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fmb-1841-01-03-03

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Felix Mendelssohn Bartholdy an Eduard Otto in Braunschweig<lb></lb>Leipzig, 3. Januar 1841 Es ist mir schon einmal recht gut bekommen, daß ich das neue Jahr als einen Deckmantel meines bösen Gewissens brauchte, und da thue ich es diesmal wieder, in der Hoffnung eines eben so guten Erfolgs. Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht eingetragen noch nicht eingetragen Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 7, 2946

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

USA New York, NY US-NYpm New York, NY, The Pierpont Morgan Library Mary Flagler Music Collection – Letters MFC M5377.O91. Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy an Eduard Otto in Braunschweig; Leipzig, 3. Januar 1841 Es ist mir schon einmal recht gut bekommen, daß ich das neue Jahr als einen Deckmantel meines bösen Gewissens brauchte, und da thue ich es diesmal wieder, in der Hoffnung eines eben so guten Erfolgs.

4 beschr. S.

Felix Mendelssohn Bartholdy

Autographe Partitur von Felix Mendelssohn Bartholdys Der 114. Psalm »Da Israel aus Ägypten zog« op. 51 (MWV A 17); heutiger Standort nicht bekannt.

-

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

3. Januar 1841 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) LeipzigDeutschland Otto, Eduard BraunschweigDeutschland deutsch
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Leipzig d. 3ten Jan. 1841. Lieber Herr Assessor

Es ist mir schon einmal recht gut bekommen, daß ich das neue Jahr als einen Deckmantel meines bösen Gewissens brauchte, und da thue ich es diesmal wieder, in der Hoffnung eines eben so guten Erfolgs. Verzeihen Sie mir das lange Stillschweigen im alten Jahre, und mögen Sie das neue so gut antreten, und so froh vollenden, wie ichs Ihnen aufs herzlichste wünsche. Dann wollte ich auch gern eine (wenn auch nur sehr schwache) Erwiederung Ihres herrlichen, prachtvollen Geschenks, an dem ich mich noch so oft erfreue, in diesen Tagen zusenden, und habe Ihnen daher eine Partitur<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_n2cfjsau-ywm7-rfte-vgby-chxk1mmnzil1"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100117" style="hidden">Der 114. Psalm »Da Israel aus Ägypten zog« für gemischten Chor, Orchester und Orgel, [Ende Juli 1839] bis 9. August 1839; Revision 1840<idno type="MWV">A 17</idno><idno type="op">51</idno></name> abgeschrieben auf die ich gerade etwas halte und die mir lieb ist; möchten Sie meiner freundlich gedenken, indem Sie sie durchlesen oder spielen, und möchte ich dadurch zuweilen bei Ihnen die Erinnerung an unser kurzes aber vergnügtes Zusammensein erneuern können! Das Stück<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_hdkfuqvn-5ve7-idg5-v8pn-gpaoudcdzu6t"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100117" style="hidden">Der 114. Psalm »Da Israel aus Ägypten zog« für gemischten Chor, Orchester und Orgel, [Ende Juli 1839] bis 9. August 1839; Revision 1840<idno type="MWV">A 17</idno><idno type="op">51</idno></name> selbst ist im ClavierAuszug erschienen, und wird auch später wohl in Partitur publicirt; ich glaube kaum daß die Leute sich viel daraus machen werden, und weiß kaum ob ich Recht habe, daß mirs lieb ist, aber eben weil mir’s lieb ist, Recht oder Unrecht, habe ichs für Sie bestimmt und geschrieben, und wünsche ich, daß Sie es freundlich annehmen mögen. Die furchtbare Großartigkeit der Worte hatte mich so mitgenommen, daß ich das Stück<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_dbawunaj-efvo-xluf-ieij-gvkziofjzpgw"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100117" style="hidden">Der 114. Psalm »Da Israel aus Ägypten zog« für gemischten Chor, Orchester und Orgel, [Ende Juli 1839] bis 9. August 1839; Revision 1840<idno type="MWV">A 17</idno><idno type="op">51</idno></name> in wenig Tagen componirte; aber eben wenn man sehr ergriffen ist, gelingt es zuweilen nicht das so recht wiederzugeben, so wie bewegte Milch wohl Butter giebt, aber nur stehende Käse. (Da ist auch ein Citat, aber woher?)

