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fmb-1839-11-30-01

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Felix Mendelssohn Bartholdy an Ignaz Moscheles in London<lb></lb>Leipzig, 30. November 1839 Wenn ich an Dich zu schreiben anfange, ist mirs immer eine solche Freude, daß ich selbst gar nicht begreife, warum ich es so selten thue, und meine Faulheit aus doppelten Gründen bereue. – Mein sehr Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht eingetragen noch nicht eingetragen Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 7, 2529

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Leeds GB-LEbc Leeds, University Library, The Brotherton Library Brotherton Collection MS Mendelssohn, Letters 40. Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy an Ignaz Moscheles in London; Leipzig, 30. November 1839 Wenn ich an Dich zu schreiben anfange, ist mirs immer eine solche Freude, daß ich selbst gar nicht begreife, warum ich es so selten thue, und meine Faulheit aus doppelten Gründen bereue. – Mein sehr

5 beschr. S.; S. 4: autographe Notiz von Ignaz Moscheles: »Vom 30ten Novemb. / 1839«. – In Ignaz Moscheles’ Briefalbum enthalten. Autographe Notiz von Moscheles in dessen Briefalbum zu diesem Brief: »Herzliche Jugend Erinnerungen. / Antipathie gegen Pariser Verhältnisse. / Dank für Dedication meines Pastoral Concerts. / Wegen seiner Composition eines Clavier Concertes und Trios / und eines 2ten Oratoriums Elias? Leipziger Zustände / Viel Liebes über David. Ueber Künstler – Monumente. / Enthusiasmus für / Cherubini. // Er schickt meiner Frau / in diesem Brief ein / Lied«.

Felix Mendelssohn Bartholdy

Autograph von Felix Mendelssohn Bartholdy, Altdeutsche Lied (In dem Wald) op. 51/1 (MWV K 104); heutiger Standort nicht bekannt (vgl. MWV, S. 168, Autograph b).

Sammlung William Thomas Freemantle, Rotherham, Yorkshire.

Mendelssohn, Briefe 1833-1847, S. 212-214 (Teildruck). Moscheles, Briefe, S. 179-185 (Teildruck). Wolff, Meister-Briefe, S. 72-81 (Teildruck).

Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

30. November 1839 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) LeipzigDeutschland Moscheles, Ignaz (Isack) (1794-1870) LondonGroßbritannien deutsch
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Leipzig, d. 30sten Nov. 1839. Mein lieber Freund

