]> Brief: gb-1824-07-16-02

gb-1824-07-16-02

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Carl Friedrich Zelter an Felix Mendelssohn Bartholdy in Doberan <lb></lb> Berlin, 16. Juli 1824 Da ich wohl auch erfahren habe, wie man sich bey der gesellschaftlichen Unterhaltung in Badeorten befindet, so brauch’ ich mich nicht zu wundern, wenn sie Dir, mein Achill nicht zusagt. – Und doch ist mir Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) Felix Mendelssohn Bartholdy an Carl Friedrich Zelter in Berlin; Doberan, 9. Juli 1824 Felix Mendelssohn Bartholdy an Carl Friedrich Zelter in Berlin; Doberan, 9. Juli 1824 Zelter, Carl Friedrich (1758-1832) Unbekannt Transkription: Edition: FMB- Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

DeutschlandDüsseldorfD-DÜhhDüsseldorf, Heinrich-Heine-Institut-51.4908 (6c).autographes KonzeptCarl Friedrich Zelter an Felix Mendelssohn Bartholdy in Doberan; Berlin, 16. Juli 1824Da ich wohl auch erfahren habe, wie man sich bey der gesellschaftlichen Unterhaltung in Badeorten befindet, so brauch’ ich mich nicht zu wundern, wenn sie Dir, mein Achill nicht zusagt. – Und doch ist mir

2 Doppelbl.: S: 1-7 Brieftext; S. 8 Adresse.

Schreiber unbekannt, diktiert und mit Korrekturen von Carl Friedrich Zelter.

-

Schmidt-Beste, Zelter, S. 37-39.

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

16. Juli 1824 Zelter, Carl Friedrich (1758-1832) counter-resetUnbekannt Berlin Deutschland Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Doberan Deutschland deutsch
An Felix
Zelter, Carl Friedrich (1758-1832) Unbekannt Berlin d. 16. July 1824. Chiron an Achill.Zelter, Carl Friedrich (1758–1832) Chiron an Achill – Der griechischen Mythologie zufolge hat der weise Zentaur Chiron den Helden Achill erzogen. Chiron steht hier für Zelter, Achill für Mendelssohn.

Da ich wohl auch erfahren habe, wie man sich bey der gesellschaftlichen Unterhaltung in Badeorten befindet, so brauch’ ich mich nicht zu wundern, wenn sie Dir, mein Felix Achill nicht zusagt. – Und doch ist mir der ruhige Aufenthalt in Bädern insofern nützlich gewesen, da man einmal auf sich selbst gewiesen wird und den eigentlichen Werth des Wissens schätzen lernt, in sofern es zu eigener Leistung aufregt und nachhilft. Denn bloßes Wissen ist ein todtes Capital, wenn wir nicht aus uns selbst dazu thun und schaffen undZelter, Carl Friedrich (1758–1832) erweitern. –

Ist mir nun Deine werthe Zuschrift <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1824-07-09-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Carl Friedrich Zelter in Berlin; Doberan, 9. Juli 1824</name> angenehm, ja nothwendig, um auch in dieser Art mit einander zu verkehren; so denk’ ich |2| nicht daran, etwas Neues aus der Ferne von Dir zu erfahren; vielmehr sehe ich gern das gewohnte Kunstleben still fortgesetzt, das sich mit wenig Worten begnügt, die Dein Tagebuch willig hergiebt. –

Gott bewahre mich und Dich für hohle lange Briefe, unsere Vetterschaft hat es mit Sachen zu thun und so sende einige Thema, die Du mir allenfalls in Noten beantwortest, die Dir auch wohl am geläufigsten sind:

Noten: D-DÜhh, 51.4908 (6c), fol. 1v.Notenbeispiel: Zelter stellte Mendelssohn die Aufgabe, zu zwei von ihm entworfenen Gegenstimmen (Kontrasubjekten) das Thema in Johann Sebastian Bachs Wohltemperiertem Klavier, Teil I, zu nennen, das jeweils mit ihnen harmoniert. Mendelssohn vermochte die Aufgabe zu lösen, obwohl ihm in Doberan Bachs Noten wohl nicht zur Verfügung standen und des Rätsels Lösung verblüffend ist: Die beiden Kontrasubjekte passen nur zum Thema der Fuge Nr. 24 h-Moll, BWV 869/2, wenn man dieses im Blick auf das erste Kontrasubjekt nach b-Moll und im Blick auf das zweite nach a-Moll transponiert. Mendelssohn teilte seinem Lehrer die Lösung am 30. Juli 1824 mit. Siehe Brief fmb-1824-07-30-01 (Brief Nr. 49) Felix Mendelssohn Bartholdy an Carl Friedrich Zelter in Berlin, Doberan, 30. Juli 1824. Über den Sinn derartiger Aufgaben erklärt sich Zelter gegenüber Mendelssohn in Brief gb-1824-08-03-01 Carl Friedrich Zelter an Felix Mendelssohn Bartholdy in Doberan, Berlin, 3. August 1824.