Als ich vom alten Jahre schied hatte ich das wohlthätige Gefühl eine schwere und gefährliche Zeit darin glücklich überstanden zu haben. Im August wurde ich von der ernsthaftesten Krankheit befallen, die ich bis jetzt gehabt hatte; man hielt sie im Anfang für lebensgefährlich; sie schwächte mich jedenfalls so sehr, daß ich mehrere Wochen nach der eigentlichen Krankheit nicht ohne Hülfe gehn und stehn konnte. Halb genesen hatte ich die Reise nach England zu machen, unternahm sie allein und ohne alle Begleitung, konnte die ersten Tage nur kurze Zeit fahren, weil michs zu sehr angriff, und reis’te wirklich in den schwersten Sorgen vom Hause fort. Statt daß sie eingetroffen wären, kehrte ich aber an Leib und Seele erfrischt, gesünder als lange vorher, mit unaussprechlich frohem Muthe zu den Meinigen zurück, und die Erinnerung an diese Zeit gab mir am Neujahrsabend ein eigenthümliches, sehr dankbares Gefühl. Mögen Sie in gleicher Freude auf das verflossene Jahr zurückgeblickt haben, und mögen sich auch bei Ihnen die Spuren der Krankheit, von denen Ihr letzter Brief einige Worte fallen ließ, mehr und mehr, und endlich von Grund aus verloren haben. – Sie wollen mich als Kapellmeister in Braunschweig anstellen lassen, und möchten zu dem Ende eine Oper von mir sehen. Zum Letzteren habe ich die größte Lust und auch einige Aussicht; zum ersteren aber keins von beiden. Unter uns gesagt, bin ich jetzt so gut wie entschlossen, niemals eine Stelle an einem Theater anzunehmen. Verschiedene Umstände in der letzteren Zeit haben mich zu diesem Entschlusse gebracht, und namentlich weil ich mir vornehme, bald recht viel für das Theater zu arbeiten und meine Kräfte in dem Fache nach Möglichkeit zu versuchen, gerade deshalb werde ich ihn um so unverbrüchlicher halten. Denn ich habe gefunden daß mir’s bei einem Theater am schwersten und fürs Theater, bei einer Sing-Akademie für Chor &c. &c. zu componiren, dagegen immer überzwerch – daß mirs besser gelingt, je weniger ich an specielle Ausführung zu denken brauche, und weil ich unwillkührlich an das denke, wobei ich oft bin. So wird mirs wahrhaft schwer, hier ein Orchesterstück so recht nach Herzenslust zu schreiben, weil ich gleich mehr an die Flötisten als an die Flöten denken muß. Aber auch noch andre Gründe machen mir eine Theaterstelle wenig wünschenswerth. Sonst dachte ich, es ginge in Deutschland ohne das nicht, und ich würde in die Alternative kommen entweder ans Theater, oder aus dem Lande zu gehen; aber das hat sich jetzt ganz anders und weit über meine Erwartung gestaltet, und die Idee einmal aus Deutschland, (und dann wohl nach England) zu müssen, die mir immer wie den Kindern ein schwarzer Mann vor den Augen stand, kann ich jetzt wie ich hoffe, für immer fahren lassen, und werde demnach wohl im Vaterlande nicht eine Stellung einzunehmen brauchen, die meinen Wünschen und Neigungen zuwider ist. Gern möchte ich nicht später als nächstes Frühjahr eine größere dramatische Arbeit anfangen, und es vergeht kein Tag daß ich mich nicht mit diesem Plane beschäftige. Nur der rechte Mann fehlt immer noch; ich hoffe wie ein Türke, daß ich noch vor dem Frühjahr seine Bekanntschaft machen werde. – Sie erwähnen in Ihrem lieben Brief mehrmals der musikalischen Zeitungen; denken Sie daß ich mich bereits seit mehreren Jahren nicht entschließen