fmb-1838-01-31-01
Hilfe zum Zitier-Tool
Um wichtige Textpassagen (Zitate) zu speichern und auf diese via Hyperlink zu verweisen, markieren Sie bitte den gewünschten Textbereich.
Daraufhin erscheint ein Fenster, in welchem Sie die ausgewählte Textpassage inkl. des Hyperlinks zur weiteren Verwendung in die Zwischenablage kopieren können.
Leipzig, 24. und 31. Januar 1838
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
Das Ende des Briefs entstand am 31. Januar 1838 (vgl. Z. 77 f.).
Felix Mendelssohn Bartholdy
-
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Erst vor wenig Tagen erhielt ich Deinen Brief vom 31. v. M. und den
kann(geschweige
mag), aber
Dudarfst das doch nicht thun, dazu ist Deine Zeit zu edel. Willst Du mir aber Eignes machen, dann weißt Du, wie dankbar ich Dir sein würde. Da wir, wie gesagt, über die Oper am besten mündlich sprechen, könntest Du mir nicht irgend etwas anderes bis dahin schicken? Vom Lied bis zur Cantate und weiter wäre mir jedes Gedicht gleich willkommen; ja wer weiß, ob ich Dich nicht in der nächsten Zeit noch einmal förmlich in Anspruch nehme. In diesem Augenblicke hätte ich so gerne irgend ein größeres Gesangstück fürs Concert, bestehend aus mehreren Arien, Recitativen Chören, Orchestersätzen etc. Ich kann Dir kein Beispiel anführen, da ich keines der Art kenne, aber denk’s Dir etwa (da Du
Leipzig, 24. Januar 1838. Mein lieber Droysen! Erst vor wenig Tagen erhielt ich Deinen Brief vom 31. v. M. und den Aristophanes dazu, und eile nun Dir zu antworten und herzlich zu danken. Du hast mir wieder ein prächtiges Vergnügen durch das gemacht, was ich bis jetzt vom 2. Bande gelesen habe, und das ist nur das erste Stück (weil ich gerade viel zu thun habe), aber eben bei dem ersten habe ich mich wunderherrlich ergötzt und Dir beim Lesen vielmals im Herzen gedankt, der Du solche einzige Wespen für Leute, wie ich bin, zugänglich und klar machst, wie nie jemand gekonnt hat. Das ist doch noch eine Gelehrsamkeit, die ich mir gefallen lasse; es wird unsereinem angst und bange, wenn in der Vorrede einmal der gelehrte Streit über die Lenäen, oder übers Maschinenwesen vorguckt, und man ist Dir da wieder doppelt dankbar, daß Du all dergleichen einem so entfernt zu halten weißt, daß man sich so wohl bei Deinem Thun und Treiben fühlt, so menschlich und dichterisch, daß einem vor solchen Seitenblicken und gelehrten Streitigkeiten erst recht graulich wird, als säh’ man jetzt aus der warmen Stube auf das Eis, wo freilich auch einige Schlittschuhlauf halten, aber man weiß doch, sie lägen bis über die Ohren darin, wenn’s warm Wetter wäre. Ich lobe mir’s Lebendige, Fruchtbare, und danke Dir von ganzem Herzen, daß Du mir jene ganze Welt so lebendig gemacht hast; von der Vorrede an, die mir ungemein gefällt, und die ich ganz verstehe (was mir nicht oft mit Vorreden begegnet), bis zu dem lächerlichen Ballet am Ende hat mich das Ganze gefesselt. Am meisten freilich der Anfang gleich, bis zum herrlichen nächtlichen Ritterchor, und die Instruction, wie man modern sei, und ein paar Chorstellen. Ich habe laut lachen müssen, wie sich der Alte unter den Esel bindet, und sich Niemand nennt. Jetzt laß ich mir das Buch grün binden, damit ich die anderen Stücke recht behaglich lesen kann, und freue mich namentlich auf die Ritter, von denen ich schon so viel gehört habe. Für alles das nimm meinen Dank. Die ungelehrten Leute sollten Dir einen aparten Altar bauen; wer weiß, ob die gelehrten nicht grimmig werden, wenn Du ihre Heimlichkeiten ausplauderst, oder gar nicht thust, als gäb’ es solche Heimlichkeiten – und doch mögen’s die Gelehrten erst recht zu schätzen wissen, wenn wir ganz flüchtig über Paeonen und Epitrite und andere wilde Thiere hinweg lesen. Uebrigens bist