Die Aufgabe nun besteht darinn:

|3| Zu diesen beyden Thematen Zu jedem von diesen ThematenZelter, Carl Friedrich (1758–1832) sollen die Dir ganz wohlbekannten Fugen<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685–1750)</name><name key="CRT0107921" style="hidden" type="music">Fuge h-Moll, BWV 869/2</name><name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685–1750)</name><name key="CRT0107917" style="hidden" type="music">Das Wohltemperierte Klavier BWV 846-893</name> des Seb: BachBach, Johann Sebastian (1685-1750) gefunden werden, von welchen Letztern, obige Noten die ContrasubjecteContrasubjecte – Gegenstimmen. enthalten. –

Am 2ten d. M. haben wir hier ein würdiges Sekularfest gefeiert: Der hundertjährige Geburtstag des verewigten KlopstockKlopstock, Friedrich Gottlieb (1724-1803) ist mit musikalischer und rednerischer Feierlichkeit im grauen KlosterBerlinisches Gymnasium zum Grauen KlosterBerlinDeutschlandFeierlichkeit im grauen Kloster – Die Feier zum 100. Geburtstag des Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock wurde von der Gesellschaft für deutsche Sprache im Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin veranstaltet. Aufgeführt wurden die Klopstock-Vertonungen Gott in der Höh’ allein sey Ehr von Carl Friedrich Zelter, der Morgengesang am Schöpfungsfeste Wq 239 von Carl Philipp Emanuel Bach sowie das Te Deum D-Dur für vier Stimmen, Orchester und Basso continuo, KraL D/III/1, von Leonardo Leo (Vossische Zeitung 155. Stück, 5. Juli 1824). ganz anständig begangen worden. – Bey dieser Gelegenheit haben die beyden Singlehrer FischerFischer, Gottfried Emil (1791-1841) und BellermannBellermann, Johann Friedrich (1795-1874) sich mit ihrem Singchor ganz fertig in einem Tedeum<name key="PSN0112786" style="hidden" type="author">Leo, Leonardo Ortenzio Salvatore de (1694–1744)</name><name key="CRT0111607" style="hidden" type="music">Te Deum D-Dur für vier Stimmen, Orchester und Basso continuo, KraL D/III/1</name> vernehmen lassen, das der Componist (Leonardo LeoLeo, Leonardo Ortenzio Salvatore de (1694-1744)) wohl reichlicher mögte ausgestattet haben, wenn er hätte ahnden können, daß es zu einer so edlen |4| Feier nach mehr als 100 Jahren eine so edle Feier verherlichen solle.

Betrachte ich das Werk als Liebhaber was doch jeder Künstler zuerst ist und zuletzt bleibt; so wäre genug zu erinnern, dagegen ich es michZelter, Carl Friedrich (1758–1832) von anderer Seite als ein ächtes Meisterwerk ansprichtansprechen, muß das nur von lang geübter Hand kommen kann, und hier ist der Punkt, wo sich die Liebhaberey von der Meisterschaft trennt, wenn beideZelter, Carl Friedrich (1758–1832) sie nicht durch Natur und Übung unter einem Dache wohnen; wo denn auch manches junge Herz irre wird, wenn es verehren soll, was ihm nicht gefallen will. –

Rechnet man noch dazu, daß jedes Kunstwerk |5| seine eigne Geschichte hat, unter welchen zugehenden Umständen seiner Zeit es gedacht undZelter, Carl Friedrich (1758–1832) geZelter, Carl Friedrich (1758–1832)worden ist; so ist ein Urtheil darüber wohl zu bedenken; oder man müßte sich undZelter, Carl Friedrich (1758–1832) seine Zeit als den Gipfel der Kunst ansehn wollen. –

Um wieder auf mein Erstes zu kommen, da noch weißes Papier vorhanden ist, erinnere ich noch folgendes:

Dein Brief findet Mangel an interessantem Stoff, den man freilichZelter, Carl Friedrich (1758–1832) nur nicht außer sich zu suchen hat und Du wirst ihn aber in Dir selberZelter, Carl Friedrich (1758–1832) ihn finden, wie ein Thema zur Sinfonie. –

Da Du nun aber wieder eine Oper<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_58tcadwo-iguv-xqat-ziki-85luxl5zhany"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="stage_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="singspiels_and_operas" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100324" style="hidden">Die Hochzeit des Camacho, Komische Oper in zwei Akten, 11. Juni 1824 bis 10. August 1825; [1826/1827]<idno type="MWV">L 5</idno><idno type="op">10</idno></name> vorhastDa Du nun aber wieder eine Oper vorhast – Mendelssohn arbeitete seit dem 11. Juni 1824 an der Oper Die Hochzeit des Camacho op. 10 (MWV L 5). Diese wurde am 29. April 1827 in Berlin uraufgeführt. und die Individualität Deiner PersonenZelter, Carl Friedrich (1758–1832) Dir nothwendig vorschweben muß: ob sie hoch, groß, blond, |6| klug, schön, jung, heiter, ernsthaft sind und was sonst, so ist es keine weggeworfene Arbeit, darüber etwas buchstäbliches zu fixiren, indem es darauf ankömmt: wie die Personen sind und nicht blos wie sie eben gerathen wollen, da Ihr doch endlich Alle nur schreibt um das Orchester in Athem zu setzen – was oftZelter, Carl Friedrich (1758–1832) zuviel ist und doch nicht genug. Das kannst Du Dir an unserm göttlichen BeethofenBeethoven, Ludwig van (1770-1827) merken, dessen Personen lauter nichts als musikalische Instrumente wären wenn sich mit dem Genie rechten ließe; wer will aber nachthun was an sich fehlerhaft ist? und die Brüge zum Gericht machenZelter, Carl Friedrich (1758–1832) was schon gethan ist, und die Brühe zum Gericht machen?Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)

|7| Eine Oper ist ein Anderes wie ein Concert, eine Sinfonie und dergl: Hier schreibt man sich selber, in der Oper nicht; es ist ungefähr so wie Wilhelm Meister<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749–1832)</name><name key="CRT0108866" style="hidden" type="literature">Wilhelm Meisters Lehrjahre</name> vom Schauspieler sagt,wie Wilhelm Meister vom Schauspieler sagt – Zelter dachte wohl an den Ausspruch des Theaterdirektors Serlo in Johann Wolfgang von Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre, Berlin 1795/96, fünftes Buch, siebentes Kapitel: »Bei den Schauspielern ist dieses sehr auffallend. Jeder ist sehr wohl zufrieden eine schöne lobenswürdige brillante Rolle zu übernehmen; selten aber tut einer mehr, als sich mit Selbstgefälligkeit an die Stelle des Helden zu setzen, ohne sich im mindesten zu bekümmern, ob ihn auch jemand dafür halten werde.« (zit. nach Goethe, Münchner Ausgabe, Bd. 5, S. 308). der sich spielt und den Hamlet darüber zu Grunde nebenherZelter, Carl Friedrich (1758–1832) gehen läßt. –

Freilich muß man sich auch hier noch können gehn lassen, und des Zufälligen ist so wenig ein Ende, daß mancher, der Fische fangen will, froh seyn mußZelter, Carl Friedrich (1758–1832), ist wenn er Krebse findet. –

Auch darüber also wäre zu verkehren, und wir brauchen nicht zu wartenZelter, Carl Friedrich (1758–1832) auf Wolkenbrüche+, Eisgänge und sonst ein Unglück zu berichten. –