kann, eine derselben zu lesen; weiß Gott warum es geschieht, aber es ist mir eben nicht möglich. Ich glaube, weil mich die Sachen, die da verhandelt werden zu lebhaft interessiren, und ich mir zum Gesetz gemacht habe (oder vielmehr mein VaterMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835) hat es mir dazu gemacht) niemals selbst öffentlich zu schreiben. Nun war mir gewöhnlich weder die eine noch die andre Partei in der Musik, weder für noch wider, weder Lob noch Tadel, ganz nach meinem Sinn, und besser machen konnt’ ichs auch nicht, da war ich nach dem Lesen viel unbefriedigter, als vorher und habe es nun ganz eingestellt. – Noch eine andre (damit vielleicht zusammenhängende) Sache hab ich in diesen Tagen für immer eingestellt; das ist die Preisrichterschaft in musikal. Aufgaben, wie sie jetzt so sehr in der Mode zu sein scheinen. Es kam mir der Auftrag dazu von einem Süd-deutschen VereinDeutscher National-Verein für Musik und ihre WissenschaftStuttgartDeutschland, und zugleich schickte mir SpohrSpohr, Louis (Ludewig) (1784-1859) die 32 ClavierSonaten von denen es sich handelte, und die ich dann an ReissigerReißiger (Reissiger), Carl Gottlieb (1798-1859) weiter zu befördern hatte. Da fiel mir auf einmal das Schwere, Verantwortliche, ja Unmögliche eines solchen Amtes aufs Herz, und ich machte das Paket nicht auf, und setzte mir vor ohne Ausnahme nie wieder ein solches Amt zu übernehmen. Würde ich selbst mich doch niemals und zu keiner Zeit einem Richterspruch unterworfen haben, so gern ich immer und zu jeder Zeit Belehrung angenommen habe und annehmen werde, und sollte nun selbst ein solches Tribunal mit bilden helfen, das ich von jeher perhorrescirt haben würde! Dazu habe ich eine zu geringe Meinung von der Sicherheit meines musikalischen Urtheils, und zuviel Respect vor jedem, selbst einem schlechten Musikwerk; Irrthümer aber sind in solchen Fällen doppelt unangenehm, weil gar keine Nothwendigkeit da ist, sie zu begehen, und keine Möglichkeit sie zu vermeiden, wenn man die Sache auch mit der größten Sorgfalt unternimmt. Nur das ist mir schwer gefallen daß ich überzeugt bin, die Musiker im Allgemeinen, und namentlich die von mir sehr verehrten Meister, die öfters jetzt dergleichen Ämter übernehmen, werden mir es übel nehmen, als ob ich mich gern aus einer solchen Gesellschaft mit ihnen ausschlösse; und das ist wahrlich nicht der Fall; aber gegen seine Überzeugung kann doch Niemand. Daher ist mir jetzt ordentlich leicht zu Muth, nachdem ich mich ein für allemal entschieden habe, und daher müssen Sie dies alles, des Breitesten, zu lesen bekommen, weil es der erste Brief ist, den ich seitdem schreibe, und weß das Herz voll ist, deß geht der Brief über. Eben habe ich einem Freunde, den ich lange nicht gesehn hatte, Ihre schöne Tasse zeigen müssen, und da steht sie noch vor mir, und die zierlichen Kirchen, und Häuser, und Blumen und Geigen und Griechischen Sprüche und Ihr darunter lauernder Name gucken mich so freundlich an, daß mir ist, als sollte ich mich erst heut recht dafür bedanken. Tausend herzlichen Dank denn, und in einer freien Stunde geben auch Sie mir wieder ein Lebenszeichen, und sagen mir vor allem wie es Ihnen geht, wie Sie leben, was Sie treiben und vorhaben. Und bleiben Sie mir gut und der Himmel gebe ein glückliches, glückliches Neujahr!