Wenn ich an Dich zu schreiben anfange, ist mirs immer eine solche Freude, daß ich selbst gar nicht begreife, warum ich es so selten thue, und meine Faulheit aus doppelten Gründen bereue. – Mein sehr zerstreutes Leben ist Schuld daran. Es kommen mir eine Menge Fremde, Geschäfte, Aufträge für Andre und für mich, die mir in 10 Jahren eigentlich passender und auch willkommner wären, als jetzt, wo mir das Geschäftswesen immer noch nicht behagen, mir immer noch nicht geläufig werden will, wo ich leicht den Kopf dabei verliere, und am Ende alles andre thue, nur das nicht, was ich am liebsten thun möchte und sollte. Deshalb mußt Du nachsichtig gegen mich sein; wie herzlich mich Deine lieben Briefe erfreuen, wie sie mir ganze Tage vergnügt machen, wo ich sie lese und wieder lese, wie dankbar ich Dir für Deine fortdauernde Freundschaft, und Güte bin – das weißt Du alles; es ist mir dabei ein eignes Gefühl, wenn ich an die Zeit denke, wo ich Dich zuerst in Berlin sah, wo Du zuerst mir mit Nachsicht und Freundlichkeit entgegenkamst, während mir die dii minorum gentium und die kleinen Feldteufel entsetzliche Gesichter schnitten, und wenn ich denke wie Du seitdem durch alle Veränderungen hindurch mir immer derselbe liebevolle, nachsichtige Freund geblieben bist, ganz so wie damals, und daß ich auch am Ende nicht viel anders bin. Doch aber sind wir beide seitdem Familienväter geworden; während Deine TochterMoscheles, Emily Mary (1827-1889) nun eine ordentliche Miss wird, ist meineMendelssohn Bartholdy, Marie Pauline Helene (1839-1897) am 2ten Oct. geboren, und Dein JungeMoscheles, Felix Stone (1833-1917) spielt gewiß schon gute Tonleitern, da der meinigeMendelssohn Bartholdy, Carl (seit ca. 1859: Karl) Wolfgang Paul (1838-1897) bis jetzt nichts spielt, als kaum Pferd. Hoffentlich geht’s nur allen den Deinigen so gut, wie hier bei mir allen; meine FrauMendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853) ist nun vom Wochenbett ganz erholt, und obgleich sie selbst stillt, so wenig angegriffen, so ganz wie früher als Mädchen, daß mir diese Zeit ganz absonderlich froh und vergnügt ist. Ich kann mich noch nicht in den Tagen vorher der Sorgen und Angst entschlagen, und wenn dann alles so glücklich vorüber, alles wieder beim Alten ist, dann wird mir gar zu leicht wieder zu Muthe, und dann gefällt mir wieder die ganze Welt, ich mir selbst, und gute Musik, und alles Schöne. Dein Pariser Brief hat mich außerordentlich erfreut, obwohl die Dinge, die er schildert, nicht eben die erfreulichsten sind. Ein sonderbares Weben und Treiben muß es dort sein; ich gestehe Dir, daß ich von je eine Art Abneigung dagegen fühlte, und sie hat sich durch alles was man in der letzten Zeit von dort hört, und durch das, was Du mir davon beschreibst, nicht eben vermindert. Die Eitelkeit und das äußerliche Gelten spielen denn doch nirgends eine so große Rolle, wie dort, und daß nicht mehr blos mit dem Orden und der Halsbinde, sondern mit der Künstlerseele und der Begeisterung coquettirt wird, macht die Sache noch schlimmer. Die Soirée bei KalkbrennerKalkbrenner, Friedrich Wilhelm Michael (1785-1849) sehe und höre ich von hier, indem ich Deine Erzählung lese, aber dies Drängen nach dem bischen armseligen Beifall, nach dem Pianofortespielen, diese sehr große innre Dürftigkeit, welche das verräth, und dabei der Anstrich von Größe und Weltereigniß, den solche Misere annimmt, – die widern mich an, wenn ich nur im Briefe davon lesen muß; Alle deutsche Philistereien, Schlafmützen und Tabackspfeifen sind mir noch lieber, aber freilich will ich auch denen nicht sehr das Wort reden; namentlich seit den Ereignissen in Hannover, an denen ich viel Theil nahm, und die uns unser Vaterland leider nicht von einer schönen Seite kennen lehren. So ist weder hier noch dort viel erfreuliches Leben, und da kann man Gott doppelt danken, daß es ein Leben in der Kunst giebt, in dem es so entfernt von allem andren, so einsam und doch lebendig zugeht, in das man sich flüchten, und bei dem man sich wohl befinden kann. Was schreibst Du Neues? Das sage mir. ChorleyChorley, Henry Fothergill (1808-1872) erzählte mir so viel von neuen Etuden – kann ich davon bald etwas zu sehn und zu spielen bekommen? Und Du willst mir die Ehre erzeigen, mir das PastoralConcer<name key="PSN0113441" style="hidden" type="author">Moscheles, Ignaz (Isack) (1794-1870)</name><name key="CRT0110041" style="hidden" type="music">8. Klavierkonzert D-Dur, op. 96 (Concerto pastorale)</name> zuzueignen? Wie mach’ ichs nur um Dir genug zu sagen, welche Freude mir das ist, welche wahre Ehre, meinen Namen auf einem Deiner Werke zu lesen. Gesteh’ ich Dir nur, daß ich mir’s lange gewünscht hatte, da das cmoll Caprice in Deutschland nicht mit der Zueignung erschienen ist, und daß michs nun doppelt freut mit einem so bedeutenden Deiner Werke verknüpft zu werden. Tausend, tausend Dank sollst Du dafür haben; nun will ich mich auch wieder an’s Studiren machen, ums würdiger ausführen zu lernen. Sonderbar, wenn ich viel neuere Claviermusik lese, bekomme ich gar keine Lust zum Üben, und kommt dann einmal wieder ein ordentliches Stück, das ich spielen muß, das ich mit Freude spielen kann, so ists als kriegte ich neue Finger, aber freilich müssen sie dann wieder ein Weilchen trainirt werden. Ich habe jetzt auch vor, mir ein neues ClavierConcert<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_jigc5iqv-9pws-f2bu-xgcr-gwcaxb6lumsc"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="concerts_and_concertante_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100355" style="hidden">Konzert e-Moll für Klavier und Orchester, Fragment, [1842 bis 1844]<idno type="MWV">O 13</idno><idno type="op"></idno></name> zu machen, aber es schwimmt mir noch ganz durcheinander im Kopfe herum. Auch ein neues Oratorium<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_31t04n9z-zrkd-fpr5-c4be-kxnp1c76pf8g"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100118" style="hidden">Lobgesang / Hymn of Praise, Eine Sinfonie-Kantate nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [erste Jahreshälfte 1840]; 27. November 1840<idno type="MWV">A 18</idno><idno type="op">52</idno></name> habe ich angefangen, aber wie ichs schließen werde, und was in die Mitte kommt, weiß der liebe Gott. Mein Trio<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_7v7n0pwu-2jlp-vc9r-og4y-jycpqbgk9z2f"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="chamber_music_with_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100387" style="hidden">Trio Nr. 1 (Grand Trio) d-Moll für Violine, Violoncello und Klavier, [Februar 1839] bis 18. Juli 1839; 23. September 1839<idno type="MWV">Q 29</idno><idno type="op">49</idno></name> zeigte ich Dir gar zu gerne, es ist mir sehr ans Herz gewachsen, und ich bilde mir gewiß ein Du würdest mit manchem darin zufrieden sein – könnte ich Dich doch nur auf einen Tag oder so etwas herüber langen, und Dir es vorspielen und hören, was Du daran tadelst, und was ich darin ändern oder in künftigen besser machen sollte – da lernte man doch etwas; aber so, brieflich, weit, da ists nicht halb so schön. Die VerlegerSchlesinger, Moritz Adolf (Maurice) (vorh. Mora Abraham) (1798-1871) setzen mir arg zu, wegen der Herausgabe, und ich habe auch Lust dazu; könnte ich Dirs aber nur vorher vorgespielt haben. Mit ChappellsChappell, William (1809-1888) Oper ists leider noch im weiten Feld, hakt sich immer wieder an den Text; warum soll ich so ein bedeutendes Werk mit der gewissen Überzeugung anfangen, nichts Ordentliches zu Stande zu bringen? Und doch schriebe ich so gern eine Oper. Chorley, der mir fürs Künftige seine Hilfe zugesagt hat, ist ein lieber Mensch, für dessen Bekanntschaft ich Dir tausendmal danke; solch ein reines, natürliches, und doch scharfgebildetes Gemüth kommt einem selten vor. Grüß ihn sehr herzlich von mir; ich schreibe ihm in den nächsten Tagen und habe nur wegen des Englischen etwas Sorge, das er so leicht und hübsch schreibt, und ich ein bischen häßlich. An unsern ConcertenGewandhausLeipzigDeutschland scheint er rechtes Vergnügen gehabt zu haben; wie herrlich wären die auch auf den Fuß zu bringen, wenn ein ganz klein bischen Geld da wäre. Aber an dem verdammten Geld stößt sichs und hakt sichs überall, und wir kommen lange nicht so vorwärts wie wir möchten; auf der einen Seite stehn die Philister und denken Leipzig sei Paris, und alles sei vortrefflich, und wenn die Musiker im Orchester nicht hungerten so wärs nicht Leipzig mehr, und auf der andern stehn die Musiker, oder vielmehr sie gehn, sobald sie irgend können, und ich gebe ihnen noch Briefe mit, damit sie aus dem Elend kommen. Das hätte nur noch gefehlt, daß Ihr gar auch DavidDavid, Ernst Victor Carl Ferdinand (1810-1873) dort behalten hättet! Dann stäke ich ja ganz und gar im Sumpf, und käm nicht wieder auf ordentliche Orchesterbeine; seine Violine allein ist 10 andre gute werth, und dabei ist er solch ein Musiker, und am Ende lebt er doch ganz angenehm hier, und ist auf Händen getragen und geliebt vom Publikum – nein, den können wir ganz und gar nicht ablassen. Die MeertiMeerti (eigtl. Meert), Elisa Jeanne Isabelle (1817-1878), welche Dir vielmal empfohlen sein will, gefällt uns hier gar sehr, eine so liebliche schöne Stimme, und ein nettes, braves Mädchen dabei; sie ist auch recht sehr in der Gunst der Leute, und geht nächste Woche nach Dresden, wo sie der Hof zum Concerte hat einladen lassen.