Nun wirst Du wohl genug haben. Dein Zelter. Chiron.Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)
Bergstürze,
            Berlin d. 16. July 1824. Chiron an Achill.
Da ich wohl auch erfahren habe, wie man sich bey der gesellschaftlichen Unterhaltung in Badeorten befindet, so brauch’ ich mich nicht zu wundern, wenn sie Dir, mein Felix Achill nicht zusagt. – Und doch ist mir der ruhige Aufenthalt in Bädern insofern nützlich gewesen, da man einmal auf sich selbst gewiesen wird und den eigentlichen Werth des Wissens schätzen lernt, in sofern es zu eigener Leistung aufregt und nachhilft. Denn bloßes Wissen ist ein todtes Capital, wenn wir nicht aus uns selbst dazu thun und schaffen und erweitern. –
Ist mir nun Deine werthe Zuschrift angenehm, ja nothwendig, um auch in dieser Art mit einander zu verkehren; so denk’ ich nicht daran, etwas Neues aus der Ferne von Dir zu erfahren; vielmehr sehe ich gern das gewohnte Kunstleben still fortgesetzt, das sich mit wenig Worten begnügt, die Dein Tagebuch willig hergiebt. –
Gott bewahre mich und Dich für hohle lange Briefe, unsere Vetterschaft hat es mit Sachen zu thun und so sende einige Thema, die Du mir allenfalls in Noten beantwortest, die Dir auch wohl am geläufigsten sind:
Die Aufgabe nun besteht darinn:
 Zu diesen beyden Thematen Zu jedem von diesen Thematen sollen die Dir ganz wohlbekannten Fugen des Seb: Bach gefunden werden, von welchen Letztern, obige Noten die Contrasubjecte enthalten. –
Am 2ten d. M. haben wir hier ein würdiges Sekularfest gefeiert: Der hundertjährige Geburtstag des verewigten Klopstock ist mit musikalischer und rednerischer Feierlichkeit im grauen Kloster ganz anständig begangen worden. – Bey dieser Gelegenheit haben die beyden Singlehrer Fischer und Bellermann sich mit ihrem Singchor ganz fertig in einem Tedeum vernehmen lassen, das der Componist (Leonardo Leo) wohl reichlicher mögte ausgestattet haben, wenn er hätte ahnden können, daß es zu einer so edlen Feier nach mehr als 100 Jahren eine so edle Feier verherlichen solle.
Betrachte ich das Werk als Liebhaber was doch jeder Künstler zuerst ist und zuletzt bleibt; so wäre genug zu erinnern, dagegen ich es mich von anderer Seite als ein ächtes Meisterwerk ansprechen, muß das nur von lang geübter Hand kommen kann, und hier ist der Punkt, wo sich die Liebhaberey von der Meisterschaft trennt, wenn beide sie nicht durch Natur und Übung unter einem Dache wohnen; wo denn auch manches junge Herz irre wird, wenn es verehren soll, was ihm nicht gefallen will. –
Rechnet man noch dazu, daß jedes Kunstwerk seine eigne Geschichte hat, unter welchen zugehenden Umständen seiner Zeit es gedacht und geworden ist; so ist ein Urtheil darüber wohl zu bedenken; oder man müßte sich und seine Zeit als den Gipfel der Kunst ansehn wollen. –
Um wieder auf mein Erstes zu kommen, da noch weißes Papier vorhanden ist, erinnere ich noch folgendes:
Dein Brief findet Mangel an interessantem Stoff, den man freilich nur nicht außer sich zu suchen hat und Du wirst ihn aber in Dir selber ihn finden, wie ein Thema zur Sinfonie. –
Da Du nun aber wieder eine Oper vorhast und die Individualität Deiner Personen Dir nothwendig vorschweben muß: ob sie hoch, groß, blond, klug, schön, jung, heiter, ernsthaft sind und was sonst, so ist es keine weggeworfene Arbeit, darüber etwas buchstäbliches zu fixiren, indem es darauf ankömmt: wie die Personen sind und nicht blos wie sie eben gerathen wollen, da Ihr doch endlich Alle nur schreibt um das Orchester in Athem zu setzen – was oft zuviel ist und doch nicht genug. Das kannst Du Dir an unserm göttlichen Beethofen merken, dessen Personen lauter nichts als musikalische Instrumente wären wenn sich mit dem Genie rechten ließe; wer will aber nachthun was an sich fehlerhaft ist? und die Brüge zum Gericht machen was schon gethan ist, und die Brühe zum Gericht machen?
 Eine Oper ist ein Anderes wie ein Concert, eine Sinfonie und dergl: Hier schreibt man sich selber, in der Oper nicht; es ist ungefähr so wie Wilhelm Meister vom Schauspieler sagt, der sich spielt und den Hamlet darüber zu Grunde nebenher gehen läßt. –