Stets Ihr Felix Mendelssohn Bartholdy
            Leipzig d. 3ten Jan. 1841. Lieber Herr Assessor
Es ist mir schon einmal recht gut bekommen, daß ich das neue Jahr als einen Deckmantel meines bösen Gewissens brauchte, und da thue ich es diesmal wieder, in der Hoffnung eines eben so guten Erfolgs. Verzeihen Sie mir das lange Stillschweigen im alten Jahre, und mögen Sie das neue so gut antreten, und so froh vollenden, wie ichs Ihnen aufs herzlichste wünsche. Dann wollte ich auch gern eine (wenn auch nur sehr schwache) Erwiederung Ihres herrlichen, prachtvollen Geschenks, an dem ich mich noch so oft erfreue, in diesen Tagen zusenden, und habe Ihnen daher eine Partitur abgeschrieben auf die ich gerade etwas halte und die mir lieb ist; möchten Sie meiner freundlich gedenken, indem Sie sie durchlesen oder spielen, und möchte ich dadurch zuweilen bei Ihnen die Erinnerung an unser kurzes aber vergnügtes Zusammensein erneuern können! Das Stück selbst ist im ClavierAuszug erschienen, und wird auch später wohl in Partitur publicirt; ich glaube kaum daß die Leute sich viel daraus machen werden, und weiß kaum ob ich Recht habe, daß mirs lieb ist, aber eben weil mir’s lieb ist, Recht oder Unrecht, habe ichs für Sie bestimmt und geschrieben, und wünsche ich, daß Sie es freundlich annehmen mögen. Die furchtbare Großartigkeit der Worte hatte mich so mitgenommen, daß ich das Stück in wenig Tagen componirte; aber eben wenn man sehr ergriffen ist, gelingt es zuweilen nicht das so recht wiederzugeben, so wie bewegte Milch wohl Butter giebt, aber nur stehende Käse. (Da ist auch ein Citat, aber woher?)
Als ich vom alten Jahre schied hatte ich das wohlthätige Gefühl eine schwere und gefährliche Zeit darin glücklich überstanden zu haben. Im August wurde ich von der ernsthaftesten Krankheit befallen, die ich bis jetzt gehabt hatte; man hielt sie im Anfang für lebensgefährlich; sie schwächte mich jedenfalls so sehr, daß ich mehrere Wochen nach der eigentlichen Krankheit nicht ohne Hülfe gehn und stehn konnte. Halb genesen hatte ich die Reise nach England zu machen, unternahm sie allein und ohne alle Begleitung, konnte die ersten Tage nur kurze Zeit fahren, weil michs zu sehr angriff, und reis’te wirklich in den schwersten Sorgen vom Hause fort. Statt daß sie eingetroffen wären, kehrte ich aber an Leib und Seele erfrischt, gesünder als lange vorher, mit unaussprechlich frohem Muthe zu den Meinigen zurück, und die Erinnerung an diese Zeit gab mir am Neujahrsabend ein eigenthümliches, sehr dankbares Gefühl. Mögen Sie in gleicher Freude auf das verflossene Jahr zurückgeblickt haben, und mögen sich auch bei Ihnen die Spuren der Krankheit, von denen Ihr letzter Brief einige Worte fallen ließ, mehr und mehr, und endlich von Grund aus verloren haben. – Sie wollen mich als Kapellmeister in Braunschweig anstellen lassen, und möchten zu dem Ende eine Oper von mir sehen. Zum Letzteren habe ich die größte Lust und auch einige Aussicht; zum ersteren aber keins von beiden. Unter uns gesagt, bin ich jetzt so gut wie entschlossen, niemals eine Stelle an einem Theater anzunehmen. Verschiedene Umstände in der letzteren Zeit haben mich zu diesem Entschlusse gebracht, und namentlich weil ich mir vornehme, bald recht viel für das Theater zu arbeiten und meine Kräfte in dem Fache nach Möglichkeit zu versuchen, gerade deshalb werde ich ihn um so unverbrüchlicher halten. Denn ich habe gefunden daß mir’s bei einem Theater am schwersten und fürs Theater, bei einer Sing-Akademie für Chor &c. &c. zu componiren, dagegen immer überzwerch – daß mirs besser gelingt, je weniger ich an specielle Ausführung zu denken brauche, und weil ich unwillkührlich an das denke, wobei ich oft bin. So wird mirs wahrhaft schwer, hier ein Orchesterstück so recht nach Herzenslust zu schreiben, weil ich gleich mehr an die Flötisten als an die Flöten denken muß. Aber auch noch andre Gründe machen mir eine Theaterstelle wenig wünschenswerth. Sonst dachte ich, es ginge in Deutschland ohne das nicht, und ich würde in die