Du doch kein Aken und kein Maskierter, wie Du Dich am Anfang Deines Briefes nennst, sondern wie Du Dich am Ende nennst: Johann Gustav Droysen, das trifft’s. Aus Deinem Briefe sehe ich, daß Bendemann noch in Berlin ist; ich glaubte ihn schon in Dresden, geht er nicht bald dahin? Wahrscheinlich wird mich mein Wunsch, die Galerie zu sehen, im Frühjahr dahin führen, ehe ich nach Berlin mit meiner Cécile komme, was, so Gott will, im April geschehen soll. Dann wollen wir mündlich das Thema von der Oper besser besprechen, als es schriftlich wohl geht; wie danke ich Dir für alles Liebe und Freundliche, was Du mir darüber sagst. Da ich nach vielen oft unangenehmen Erfahrungen fürchtete, in Deutschland keinen ordentlichen Operntext zu bekommen, so habe ich vor einiger Zeit allerdings den Antrag angenommen, für England zu componieren. Es fiel mir sehr schwer, das einzugehen, aber es blieb mir weiter nichts übrig, und das Schlimmste ist doch, die Hände in den Schoß zu legen und auf den Moment zu warten, der dann nie kommt. Freilich habe ich mir vorgenommen, mir die Verse erst deutsch übersetzen zu lassen, da ich wirklich englisch kaum componiren kann (geschweige mag), aber Du darfst das doch nicht thun, dazu ist Deine Zeit zu edel. Willst Du mir aber Eignes machen, dann weißt Du, wie dankbar ich Dir sein würde. Da wir, wie gesagt, über die Oper am besten mündlich sprechen, könntest Du mir nicht irgend etwas anderes bis dahin schicken? Vom Lied bis zur Cantate und weiter wäre mir jedes Gedicht gleich willkommen; ja wer weiß, ob ich Dich nicht in der nächsten Zeit noch einmal förmlich in Anspruch nehme. In diesem Augenblicke hätte ich so gerne irgend ein größeres Gesangstück fürs Concert, bestehend aus mehreren Arien, Recitativen Chören, Orchestersätzen etc. Ich kann Dir kein Beispiel anführen, da ich keines der Art kenne, aber denk’s Dir etwa (da Du meinen Paulus kennst), als wenn man, nach der Ouverture anfangend, mit dem Chor „Wir preisen selig“ schlösse; es wäre eine Reihenfolge von Musikstücken, die den heiligen Stephanus zum Gegenstand hätte. Natürlich ist das ein schlechtes Beispiel, aber vielleicht siehst Du daran, wie ich’s meine; auch könnten die Worte eben so frei und ungleichmäßig behandelt sein, nur müßten die Musikstücke immer auf der Spitze der Situation eintreten (außer dem Recitativ), und also müßten recht viel solcher Spitzen da sein. Das scheint mir das „Musikalische“ eines Stoffes zu sein, worüber Dich Bendemann fragte, daß er lieber viel oder lieber eine ununterbrochene Reihe solcher Spitzen von Situationen enthält, auf denen die Musik fußen kann. Weißt Du nun einen Stoff zu einem solchen Concertstück? Er müßte sehr populär, allgemein bekannt sein – und doch nicht theatralisch. Ich denke immer wieder an die Nausikaa, den Sturm, das Einschlafen, das Ballwerfen, am Schluß das Geleit übers Meer – aber Dir sagt es nicht recht zu. Schlügst Du mir doch ein anderes vor und wolltest mir’s machen! – Mein Paulus muß sich doch ganz curios in der Berliner Aufführung ausgenommen haben; obwohl mir meine Mutter und Schwester höchst zufrieden darüber geschrieben haben, so weiß ich nicht, warum ich immer denke, es hätte nicht geklungen. Viel Mittel sind da gewiß, aber du weißt, wie ich den Sand ansehe. Nun bin ich aber wieder auf den Rand gekommen, und seit dem Anfang des Briefes sind acht Tage vergangen, in denen ich geniest, gehustet und wieder Ohrenschmerzen gehabt habe; verzeihe darum, daß mein Dank so spät zu Dir kommt. Die schönsten Grüße von meiner Frau soll ich Dir sagen; die sage auch der Deinigen von mir und den Heydemann’s, wenn Du sie siehst. Und schreibe mir bald einmal wieder, wodurch Du mich so herzlich erfreust, und bleibe gut Deinem Felix Mendelssohn Bartholdy.