Freilich muß man sich auch hier noch können gehn lassen, und des Zufälligen ist so wenig ein Ende, daß mancher, der Fische fangen will, froh seyn muß, ist wenn er Krebse findet. –
Auch darüber also wäre zu verkehren, und wir brauchen nicht zu warten auf Wolkenbrüche+, Eisgänge und sonst ein Unglück zu berichten. –
Nun wirst Du wohl genug haben. Dein
Zelter. Chiron. Bergstürze,          
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Chiron steht hier für Zelter, Achill für Mendelssohn.</note> </salute> <p style="paragraph_without_indent">Da ich wohl auch erfahren habe, wie man sich bey der gesellschaftlichen Unterhaltung in Badeorten befindet, so brauch’ ich mich nicht zu wundern, wenn sie Dir, mein <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_c9ba04b5-2a2e-49ee-8a7e-d4d7d3d0d404">Felix</del> Achill nicht zusagt. – Und doch ist mir der ruhige Aufenthalt in Bädern <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_bb0d15ed-9098-4be7-81f3-20f943af5e93">insofern</del> nützlich gewesen, da man einmal auf sich selbst gewiesen wird und den eigentlichen Werth des Wissens schätzen lernt, in sofern es zu eigener Leistung aufregt und nachhilft. Denn bloßes Wissen ist ein todtes <hi rend="latintype">Capital</hi>, wenn wir nicht aus uns selbst dazu <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_51329bc7-4e3c-4aa7-bb83-750e54f2fa15">thun</del> <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_769c93f3-c49d-483a-b6d6-5459b32519c9">und</del> schaffen <add place="above">und<name key="PSN0115916" resp="writers_hand" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)</name></add> <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_357968fb-0fb7-4690-a104-0de8659b3238">er</del>weitern. –</p> <p>Ist mir nun <title xml:id="title_0a88d2be-574d-4e65-8ca1-c195a23b9c8f">Deine werthe Zuschrift <name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name> <name key="fmb-1824-07-09-01" style="hidden" type="letter">Felix Mendelssohn Bartholdy an Carl Friedrich Zelter in Berlin; Doberan, 9. Juli 1824</name> </title> angenehm, ja nothwendig, um auch in dieser Art mit einander zu verkehren; so denk’ ich<seg type="pagebreak"> |2|<pb n="2" type="pagebreak"></pb></seg> nicht daran, etwas Neues aus der Ferne von Dir zu erfahren; vielmehr sehe ich gern das gewohnte Kunstleben still fortgesetzt, das sich mit wenig Worten begnügt, die Dein Tagebuch willig hergiebt. –</p> <p>Gott bewahre mich und Dich für hohle lange Briefe, unsere Vetterschaft hat es mit Sachen zu thun und so sende einige Thema, die Du mir allenfalls in Noten beantwortest, die Dir auch wohl am geläufigsten sind:</p> <p style="paragraph_without_indent"> <figure rend="below" type="notated_Music" xml:id="figure_c29e1021-ff83-4081-b99e-3588df76412a"><graphic url="https://www.felix-mendelssohn-bartholdy.org/_api/letters/letter_image/Noten/gb-1824-07-16-02-N-001.jpg"></graphic><head style="display_none">Noten: D-DÜhh, 51.4908 (6c), fol. 1v.</head><figDesc style="display_none">Notenbeispiel: Zelter stellte Mendelssohn die Aufgabe, zu zwei von ihm entworfenen Gegenstimmen (Kontrasubjekten) das Thema in Johann Sebastian Bachs Wohltemperiertem Klavier, Teil I, zu nennen, das jeweils mit ihnen harmoniert. Mendelssohn vermochte die Aufgabe zu lösen, obwohl ihm in Doberan Bachs Noten wohl nicht zur Verfügung standen und des Rätsels Lösung verblüffend ist: Die beiden Kontrasubjekte passen nur zum Thema der Fuge Nr. 24 h-Moll, BWV 869/2, wenn man dieses im Blick auf das erste Kontrasubjekt nach b-Moll und im Blick auf das zweite nach a-Moll transponiert. Mendelssohn teilte seinem Lehrer die Lösung am 30. Juli 1824 mit. Siehe Brief fmb-1824-07-30-01 (Brief Nr. 49) Felix Mendelssohn Bartholdy an Carl Friedrich Zelter in Berlin, Doberan, 30. Juli 1824. Über den Sinn derartiger Aufgaben erklärt sich Zelter gegenüber Mendelssohn in Brief gb-1824-08-03-01 Carl Friedrich Zelter an Felix Mendelssohn Bartholdy in Doberan, Berlin, 3. August 1824.