Alternative kommen entweder ans Theater, oder aus dem Lande zu gehen; aber das hat sich jetzt ganz anders und weit über meine Erwartung gestaltet, und die Idee einmal aus Deutschland, (und dann wohl nach England) zu müssen, die mir immer wie den Kindern ein schwarzer Mann vor den Augen stand, kann ich jetzt wie ich hoffe, für immer fahren lassen, und werde demnach wohl im Vaterlande nicht eine Stellung einzunehmen brauchen, die meinen Wünschen und Neigungen zuwider ist. Gern möchte ich nicht später als nächstes Frühjahr eine größere dramatische Arbeit anfangen, und es vergeht kein Tag daß ich mich nicht mit diesem Plane beschäftige. Nur der rechte Mann fehlt immer noch; ich hoffe wie ein Türke, daß ich noch vor dem Frühjahr seine Bekanntschaft machen werde. – Sie erwähnen in Ihrem lieben Brief mehrmals der musikalischen Zeitungen; denken Sie daß ich mich bereits seit mehreren Jahren nicht entschließen kann, eine derselben zu lesen; weiß Gott warum es geschieht, aber es ist mir eben nicht möglich. Ich glaube, weil mich die Sachen, die da verhandelt werden zu lebhaft interessiren, und ich mir zum Gesetz gemacht habe (oder vielmehr mein Vater hat es mir dazu gemacht) niemals selbst öffentlich zu schreiben. Nun war mir gewöhnlich weder die eine noch die andre Partei in der Musik, weder für noch wider, weder Lob noch Tadel, ganz nach meinem Sinn, und besser machen konnt’ ichs auch nicht, da war ich nach dem Lesen viel unbefriedigter, als vorher und habe es nun ganz eingestellt. – Noch eine andre (damit vielleicht zusammenhängende) Sache hab ich in diesen Tagen für immer eingestellt; das ist die Preisrichterschaft in musikal. Aufgaben, wie sie jetzt so sehr in der Mode zu sein scheinen. Es kam mir der Auftrag dazu von einem Süd-deutschen Verein, und zugleich schickte mir Spohr die 32 ClavierSonaten von denen es sich handelte, und die ich dann an Reissiger weiter zu befördern hatte. Da fiel mir auf einmal das Schwere, Verantwortliche, ja Unmögliche eines solchen Amtes aufs Herz, und ich machte das Paket nicht auf, und setzte mir vor ohne Ausnahme nie wieder ein solches Amt zu übernehmen. Würde ich selbst mich doch niemals und zu keiner Zeit einem Richterspruch unterworfen haben, so gern ich immer und zu jeder Zeit Belehrung angenommen habe und annehmen werde, und sollte nun selbst ein solches Tribunal mit bilden helfen, das ich von jeher perhorrescirt haben würde! Dazu habe ich eine zu geringe Meinung von der Sicherheit meines musikalischen Urtheils, und zuviel Respect vor jedem, selbst einem schlechten Musikwerk; Irrthümer aber sind in solchen Fällen doppelt unangenehm, weil gar keine Nothwendigkeit da ist, sie zu begehen, und keine Möglichkeit sie zu vermeiden, wenn man die Sache auch mit der größten Sorgfalt unternimmt. Nur das ist mir schwer gefallen daß ich überzeugt bin, die Musiker im Allgemeinen, und namentlich die von mir sehr verehrten Meister, die öfters jetzt dergleichen Ämter übernehmen, werden mir es übel nehmen, als ob ich mich gern aus einer solchen Gesellschaft mit ihnen ausschlösse; und das ist wahrlich nicht der Fall; aber gegen seine Überzeugung kann doch Niemand. Daher ist mir jetzt ordentlich leicht zu Muth, nachdem ich mich ein für allemal entschieden habe, und daher müssen Sie dies alles, des Breitesten, zu lesen bekommen, weil es der erste Brief ist, den ich seitdem schreibe, und weß das Herz voll ist, deß geht der Brief über. Eben habe ich einem Freunde, den ich lange nicht gesehn hatte, Ihre schöne Tasse zeigen müssen, und da steht sie noch vor mir, und die zierlichen Kirchen, und Häuser, und Blumen und Geigen und Griechischen Sprüche und Ihr darunter lauernder Name gucken mich so freundlich an, daß mir ist, als sollte ich mich erst heut recht dafür bedanken. Tausend herzlichen Dank denn, und in einer freien Stunde geben auch Sie mir wieder ein Lebenszeichen, und sagen mir vor allem wie es Ihnen geht, wie Sie leben, was Sie treiben und vorhaben. Und bleiben Sie mir gut und der Himmel gebe ein glückliches, glückliches Neujahr!
