gb-1825-04-10-01
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Berlin, 10. April 1825
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
1 Doppelbl.: S. 1-3 Brieftext; S. 4 Adresse.
Carl Wilhelm Ludwig Heyse
Green Books
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Felix Mendelssohn-Bartholdy
Paris
Berlind
Mit lebhaftem Interesse, In litteris sitzt nicht alles Heil vergraben. „D
so wie Du in
tübaund
miromgefallen, ohne
in verba magistrizu schwören; und wolle eben nur lernen. – Vom Griechischen schreibst Du nichts. Dazu wird sich wohl schwerer ein Lehrer finden; so nimm wenigstens für Dich zuweilen Deine
mit ihr. Es geht ganz leidlich, und ich denke sie wird sich bald mehr hineinlesen. Laß sie Dir nicht zuvorkommen.Herodot
Übrigens leben wir hier, während Du Deine Zeit verdoppelst und verdreifachst, ganz einfach fort; und die vier Wochen seit Eurer Abreise sind mir unglaublich schnell verflossen. Neues fällt eben nicht vor, wenigstens für mich nicht, und was Dich etwa interessiren könnte, werden Dir
Mit meiner Gesundheit geht es auch erträglich, und ich hoffe, es wird den Sommer noch besser werden. Das Wetter ist seit 8 Tagen hier schon recht frühlingsmäßig, um Mittag fast mehr alsEin warmer Regen aber – und die Engel werden (mit
Wenn Du diese Zeilen liesest, lieber Felix, so bin ich wahrscheinlich schon in Magdeburg,Rendez-vous (auch Ludwig
Deinem guten
Ich kenne Niemanden, dessen Seyn mit seinem Thun so eng verwachsen, so ganz Eins wäre!
Vale et fave
C. Heyse
Berlin d 10. April. 1825. Mit lebhaftem Interesse, lieber Felix, habe ich Deine bisherigen Briefe gelesen und freue mich, Dich gesund und mannichfaltig beschäftigt und unterhalten zu wissen. Deine Briefe sind freilich so voll von Musik, musikalischem Thee, Zuckerwasser u. s. w., daß für mich Laien wenig abfällt. Doch sehe ich deutlich genug, wie Du’s treibst oder vielmehr, wie Du getrieben wirst, und wundere mich nicht, wenn zu anderweitigen Studien wenig oder gar keine Zeit sich erübrigen läßt. Auch gebe ich mich darüber leicht zufrieden. Man lernt ja nicht allein durch lernen. In litteris sitzt nicht alles Heil vergraben. „Das Pergament, ist das der heil’ge Bronnen“, Du kennst ja die Worte des Dichters; so trinke denn nur frisch an der Quelle des Lebens. Paris, die hohe Schule der Welt, wird auch für Dich gewiß eine lehrreiche Schule seyn, ohne daß es einer Special-Anstalt zum lernen bedürfte. Nur um Eins bitte ich Dich, lieber Felix! Geh mit unbefangenem, offenem Sinne dem vielfachen Neuen, was Dir begegnen mag, entgegen. Mache Dich los von allen Vorurtheilen, nationalen, Vorurtheilen der Schule, und was sie sonst für Namen haben mögen; und suche jedes Ding in seiner Art und Eigenthümlichkeit aufzufassen. Richte nicht, ehe Du begriffen hast, und auch dann bescheiden. Dann wird der reichste Gewinn für Deine Bildung – im weitesten Sinne – nicht ausbleiben. Du weißt, ich meine es gut; und ein gutes Wort findet eine gute Statt. – Läßt sich mit der Zeit, wenn Ihr erst mehr zur Ruhe gekommen, auch im Lateinischen und Griechischen etwas thun, so wie Du in Deinem gestrigen Briefe tröstend verheißest, so soll es mir lieb seyn. Der Tag hat der Stunden ja viele, und die Zeit, wo man lernfähig und lernlustig ist, geht schnell vorüber. Drum laß sie nicht ungenutzt. – Und auch hier hafte nicht starr an dem Alten, Gewohnten. Laß Dir immerhin tüba und mirom gefallen, ohne