</figDesc></figure> </p> <p style="paragraph_without_indent">Die Aufgabe nun besteht darinn: </p> <p style="paragraph_without_indent"><seg type="pagebreak">|3|<pb n="3" type="pagebreak"></pb></seg> Zu diesen beyden Thematen <add place="margin">Zu jedem von diesen Thematen<name key="PSN0115916" resp="writers_hand" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)</name></add> sollen die <title xml:id="title_b795bc62-5283-43cc-8d5b-d9ee69b8f6d5">Dir ganz wohlbekannten Fugen<name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685–1750)</name><name key="CRT0107921" style="hidden" type="music">Fuge h-Moll, BWV 869/2</name><name key="PSN0109617" style="hidden" type="author">Bach, Johann Sebastian (1685–1750)</name><name key="CRT0107917" style="hidden" type="music">Das Wohltemperierte Klavier BWV 846-893</name></title> des <persName xml:id="persName_84dadc81-955d-409c-88e2-febca6fbd9d6">Seb: Bach<name key="PSN0109617" style="hidden" type="person">Bach, Johann Sebastian (1685-1750)</name></persName> gefunden werden, von welchen Letztern, obige Noten die Contrasubjecte<note resp="FMBC" style="hidden" type="word_description" xml:id="note_bf1751c6-4b6b-4bb0-b923-a9945a365eb6" xml:lang="de">Contrasubjecte – Gegenstimmen.</note> enthalten. –</p> <p>Am 2<hi rend="superscript">ten</hi> d. M. haben wir hier ein würdiges Sekularfest gefeiert: Der hundertjährige Geburtstag des verewigten <persName xml:id="persName_3344fda8-f899-41a0-a8ae-29d438d9fb6c">Klopstock<name key="PSN0112443" style="hidden" type="person">Klopstock, Friedrich Gottlieb (1724-1803)</name></persName> ist mit musikalischer und rednerischer Feierlichkeit im <placeName xml:id="placeName_195fe411-3c32-406c-8927-4d6f4b19b63a">grauen Kloster<name key="NST0103280" style="hidden" subtype="" type="institution">Berlinisches Gymnasium zum Grauen Kloster</name><settlement key="STM0100101" style="hidden" type="locality">Berlin</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName><note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_a8d14b6f-a05f-43db-841b-feefd29eaa89" xml:lang="de">Feierlichkeit im grauen Kloster – Die Feier zum 100. Geburtstag des Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock wurde von der Gesellschaft für deutsche Sprache im Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin veranstaltet. Aufgeführt wurden die Klopstock-Vertonungen Gott in der Höh’ allein sey Ehr von Carl Friedrich Zelter, der Morgengesang am Schöpfungsfeste Wq 239 von Carl Philipp Emanuel Bach sowie das Te Deum D-Dur für vier Stimmen, Orchester und Basso continuo, KraL D/III/1, von Leonardo Leo (Vossische Zeitung 155. Stück, 5. Juli 1824).</note> ganz anständig begangen worden. – Bey dieser Gelegenheit haben die beyden Singlehrer <persName xml:id="persName_e896356d-8fca-4df8-ba8c-44315678f61f">Fischer<name key="PSN0111066" style="hidden" type="person">Fischer, Gottfried Emil (1791-1841)</name></persName> und <persName xml:id="persName_6bf05059-85d5-436d-a937-172657f94b48">Bellermann<name key="PSN0109789" style="hidden" type="person">Bellermann, Johann Friedrich (1795-1874)</name></persName> sich mit ihrem Singchor ganz fertig in<gap quantity="2" reason="deletion" unit="characters"></gap> einem <title xml:id="title_87df9dd3-9a2d-4794-996b-8fbcd4dfe22d">Tedeum<name key="PSN0112786" style="hidden" type="author">Leo, Leonardo Ortenzio Salvatore de (1694–1744)</name><name key="CRT0111607" style="hidden" type="music">Te Deum D-Dur für vier Stimmen, Orchester und Basso continuo, KraL D/III/1</name></title> vernehmen lassen, das der Componist (<hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_fb47dc7d-ddd1-44c2-8b0c-5ec78460fd06">Leonardo Leo<name key="PSN0112786" style="hidden" type="person">Leo, Leonardo Ortenzio Salvatore de (1694-1744)</name></persName></hi>) wohl reichlicher mögte ausgestattet haben, wenn er hätte ahnden können, daß es <del cert="high" rend="strikethrough">zu einer so edlen</del> <seg type="pagebreak"> |4|<pb n="4" type="pagebreak"></pb></seg> <del cert="high" rend="strikethrough">Feier</del> nach mehr als 100 Jahren eine so edle Feier <gap quantity="3" reason="deletion" unit="words"></gap> verherlichen solle.