<TEI xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" xmlns:xsi="http://www.w3.org/2001/XMLSchema-instance" xsi:schemaLocation="http://www.tei-c.org/ns/1.0 ../../../fmbc_framework/xsd/fmb-c.xsd" xml:id="fmb-1838-01-31-01" xml:space="default"> <teiHeader xml:lang="de"> <fileDesc> <titleStmt> <title key="fmb-1838-01-31-01" xml:id="title_d2c20c77-bffc-4fa2-bb8f-360a59e55691">Felix Mendelssohn Bartholdy an Johann Gustav Droysen in Berlin <lb></lb>Leipzig, 24. und 31. Januar 1838</title> <title level="s" type="incipit" xml:id="title_ff0ee45e-3da3-454a-85d8-7cc33244a8c6">Erst vor wenig Tagen erhielt ich Deinen Brief vom 31. v. M. und den Aristophanes dazu, und eile nun Dir zu antworten und herzlich zu danken. Du hast mir wieder ein prächtiges Vergnügen durch das</title> <title level="s" type="sub" xml:id="title_b1b42240-34a1-4ca8-9142-826f0c9ad5c3">Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C)</title> <title key="not_yet_determined" type="precursor">noch nicht ermittelt</title> <title key="not_yet_determined" type="successor">noch nicht ermittelt</title> <author key="PSN0000001">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</author><respStmt><resp resp="writer"></resp><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName></respStmt><respStmt resp="transcription"> <resp resp="transcription">Transkription: </resp> <name resp="transcription">FMB-C</name> </respStmt> <respStmt resp="edition"> <resp resp="edition">Edition: </resp> <name resp="edition">FMB-C</name> </respStmt> </titleStmt> <publicationStmt> <publisher>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin</publisher> <address> <street>Am Kupfergraben 5</street> <placeName> <settlement>10117 Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName> </address> <idno type="URI">http://www.mendelssohn-online.com</idno> <availability> <licence target="http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/">Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)</licence> </availability> <idno type="MSB">Bd. 5, 1872</idno></publicationStmt> <seriesStmt> <p>Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)</p> </seriesStmt> <sourceDesc source="edition_template_printout" xml:id="sourceDesc_a3ab7015-de7f-4c89-8228-a660ea6d633f"> <bibl type="printed_letter">Gustav Droysen, Johann Gustav Droysen und Felix Mendelssohn-Bartholdy, in: Deutsche Rundschau 111 (1902), S. 211 f.</bibl> <msDesc> <msIdentifier> <country>-</country> <settlement>-</settlement> <institution key="RISM">-</institution> <repository>-</repository> <collection>-</collection> <idno type="signatur">-</idno> </msIdentifier> <msContents> <msItem> <title key="fmb-1838-01-31-01" type="letter" xml:id="title_2ac3eee0-6dd5-4bd8-942a-bd8af702db8e">Felix Mendelssohn Bartholdy an Johann Gustav Droysen in Berlin; Leipzig, 24. und 31. Januar 1838</title> <incipit>Erst vor wenig Tagen erhielt ich Deinen Brief vom 31. v. M. und den Aristophanes dazu, und eile nun Dir zu antworten und herzlich zu danken. Du hast mir wieder ein prächtiges Vergnügen durch das gemacht, </incipit> </msItem> </msContents> <physDesc> <p>Das Ende des Briefs entstand am 31. Januar 1838 (vgl. Z. 77 f.).