Stets Ihr
Felix Mendelssohn Bartholdy          
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Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation><date cert="high" when="1841-01-03" xml:id="date_c5d3d989-06eb-40bc-bd6b-48908ed2910b">3. 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Verzeihen Sie mir das lange Stillschweigen im alten Jahre, und mögen Sie das neue so gut antreten, und so froh vollenden, wie ichs Ihnen aufs herzlichste wünsche. Dann wollte ich auch gern eine (wenn auch nur sehr schwache) Erwiederung Ihres herrlichen, prachtvollen Geschenks, an dem ich mich noch so oft erfreue, in diesen Tagen zusenden, und habe Ihnen daher eine <title xml:id="title_d11f4d15-8df7-49ff-a8b9-1d3e78290aad">Partitur<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_n2cfjsau-ywm7-rfte-vgby-chxk1mmnzil1"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100117" style="hidden">Der 114. Psalm »Da Israel aus Ägypten zog« für gemischten Chor, Orchester und Orgel, [Ende Juli 1839] bis 9. August 1839; Revision 1840<idno type="MWV">A 17</idno><idno type="op">51</idno></name></title> abgeschrieben auf die ich gerade etwas halte und die mir lieb ist; möchten Sie meiner freundlich gedenken, indem Sie sie durchlesen oder spielen, und möchte ich dadurch zuweilen bei Ihnen die Erinnerung an unser kurzes aber vergnügtes Zusammensein erneuern können! Das <title xml:id="title_b679cb99-7f15-4fab-befd-dc1711ae981b">Stück<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_hdkfuqvn-5ve7-idg5-v8pn-gpaoudcdzu6t"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100117" style="hidden">Der 114. Psalm »Da Israel aus Ägypten zog« für gemischten Chor, Orchester und Orgel, [Ende Juli 1839] bis 9. August 1839; Revision 1840<idno type="MWV">A 17</idno><idno type="op">51</idno></name></title> selbst ist im ClavierAuszug erschienen, und wird auch später wohl in Partitur publicirt; ich glaube kaum daß die Leute sich viel daraus machen werden, und weiß kaum ob ich Recht habe, daß mirs lieb ist, aber eben <hi rend="underline">weil</hi> mir’s lieb ist, Recht oder Unrecht, habe ichs für Sie bestimmt und geschrieben, und wünsche ich, daß Sie es freundlich annehmen mögen. Die furchtbare Großartigkeit der Worte hatte mich so mitgenommen, daß ich das <title xml:id="title_57b81892-4516-4a35-a901-f375d8306791">Stück<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_dbawunaj-efvo-xluf-ieij-gvkziofjzpgw"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100117" style="hidden">Der 114. Psalm »Da Israel aus Ägypten zog« für gemischten Chor, Orchester und Orgel, [Ende Juli 1839] bis 9. August 1839; Revision 1840<idno type="MWV">A 17</idno><idno type="op">51</idno></name></title> in wenig Tagen componirte; aber eben wenn man sehr ergriffen ist, gelingt es zuweilen nicht das so recht wiederzugeben, so wie bewegte Milch wohl Butter giebt, aber nur stehende Käse. (Da ist auch ein Citat, aber woher?)</p> <p>Als ich vom alten Jahre schied hatte ich das wohlthätige Gefühl eine schwere und gefährliche Zeit darin glücklich überstanden zu haben. Im August wurde ich von der ernsthaftesten Krankheit befallen, die ich bis jetzt gehabt hatte; man hielt sie im Anfang für lebensgefährlich; sie schwächte mich jedenfalls so sehr, daß ich mehrere Wochen nach der eigentlichen Krankheit nicht ohne Hülfe gehn und stehn konnte. Halb genesen hatte ich die Reise nach England zu machen, unternahm sie allein und ohne alle Begleitung, konnte die ersten Tage nur kurze