fmb-1839-09-11-01
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Leipzig, 11. September 1839
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel. – Textverluste durch Einbinden des Briefs, sinngemäße Textergänzungen.
Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
tenSept. 1839
Leipzig d 11ten Sept. 1839Liebe Mutter Vorgestern Abend bin ich von Braunschweig glücklich wieder angekommen und habe die Meinigen Gottlob im erwünschtesten Wohlsein getroffen. Ich bin von allem trouble der vorigen Woche aber so ermüdet, so confus, und zu allen Gedanken so unfähig, daß ich nur schreibe um mein 14tägiges Lebenszeichen nicht zu versäumen, außerdem aber nichts thue als nachessen, nachtrinken und nachschlafen – denn sogar der Appetit und der Schlaf, meine sehr getreuen, sind mir in den letzten Tagen des Musikfestes von der Aufregung und fortwährenden Arbeit gestört worden, und kommen jetzt dafür mit doppelter Stärke wieder. Du freust Dich über Ehren welche mir die Leute erzeigen noch mehr als ich selber, drum wollte ich Du hättest durch ein Fernrohr nach Braunschweig gucken können, und wärst gewiß vergnügt gewesen; es giebt glaub ich gar keine Art von Ehrenbezeigung, die mir in den Tagen nicht angethan worden wäre. Ständchen, Fackelzug, Lorbeer- und andre Kränze, anonyme Briefe und Gedichte, Trophäen mit den Namen aller meiner Compositionen und Sternen und Blumen, ja sogar von einer großen Scene auf dem Theater habe ich müssen der Held sein, als ich auf den Ball kam, der wie die früheren Berlinischen im Schauspielhause mit heraufgeschraubtem Parterre Statt fand; der hintere Vorhang ging auf und da war ein erleuchteter Tempel mit Säulen und vielen Genien, und eine hübsche Muse stand oben und kam mir entgegen und sprach Verse und das Orchester spielte dazu einen pianoChor aus meinem Paulus – Du kannst Dir denken, welch eine verlegene Figur ich bei alle dem gespielt habe. Das Angenehmste für mich war, daß die Kirche bei der Aufführung überfüllt war, zwischen 3 und 4000 Menschen, und daß auch zu meinem vorvorgestrigen MorgenConcerte kein Billet mehr zu haben gewesen ist. Mir selbst hat mein Oratorium mehr Vergnügen gemacht, als bei irgend einer früheren Aufführung, sei es weil ich es jetzt erst ordentlich dirigiren und ruhig dabei anhören kann, oder weil es wirklich in den meisten Parthieen über Erwartung gut und gelungen klang. Die Chöre und den Tenor (Schmezer) kann man sich nicht schöner wünschen; unter den Chören waren keine Fremden zugelassen, nur Braunschweiger und Wolfenbütteler, und doch bestanden sie aus 440 Singenden. Die Schattenseiten waren der Sopran und Baß, Heer und Mme. Fischer-Achten, die beide nicht in der glücklichsten Verfassung waren, obwohl auch sie sich alle Mühe zu geben schienen: das Ganze war in der Aegidienkirche, die früher demolirt und als Magazin gebraucht, jetzt wieder so weit hergestellt ist, daß die 4 Wände und sämmtliche Pfeiler und Säulen wieder in Ordnung und schön dastehen; aber außerdem nicht das Geringste in der ganzen Kirche, kein Stuhl, kein Bild, keine Kanzel, kein Altar. Man hatte das Orchestergerüste aufgeschlagen und Bänke