</p> <handDesc hands="1"> <p>Felix Mendelssohn Bartholdy</p> </handDesc> <accMat> <listBibl> <bibl type="none"></bibl> </listBibl> </accMat> </physDesc> <history> <provenance> <p>-</p> </provenance> </history> <additional> <listBibl> <bibl type="printed_letter">Hübner, Johann Gustav Droysen 1829-1851, S. 131-133.</bibl> <bibl type="printed_letter">Wehmer, Briefwechsel, S. 55-58.</bibl> </listBibl> </additional> </msDesc> </sourceDesc> </fileDesc> <encodingDesc><projectDesc><p>Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.</p></projectDesc><editorialDecl><p>Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1838-01-24" xml:id="date_dad387c9-478d-47d1-ac30-a44efcca6a84">24.</date> und <date cert="high" when="1838-01-31" xml:id="date_faf60dcd-2e67-44aa-80b1-22d4ded8f02d">31. Januar 1838</date></creation> <correspDesc> <correspAction type="sent"> <persName key="PSN0000001" resp="author" xml:id="persName_0b6af3b2-63ae-4e6a-adad-5f3f05334b58">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName><note>counter-reset</note><persName key="PSN0000001" resp="writer">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</persName> <placeName type="writing_place" xml:id="placeName_30886aac-1bf4-47fa-9875-5f859cac7e09"> <settlement key="STM0100116">Leipzig</settlement> <country>Deutschland</country></placeName></correspAction> <correspAction type="received"> <persName key="PSN0110751" resp="receiver" xml:id="persName_b6b23d32-6b6c-40dc-9aa9-8853bde3fcdb">Droysen, Johann Gustav Bernhard (Pseud.: Voß) (1808-1884)</persName> <placeName type="receiving_place" xml:id="placeName_706f8613-74b5-447d-9509-1548d4a3f335"> <settlement key="STM0100101">Berlin</settlement> <country>Deutschland</country> </placeName></correspAction> </correspDesc> <langUsage> <language ident="de">deutsch</language> </langUsage> </profileDesc> <revisionDesc status="draft"> </revisionDesc> </teiHeader> <text type="letter"> <body> <div n="1" type="act_of_writing" xml:id="div_5868f3d5-c698-4b34-ad57-1ddeb2f15e70"><docAuthor key="PSN0000001" resp="author" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><docAuthor key="PSN0000001" resp="writer" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</docAuthor><dateline rend="right">Leipzig, <date cert="high" when="1838-01-24" xml:id="date_4cf3dd63-e2a7-4ba5-a0ea-d7018708c9f0">24. Januar 1838.</date></dateline><salute rend="left">Mein lieber Droysen!</salute><p style="paragraph_without_indent">Erst vor wenig Tagen erhielt ich Deinen Brief vom 31. v. M. und den <title xml:id="title_f95d53e5-ebba-4aeb-b759-755155a01a05">Aristophanes<name key="PSN0110751" style="hidden" type="author">Droysen, Johann Gustav Bernhard (Pseud.: Voß) (1808-1884)</name><name key="CRT0108612" style="hidden" type="science">Des Aristophanes Werke</name></title> dazu, und eile nun Dir zu antworten und herzlich zu danken. Du hast mir wieder ein prächtiges Vergnügen durch das gemacht, was ich bis jetzt vom 2<title xml:id="title_f11007a2-bdc5-493d-b404-2201962f48ba">. Bande<name key="PSN0110751" style="hidden" type="author">Droysen, Johann Gustav Bernhard (Pseud.: Voß) (1808-1884)</name><name key="CRT0108612" style="hidden" type="science">Des Aristophanes Werke</name></title> gelesen habe, und das ist nur <title xml:id="title_5adb7d22-8707-4cbc-b274-9d7fac95b368">das erste Stück<name key="PSN0109523" style="hidden" type="author">Aristophanes (um 445 v. Chr.