Zeit fahren, weil michs zu sehr angriff, und reis’te wirklich in den schwersten Sorgen vom Hause fort. Statt daß sie eingetroffen wären, kehrte ich aber an Leib und Seele erfrischt, gesünder als lange vorher, mit unaussprechlich frohem Muthe zu den Meinigen zurück, und die Erinnerung an diese Zeit gab mir am Neujahrsabend ein eigenthümliches, sehr dankbares Gefühl. Mögen Sie in gleicher Freude auf das verflossene Jahr zurückgeblickt haben, und mögen sich auch bei Ihnen die Spuren der Krankheit, von denen Ihr letzter Brief einige Worte fallen ließ, mehr und mehr, und endlich von Grund aus verloren haben. – Sie wollen mich als Kapellmeister in Braunschweig anstellen lassen, und möchten zu dem Ende eine Oper von mir sehen. Zum Letzteren habe ich die größte Lust und auch einige Aussicht; zum ersteren aber keins von beiden. Unter uns gesagt, bin ich jetzt so gut wie entschlossen, niemals eine Stelle an einem Theater anzunehmen. Verschiedene Umstände in der letzteren Zeit haben mich zu diesem Entschlusse gebracht, und namentlich weil ich mir vornehme, bald recht viel für das Theater zu arbeiten und meine Kräfte in dem Fache nach Möglichkeit zu versuchen, gerade deshalb werde ich ihn um so unverbrüchlicher halten. Denn ich habe gefunden daß mir’s bei einem Theater am schwersten und fürs Theater, bei einer Sing-Akademie für Chor &amp;c. &amp;c. zu componiren, dagegen immer überzwerch – daß mirs besser gelingt, je weniger ich an specielle Ausführung zu denken brauche, und weil ich unwillkührlich an das denke, wobei ich oft bin. So wird mirs wahrhaft schwer, hier ein Orchesterstück so recht nach Herzenslust zu schreiben, weil ich gleich mehr an die Flötisten als an die Flöten denken muß. Aber auch noch andre Gründe machen mir eine Theaterstelle wenig wünschenswerth. Sonst dachte ich, es ginge in Deutschland ohne das nicht, und ich würde in die Alternative kommen entweder ans Theater, oder aus dem Lande zu gehen; aber das hat sich jetzt ganz anders und weit über meine Erwartung gestaltet, und die Idee einmal aus Deutschland, (und dann wohl nach England) zu müssen, die mir immer wie den Kindern ein schwarzer Mann vor den Augen stand, kann ich jetzt wie ich hoffe, für immer fahren lassen, und werde demnach wohl im Vaterlande nicht eine Stellung einzunehmen brauchen, die meinen Wünschen und Neigungen zuwider ist. Gern möchte ich nicht später als nächstes Frühjahr eine größere dramatische Arbeit anfangen, und es vergeht kein Tag daß ich mich nicht mit diesem Plane beschäftige. Nur der rechte Mann fehlt immer noch; ich hoffe wie ein Türke, daß ich noch vor dem Frühjahr seine Bekanntschaft machen werde. – Sie erwähnen in Ihrem lieben Brief mehrmals der musikalischen Zeitungen; denken Sie daß ich mich bereits seit mehreren Jahren nicht entschließen kann, eine derselben zu lesen; weiß Gott warum es geschieht, aber es ist mir eben nicht möglich. Ich glaube, weil mich die Sachen, die da verhandelt werden zu lebhaft interessiren, und ich mir zum Gesetz gemacht habe (oder vielmehr mein <persName xml:id="persName_390ee6c3-5ab9-4998-94e1-f4e36a8447b1">Vater<name key="PSN0113247" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Abraham Ernst (bis 1822: Abraham Moses) (1776-1835)</name></persName> hat es mir dazu gemacht) niemals selbst öffentlich zu schreiben. Nun war mir gewöhnlich weder die eine noch die andre Partei in der Musik, weder für noch wider, weder Lob noch Tadel, ganz nach meinem Sinn, und besser machen konnt’ ichs auch nicht, da