Ich will diesen Brief doppelt machen, und Deiner Frau nach gewohnter Weise ein altdeutsches Liedchen auf das angelegte Blatt schreiben. Verzeih das Porto. – Die verlangte Etude<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_fcp73xyl-2ucc-hppe-66cl-bskl8nb95pqi"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="piano_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_piano_two_hands" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100468" style="hidden">Etüde (Präludium) f-Moll, 13. November 1836<idno type="MWV">U 125</idno><idno type="op"></idno></name> habe ich an SchlesingerSchlesinger, Moritz Adolf (Maurice) (vorh. Mora Abraham) (1798-1871) Deinem Wunsche gemäß geschickt, obwohl ich den Kerl eigentlich nicht ausstehn kann, und wenn er sich gar mit FétisFétis, François-Joseph (1784-1871) zusammenthut, so ists ein edles Paar, wovor Gott bewahre, wen er lieb hat. Aber freilich wiegt dann Dein Name ein Stücker Tausend dieses Kalibers wieder auf, und wo Du hingehst und was Du thust, da folge ich mit Freuden. Ich hatte dem SchlesingerSchlesinger, Moritz Adolf (Maurice) (vorh. Mora Abraham) (1798-1871) auf seinen Brief, den er mir darüber im Sommer schrieb, gar nicht geantwortet, weil er früher mirs gar zu arg gemacht hatte, und ich wollte ihn in Ruh lassen, um von ihm in Ruh gelassen zu sein; Dein Brief hat mich wieder sänftlich gestimmt, und am Ende ist ein Verleger wie der andre. Ich glaube aber nicht, daß ich mit diesem auf einen grünen Zweig komme. PottPott, August Friedrich (1806-1883) habe ich dagegen zu seinem Unternehmen nichts gegeben. Wenn Du sähest, wie häßlich sie’s in Deutschland jetzt mit den Monumenten treiben, Du hättest es auch nicht gethan. Sie speculiren auf die großen Männer um sich von ihrem Namen einen Namen zu machen, posaunen in den Zeitungen, und machen schlechte Musik mit den wirklichen Posaunen; „Unerquicklich wie der Nebelwind.“ Wenn sie in Halle für HändelHändel, Georg Friedrich (1685-1759), in Frankfurt für MozartMozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791), in Salzburg für MozartMozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791), in Bonn für BeethovenBeethoven, Ludwig van (1770-1827) ein ordentliches Orchester bilden wollen, die die Werke ordentlich spielen und verstehen können, da bin ich dabei – aber nicht bei ihren Steinen, wo die Orchester noch ärgre Steine sind, und nicht bei ihren Conservatorien, wo nichts zu conserviren ist. Mein Steckenpferd ist jetzt unser armes OrchesterGewandhausLeipzigDeutschland und seine Verbesserung; jetzt habe ich ihnen, mit unsäglicher Lauferei, Schreiberei, und Quälerei, eine Zulage von 500 rt. ausgewirkt, und ehe ich von hier weggehe, müssen sie mehr als das doppelte haben; wenn das die Stadt thut, so kann sie auch Sebastian Bach ein MonumentAltes BachdenkmalLeipzigDeutschland vor die Thomasschule setzen. Aber erst die Zulage.

Du siehst, ich bin ein ganz rabiater Leipziger. Es würde Dich aber auch rühren, wenn Du’s in der Nähe sähest, und dabei hörtest, wie die Leute all ihre Kräfte anspannen um was Gutes zu leisten. Daß Du Dich mit ChopinChopin, Fryderyk Franciszek (Frédéric François) (1810-1849) mehr befreundet hast, als sonst, ist mir sehr lieb; er ist doch der geistreichste von allen denen, und hat wirklichen Reiz in seinem Spiel. Man sagt LisztLiszt, Franz (Ferenc) (1811-1886) werde herkommen; das sollte mich einmal freuen, denn trotz seiner fatalen Journalistik habe ich sein Spiel und den ganzen Kerl immer noch in einem schönen Andenken. Der Zettel von BerliozBerlioz, Louis Hector (1803-1869), den Du mir schickst, ist recht abgeschmackt. Könnte ichs nur wenigstens apart finden, oder gewagt oder keck, das ganze Wesen; ich finde es blos langweilig und gedankenlos. Hat OnslowOnslow, André George Louis (1784-1853) nichts Neues geschrieben? Und der alte CherubiniCherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)? Das ist doch ein einziger Kerl! Ich habe da seine Abenceragen<name key="PSN0110361" style="hidden" type="author">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name><name key="CRT0108361" style="hidden" type="music">Les Abencérages, ou L’Étendard de Grenade</name> und kann nicht aufhören, mich an diesem petillanten Feuer, an den geistreichen, eigenthümlichen Wendungen, an der außerordentlichen Zierlichkeit und Feinheit mit der das alles geschrieben ist, zu erfreuen, und dem alten Prachtmanne dafür zu danken. Dabei ist alles so frei und keck, und so höchst lebendig.

Nun muß ich schließen, lieber lieber Freund; ich habe alles durcheinander gemengt, und geplaudert, als ob ich neben Dir am Claviere säße. Thäte ichs doch wirklich! Aber das mag noch lange dauern! So schreib mir wenigstens bald wieder; sag mir, wie Du lebst, was Du schreibst, und vor allem, daß Du noch gut bist Deinem Felix MB.
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)

Grüße KlingemannKlingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862), dem ich in den nächsten Tagen schreibe.