-um 385 v. Chr.)</name><name key="CRT0111385" style="hidden" type="literature">Die Wespen</name></title> (weil ich gerade viel zu thun habe), aber eben bei dem ersten habe ich mich wunderherrlich ergötzt und Dir beim Lesen vielmals im Herzen gedankt, der Du solche <title xml:id="title_c172355c-9d24-419a-a9c4-5ecb17d9a39c">einzige Wespen<name key="PSN0109523" style="hidden" type="author">Aristophanes (um 445 v. Chr.-um 385 v. Chr.)</name><name key="CRT0111385" style="hidden" type="literature">Die Wespen</name></title> für Leute, wie ich bin, zugänglich und klar machst, wie nie jemand gekonnt hat. Das ist doch noch eine Gelehrsamkeit, die ich mir gefallen lasse; es wird unsereinem angst und bange, wenn in der Vorrede einmal der gelehrte Streit über die Lenäen, oder übers Maschinenwesen vorguckt, und man ist Dir da wieder doppelt dankbar, daß Du all dergleichen einem so entfernt zu halten weißt, daß man sich so wohl bei Deinem Thun und Treiben fühlt, so menschlich und dichterisch, daß einem vor solchen Seitenblicken und gelehrten Streitigkeiten erst recht graulich wird, als säh’ man jetzt aus der warmen Stube auf das Eis, wo freilich auch einige Schlittschuhlauf halten, aber man weiß doch, sie lägen bis über die Ohren darin, wenn’s warm Wetter wäre. Ich lobe mir’s Lebendige, Fruchtbare, und danke Dir von ganzem Herzen, daß Du mir jene ganze Welt so lebendig gemacht hast; von der Vorrede an, die mir ungemein gefällt, und die ich ganz verstehe (was mir nicht oft mit Vorreden begegnet), bis zu dem lächerlichen Ballet am Ende hat mich das Ganze gefesselt. Am meisten freilich der Anfang gleich, bis zum herrlichen nächtlichen Ritterchor, und die Instruction, wie man modern sei, und ein paar Chorstellen. Ich habe laut lachen müssen, wie sich der Alte unter den Esel bindet, und sich Niemand nennt. Jetzt laß ich mir das Buch grün binden, damit ich die <title xml:id="title_773013ec-246a-45f8-9cfc-3c0c4faef5a7">anderen Stücke<name key="PSN0109523" style="hidden" type="author">Aristophanes (um 445 v. Chr.-um 385 v. Chr.)</name><name key="CRT0111382" style="hidden" type="literature">Die Acharner</name><name key="PSN0109523" style="hidden" type="author">Aristophanes (um 445 v. Chr.-um 385 v. Chr.)</name><name key="CRT0111384" style="hidden" type="literature">Die Ritter</name></title> recht behaglich lesen kann, und freue mich namentlich auf die <title xml:id="title_99027da6-7ac9-4554-a297-305d16b6f598">Ritter<name key="PSN0109523" style="hidden" type="author">Aristophanes (um 445 v. Chr.-um 385 v. Chr.)</name><name key="CRT0111384" style="hidden" type="literature">Die Ritter</name><name key="PSN0110751" style="hidden" type="author">Droysen, Johann Gustav Bernhard (Pseud.: Voß) (1808-1884)</name><name key="CRT0108612" style="hidden" type="science">Des Aristophanes Werke</name></title>, von denen ich schon so viel gehört habe. Für alles das nimm meinen Dank. Die ungelehrten Leute sollten Dir einen aparten Altar bauen; wer weiß, ob die gelehrten nicht grimmig werden, wenn Du ihre Heimlichkeiten ausplauderst, oder gar nicht thust, als gäb’ es