war ich nach dem Lesen viel unbefriedigter, als vorher und habe es nun ganz eingestellt. – Noch eine andre (damit vielleicht zusammenhängende) Sache hab ich in diesen Tagen für immer eingestellt; das ist die Preisrichterschaft in musikal. Aufgaben, wie sie jetzt so sehr in der Mode zu sein scheinen. Es kam mir der Auftrag dazu von einem <placeName xml:id="placeName_ff9c3ffe-2f49-4b7d-831b-ab6b75cccc04">Süd-deutschen Verein<name key="NST0102754" style="hidden" subtype="" type="institution">Deutscher National-Verein für Musik und ihre Wissenschaft</name><settlement key="STM0100140" style="hidden" type="">Stuttgart</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, und zugleich schickte mir <persName xml:id="persName_c167dfe6-d48c-4b91-81a7-44dd90e50ecf">Spohr<name key="PSN0115032" style="hidden">Spohr, Louis (Ludewig) (1784-1859)</name></persName> die 32 ClavierSonaten von denen es sich handelte, und die ich dann an <persName xml:id="persName_fc653026-e4fa-4f8f-9819-734caa941436">Reissiger<name key="PSN0114129" style="hidden">Reißiger (Reissiger), Carl Gottlieb (1798-1859)</name></persName> weiter zu befördern hatte. Da fiel mir auf einmal das Schwere, Verantwortliche, ja Unmögliche eines solchen Amtes aufs Herz, und ich machte das Paket nicht auf, und setzte mir vor ohne Ausnahme nie wieder ein solches Amt zu übernehmen. Würde ich selbst mich doch niemals und zu keiner Zeit einem <hi rend="underline">Richter</hi>spruch unterworfen haben, so gern ich immer und zu jeder Zeit Belehrung angenommen habe und annehmen werde, und sollte nun selbst ein solches Tribunal mit bilden helfen, das ich von jeher perhorrescirt haben würde! Dazu habe ich eine zu geringe Meinung von der Sicherheit meines musikalischen Urtheils, und zuviel Respect vor jedem, selbst einem schlechten Musikwerk; Irrthümer aber sind in solchen Fällen doppelt unangenehm, weil gar keine Nothwendigkeit da ist, sie zu begehen, und keine Möglichkeit sie zu vermeiden, wenn man die Sache auch mit der größten Sorgfalt unternimmt. Nur das ist mir schwer gefallen daß ich überzeugt bin, die Musiker im Allgemeinen, und namentlich die von mir sehr verehrten Meister, die öfters jetzt dergleichen Ämter übernehmen, werden mir es übel nehmen, als ob ich mich gern aus einer solchen Gesellschaft mit ihnen ausschlösse; und das ist wahrlich nicht der Fall; aber gegen seine Überzeugung kann doch Niemand. Daher ist mir jetzt ordentlich leicht zu Muth, nachdem ich mich ein für allemal entschieden habe, und daher müssen Sie dies alles, des Breitesten, zu lesen bekommen, weil es der erste Brief ist, den ich seitdem schreibe, und weß das Herz voll ist, deß geht der Brief über. Eben habe ich einem Freunde, den ich lange nicht gesehn hatte, Ihre schöne Tasse zeigen müssen, und da steht sie noch vor mir, und die zierlichen Kirchen, und Häuser, und Blumen und Geigen und Griechischen Sprüche und Ihr darunter lauernder Name gucken mich so freundlich an, daß mir ist, als sollte ich mich erst heut recht dafür bedanken. Tausend herzlichen Dank denn, und in einer freien Stunde geben auch Sie mir wieder ein Lebenszeichen, und sagen mir vor allem wie es Ihnen geht, wie Sie leben, was Sie treiben und vorhaben. <seg type="closer" xml:id="seg_a91e1380-a22d-48e6-b6d0-62ef9f410357">Und bleiben Sie mir gut und der Himmel gebe ein glückliches, glückliches Neujahr!</seg></p> <signed rend="right">Stets Ihr</signed> <signed rend="right">Felix Mendelssohn Bartholdy</signed> </div> </body> </text></TEI>