fmb-1838-07-21-02
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Berlin, 21. Juli 1838
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse von Felix Mendelssohn Bartholdys Hand, 1 Poststempel.
Felix Mendelssohn Bartholdy
-
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Leipzig.
frei
stenJuli 1838
Schon lange hatte ich mir vorgenommen, Ihnen von hier aus einmal zu schreiben, und immer den Vorsatz hinausgeschoben, weil ich der faulste Briefschreiber bin, den Gott erschaffen hat. Jetzt erfahre ich aber durch
Wir leben hier sehr einförmig, aber drum doch sehr plaisirlich. Zum Ausgehn kommen wir selten, und es vergehen viele Tage, wo ich aus meiner Schreibstube keinen Fuß heraussetze, als Abends um in den Gartensaal zu gehen. So gefällt mir Berlin diesmal auch besser als je, (weil ich weniger davon sehe, als je, glaube ich.) Wir gehn zuweilen ins Theater um ten Finger trillern und dergleichen große Kunststückchen machen können. Und liebe
Felix hat es mir zuvorgethan, sich ganz heimlich hingesetzt Dir zu schreiben und läßt mir nun aus großer Gnade diese kleinen Eckchen. Ich aber wollte Dir einen ganz großen Brief schreiben, wollte nur warten bis ich wieder ganz wohl und vernüftig wäre, denn das Entwöhnen kostet eine so große Portion Vernunft daß man keine übrig hat, wollte auch das häßliche Wetter abwarten, um Dir Nachricht von me
Berlin den 21sten Juli 1838. Liebe Tante Schon lange hatte ich mir vorgenommen, Ihnen von hier aus einmal zu schreiben, und immer den Vorsatz hinausgeschoben, weil ich der faulste Briefschreiber bin, den Gott erschaffen hat. Jetzt erfahre ich aber durch David, daß Sie im Begriff stehen Leipzig zu verlassen, und diese Nachricht überwindet denn doch meine Brieflethargie; ich muß Ihnen und allen den Ihrigen doch eine glückliche Reise, eine frohe Zeit, viel Freude, und Alles das Gute schriftlich wünschen, wie ich es mündlich gethan hätte, wenn wir jetzt wieder in Leipzig wären. Ihre Reise schiebt nun wohl die Zeit unsres Wiedersehens etwas hinaus, denn es werden wohl noch 3 Wochen vergehen, ehe wir uns von Berlin oder vielmehr von der Leipziger Straße no. 3 trennen können, und dann sind Sie gewiß schon über alle Berge. So wünsche ich Ihnen denn trotz allem Vergnügen auch zuweilen ein kleines Misvergnügen, das Sie recht bald wieder heimzieht; oder wenn das zu eigennützig ist, so viel Übermaß von Vergnügen, daß Sie sich nach unsrer behaglichen Leipziger Alltäglichkeit wieder sehnen, und gern und nicht allzuspät zu ihr zurückkehren. Doch wird wohl der Herbst darüber herankommen? Wenn man mal in dem gesegneten Lande ist, wo die Aepfelbäume und die Weinstöcke überall an den Landstraßen stehn, und wo die Flüsse anfangen lustiger zu fließen, und wo es einem so wohl wird, und wo die Schuncks zu Hause sind (ich meine nicht blos Schlüchtern) und wo überhaupt so viele liebe Menschen wohnen, da eilt man sich nicht sehr wieder wegzukommen. Bei einigen ganz apart schönen Puncten, als da sind: die Darmstädter Warte, und der Weg vom alten Schloß zu Baden nach Ebersteinburg, und der eingestürzte Heidelberger Thurm, da möchte ich doch bitten meiner im Vorbeigehn zu gedenken, und zu denken, daß ich sehr wünschte ich wäre auch da. Aus den Mauern des Badener Schlosses wachsen gewisse alte dicke Bäume heraus, die haben mirs angethan, und Sie kann ich nicht dahin abreisen lassen, ohne Ihnen sehr viele Grüße aufzutragen. Wir leben hier sehr einförmig, aber drum doch sehr plaisirlich. Zum Ausgehn kommen wir selten, und es vergehen viele Tage, wo ich aus meiner Schreibstube keinen Fuß heraussetze, als Abends um in den Gartensaal zu gehen. So gefällt mir Berlin diesmal auch besser als je, (weil ich weniger davon sehe, als je, glaube ich. ) Wir gehn zuweilen ins Theater um Seydelmann zu sehn, ins Museum, und die sonstigen Bildersammlungen auch wohl einmal, aber mit Berliner Gesellschaft haben wir nichts zu thun und kriegen nichts davon zu sehen, und so habe ichs oft gefunden, daß man in