden Preis.</note> <choice resp="writer" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_e9531f8d-590d-4c33-9c88-70b95d2859d1"> <corr resp="writer">aus</corr> <sic resp="writer">auf</sic> </choice> dem Wege <choice resp="editor" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_45a068d5-127a-4edc-a0a4-0092a0a7dc89"> <sic resp="writer">gehn</sic> <corr resp="editor">geht</corr> </choice><corr resp="editor">geht</corr>. Wenn nur wenigstens die <hi rend="latintype">Heimchen</hi> auf <hi rend="latintype">ini</hi> oder <hi rend="latintype">ara</hi> endeten wie <persName xml:id="persName_ffc024a6-7595-49cf-bc9c-b4f469049525">Fanny<name key="PSN0117585" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> sagte; <hi rend="latintype">M<hi rend="superscript">e</hi></hi> <hi rend="latintype">R</hi>. wollte aus dem Hause aber <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_615116f5-7c04-4e80-b8e6-f0feb2c34250">Röpers<name key="PSN0117990" style="hidden" type="person">Röper, Familie von → Friedrich Ludwig R.</name></persName></hi> laßen sie nicht, und da ihrem ungebildeten musikalischen Sinne, die künstlichen <hi rend="latintype">Melodien</hi> weniger zusagen als die natürlichen herzlichen, ungeschminckten der Rüpel, vierfüßigen Thiere und Grillen, so<seg type="pagebreak"> |6| <pb n="6" type="pagebreak"></pb></seg>werden sie im schlimmsten Falle mit <hi rend="latintype">M<hi rend="superscript">e</hi></hi> <hi rend="latintype">R</hi>. tauschen. Dies ist für jezt das wichtigste Hausereignis, denn es kann Euch wenig interessiren zu erfahren, daß man hier den <persName xml:id="persName_17b58f9d-b037-4f9d-8d51-6c30aa26ef9e"><hi rend="latintype">D<hi rend="superscript">r</hi></hi> <hi rend="latintype">Neuburg</hi><name key="PSN0113578" style="hidden" type="person">Neuburg, Johann Georg (vorh. Simon) (1757-1830)</name></persName> und <hi rend="latintype">Marianne Saaling</hi> für 7/8 von Braut und Bräutigam gehalten, und darauf, und auf die Vermuthung hin, Fanny würde mit <hi rend="latintype">Marianne</hi> und ich mit dem Bräutigam zusammen wohnen und allen Wohnungen zugesagt hatten, die nun sich nicht wohl wollen finden laßen. <hi rend="latintype">Marianne</hi> hat aber in dem unmittelbar angränzenden Hause eine recht hübsche Wohnung, und kann sogar mit dem Bräutigam, der hier wohnen kann aus dem Fenster <hi rend="latintype">correspondiren</hi>.</p> <p><hi rend="latintype">Dobberan</hi> ist übrigens zu Waßer und zu Lande so still wie ich es noch nicht gesehen; das Meer spiegelglatt, und der Kamp Kirchen<unclear reason="uncertain_reading" resp="MH">starr</unclear>.</p> <p>und somit seyd alle Gott befohlen samt und sonders!</p> <p>Noch eins liebe Lea! laße die anliegende Anweisung in der Lindenstraße 48 eincassiren<seg type="pagebreak"> |7| <pb n="7" type="pagebreak"></pb></seg>geht sie ein, so zeige es mir an, und gieb das Geld an <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_9cc7ccae-ad98-409a-a259-a077c14ddd15">Leopold Liman<name key="PSN0112844" style="hidden" type="person">Liman (vorh. Liepmann), Leopold Christian (1784-?)</name></persName></hi>, <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_fe77f530-233f-448c-ac55-162e0e54e0ed">Caspars<name key="PSN0110308" style="hidden" type="person">Casper, Johann Ludwig (1796-1864)</name></persName></hi> Schwager,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_b0d16b98-cc5e-415d-a3bd-f433347264e7" xml:lang="de">Leopold Liman, Caspars Schwager – Der Berliner Bankier Leopold Christian Liman war seit 1817 mit Wilhelmine Adelheid Casper, der Schwester des Mediziners Johann Ludwig Casper, verheiratet.