            Leipzig, d. 30sten Nov. 1839. Mein lieber Freund
Wenn ich an Dich zu schreiben anfange, ist mirs immer eine solche Freude, daß ich selbst gar nicht begreife, warum ich es so selten thue, und meine Faulheit aus doppelten Gründen bereue. – Mein sehr zerstreutes Leben ist Schuld daran. Es kommen mir eine Menge Fremde, Geschäfte, Aufträge für Andre und für mich, die mir in 10 Jahren eigentlich passender und auch willkommner wären, als jetzt, wo mir das Geschäftswesen immer noch nicht behagen, mir immer noch nicht geläufig werden will, wo ich leicht den Kopf dabei verliere, und am Ende alles andre thue, nur das nicht, was ich am liebsten thun möchte und sollte. Deshalb mußt Du nachsichtig gegen mich sein; wie herzlich mich Deine lieben Briefe erfreuen, wie sie mir ganze Tage vergnügt machen, wo ich sie lese und wieder lese, wie dankbar ich Dir für Deine fortdauernde Freundschaft, und Güte bin – das weißt Du alles; es ist mir dabei ein eignes Gefühl, wenn ich an die Zeit denke, wo ich Dich zuerst in Berlin sah, wo Du zuerst mir mit Nachsicht und Freundlichkeit entgegenkamst, während mir die dii minorum gentium und die kleinen Feldteufel entsetzliche Gesichter schnitten, und wenn ich denke wie Du seitdem durch alle Veränderungen hindurch mir immer derselbe liebevolle, nachsichtige Freund geblieben bist, ganz so wie damals, und daß ich auch am Ende nicht viel anders bin. Doch aber sind wir beide seitdem Familienväter geworden; während Deine Tochter nun eine ordentliche Miss wird, ist meine am 2ten Oct. geboren, und Dein Junge spielt gewiß schon gute Tonleitern, da der meinige bis jetzt nichts spielt, als kaum Pferd. Hoffentlich geht’s nur allen den Deinigen so gut, wie hier bei mir allen; meine Frau ist nun vom Wochenbett ganz erholt, und obgleich sie selbst stillt, so wenig angegriffen, so ganz wie früher als Mädchen, daß mir diese Zeit ganz absonderlich froh und vergnügt ist. Ich kann mich noch nicht in den Tagen vorher der Sorgen und Angst entschlagen, und wenn dann alles so glücklich vorüber, alles wieder beim Alten ist, dann wird mir gar zu leicht wieder zu Muthe, und dann gefällt mir wieder die ganze Welt, ich mir selbst, und gute Musik, und alles Schöne. Dein Pariser Brief hat mich außerordentlich erfreut, obwohl die Dinge, die er schildert, nicht eben die erfreulichsten sind. Ein sonderbares Weben und Treiben muß es dort sein; ich gestehe Dir, daß ich von je eine Art Abneigung dagegen fühlte, und sie hat sich durch alles was man in der letzten Zeit von dort hört, und durch das, was Du mir davon beschreibst, nicht eben vermindert. Die Eitelkeit und das äußerliche Gelten spielen denn doch nirgends eine so große Rolle, wie dort, und daß nicht mehr blos mit dem Orden und der Halsbinde, sondern mit der Künstlerseele und der Begeisterung coquettirt wird, macht die Sache noch schlimmer. Die Soirée bei Kalkbrenner sehe und höre ich von hier, indem ich Deine Erzählung lese, aber dies Drängen nach dem bischen armseligen Beifall, nach dem Pianofortespielen, diese sehr große innre Dürftigkeit, welche das verräth, und dabei der Anstrich von Größe und Weltereigniß, den solche Misere annimmt, – die widern mich an, wenn ich nur im Briefe davon lesen muß; Alle deutsche Philistereien, Schlafmützen und Tabackspfeifen sind mir noch lieber, aber freilich will ich auch denen nicht sehr das Wort reden; namentlich seit den Ereignissen in Hannover, an denen ich viel Theil nahm, und die uns unser Vaterland leider nicht von einer schönen Seite kennen lehren. So ist weder hier noch dort viel erfreuliches Leben, und da kann man Gott doppelt danken, daß es ein Leben in der Kunst giebt, in dem es so entfernt von allem andren, so einsam und doch lebendig zugeht, in das man sich flüchten, und bei dem man sich wohl befinden kann. Was schreibst Du Neues? Das sage mir. Chorley erzählte mir so viel von neuen Etuden – kann ich davon bald etwas zu sehn und zu spielen bekommen? Und Du willst mir die Ehre erzeigen, mir das PastoralConcer zuzueignen? Wie mach’ ichs nur um Dir genug zu sagen, welche Freude mir das ist, welche wahre Ehre, meinen Namen auf einem Deiner Werke zu lesen. Gesteh’ ich Dir nur, daß ich mir’s lange gewünscht hatte, da das cmoll Caprice in Deutschland nicht mit der Zueignung erschienen ist, und daß michs nun doppelt freut mit einem so bedeutenden Deiner Werke verknüpft zu werden. Tausend, tausend Dank sollst Du dafür haben; nun will ich mich auch wieder an’s Studiren machen, ums würdiger ausführen zu lernen. Sonderbar, wenn ich viel neuere Claviermusik lese, bekomme ich gar keine Lust zum Üben, und kommt dann einmal wieder ein ordentliches Stück, das ich spielen muß, das ich mit Freude spielen kann, so ists als kriegte ich neue Finger, aber freilich müssen sie dann wieder ein Weilchen trainirt werden. Ich habe jetzt auch vor, mir ein neues ClavierConcert zu machen, aber es schwimmt mir noch ganz durcheinander im Kopfe herum. Auch ein neues Oratorium habe ich angefangen, aber wie ichs schließen werde, und was in die Mitte kommt, weiß der liebe Gott. Mein Trio zeigte ich Dir gar zu gerne, es ist mir sehr ans Herz gewachsen, und ich bilde mir gewiß ein Du würdest mit manchem darin zufrieden sein – könnte ich Dich doch nur auf einen Tag oder so etwas herüber langen, und Dir es vorspielen und hören, was Du daran tadelst, und was ich darin ändern oder in künftigen besser machen sollte – da lernte man doch etwas; aber so, brieflich, weit, da ists nicht halb so schön. Die Verleger setzen mir arg zu, wegen der Herausgabe, und ich habe auch Lust dazu; könnte ich Dirs aber nur vorher vorgespielt haben. Mit Chappells Oper ists leider noch im weiten Feld, hakt sich immer wieder an den Text; warum soll ich so ein bedeutendes Werk mit der gewissen Überzeugung anfangen, nichts Ordentliches zu Stande zu bringen? Und doch schriebe ich so gern eine Oper. Chorley, der mir fürs Künftige seine Hilfe zugesagt hat, ist ein lieber Mensch, für dessen Bekanntschaft ich Dir tausendmal danke; solch ein reines, natürliches, und doch scharfgebildetes Gemüth kommt einem selten vor. Grüß ihn sehr herzlich von mir; ich schreibe ihm in den nächsten Tagen und habe nur wegen des Englischen etwas Sorge, das er so leicht und hübsch schreibt, und ich ein bischen häßlich. An unsern Concerten scheint er rechtes Vergnügen gehabt zu haben; wie herrlich wären die auch auf den Fuß zu bringen, wenn ein ganz klein bischen Geld da wäre. Aber an dem verdammten Geld stößt sichs und hakt sichs überall, und wir kommen lange nicht so vorwärts wie wir möchten; auf der einen Seite stehn die Philister und denken Leipzig sei Paris, und alles sei vortrefflich, und wenn die Musiker im Orchester nicht hungerten so wärs nicht Leipzig mehr, und auf der andern stehn die Musiker, oder vielmehr sie gehn, sobald sie irgend können, und ich gebe ihnen noch Briefe mit, damit sie aus dem Elend kommen. Das hätte nur noch gefehlt, daß Ihr gar auch David dort behalten hättet! Dann stäke ich ja ganz und gar im Sumpf, und käm nicht wieder auf ordentliche Orchesterbeine; seine Violine allein ist 10 andre gute werth, und dabei ist er solch ein Musiker, und am Ende lebt er doch ganz angenehm hier, und ist auf Händen getragen und geliebt vom Publikum – nein, den können wir ganz und gar nicht ablassen. Die Meerti, welche Dir vielmal empfohlen sein will, gefällt uns hier gar sehr, eine so liebliche schöne Stimme, und ein nettes, braves Mädchen dabei; sie ist auch recht sehr in der Gunst der Leute, und geht nächste Woche nach Dresden, wo sie der Hof zum Concerte hat einladen lassen.