</p> <p>Betrachte ich das Werk als Liebhaber was doch jeder Künstler zuerst ist und zuletzt bleibt; so wäre genug zu erinnern, dagegen <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_968f0556-7986-49d7-a554-0328ff39fbaa">ich</del> es <add place="above">mich<name key="PSN0115916" resp="writers_hand" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)</name></add> von anderer Seite als ein ächtes Meisterwerk <choice resp="writer" source="autograph_edition_template"><corr resp="writer">anspricht</corr><sic resp="writer">ansprechen</sic></choice>, <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_300c830a-ea3d-4b43-a68c-9d5d3818f46a">muß</del> das nur von lang geübter Hand kommen kann, und hier ist der Punkt, wo sich die Liebhaberey von der Meisterschaft trennt, wenn <add place="above">beide<name key="PSN0115916" resp="writers_hand" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)</name></add> <del cert="high" rend="strikethrough">sie</del> nicht durch Natur und Übung unter einem Dache wohnen; wo denn auch manches junge Herz irre wird, wenn es verehren soll, was ihm nicht gefallen will. –</p> <p>Rechnet man noch dazu, daß jedes Kunstwerk<seg type="pagebreak"> |5|<pb n="5" type="pagebreak"></pb></seg> seine eigne Geschichte hat, unter welchen zugehenden Umständen seiner Zeit es gedacht <add place="above">und<name key="PSN0115916" resp="writers_hand" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)</name></add> <add place="inline">ge<name key="PSN0115916" resp="writers_hand" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)</name></add>worden ist; so ist ein Urtheil darüber wohl zu bedenken; oder man müßte sich <gap quantity="1" reason="erasing" unit="words"></gap> <add place="above">und<name key="PSN0115916" resp="writers_hand" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)</name></add> seine Zeit als den Gipfel der Kunst ansehn wollen. –</p> <p>Um wieder auf mein Erstes zu kommen, da noch weißes Papier vorhanden ist, erinnere ich noch folgendes: </p> <p>Dein Brief findet Mangel an interessantem Stoff, den man <add place="above">freilich<name key="PSN0115916" resp="writers_hand" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)</name></add> <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_a359df22-d5bc-48aa-bb25-4bbf780fb733">nur</del> nicht außer sich zu suchen hat <del cert="high" rend="strikethrough" xml:id="del_6e10f210-a971-4541-888d-cd22119ff9af">und</del> Du wirst <add place="inline">ihn aber in Dir selber<name key="PSN0115916" resp="writers_hand" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)</name></add> <del cert="high" rend="strikethrough">ihn</del> finden, wie ein Thema zur Sinfonie. –</p> <p>Da Du nun aber wieder <title xml:id="title_752679d7-e27c-47d2-b5bf-aa8459da0cb3">eine Oper<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_58tcadwo-iguv-xqat-ziki-85luxl5zhany"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="stage_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="singspiels_and_operas" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100324" style="hidden">Die Hochzeit des Camacho, Komische Oper in zwei Akten, 11. Juni 1824 bis 10. August 1825; [1826/1827]<idno type="MWV">L 5</idno><idno type="op">10</idno></name></title> vorhast<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_d4707d9c-2c87-42a3-85d4-eed3b95ba2d2" xml:lang="de">Da Du nun aber wieder eine Oper vorhast – Mendelssohn arbeitete seit dem 11. Juni 1824 an der Oper Die Hochzeit des Camacho op. 10 (MWV L 5). Diese wurde am 29. April 1827 in Berlin uraufgeführt.</note> und die Individualität Deiner Person<add place="inline">en<name key="PSN0115916" resp="writers_hand" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)</name></add> Dir nothwendig vorschweben muß: ob sie hoch, groß, blond,<seg type="pagebreak"> |6|<pb n="6" type="pagebreak"></pb></seg> klug, schön, jung, heiter, ernsthaft sind und was sonst, so ist es keine weggeworfene Arbeit, darüber etwas buchstäbliches zu <hi rend="latintype">fixiren</hi>, indem es darauf ankömmt: wie die Personen <hi n="1" rend="underline">sind</hi> und nicht blos wie sie eben gerathen wollen, da Ihr doch endlich Alle nur schreibt um das Orchester in Athem zu setzen – was <add place="above">oft<name