den großen Städten einsamer lebt, als irgend wo sonst. Eben kommt Cécile und erfährt daß ich an Sie schreibe, weil sie in alle meine Briefe guckt, und will nun auch schreiben. Also will ich nur geschwind noch einige dringende Ermahnungen hieher setzen. O liebe Julie üben Sie sehr fleißig Clavier, weil sonst ehe Sie sichs versehen ein gewisser Schulmeister kommt, und nachfragt, und entsetzlich brummt, wenn Sie nicht ganz vollkommen schön mit dem 4ten Finger trillern und dergleichen große Kunststückchen machen können. Und liebe Cornelie, zeichnen Sie auf der Reise sehr fleißig, weil sonst ehe Sie sichs versehen &c &c. Denken Sie doch daß Sie im Winter wieder die größesten Bilder malen müssen, nach Ihren eignen Skizzen vom Heidelberger Schloß, und von Frankfurt und Baden. Und machen Sie die Bäume nicht zu grün! Und da ich einmal bei den Aufträgen bin, so müssen außer den alten Stämmen im Schloß zu Baden, auch noch einige andre Personen gegrüßt werden, und sogar noch etwas herzlicher: z. B. alle Jeanrenauds, und Souchays in Frankfurt, und Mme. Becher in Heidelberg, und der Fr. Schlemmer, von dem heut in der Berliner Zeitung steht er werde beim Sängerfest die Orgel spielen – er sei ein junger Litterat – und der Herr Perret muß gegrüßt sein, und dann alle Jeanrenauds noch einmal, und vielmal. Sie aber, liebe Tante und lieber Onkel, reisen Sie glücklich, kehren Sie froh zurück und behalten Sie stets in freundlichem AndenkenIhren herzlich ergebnen Felix Mendelssohn Bartholdy. Liebe Tante Felix hat es mir zuvorgethan, sich ganz heimlich hingesetzt Dir zu schreiben und läßt mir nun aus großer Gnade diese kleinen Eckchen. Ich aber wollte Dir einen ganz großen Brief schreiben, wollte nur warten bis ich wieder ganz wohl und vernüftig wäre, denn das Entwöhnen kostet eine so große Portion Vernunft daß man keine übrig hat, wollte auch das häßliche Wetter abwarten, um Dir Nachricht von Emmeline einzuholen; aber Felix hat Recht so zu eilen, sonst treffen Dich am Ende diese Zeilen nicht mehr in Leipzig. Von Frankfurt aus höre ich schon wie man Euch erwartet und sich darauf freut Euch recht lange zu haben, und so wird es überall sein wo Ihr hin kommen werdet. Wir sind die Einzigen im Nachtheil, denn wir werden recht stille, einsame Tage ohne Euch in Leipzig verleben, doch hoffe ich, Ihr werdet nicht gar zu lange ausbleiben. Nur zieht es mich immer weniger in meine eigne Wirthschaft, das darf ich Dir kaum sagen, liebe Tante, Dir Muster aller Hausfrauen, aber es ist doch wahr, die leeren Stuben haben keinen Reiz für mich und ich werde immer mehr um Verlängerung unsres Aufenthalts bitten, es gefällt mir hier gar zu gut. Bitte, liebe Tante, grüße mir Julie und Neli, und den lieben Onkel vielmal. Julie ist wohl so gut meinen Schlüssel an Mme David oder Schleinitz zu geben, vielleicht schreibt sie mir auch einmal von der Reise wie es Euch geht. Und nun leb’ wohl, liebe Tante, viel Glück und schönres Wetter auf die ReiseDeine Cécile MB.
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So wünsche ich Ihnen denn trotz allem Vergnügen auch zuweilen ein kleines Misvergnügen, das Sie recht bald wieder heimzieht; oder wenn das zu eigennützig ist, so viel Übermaß von Vergnügen, daß Sie sich nach unsrer behaglichen Leipziger Alltäglichkeit wieder sehnen, und gern und nicht allzuspät zu ihr zurückkehren. Doch wird wohl der Herbst darüber herankommen? Wenn man mal in dem gesegneten Lande ist, wo die Aepfelbäume und die Weinstöcke überall an den Landstraßen stehn, und wo die Flüsse anfangen lustiger zu fließen, und wo es einem so wohl wird, und wo die <persName xml:id="persName_0edc0740-018e-40a1-93c1-3f5310595809">Schuncks<name key="PSN0114759" style="hidden">Schunck, Familie von → Friedrich Philipp Daniel S.</name></persName> zu Hause sind (ich meine nicht blos Schlüchtern) und wo überhaupt so viele liebe Menschen wohnen, da eilt man sich nicht sehr wieder wegzukommen. 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