</note> damit er es mitbringe; geht sie nicht ein, so schicke sie ohne Weiteres zurück.</p> <closer rend="left">Ich grüße Dich und alle herzlich.</closer> <signed rend="right"><add resp="UW" type="editors_addition">Abraham Mendelssohn Bartholdy</add></signed> </div> <div n="3" type="act_of_writing" xml:id="div_f4f08767-4ee5-42f6-9ef3-a9f23fcc7a2d"> <docAuthor key="PSN0117585" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0117585" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">Gestern wurde uns die Meerfahrt versalzen, Vogel kam, kam spät, und ich schämte mich ganz entsetzlich, ihm als <choice resp="writer" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_feed9fb2-2b1b-4897-b680-f55e6399d7b7"> <corr resp="writer">B</corr> <sic resp="writer">b</sic> </choice>rauchen-wollende vorgestellt zu werden, und wenn ich die Wahrheit sagen soll, so <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_46256a35-02ec-4dd6-87e1-82623fd91923">ho</del> wünschte ich mir zum erstenmal in meinem Leben ein Endechen Krankheit an den Hals. Ich habe ihm <persName xml:id="persName_75ba0407-befa-4478-8019-0bb08972ebe4">Minna Werners<name key="PSN0119045" style="hidden" type="person">Werner, Minna</name></persName> Grüße bestellt, und bitte Dich, derselben durch <persName xml:id="persName_726c6d8f-70ad-4a93-8059-4fcd26d08c7e">Natalie<name key="PSN0119046" style="hidden" type="person">Natalie, Frau</name></persName> sagen zu lassen, daß er mit der größten Theilnahme und aufs detaillierteste nach ihr und den <choice resp="writer" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_51a26a03-1344-4677-98cb-b157bdb2397e"> <corr resp="writer">ihrigen</corr> <sic resp="writer">Irigen</sic> </choice> gefragt. Heute früß also gings ans Meer, das spiegelglatt und in seiner Majestät unendlich lieblich war. Ihr würdet sagen, es sey grotesk, ich würde was anders sagen, wenn ich überhaupt was sagen wollte. Das Wannenseebad hat mich schon so entzückt, daß ich mit der größten Sehnsucht dem See. Seebade entgegen sehe. Und nach dem Bade unter die Säulen des <placeName xml:id="placeName_46853771-f41c-4bdc-8f26-e3a7103d923f">Badehauses<name key="NST0103289" style="hidden" subtype="" type="institution">Badehaus Heiligendamm</name><settlement key="STM0103285" style="hidden" type="locality">Heiligendamm</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_79c1c5d0-311d-45de-8f75-7ec211536948" xml:lang="de">des Badehauses – das 1795/96 nach Plänen von Johann Christoph Heinrich von Seydewitz (1748-1824) errichtete Kurhaus von Heiligendamm (heute ein Stadtteil von Bad Doberan) mit Anbauten von Carl Theodor Severin (1763-1838) aus dem Jahr 1820.</note> zu treten, und wieder in die liebe Fluth zu sehn – Felix Du weißt ja, wie das ist. Ich finde den Unterschied des Eindrucks<seg type="pagebreak"> |8| <pb n="8" type="pagebreak"></pb></seg>zwischen der Berg- und Meergröße sehr bedeutend. Ein Berg drückt mehr nieder, und ein danebenstehender <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_a98d00e5-af4e-4906-a0b6-e95fb2ce472b">Mensch</del> Vergleichungspunkt, ein Haus oder ein Mensch läßt uns unsre Zwergnatur deutlich empfinden. Beim Meer ists ganz anders. Ein davor stehener Mensch bedeckt schon einen bedeutenden Theil der sichtbaren Fläche, eine lumpige Segelstange