in verba magistri zu schwören; und wolle eben nur lernen. – Vom Griechischen schreibst Du nichts. Dazu wird sich wohl schwerer ein Lehrer finden; so nimm wenigstens für Dich zuweilen Deine Ilias zur Hand. – Was sagst Du dazu? Ich habe seit Eurer Abreise mit Beckchen die Homer-Stunden fortgesetzt, lese aber den Herodot mit ihr. Es geht ganz leidlich, und ich denke sie wird sich bald mehr hineinlesen. Laß sie Dir nicht zuvorkommen. Übrigens leben wir hier, während Du Deine Zeit verdoppelst und verdreifachst, ganz einfach fort; und die vier Wochen seit Eurer Abreise sind mir unglaublich schnell verflossen. Neues fällt eben nicht vor, wenigstens für mich nicht, und was Dich etwa interessiren könnte, werden Dir Mutter und Geschwister nicht vorenthalten. Mit meiner Gesundheit geht es auch erträglich, und ich hoffe, es wird den Sommer noch besser werden. Das Wetter ist seit 8 Tagen hier schon recht frühlingsmäßig, um Mittag fast mehr als angenehm warm. Der Saft in den Zweigen quillt über, und die grünen Knöspchen möchten gern sich öffnen und entfalten, fürchteten sie nicht die trockene Sonnenhitze und den Staub. Du kennst das Berliner schöne Wetter, wo alles vor Staub verschmachtet. Ein warmer Regen aber – und die Engel werden (mit Rösel zu reden) Arbeit genug haben. Wenn Du diese Zeilen liesest, lieber Felix, so bin ich wahrscheinlich schon in Magdeburg, wohin ich auf einige Wochen zu reisen gedenke. Dort werde ich auch mit Bruder Gustav, dem Bergmann, zusammentreffen, den ich nun seit unserer Schweizer-Reise nicht gesehen habe. Er ist zu unserm Rendez-vous (auch Theorbe reis’t mit) von seinem Blocksberg her citirt. So fehlt nur der lustige Bruder Ludwig, der sich Gott weiß, in welchem Winkel von Ostpreußen oder Polen herumtreibt. – Laß Dich indeß durch meine Reise nicht abhalten, mir auch einmal ein paar Zeilen zu schreiben. Ich werde Deine Mutter bitten, sie mir dorthin zu besorgen, und schreibe Dir vielleicht auch von M. aus einmal. Deinem guten Vater empfiehl mich aufs herzlichste, und sage ihm meinen Dank für den mir eingeräumten Platz bei Steffens, den ich seitdem kein einziges Mal unbenutzt gelassen. Es verdroß mich, nicht früher und öfter den Vorträgen dieses ausgezeichneten Mannes beigewohnt zu haben, der mich durch seine höchst interessante Persönlichkeit ungemein fesselte, und in meinem Glauben an echten Enthusiasmus bestärkte. Ich kenne Niemanden, dessen Seyn mit seinem Thun so eng verwachsen, so ganz Eins wäre! Das Blatt will, daß ich schließe. Vale et fave Dein C. Heyse
<TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="gb-1825-04-10-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="gb-1825-04-10-01" xml:id="title_4e5f3bff-c401-4e79-b4e1-13f8d4d536b6">Carl Wilhelm Ludwig Heyse an Felix Mendelssohn Bartholdy in Paris <lb></lb>Berlin, 10. April 1825</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_079e5f88-9741-4c41-a7cb-e8454c99a941">Mit lebhaftem Interesse, lieber Felix, habe ich Deine bisherigen Briefe gelesen und freue mich, Dich gesund und mannichfaltig beschäftigt und unterhalten zu wissen. 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April 1925), S. 29 (Teildruck).</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1825-04-10" xml:id="date_796cb814-5dbb-4056-ae3a-1a63ee08283c">10. 