Ich will diesen Brief doppelt machen, und Deiner Frau nach gewohnter Weise ein altdeutsches Liedchen auf das angelegte Blatt schreiben. Verzeih das Porto. – Die verlangte Etude habe ich an Schlesinger Deinem Wunsche gemäß geschickt, obwohl ich den Kerl eigentlich nicht ausstehn kann, und wenn er sich gar mit Fétis zusammenthut, so ists ein edles Paar, wovor Gott bewahre, wen er lieb hat. Aber freilich wiegt dann Dein Name ein Stücker Tausend dieses Kalibers wieder auf, und wo Du hingehst und was Du thust, da folge ich mit Freuden. Ich hatte dem Schlesinger auf seinen Brief, den er mir darüber im Sommer schrieb, gar nicht geantwortet, weil er früher mirs gar zu arg gemacht hatte, und ich wollte ihn in Ruh lassen, um von ihm in Ruh gelassen zu sein; Dein Brief hat mich wieder sänftlich gestimmt, und am Ende ist ein Verleger wie der andre. Ich glaube aber nicht, daß ich mit diesem auf einen grünen Zweig komme. Pott habe ich dagegen zu seinem Unternehmen nichts gegeben. Wenn Du sähest, wie häßlich sie’s in Deutschland jetzt mit den Monumenten treiben, Du hättest es auch nicht gethan. Sie speculiren auf die großen Männer um sich von ihrem Namen einen Namen zu machen, posaunen in den Zeitungen, und machen schlechte Musik mit den wirklichen Posaunen; „Unerquicklich wie der Nebelwind. “ Wenn sie in Halle für Händel, in Frankfurt für Mozart, in Salzburg für Mozart, in Bonn für Beethoven ein ordentliches Orchester bilden wollen, die die Werke ordentlich spielen und verstehen können, da bin ich dabei – aber nicht bei ihren Steinen, wo die Orchester noch ärgre Steine sind, und nicht bei ihren Conservatorien, wo nichts zu conserviren ist. Mein Steckenpferd ist jetzt unser armes Orchester und seine Verbesserung; jetzt habe ich ihnen, mit unsäglicher Lauferei, Schreiberei, und Quälerei, eine Zulage von 500 rt. ausgewirkt, und ehe ich von hier weggehe, müssen sie mehr als das doppelte haben; wenn das die Stadt thut, so kann sie auch Sebastian Bach ein Monument vor die Thomasschule setzen. Aber erst die Zulage.
Du siehst, ich bin ein ganz rabiater Leipziger. Es würde Dich aber auch rühren, wenn Du’s in der Nähe sähest, und dabei hörtest, wie die Leute all ihre Kräfte anspannen um was Gutes zu leisten. Daß Du Dich mit Chopin mehr befreundet hast, als sonst, ist mir sehr lieb; er ist doch der geistreichste von allen denen, und hat wirklichen Reiz in seinem Spiel. Man sagt Liszt werde herkommen; das sollte mich einmal freuen, denn trotz seiner fatalen Journalistik habe ich sein Spiel und den ganzen Kerl immer noch in einem schönen Andenken. Der Zettel von Berlioz, den Du mir schickst, ist recht abgeschmackt. Könnte ichs nur wenigstens apart finden, oder gewagt oder keck, das ganze Wesen; ich finde es blos langweilig und gedankenlos. Hat Onslow nichts Neues geschrieben? Und der alte Cherubini? Das ist doch ein einziger Kerl! Ich habe da seine Abenceragen und kann nicht aufhören, mich an diesem petillanten Feuer, an den geistreichen, eigenthümlichen Wendungen, an der außerordentlichen Zierlichkeit und Feinheit mit der das alles geschrieben ist, zu erfreuen, und dem alten Prachtmanne dafür zu danken. Dabei ist alles so frei und keck, und so höchst lebendig.
Nun muß ich schließen, lieber lieber Freund; ich habe alles durcheinander gemengt, und geplaudert, als ob ich neben Dir am Claviere säße. Thäte ichs doch wirklich! Aber das mag noch lange dauern! So schreib mir wenigstens bald wieder; sag mir, wie Du lebst, was Du schreibst, und vor allem, daß Du noch gut bist Deinem
Felix MB.
Grüße Klingemann, dem ich in den nächsten Tagen schreibe.          
            <TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="fmb-1839-11-30-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="fmb-1839-11-30-01" xml:id="title_dc5e81fc-85b4-405c-ad9a-2b553b3ef2ab">Felix Mendelssohn Bartholdy an Ignaz Moscheles in London<lb></lb>Leipzig, 30. November 1839</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_00000000-0000-0000-0000-000000000000">Wenn ich an Dich zu schreiben anfange, ist mirs immer eine solche Freude, daß ich selbst gar nicht begreife, warum ich es so selten thue, und meine Faulheit aus doppelten Gründen bereue. – Mein sehr</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_cd72ad0c-5782-49f5-bac9-80c0abd3a38d">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="unknown" type="precursor">noch nicht eingetragen</title> <title key="unknown" type="successor">noch nicht eingetragen</title> <author key="PSN0000001">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> <idno type="MSB">Bd. 7, 2529 </idno> </publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_manuscript" xml:id="sourceDesc_044584a3-9a22-4baa-b654-cf558bee8e6d"> <msDesc> <msIdentifier> <country>Großbritannien</country> <settlement>Leeds</settlement> <institution key="RISM">GB-LEbc</institution> <repository>Leeds, University Library, The Brotherton Library</repository> <collection>Brotherton Collection</collection> <idno type="signatur">MS Mendelssohn, Letters 40.</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <idno type="autograph">Autograph</idno> <title key="fmb-1839-11-30-01" type="letter" xml:id="title_742590a6-6c9a-4277-af3c-93d6e2300fb2">Felix Mendelssohn Bartholdy an Ignaz Moscheles in London; Leipzig, 30. November 1839</title> <incipit>Wenn ich an Dich zu schreiben anfange, ist mirs immer eine solche Freude, daß ich selbst gar nicht begreife, warum ich es so selten thue, und meine Faulheit aus doppelten Gründen bereue. – Mein sehr</incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>5 beschr. S.; S. 4: autographe Notiz von Ignaz Moscheles: »Vom 30ten Novemb. / 1839«. – In Ignaz Moscheles’ Briefalbum enthalten. Autographe Notiz von Moscheles in dessen Briefalbum zu diesem Brief: »Herzliche Jugend Erinnerungen. / Antipathie gegen Pariser Verhältnisse. / Dank für Dedication meines Pastoral Concerts. / Wegen seiner Composition eines Clavier Concertes und Trios / und eines 2ten Oratoriums Elias? Leipziger Zustände / Viel Liebes über David. Ueber Künstler – Monumente. / Enthusiasmus für / Cherubini. // Er schickt meiner Frau / in diesem Brief ein / Lied«.</p> <handDesc hands="1"> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="notatedMusic">Autograph von Felix Mendelssohn Bartholdy, Altdeutsche Lied (In dem Wald) op. 51/1 (MWV K 104); heutiger Standort nicht bekannt (vgl. MWV, S. 168, Autograph b).</bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance><p>Sammlung William Thomas Freemantle, Rotherham, Yorkshire.</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="printed_letter">Mendelssohn, Briefe 1833-1847, S. 212-214 (Teildruck).</bibl> <bibl type="printed_letter">Moscheles, Briefe, S. 179-185 (Teildruck).</bibl> <bibl type="printed_letter">Wolff, Meister-Briefe, S. 72-81 (Teildruck).</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept,  Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation><date cert="high" when="1839-11-30" xml:id="date_e63e9d17-05ac-4fe8-8797-9e3610301f7a">30. November 1839</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_3dbce455-f540-4c1a-8fa9-01182b4f58f9">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_9753ab40-cd98-4773-8dd3-15fd1a69a95c"> <settlement key="STM0100116">Leipzig</settlement><country>Deutschland</country> </placeName> </correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0113441" resp="receiver" xml:id="persName_31842eee-f344-4263-b332-d59e0281b29c">Moscheles, Ignaz (Isack) (1794-1870)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_75d8a6e5-a3be-4b5c-8c25-61be65132635"> <settlement key="STM0100126">London</settlement><country>Großbritannien</country> </placeName> </correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft">  </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_2af8ec8a-e32d-4b1d-95bc-9158972660cb"> <docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <dateline rend="right">Leipzig, d. <date cert="high" when="1839-11-30" xml:id="date_1b69a20d-e66a-45bd-b549-1c3e881baa24">30sten Nov. 1839</date>.</dateline> <salute rend="left">Mein lieber Freund</salute> <p style="paragraph_without_indent">Wenn ich an Dich zu schreiben anfange, ist mirs immer eine solche Freude, daß ich selbst gar nicht begreife, warum ich es so selten thue, und meine Faulheit aus doppelten Gründen bereue. – Mein sehr zerstreutes Leben ist Schuld daran. Es kommen mir eine Menge Fremde, Geschäfte, Aufträge für Andre und für mich, die mir in 10 Jahren eigentlich passender und auch willkommner wären, als jetzt, wo mir das Geschäftswesen immer noch nicht behagen, mir immer noch nicht geläufig werden will, wo ich leicht den Kopf dabei verliere, und am Ende alles andre thue, nur das nicht, was ich am liebsten thun möchte und sollte. Deshalb mußt Du nachsichtig gegen mich sein; wie herzlich mich Deine lieben Briefe erfreuen, wie sie mir ganze Tage vergnügt machen, wo ich sie lese und wieder lese, wie dankbar ich Dir für Deine fortdauernde Freundschaft, und Güte bin – das weißt Du alles; es ist mir dabei ein eignes Gefühl, wenn ich an die Zeit denke, wo ich Dich zuerst in Berlin sah, wo Du zuerst mir mit Nachsicht und Freundlichkeit entgegenkamst, während mir die dii minorum gentium und die kleinen Feldteufel entsetzliche Gesichter schnitten, und wenn ich denke wie Du seitdem durch alle Veränderungen hindurch mir immer derselbe liebevolle, nachsichtige Freund geblieben bist, ganz so wie damals, und daß ich auch am Ende nicht viel anders bin. Doch aber sind wir beide seitdem Familienväter geworden; während Deine <persName xml:id="persName_5fe6eb15-a1fe-4d9d-91b1-7ee83c783ce8">Tochter<name key="PSN0113439" style="hidden">Moscheles, Emily Mary (1827-1889)</name></persName> nun eine ordentliche Miss wird, ist <persName xml:id="persName_9a0536a4-a263-46b4-be03-6332c2264a05">meine<name key="PSN0113261" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Marie Pauline Helene (1839-1897)</name></persName> am 2<hi rend="superscript">ten</hi> Oct. geboren, und Dein <persName xml:id="persName_d883821d-6064-4668-9254-518bc0e9eb76">Junge<name key="PSN0113440" style="hidden">Moscheles, Felix Stone (1833-1917)</name></persName> spielt gewiß schon gute Tonleitern, da der <persName xml:id="persName_a08ce446-3841-4573-a586-d0e20c09ffbf">meinige<name key="PSN0113251" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Carl (seit ca. 1859: Karl) Wolfgang Paul (1838-1897)</name></persName> bis jetzt nichts spielt, als kaum Pferd. Hoffentlich geht’s nur allen den Deinigen so gut, wie hier bei mir allen; meine <persName xml:id="persName_8c719b17-0967-43f2-9df1-b06867a98235">Frau<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> ist nun vom Wochenbett ganz erholt, und obgleich sie selbst stillt, so wenig angegriffen, so ganz wie früher als Mädchen, daß mir diese Zeit ganz absonderlich froh und vergnügt ist. Ich kann mich noch nicht in den Tagen vorher der Sorgen und Angst entschlagen, und wenn dann alles so glücklich vorüber, alles wieder beim Alten ist, dann wird mir gar zu leicht wieder zu Muthe, und dann gefällt mir wieder die ganze Welt, ich mir selbst, und gute Musik, und alles Schöne. Dein Pariser Brief hat mich außerordentlich erfreut, obwohl die Dinge, die er schildert, nicht eben die erfreulichsten sind. Ein sonderbares Weben und Treiben muß es dort sein; ich gestehe Dir, daß ich von je eine Art Abneigung dagegen fühlte, und sie hat sich durch alles was man in der letzten Zeit von dort hört, und durch das, was Du mir davon beschreibst, nicht eben vermindert. Die Eitelkeit und das äußerliche Gelten spielen denn doch nirgends eine so große Rolle, wie dort, und daß nicht mehr blos mit dem Orden und der Halsbinde, sondern mit der Künstlerseele und der Begeisterung coquettirt wird, macht die Sache noch schlimmer. Die Soirée bei <persName xml:id="persName_54bc9ffe-f7eb-4759-ba45-4db6a09a2bac">Kalkbrenner<name key="PSN0112301" style="hidden">Kalkbrenner, Friedrich Wilhelm Michael (1785-1849)</name></persName> sehe und höre ich von hier, indem ich Deine Erzählung lese, aber dies Drängen nach dem bischen armseligen Beifall, nach dem Pianofortespielen, diese sehr große innre Dürftigkeit, welche das verräth, und dabei der Anstrich von Größe und Weltereigniß, den solche Misere annimmt, – die widern mich an, wenn ich nur im Briefe davon lesen muß; Alle deutsche Philistereien, Schlafmützen und Tabackspfeifen sind mir noch lieber, aber freilich will ich auch denen nicht sehr das Wort reden; namentlich seit den Ereignissen in Hannover, an denen ich viel Theil nahm, und die uns unser Vaterland leider nicht von einer schönen Seite kennen lehren. So ist weder hier noch dort viel erfreuliches Leben, und da kann man Gott doppelt danken, daß es ein Leben in der Kunst giebt, in dem es so entfernt von allem andren, so einsam und doch lebendig zugeht, in das man sich flüchten, und bei dem man sich wohl befinden kann. Was schreibst Du Neues? Das sage mir. <persName xml:id="persName_7ec8c8ce-4cf4-41c9-b6b6-afe747c02c19">Chorley<name key="PSN0110376" style="hidden">Chorley, Henry Fothergill (1808-1872)</name></persName> erzählte mir so viel von neuen Etuden – kann ich davon bald etwas zu sehn und zu spielen bekommen? Und Du willst mir die Ehre erzeigen, mir das <title xml:id="title_cc837208-e9a4-4a2c-b6e0-c53f49ad74a2">PastoralConcer<name