überragt sie, und die stille Größe die wir mehr ahnden als sinnlich wahrnehmen, wirkt um so tiefer. Ich möchte wissen, was ein Mensch empfände, der das Meer sähe, ohne zu wissen, daß seine Ausdehnung weit über unsere sinnliche Wahrnehmung reicht. Jetzt ein Trompetenstoß, und nun verkündige ich Euch, daß ich nicht nur ein Instrument, sondern die Wahl zwischen zweien haben werde, unter denen ich dann offenbar <choice resp="writer" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_2c5c6a6d-767e-4b23-a435-c25f83f8791a"> <corr resp="writer">das</corr> <sic resp="writer">was</sic> </choice> weniger verstimmte nehme. Musikal. Leiden und Freuden habe ich auch schon gehabt, <hi rend="latintype">Mme.</hi> Robert sang „<title xml:id="title_e62751fb-ed7e-4e2f-83fa-91fd5ae31edf">Glöcklein im Thale<name key="PSN0115645" style="hidden" type="author">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786–1826)</name><name key="CRT0111242" style="hidden" type="music">Euryanthe op. 81 (WeV C. 9)</name><name key="PSN0115645" style="hidden" type="author">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786–1826)</name><name key="CRT0111242" style="hidden" type="music">Euryanthe op. 81 (WeV C. 9)</name><name key="PSN0115645" style="hidden" type="author">Weber, Carl Maria Friedrich Ernst von (1786–1826)</name><name key="CRT0111242" style="hidden" type="music">Euryanthe op. 81 (WeV C. 9)</name></title>„<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_a564ba67-78e0-457f-8713-d58dd36be03a" xml:lang="de">„Glöcklein im Thale„ – Kavatine der Euryanthe aus Carl Maria von Webers gleichnamiger Oper op. 81.</note> allerliebst, und <title xml:id="title_0ae5d405-05d1-4b4b-9623-a45dffbe6583">mein Heim- oder Heimchenweh<name key="PSN0111893" style="hidden" type="author">Hensel, Fanny Cäcilia (1805–1847)</name><name key="CRT0111617" style="hidden" type="music">»Das Heimweh« für eine Singstimme und Klavier HU 129 (19. Juli 1824)</name></title> so, daß mir noch die Zähne davon knirren.<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_48e02ca5-1c10-4765-9a64-4c561e7f015b" xml:lang="de">knirren – veraltet für »knirschen«.</note> Ich möchte Dir Felix gleich die ganze Melodie hersetzen, die sie daraus gemacht, und wie sie unter andern bei „o Schmerzenslaut„ den ersten Ton <hi rend="latintype">b</hi> tapfer in <hi rend="latintype">a</hi> umsetzte. – Seyd nur Alle recht vergnügt, während wir fort sind, denn wenn ich mich, so wie heut früh am Meere, so ausgelassen, und innig zugleich freue, und mir<seg type="pagebreak"> |9| <pb n="9" type="pagebreak"></pb></seg>dann plötzlich durch den Kopf fährt, <persName xml:id="persName_41c84808-c7ba-47fa-8880-42b6d553a3b0">Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> könnte Verdruß mit <persName xml:id="persName_c8108d34-5127-4603-9ba6-d41c9c681422">Jette<name key="PSN0113224" style="hidden" type="person">Mendelssohn, Henriette Maria (Jette) (1775-1831)</name></persName> haben, oder <persName xml:id="persName_cac86481-fa1c-4fdb-9f6f-75b7ec6a31d3">Paul<name key="PSN0113263" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name></persName> mit der Schule, oder <persName xml:id="persName_aa17e42b-318b-4ada-a120-e271f7bcd24e">Reb<name key="PSN0117586" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName>. mit ihren Augen, od. Felix mit sich selbst, dann durchfährt es mich wie mit einem Messer. Heut esse ich noch mit den Damen hier zusammen, morgen werden wir <choice