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Man lernt ja nicht allein durch lernen. <hi rend="latintype">In litteris</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_061306de-6e41-4a58-84b1-de11ce45743a" xml:lang="la ">In litteris – lat., in den Buchstaben.</note> sitzt nicht alles Heil vergraben. „D<title xml:id="title_c37ce08a-4928-43f5-9be9-3f0b6691c971">as Pergament, ist das der heil’ge Bronnen<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749–1832)</name><name key="CRT0108814" style="hidden" type="dramatic_work">Faust. Der Tragödie erster Theil</name></title>“,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_182c8484-f32c-4a22-8b4c-5646e4bd8a5f" xml:lang="de">„Das Pergament, ist das der heil’ge Bronnen“ – Worte des Faust in Johann Wolfgang von Goethes Faust. Der Tragödie erster Theil, Studierstube (Goethe, Münchner Ausgabe, Bd. 6.1, S. 550).</note> Du kennst ja die Worte des <persName xml:id="persName_1d60f482-a6d5-43e1-8352-a342949b5f2d">Dichters<name key="PSN0111422" style="hidden" type="person">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749-1832)</name></persName>; so trinke denn nur frisch an der Quelle des Lebens. Paris, die hohe Schule der Welt, wird auch für Dich gewiß eine lehrreiche Schule seyn, ohne daß es einer Special-Anstalt zum lernen bedürfte. Nur um Eins bitte ich Dich, lieber Felix! Geh mit unbefangenem, offenem Sinne dem vielfachen Neuen, was Dir begegnen mag, entgegen. Mache Dich los von allen Vorurtheilen, nationalen, Vorurtheilen der Schule, und was sie sonst für Namen haben mögen; und suche jedes Ding in seiner Art und Eigenthümlichkeit aufzufassen. Richte nicht, ehe Du begriffen hast, und auch dann bescheiden. Dann wird der reichste Gewinn für Deine Bildung – im weitesten Sinne – nicht ausbleiben. 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Laß Dir immerhin <hi rend="latintype">tüba</hi> und <hi rend="latintype">mirom</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_4b1e2cd1-8dcd-4cf2-8391-e8fc4f1d80ad" xml:lang="de">tüba und mirom – fingiert die französische Aussprache von lat. tuba mirum. Gemeint ist die Posaune des Jüngsten Gerichts; Beginn des zweiten Versikels aus der Sequenz des Requiems. Vgl. Brief fmb-1825-04-01-01 (Brief Nr. 56) Felix Mendelssohn Bartholdy an Fanny Mendelssohn Bartholdy und Paul Mendelssohn Bartholdy in Berlin, Paris, 1. April 1825.</note> gefallen, ohne <hi rend="latintype">in verba magistri</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_5ed95a87-61cc-471e-9355-d31d4f49406d" xml:lang="la ">in verba magistri – lat., auf die Worte des Meisters schwören; unkritisch die Lehrsätze einer Autorität nachsprechen.</note> zu schwören; und wolle eben nur lernen. – Vom Griechischen schreibst Du nichts. Dazu wird sich wohl schwerer ein Lehrer finden; so nimm wenigstens für Dich zuweilen Deine <title xml:id="title_93494861-6f85-4e44-89fc-747d9cec765f">Ilias<name key="PSN0112080" style="hidden" type="author">Homer</name><name key="CRT0109350" style="hidden" type="literature">Ilias</name></title><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_b262c7d0-5033-4454-ab10-488b52c9f177" xml:lang="de">Deine Ilias – Mendelssohn besaß eine zweibändige Ausgabe von Homers Epos (Ward Jones, Library, S. 306, Nr. 115) sowie die Homer-Übersetzung von Johann Heinrich Voß, 4 Bde., Stuttgart 1814 (ebenda, S. 396, Nr. 19; heutiger Standort: D-LEsm, bis 2011: Sammlung Dr. Rudolf Elvers, Berlin).