key="PSN0113441" style="hidden" type="author">Moscheles, Ignaz (Isack) (1794-1870)</name><name key="CRT0110041" style="hidden" type="music">8. Klavierkonzert D-Dur, op. 96 (Concerto pastorale)</name></title> zuzueignen? Wie mach’ ichs nur um Dir genug zu sagen, welche Freude mir das ist, welche wahre Ehre, meinen Namen auf einem Deiner Werke zu lesen. Gesteh’ ich Dir nur, daß ich mir’s lange gewünscht hatte, da das cmoll Caprice in Deutschland nicht mit der Zueignung erschienen ist, und daß michs nun doppelt freut mit einem so bedeutenden Deiner Werke verknüpft zu werden. Tausend, tausend Dank sollst Du dafür haben; nun will ich mich auch wieder an’s Studiren machen, ums würdiger ausführen zu lernen. Sonderbar, wenn ich viel neuere Claviermusik lese, bekomme ich gar keine Lust zum Üben, und kommt dann einmal wieder ein ordentliches Stück, das ich spielen muß, das ich mit Freude spielen kann, so ists als kriegte ich neue Finger, aber freilich müssen sie dann wieder ein Weilchen trainirt werden. Ich habe jetzt auch vor, mir ein neues <title xml:id="title_2a988db5-c701-46bc-8bb7-33b470223dee">ClavierConcert<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_jigc5iqv-9pws-f2bu-xgcr-gwcaxb6lumsc"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="orchestral_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="concerts_and_concertante_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100355" style="hidden">Konzert e-Moll für Klavier und Orchester, Fragment, [1842 bis 1844]<idno type="MWV">O 13</idno><idno type="op"></idno></name></title> zu machen, aber es schwimmt mir noch ganz durcheinander im Kopfe herum. Auch ein neues <title xml:id="title_3c457613-be16-4d6b-a6fc-e219ca09ff04">Oratorium<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_31t04n9z-zrkd-fpr5-c4be-kxnp1c76pf8g"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100118" style="hidden">Lobgesang / Hymn of Praise, Eine Sinfonie-Kantate nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [erste Jahreshälfte 1840]; 27. November 1840<idno type="MWV">A 18</idno><idno type="op">52</idno></name></title> habe ich angefangen, aber wie ichs schließen werde, und was in die Mitte kommt, weiß der liebe Gott. Mein <title xml:id="title_8d27f007-dacd-41e0-b517-b60c08beeb0c">Trio<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_7v7n0pwu-2jlp-vc9r-og4y-jycpqbgk9z2f"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="chamber_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="chamber_music_with_piano" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100387" style="hidden">Trio Nr. 1 (Grand Trio) d-Moll für Violine, Violoncello und Klavier, [Februar 1839] bis 18. Juli 1839; 23. September 1839<idno type="MWV">Q 29</idno><idno type="op">49</idno></name></title> zeigte ich Dir gar zu gerne, es ist mir sehr ans Herz gewachsen, und ich bilde mir gewiß ein Du würdest mit manchem darin zufrieden sein – könnte ich Dich doch nur auf einen Tag oder so etwas herüber langen, und Dir es vorspielen und hören, was Du daran tadelst, und was ich darin ändern oder in künftigen besser machen sollte – da lernte man doch etwas; aber so, brieflich, weit, da ists nicht halb so schön. Die <persName xml:id="persName_f5f0d024-7ab2-47db-a586-cc6ad48651db">Verleger<name key="PSN0114582" style="hidden">Schlesinger, Moritz Adolf (Maurice) (vorh. Mora Abraham) (1798-1871)</name></persName> setzen mir arg zu, wegen der Herausgabe, und ich habe auch Lust dazu; könnte ich Dirs aber nur vorher vorgespielt haben. Mit <persName xml:id="persName_41735cad-c64e-4ffd-844f-dc864f3dc3e6">Chappells<name key="PSN0110351" style="hidden">Chappell, William (1809-1888)</name></persName> Oper ists leider noch im weiten Feld, hakt sich immer wieder an den Text; warum soll ich so ein bedeutendes Werk mit der gewissen Überzeugung anfangen, nichts Ordentliches zu Stande zu bringen? Und doch schriebe ich so gern eine Oper. Chorley, der mir fürs Künftige seine Hilfe zugesagt hat, ist ein lieber Mensch, für dessen Bekanntschaft ich Dir tausendmal danke; solch ein reines, natürliches, und doch scharfgebildetes Gemüth kommt einem selten vor. Grüß ihn sehr herzlich von mir; ich schreibe ihm in den nächsten Tagen und habe nur wegen des Englischen etwas Sorge, das er so leicht und hübsch schreibt, und ich ein bischen häßlich. An unsern <placeName xml:id="placeName_8d50f642-c81f-4b7f-b070-94687c0878db">Concerten<name key="NST0100117" style="hidden" subtype="" type="institution">Gewandhaus</name><settlement key="STM0100116" style="hidden" type="">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> scheint er rechtes Vergnügen gehabt zu haben; wie herrlich wären die auch auf den Fuß zu bringen, wenn ein ganz klein bischen Geld da wäre. Aber an dem verdammten Geld stößt sichs und hakt sichs überall, und wir kommen lange nicht so vorwärts wie wir möchten; auf der einen Seite stehn die Philister und denken Leipzig sei Paris, und alles sei vortrefflich, und wenn die Musiker im Orchester nicht hungerten so wärs nicht Leipzig mehr, und auf der andern stehn die Musiker, oder vielmehr sie gehn, sobald sie irgend können, und ich gebe ihnen noch Briefe mit, damit sie aus dem Elend kommen. Das hätte nur noch gefehlt, daß Ihr gar auch <persName xml:id="persName_c1f7c87b-2843-46c2-8bb1-bc03e65705c6">David<name key="PSN0110564" style="hidden">David, Ernst Victor Carl Ferdinand (1810-1873)</name></persName> dort behalten hättet! Dann stäke ich ja ganz und gar im Sumpf, und käm nicht wieder auf ordentliche Orchesterbeine; seine Violine allein ist 10 andre gute werth, und dabei ist er solch ein Musiker, und am Ende lebt er doch ganz angenehm hier, und ist auf Händen getragen und geliebt vom Publikum – nein, den können wir ganz und gar nicht ablassen. Die <persName xml:id="persName_77737ed3-3933-4b00-8aec-a9ee85008afc">Meerti<name key="PSN0113185" style="hidden">Meerti (eigtl. Meert), Elisa Jeanne Isabelle (1817-1878)</name></persName>, welche Dir vielmal empfohlen sein will, gefällt uns hier gar sehr, eine so liebliche schöne Stimme, und ein nettes, braves Mädchen dabei; sie ist auch recht sehr in der Gunst der Leute, und geht nächste Woche nach Dresden, wo sie der Hof zum Concerte hat einladen lassen.