in Reihen gesetzt, aber noch in der Probe in welcher 1700 Menschen waren, schallte es in dem leeren Raume so gräßlich, daß nur die einfachsten Sachen zu verstehen waren. Die große Menschenmasse bei den Aufführungen dämpfte den Schall aufs schönste, so daß er gerade das rechte Maaß behielt, aber Du kannst Dir denken, welche Anstrengung das in den Proben, welche Hitze in den Aufführungen war. Dabei noch mit den Müllers alle möglichen Beethovenschen Sachen gespielt, und meine Cellosonate und neues Quartett und Octett, dabei der Ball, und das Diner, und Gesellschaften aller Art, und Visiten, und das alles mit lauter, bis dahin, wildfremden Menschen und in 8 Tage zusammengedrängt – das ist schon genug einen müde zu machen. Den ganzen gestrigen Tag habe ich gar nichts gethan, und heut habe ich dasselbe vor, und ich glaube ich brauche eine ganze Woche der Art um die Faulheit aus den Gliedern zu kriegen, die jetzt darin regiert. Die beiden Fräulein Reden waren in der Aufführung des Paulus, und sollen ganz vorn gesessen haben; ich sah sie nicht, und erfuhr es erst auf dem diner, das nachher war, von meiner Nachbarinn, die sie gut kannte und mir Grüße von ihnen brachte; am folgenden Tage waren sie schon wieder abgereis’t, und so habe ich sie nicht zu sehen bekommen. Mme. Vieweg ist leider seit etwa 2 Jahren gestorben. Erinnerst Du Dich eines Herrn Baake aus früherer Zeit? Er ist Domorganist in Halberstadt und vorgestern bei der Durchreise mußte ich ihm und W. Horn auf der schönen dortigen Domorgel vorspielen, wozu sich denn auch wieder eine Masse Menschen eingefunden hatte. Erinnerst Du Dich eines Herrn Klugkist aus Bremen, den wir bei Alexander früher sahen? Er kam zum Musikfest, spielte Baß, verliebte sich in eine der besten Sopransängerinnen und der hübschesten Mädchen dort, die Griepenkerl heißt, und des Zelterschen Griepenkerls Tochter ist, und als die zweite Aufführung vorbei war, war die Verlobung richtig, und ein unglaubliches Plaisir unter uns Musikern. Erzähl dies doch Alexander wenn Du ihn siehst, und sage ihm die Grüße des jungen Mannes. Jetzt habe ich Dir noch gar nicht für die herrlichen, schönen Geschenke gedankt, die Du, liebste Mutter, uns abermals geschickt hast. Wirklich Du verdirbst uns gar zu sehr, und sorgst für alles und für alle, Mann und Weib und Kind und Magd. Drum danken Dir auch alle aus einem Munde, besonders da die letztere nicht schreiben, und der vorletzte nicht sprechen kann. – Noch eine Bitte heut, liebe Mutter. Ich glaube, als wir im vorigen Jahre von Berlin hieher abreis’ten im Augenblick des Wegfahrens meine beiden blauen Wagenkissen des Rücksitzes, die mich beim Packen genirten, herausgereicht und in Berlin gelassen zu haben. Ich müßte mich sehr irren, wenn es nicht der Fall wäre, und bitte Dich laß nachsehen ob sie sich finden und gieb mir in Deinem nächsten Brief eine Antwort darüber. Hoffentlich recht recht bald, nicht wegen der Kissen bald, sondern wegen des Briefs. Brockhaus schickt eben ein Exempl. der Urania mit meinem abscheulichen Bilde für Dich. Ich lasse es Dir gelegentlich zukommen. Grüß alle aufs herzlichste Lebwohl Dein F.