key="PSN0115916" resp="writers_hand" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)</name></add> zuviel ist und doch nicht genug. Das kannst Du Dir an unserm göttl<choice resp="writer" source="autograph_edition_template"><corr resp="writer">ich</corr><sic resp="writer"></sic></choice>en <hi rend="latintype"><persName xml:id="persName_7683d3c5-4f20-44d4-aee4-00e394fe1c5b">Beethofen<name key="PSN0109771" style="hidden" type="person">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName></hi> merken, dessen Personen lauter <del cert="high" rend="strikethrough">nichts als</del> musikalische Instrumente <gap quantity="3" reason="deletion" unit="words"></gap> wären wenn sich mit dem Genie rechten ließe; wer will aber nachthun <del cert="low" rend="strikethrough">was an sich fehlerhaft ist?</del> <add place="inline"><del cert="high" rend="strikethrough">und die Brüge zum Gericht machen</del><name key="PSN0115916" resp="writers_hand" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)</name></add> <add place="margin">was schon gethan <gap quantity="1" reason="erasing" unit="words"></gap> ist, und die Brühe zum Gericht machen?<name key="PSN0115916" resp="writers_hand" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)</name></add></p> <p><seg type="pagebreak"> |7|<pb n="7" type="pagebreak"></pb></seg> Eine Oper ist ein Anderes wie ein <hi rend="latintype">Concert</hi>, eine Sinfonie und dergl: Hier schreibt man sich selber, in der Oper nicht; es ist ungefähr so wie <hi rend="latintype"><title xml:id="title_02438344-a2b4-4f0f-8b77-21d927b11ef8">Wilhelm Meister<name key="PSN0111422" style="hidden" type="author">Goethe, Johann Wolfgang (seit 1782) von (1749–1832)</name><name key="CRT0108866" style="hidden" type="literature">Wilhelm Meisters Lehrjahre</name></title></hi> vom Schauspieler sagt,<note resp="FMBC" style="hidden" type="single_place_comment" xml:id="note_c284fbf9-2fdf-435e-8081-82f311c16ba1" xml:lang="de">wie Wilhelm Meister vom Schauspieler sagt – Zelter dachte wohl an den Ausspruch des Theaterdirektors Serlo in Johann Wolfgang von Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre, Berlin 1795/96, fünftes Buch, siebentes Kapitel: »Bei den Schauspielern ist dieses sehr auffallend. Jeder ist sehr wohl zufrieden eine schöne lobenswürdige brillante Rolle zu übernehmen; selten aber tut einer mehr, als sich mit Selbstgefälligkeit an die Stelle des Helden zu setzen, ohne sich im mindesten zu bekümmern, ob ihn auch jemand dafür halten werde.« (zit. nach Goethe, Münchner Ausgabe, Bd. 5, S. 308).</note> der <hi n="1" rend="underline">sich</hi> spielt und den <hi rend="latintype">Hamlet</hi> darüber <del cert="high" rend="strikethrough">zu Grunde</del> <add place="above">nebenher<name key="PSN0115916" resp="writers_hand" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)</name></add> gehen läßt. –</p> <p>Freilich muß man sich auch hier noch können gehn lassen, und des Zufälligen ist so wenig ein Ende, daß mancher, der Fische fangen will, froh <add place="margin">seyn muß<name key="PSN0115916" resp="writers_hand" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)</name></add>, <del cert="high" rend="strikethrough">ist</del> wenn er Krebse findet. –</p> <p>Auch darüber also wäre zu verkehren, und wir brauchen nicht <add place="above">zu warten<name key="PSN0115916" resp="writers_hand" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)</name></add> auf Wolkenbrüche<ref target="#fn1" type="Footnotes_reference" xml:id="fnr1">+</ref>, Eisgänge und sonst ein Unglück zu berichten. –</p> <closer rend="left">Nun wirst Du wohl genug haben.</closer> <signed rend="center">Dein</signed> <signed rend="right"><hi n="2" rend="underline"><hi rend="latintype">Zelter</hi></hi>. <add place="inline">Chiron.<name key="PSN0115916" resp="writers_hand" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758–1832)</name></add></signed> </div> <div type="footnotes_area" xml:id="div_2dff700a-142e-4516-bde7-4fdd33ea6eea"> <note n="+" place="in_the_marginal_area_right,_left_or_right_and_left" subtype="author" target="fnr1" type="footnote" xml:id="fn1">Bergstürze,</note> </div> </body> </text></TEI>