resp="writer" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_bed5db78-fc7a-4d5f-8c3b-7846da321bb4"> <corr resp="writer">Alle</corr> <sic resp="writer">alle</sic> </choice> miteinander dem <persName xml:id="persName_1cbba9c2-c5ce-4bb6-8ad5-cfd3565be5d1">Großherzog<name key="PSN0113163" style="hidden" type="person">Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Franz I. von (1756-1837)</name></persName> vorgeführt, Präpositus ist schon böse, daß es nicht geschehn, als wir noch in Berlin waren. Heute Abend fahren wir wieder nach dem Bade, denn ich will nun einmal <hi rend="latintype">partout</hi> die Sonne da untergehn sehn, und gestern mußte ich, <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_7ca0f414-d07a-4994-b4b3-236f3c193636">weil</del> <add place="above">da<name key="PSN0117585" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></add> sie <choice resp="writer" source="autograph_edition_template" xml:id="choice_63b37bc1-4360-481f-b0f8-1930b3c21518"> <corr resp="writer">unterging</corr> <sic resp="writer">untergehe</sic> </choice>, aufgehn, nämlich in mein Zimmer, und dem geheimen Vogel nachfliegen. Alles hier im Hause lebt wie ein Olymp voll Götter in Frankreich, bis auf <hi rend="latintype">Mme</hi> R. der die <hi n="1" rend="underline">grill</hi>enhaften <hi n="1" rend="underline">Heimchen</hi> den Schlaf nehmen. Ein <persName xml:id="persName_5e947450-3f60-436c-b28e-8869098e1e7a">Heim<name key="PSN0117001" style="hidden" type="person">Heim, Ernst Ludwig (1747-1834)</name></persName> sollte sie gesund machen, und ein Heimchen macht sie krank. Verzeiht! Ach! Ich kann hier gar kein dummes Zeug sprechen, die Wölfe sind viel zu klug, vor dem <persName xml:id="persName_17c1fd2a-b15c-4c0a-b8ea-c6f7c9144599">Präpositus<name key="PSN0114278" style="hidden" type="person">Röper, Friedrich Ludwig (1768-1830)</name></persName> habe ich Respekt, die <persName xml:id="persName_c68db77d-f0c7-4d32-a8a8-f79f6355fc75">Frau<name key="PSN0117989" style="hidden" type="person">Röper, Charlotte Lucia (1769-1837)</name></persName> ist zu sanft, und die <persName xml:id="persName_ab4a6987-0cf2-4260-8791-e2ce1a52092e">Tochter<name key="PSN0117991" style="hidden" type="person">Röper, Julie Elisabeth (1802-1872)</name></persName> Braut. Ich habe nur noch den halben Bogen, und muß doch wol nun anfangen, meine Grüße auszupacken. Alles in Partien: alle Hausgenossen, <hi rend="latintype">dito</hi> Freunde, halb Charlottenb., und <persName xml:id="persName_4b6d1bb1-0a55-40b3-869e-639e3c7c885f">Zelter<name key="PSN0115916" style="hidden" type="person">Zelter, Carl Friedrich (1758-1832)</name></persName>, der heute <date cert="high" when="1826-07-01" xml:id="date_aded8135-1144-4ddb-8a1a-882370ccf840">Sonnab.</date> um 2 hoffentlich in der Leipzig. Str. No. 3 ist. Hier hat die Woche keine Tage, und der Tag keine Stunden, er läuft so in einem fort. <seg type="closer">Nun leben Sie tausendmal wohl, und verbleiben Sie meinen theuern</seg></p> <p style="paragraph_centered">Mutter und Geschwister.</p> <p style="paragraph_without_indent"><seg type="pagebreak"> |1|<pb n="1" type="pagebreak"></pb></seg> <add place="margin">(Jetzt ein Intermezzo mit der Wäscherin)<name key="PSN0117585" resp="writers_hand" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805–1847)</name></add></p> <signed rend="right"><add resp="UW" type="editors_addition">Fanny Mendelssohn Bartholdy</add></signed> </div> </body> </text></TEI>