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Ständchen, Fackelzug, Lorbeer- und andre Kränze, anonyme Briefe und Gedichte, Trophäen mit den Namen aller meiner Compositionen und Sternen und Blumen, ja sogar von einer großen Scene auf dem Theater habe ich müssen der Held sein, als ich auf den Ball kam, der wie die früheren Berlinischen im Schauspielhause mit heraufgeschraubtem Parterre Statt fand; der hintere Vorhang ging auf und da war ein erleuchteter Tempel mit Säulen und vielen Genien, und eine hübsche Muse stand oben und kam mir entgegen und sprach Verse und das Orchester spielte dazu einen pianoChor aus <title xml:id="title_fd66d60d-8d53-49de-978d-978c106200e4">meinem Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_g679o9k1-vn8q-fxwh-qowc-puhdrnhun2pd"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. 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Man hatte das Orchestergerüste aufgeschlagen und Bänke in Reihen gesetzt, aber noch in der Probe in welcher 1700 Menschen waren, schallte es in dem leeren Raume so gräßlich, daß nur die einfachsten Sachen zu verstehen waren. Die große Menschenmasse bei den Aufführungen dämpfte den Schall aufs schönste, so daß er gerade das rechte Maaß behielt, aber Du kannst Dir denken, welche Anstrengung das in den Proben, welche Hitze in den Aufführungen war. 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Oktober 1825<idno type="MWV">R 20</idno><idno type="op">20</idno></name></title>, dabei der Ball, und das Diner, und Gesellschaften aller Art, und Visiten, und das alles mit lauter, bis dahin, wildfremden Menschen und in 8 Tage zusammengedrängt – das ist schon genug einen müde zu machen. Den ganzen gestrigen Tag habe ich gar nichts gethan, und heut habe ich dasselbe vor, und ich glaube ich brauche eine ganze Woche der Art um die Faulheit aus den Gliedern zu kriegen, die jetzt darin regiert. Die <persName xml:id="persName_832cd25f-8a00-4dea-b6e2-1a9d264a2de8">beiden Fräulein Reden<name key="PSN0114094" style="hidden">Reden, Elise von (1798-1857)</name><name key="PSN0114096" style="hidden">Reden, Henriette von (1788-1847)</name></persName> waren in der Aufführung des <title xml:id="title_78c4a164-7dd6-446a-9583-1a2f8e89a56f">Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_odzsnlpg-mjdo-9phq-if61-vor9v3ky1ukz"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title>, und sollen ganz vorn gesessen haben; ich sah sie nicht, und erfuhr es erst auf dem diner, das nachher war, von meiner Nachbarinn, die sie gut kannte und mir Grüße von ihnen brachte; am folgenden Tage waren sie schon wieder abgereis’t, und so habe ich sie nicht zu sehen bekommen. <persName xml:id="persName_e50fd84f-760e-4761-97d0-6f2b6fcb47ea">Mme. Vieweg<name key="PSN0115517" style="hidden">Vieweg, Sophie Elisabeth Lucie Charlotte (1774-1834)</name></persName> ist leider seit etwa 2 Jahren gestorben. Erinnerst Du Dich eines <persName xml:id="persName_bf4132d4-ed06-40f4-bc03-eac0d19ae64f">Herrn Baake<name key="PSN0109597" style="hidden">Baake, Ferdinand Gottfried (1800-1881)</name></persName> aus früherer Zeit? Er ist Domorganist in Halberstadt und vorgestern bei der Durchreise mußte ich ihm und <persName xml:id="persName_660b68bc-d9b3-4b84-ab26-00922e9e2b86">W. Horn<name key="PSN0112093" style="hidden">Horn, Wilhelm Theodor (seit 1865) von (1803-1871)</name></persName> auf der schönen dortigen Domorgel vorspielen, wozu sich denn auch wieder eine Masse Menschen eingefunden hatte. Erinnerst Du Dich eines <persName xml:id="persName_b6b6b428-7b21-4ef9-a73e-57ff51a371e6">Herrn Klugkist<name key="PSN0112445" style="hidden">Klugkist, Daniel Julius (1808-1879)</name></persName> aus