</p> <p>Ich will diesen Brief doppelt machen, und Deiner Frau nach gewohnter Weise ein altdeutsches Liedchen auf das angelegte Blatt schreiben. Verzeih das Porto. – Die verlangte <title xml:id="title_23e5cc99-4101-478f-a51b-6a9972ec023b">Etude<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_fcp73xyl-2ucc-hppe-66cl-bskl8nb95pqi"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="instrumental_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="piano_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="works_for_piano_two_hands" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100468" style="hidden">Etüde (Präludium) f-Moll, 13. November 1836<idno type="MWV">U 125</idno><idno type="op"></idno></name></title> habe ich an <persName xml:id="persName_95343582-ead2-4c1d-922a-257fa54ffe15">Schlesinger<name key="PSN0114582" style="hidden">Schlesinger, Moritz Adolf (Maurice) (vorh. Mora Abraham) (1798-1871)</name></persName> Deinem Wunsche gemäß geschickt, obwohl ich den Kerl eigentlich nicht ausstehn kann, und wenn er sich gar mit <persName xml:id="persName_4dafdd28-2ca7-4310-b994-3e2a877c054b">Fétis<name key="PSN0111039" style="hidden">Fétis, François-Joseph (1784-1871)</name></persName> zusammenthut, so ists ein edles Paar, wovor Gott bewahre, wen er lieb hat. Aber freilich wiegt dann Dein Name ein Stücker Tausend dieses Kalibers wieder auf, und wo Du hingehst und was Du thust, da folge ich mit Freuden. Ich hatte dem <persName xml:id="persName_40ed3d70-24b0-4e67-969e-ae1d10144efe">Schlesinger<name key="PSN0114582" style="hidden">Schlesinger, Moritz Adolf (Maurice) (vorh. Mora Abraham) (1798-1871)</name></persName> auf seinen Brief, den er mir darüber im Sommer schrieb, gar nicht geantwortet, weil er früher mirs gar zu arg gemacht hatte, und ich wollte ihn in Ruh lassen, um von ihm in Ruh gelassen zu sein; Dein Brief hat mich wieder sänftlich gestimmt, und am Ende ist ein Verleger wie der andre. Ich glaube aber nicht, daß ich mit diesem auf einen grünen Zweig komme. <persName xml:id="persName_b4a8e19a-f180-4e3e-ac28-d9605c14033f">Pott<name key="PSN0113966" style="hidden">Pott, August Friedrich (1806-1883)</name></persName> habe ich dagegen zu seinem Unternehmen nichts gegeben. Wenn Du sähest, wie häßlich sie’s in Deutschland jetzt mit den Monumenten treiben, Du hättest es auch nicht gethan. Sie speculiren auf die großen Männer um sich von ihrem Namen einen Namen zu machen, posaunen in den Zeitungen, und machen schlechte Musik mit den wirklichen Posaunen; „Unerquicklich wie der Nebelwind.“ Wenn sie in Halle für <persName xml:id="persName_7a2a429a-cbaf-46ab-852b-62d3e568beda">Händel<name key="PSN0111693" style="hidden">Händel, Georg Friedrich (1685-1759)</name></persName>, in Frankfurt für <persName xml:id="persName_6d39ebeb-4539-443c-9910-e08899c310a7">Mozart<name key="PSN0113466" style="hidden">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791)</name></persName>, in Salzburg für <persName xml:id="persName_00445e49-3c0d-4a16-bf86-b9b4c9399eaf">Mozart<name key="PSN0113466" style="hidden">Mozart, Wolfgang Amadeus (1756-1791)</name></persName>, in Bonn für <persName xml:id="persName_4e4d67bc-6c9b-449b-8782-fd94c41f91f0">Beethoven<name key="PSN0109771" style="hidden">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name></persName> ein ordentliches Orchester bilden wollen, die die Werke ordentlich spielen und verstehen können, da bin ich dabei – aber nicht bei ihren Steinen, wo die Orchester noch ärgre Steine sind, und nicht bei ihren Conservatorien, wo nichts zu conserviren ist. Mein Steckenpferd ist jetzt unser armes <placeName xml:id="placeName_41252978-ca72-407a-8db0-6c9ecba6a63f">Orchester<name key="NST0100494" style="hidden" subtype="" type="institution">Gewandhaus</name><settlement key="STM0100116" style="hidden" type="">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> und seine Verbesserung; jetzt habe ich ihnen, mit unsäglicher Lauferei, Schreiberei, und Quälerei, eine Zulage von 500 rt. ausgewirkt, und ehe ich von hier weggehe, müssen sie mehr als das doppelte haben; wenn das die Stadt thut, so kann sie auch <placeName xml:id="placeName_8f1e5332-5f8b-4702-a075-facb2eb88581">Sebastian Bach ein Monument<name key="SGH0100550" style="hidden" subtype="" type="sight">Altes Bachdenkmal</name><settlement key="STM0100116" style="hidden" type="">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> vor die Thomasschule setzen. Aber erst die Zulage.</p> <p>Du siehst, ich bin ein ganz rabiater Leipziger. Es würde Dich aber auch rühren, wenn Du’s in der Nähe sähest, und dabei hörtest, wie die Leute all ihre Kräfte anspannen um was Gutes zu leisten. Daß Du Dich mit <persName xml:id="persName_593a0ade-26d0-4f34-bc4e-adb286c1bd75">Chopin<name key="PSN0110374" style="hidden">Chopin, Fryderyk Franciszek (Frédéric François) (1810-1849)</name></persName> mehr befreundet hast, als sonst, ist mir sehr lieb; er ist doch der geistreichste von allen denen, und hat wirklichen Reiz in seinem Spiel. Man sagt <persName xml:id="persName_1a8272af-ba33-4e1f-89d3-12e25fd9b453">Liszt<name key="PSN0112894" style="hidden">Liszt, Franz (Ferenc) (1811-1886)</name></persName> werde herkommen; das sollte mich einmal freuen, denn trotz seiner fatalen Journalistik habe ich sein Spiel und den ganzen Kerl immer noch in einem schönen Andenken. Der Zettel von <persName xml:id="persName_6a6adf93-fbf2-419c-a6cd-44f46b52d063">Berlioz<name key="PSN0109886" style="hidden">Berlioz, Louis Hector (1803-1869)</name></persName>, den Du mir schickst, ist recht abgeschmackt. Könnte ichs nur wenigstens apart finden, oder gewagt oder keck, das ganze Wesen; ich finde es blos langweilig und gedankenlos. Hat <persName xml:id="persName_574efe11-8cb1-4841-9b59-ac320bc04d13">Onslow<name key="PSN0113671" style="hidden">Onslow, André George Louis (1784-1853)</name></persName> nichts Neues geschrieben? Und der alte <persName xml:id="persName_955767b5-1895-4bac-818a-f0cafcdc3bb9">Cherubini<name key="PSN0110361" style="hidden">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name></persName>? Das ist doch ein einziger Kerl! Ich habe da seine <title xml:id="title_6d7c17c1-6ee3-4047-bd37-a3579e05fa04">Abenceragen<name key="PSN0110361" style="hidden" type="author">Cherubini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore (1760-1842)</name><name key="CRT0108361" style="hidden" type="music">Les Abencérages, ou L’Étendard de Grenade</name></title> und kann nicht aufhören, mich an diesem petillanten Feuer, an den geistreichen, eigenthümlichen Wendungen, an der außerordentlichen Zierlichkeit und Feinheit mit der das alles geschrieben ist, zu erfreuen, und dem alten Prachtmanne dafür zu danken. Dabei ist alles so frei und keck, und so höchst lebendig.</p> <closer rend="left" xml:id="closer_cf51c8fe-9bf3-46d0-b4f5-4348f833fecf">Nun muß ich schließen, lieber lieber Freund; ich habe alles durcheinander gemengt, und geplaudert, als ob ich neben Dir am Claviere säße. Thäte ichs doch wirklich! Aber das mag noch lange dauern! So schreib mir wenigstens bald wieder; sag mir, wie Du lebst, was Du schreibst, und vor allem, daß Du noch gut bist </closer> <signed rend="right">Deinem</signed> <signed rend="right">Felix MB.</signed> </div> <div n="2" type="act_of_writing" xml:id="div_867aa6a8-ec5a-4eae-865c-c0171d73dd6e"> <docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor> <p style="paragraph_without_indent">Grüße <persName xml:id="persName_b70dfb2e-7282-4af3-9e2f-ae2257a1a2b7">Klingemann<name key="PSN0112434" style="hidden">Klingemann, Ernst Georg Carl Christoph Konrad (1798-1862)</name></persName>, dem ich in den nächsten Tagen schreibe.</p> </div> </body> </text></TEI>