</note> zur Hand. – Was sagst Du dazu? Ich habe seit Eurer Abreise<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_6f10ed8e-cc06-49f0-a1c4-cfe86205f300" xml:lang="de">Eurer Abreise – Abraham Mendelssohn Bartholdy war mit dem Sohn Felix um den 11. März 1825 zu seiner Reise nach Paris aufgebrochen.</note> mit <persName xml:id="persName_8aa8d820-37a6-43fe-b3ce-16d324b170da">Beckchen<name key="PSN0117586" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName> die Homer-Stunden fortgesetzt, lese aber den <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_9a5bb90f-6cb2-4c2a-a2d7-2c89c524f731">Herodot<name key="PSN0111920" style="hidden" type="person">Herodot(os) von Halikarnass(os) (um 485 v. Chr.-425 v. Chr.)</name></persName></hi> mit ihr. Es geht ganz leidlich, und ich denke sie wird sich bald mehr hineinlesen. Laß sie Dir nicht zuvorkommen.</p> <p>Übrigens leben wir hier, während Du Deine Zeit verdoppelst und verdreifachst, ganz einfach fort; und die vier Wochen seit Eurer Abreise sind mir unglaublich schnell verflossen. Neues fällt eben nicht vor, wenigstens für mich nicht, und was Dich etwa interessiren könnte, werden Dir <persName xml:id="persName_0bb4195f-61f5-48f4-990e-df3579179424">Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> und <persName xml:id="persName_bd6f709c-8253-42bd-8954-614bd42d789a">Geschwister<name key="PSN0117585" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Fanny Cäcilia (1805-1847)</name><name key="PSN0113263" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Paul Hermann (1812-1874)</name><name key="PSN0117586" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Rebecka Henriette (1811-1858)</name></persName> nicht vorenthalten.</p> <p>Mit meiner Gesundheit geht es auch erträglich, und ich hoffe, es wird den Sommer noch besser werden. Das Wetter ist seit 8 Tagen hier schon recht frühlingsmäßig, um Mittag fast mehr als<seg type="pagebreak"> |3| <pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg>angenehm warm. Der Saft in den Zweigen quillt über, und die grünen Knöspchen möchten gern sich öffnen und entfalten, fürchteten sie nicht die trockene Sonnenhitze und den Staub. Du kennst das Berliner schöne Wetter, wo alles vor Staub verschmachtet. <hi n="1" rend="underline">Ein</hi> warmer Regen aber – und die Engel werden (mit <persName xml:id="persName_7f7d235f-1f4c-41b7-99de-8d2339fceb9d">Rösel<name key="PSN0114280" style="hidden" type="person">Rösel, Gottlob Samuel (1769-1843)</name></persName> zu reden) Arbeit genug haben.</p> <p>Wenn Du diese Zeilen liesest, lieber Felix, so bin ich wahrscheinlich schon in Magdeburg,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_01f3e927-1cf9-40e9-a187-7b27e4c93582" xml:lang="de">Magdeburg – Hier lebte der Vater von Carl Wilhelm Ludwig Heyse, Johann Christian August Heyse. Er war Direktor der dortigen höheren Töchterschule. Abraham und Felix Mendelssohn Bartholdy fuhren auf der Hinreise nach Paris nicht über Magdeburg.</note> wohin ich auf einige Wochen zu reisen gedenke. Dort werde ich auch mit <persName xml:id="persName_451a27fe-fa69-43b3-8eae-5a6f79fc0837">Bruder Gustav<name key="PSN0117062" style="hidden" type="person">Heyse, Gustav Ferdinand (1809-1883)</name></persName>, dem Bergmann, zusammentreffen, den ich nun seit unserer Schweizer-Reise<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_24ca666c-61c1-47b8-ab55-e59cee2e7a60" xml:lang="de">unserer Schweizer-Reise – Carl Wilhelm Ludwig Heyse hatte die Familie Mendelssohn im Sommer 1822 auf der Reise in die Schweiz begleitet. Vgl. dazu »… über jeden Ausdruck erhaben und schön«. Die Schweizer Reise der Familie Mendelssohn 1822, hrsg. von Hans-Günter Klein, Wiesbaden 2012.