Bremen, den wir bei <persName xml:id="persName_4c5317db-0765-43ff-bbf5-d1024a066e07">Alexander<name key="PSN0113213" style="hidden">Mendelssohn, Alexander (1798-1871)</name></persName> früher sahen? Er kam zum <placeName xml:id="placeName_395b47e5-6f84-4eaf-a883-4fe13aa0b97c">Musikfest<name key="NST0100564" style="hidden" subtype="" type="institution">Musikfest (1839)</name><settlement key="STM0100373" style="hidden" type="">Braunschweig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, spielte Baß, verliebte sich in eine der besten Sopransängerinnen und der hübschesten Mädchen dort, die <persName xml:id="persName_ae0955e8-15f6-4eb5-a505-cdcfe7b2a850">Griepenkerl<name key="PSN0111540" style="hidden">Griepenkerl, Bertha (1812-1878)</name><name key="PSN0111543" style="hidden">Griepenkerl, Henriette Elisabeth Hermine (1814-1843)</name></persName> heißt, und des <persName xml:id="persName_3e21a82f-d5b3-4cab-9510-72727725dc2f">Zelterschen<name key="PSN0115916" style="hidden">Zelter, Carl Friedrich (1758-1832)</name></persName> <persName xml:id="persName_eb19baf3-d514-47ae-89ea-374558509203">Griepenkerls<name key="PSN0111542" style="hidden">Griepenkerl, Friedrich Karl Konrad (1782-1849)</name></persName> Tochter ist, und als die zweite Aufführung vorbei war, war die Verlobung richtig, und ein unglaubliches Plaisir unter uns Musikern. Erzähl dies doch Alexander wenn Du ihn siehst, und sage ihm die Grüße des jungen Mannes. Jetzt habe ich Dir noch gar nicht für die herrlichen, schönen Geschenke gedankt, die Du, liebste Mutter, uns abermals geschickt hast. Wirklich Du verdirbst uns gar zu sehr, und sorgst für alles und für alle, Mann und <persName xml:id="persName_9f8503f8-80b5-4798-ab52-e101e646ab71">Weib<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> und <persName xml:id="persName_99fb9257-30fe-4754-8133-5fb62cfc27fb">Kind<name key="PSN0113251" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Carl (seit ca. 1859: Karl) Wolfgang Paul (1838-1897)</name></persName> und <persName xml:id="persName_4f3c96b3-89a7-4a23-a180-5ab5e5a6d4a8">Magd<name key="PSN0111695" style="hidden">Hanne, Hausangestellte der Familie von → Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig und Berlin (1838-1844) (-)</name></persName>. Drum danken Dir auch alle aus einem Munde, besonders da die letztere nicht schreiben, und der vorletzte nicht sprechen kann. – Noch eine Bitte heut, liebe Mutter. Ich glaube, als wir im vorigen Jahre von Berlin hieher abreis’ten im Augenblick des Wegfahrens meine beiden blauen Wagenkissen des Rücksitzes, die mich beim Packen genirten, herausgereicht und in Berlin gelassen zu haben. Ich müßte mich sehr irren, wenn es nicht der Fall wäre, und bitte Dich laß nachsehen ob sie sich finden und gieb mir in Deinem nächsten Brief eine Antwort darüber. Hoffentlich recht recht bald, nicht wegen der Kissen bald, sondern wegen des Briefs. <persName xml:id="persName_8e47358c-3a49-48bd-a3e5-e03c1d76a8a1">Brockhaus<name key="PSN0110139" style="hidden">Brockhaus, Heinrich (1804-1874)</name></persName> schickt eben ein Exempl. der <title xml:id="title_ef300555-c135-4362-96a8-cd238325de77">Urania<name key="PSN0110142" style="hidden" type="author">F. A. Brockhaus, Verlagsbuchhandlung in Leipzig</name><name key="CRT0108301" style="hidden" type="periodical">Urania. Taschenbuch auf das Jahr 1840. Mit dem Bildnisse Felix Mendelssohn’s</name></title> mit meinem abscheulichen Bilde für Dich. Ich lasse es Dir gelegentlich zukommen. <seg type="closer" xml:id="seg_0732ff81-db1b-458b-9428-4dacfc56a07c">Grüß alle aufs herzlichste Lebwohl</seg></p><signed rend="right">Dein F.</signed></div></body> </text></TEI>