</note> nicht gesehen habe. Er ist zu unserm <hi rend="latintype">Rendez-vous</hi> (auch <persName xml:id="persName_763f5332-2807-49fd-8a48-6b629313c555">Theorbe<name key="PSN0117066" style="hidden" type="person">Heyse, Theodor Friedrich (1803-1884)</name></persName><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_21c3adc1-aad4-4566-bea7-20867b293b61" xml:lang="de">Theorbe – Lauteninstrument mit zweitem Wirbelkasten am Ende des verlängerten Halses für die freischwingenden Bass-Saiten. Gemeint ist damit der Bruder Theodor Heyse.</note> reis’t mit) von seinem Blocksberg<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_c6194b15-8197-4d5b-8158-40c4a068ba1b" xml:lang="de">Blocksberg – Gustav Ferdinand Heyse lebte in Aschersleben. Auf der dortigen Westdorfer Warte der Stadtbefestigung, die auch Hexenturm genannt wird, sollen sich der Sage nach die Hexen ausgeruht haben, ehe sie zum Blocksberg (Brocken) im Harz flogen.</note> her citirt. So fehlt nur der <persName xml:id="persName_ce4f5147-5859-4a43-8a82-e52436c04a3e">lustige Bruder <hi rend="latintype">Ludwig</hi><name key="PSN0117065" style="hidden" type="person">Heyse, Ludwig Anton (Louis) (1801-1864)</name></persName>, der sich Gott weiß, in welchem Winkel von Ostpreußen oder Polen herumtreibt. – Laß Dich indeß durch meine Reise nicht abhalten, mir auch einmal ein paar Zeilen zu schreiben. Ich werde Deine Mutter bitten, sie mir dorthin zu besorgen, und schreibe Dir vielleicht auch von <placeName xml:id="placeName_86910fc0-5db7-40bd-b79c-6437ffed436e">M.<settlement key="STM0100461" style="hidden" type="locality">Magdeburg</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> aus einmal.</p> <p>Deinem guten <persName xml:id="persName_3f66cefa-f78c-4380-9859-bb9dedfa2bba">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden" type="person">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> empfiehl mich aufs herzlichste, und sage ihm meinen Dank für den mir eingeräumten Platz bei Steffens, den ich seitdem kein einziges Mal unbenutzt gelassen. Es verdroß mich, nicht früher und öfter den Vorträgen dieses ausgezeichneten Mannes<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_aaf228b8-01e2-4ea1-a8b8-c9fbbe9f89c0" xml:lang="de">den Vorträgen dieses ausgezeichneten Mannes – Der Naturphilosoph Henrik Steffens hielt im Winter 1824/25 im Berliner Gouvernements-Palais freie Vorträge über Anthropologie (Richard Petersen, Henrik Steffens. Ein Lebensbild, Gotha 1884, S. 337).</note> beigewohnt zu haben, der mich durch seine höchst interessante Persönlichkeit ungemein fesselte, und in meinem Glauben an echten Enthusiasmus bestärkte.</p> <p>Ich kenne Niemanden, dessen Seyn mit seinem Thun so eng verwachsen, so ganz Eins wäre!</p> <closer rend="left">Das Blatt will, daß ich schließe. <hi rend="latintype">Vale et fave</hi><note resp="FMBC" style="hidden" type="translation" xml:id="note_617ea7fb-1b4d-4526-a78a-23b669a5f5a8" xml:lang="la ">Vale et fave – lat., Lebe wohl und sei gewogen; häufige Schlussformel lateinischer Briefe.</note></closer> <signed rend="right">Dein <hi rend="latintype">C. Heyse</hi></signed> </div> </body> </text></TEI>