solche Heimlichkeiten – und doch mögen’s die Gelehrten erst recht zu schätzen wissen, wenn wir ganz flüchtig über Paeonen und Epitrite und andere wilde Thiere hinweg lesen. Uebrigens bist Du doch kein <persName xml:id="persName_cc263100-b554-4ea9-985c-22bab4039e71">Aken<name key="PSN0109410" style="hidden">Aken (Van Aken), niederländisches Familienunternehmen</name></persName> und kein Maskierter, wie Du Dich am Anfang Deines Briefes nennst, sondern wie Du Dich am Ende nennst: Johann Gustav Droysen, das trifft’s. Aus Deinem Briefe sehe ich, daß <persName xml:id="persName_d60a6f2d-ac0d-4898-9f97-185cdb35c2be">Bendemann<name key="PSN0109806" style="hidden">Bendemann, Eduard Julius Friedrich (1811-1889)</name></persName> noch in Berlin ist; ich glaubte ihn schon in Dresden, geht er nicht bald dahin? Wahrscheinlich wird mich mein Wunsch, die <placeName xml:id="placeName_5986726e-8229-48d3-a189-4dea591e0d8d">Galerie<name key="NST0100217" style="hidden" subtype="" type="institution">Königliche Gemäldegalerie</name><settlement key="STM0100142" style="hidden" type="locality">Dresden</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> zu sehen, im Frühjahr dahin führen, ehe ich nach Berlin mit <persName xml:id="persName_484f4add-3b52-4d70-b5ff-3056d8b98a6f">meiner Cécile<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> komme, was, so Gott will, im April geschehen soll. Dann wollen wir mündlich das Thema von der Oper besser besprechen, als es schriftlich wohl geht; wie danke ich Dir für alles Liebe und Freundliche, was Du mir darüber sagst. Da ich nach vielen oft unangenehmen Erfahrungen fürchtete, in Deutschland keinen ordentlichen Operntext zu bekommen, so habe ich vor einiger Zeit allerdings den Antrag angenommen, für England zu componieren. Es fiel mir sehr schwer, das einzugehen, aber es blieb mir weiter nichts übrig, und das Schlimmste ist doch, die Hände in den Schoß zu legen und auf den Moment zu warten, der dann nie kommt. Freilich habe ich mir vorgenommen, mir die Verse erst deutsch übersetzen zu lassen, da ich wirklich englisch kaum componiren <hi rend="underline">kann</hi> (geschweige <hi rend="underline">mag</hi>), aber <hi rend="underline">Du</hi> darfst das doch nicht thun, dazu ist Deine Zeit zu edel. Willst Du mir aber Eignes machen, dann weißt Du, wie dankbar ich Dir sein würde. Da wir, wie gesagt, über die Oper am besten mündlich sprechen, könntest Du mir nicht irgend etwas anderes bis dahin schicken? Vom Lied bis zur Cantate und weiter wäre mir jedes Gedicht gleich willkommen; ja wer weiß, ob ich Dich nicht in der nächsten Zeit noch einmal förmlich in Anspruch nehme. In diesem Augenblicke hätte ich so gerne irgend ein größeres Gesangstück fürs Concert, bestehend aus mehreren Arien, Recitativen Chören, Orchestersätzen etc. Ich kann Dir kein Beispiel anführen, da ich keines der Art kenne, aber denk’s Dir etwa (da Du <title xml:id="title_d4923b95-157e-446d-b32e-1b8f4abbd721">meinen Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_eajl1jmc-hcwu-y0p6-mrbv-ca71kktjvjwo"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title> kennst), als wenn man, nach der Ouverture anfangend, mit dem <title xml:id="title_a82a04b0-89a2-486b-aaf9-01d8cd4b9efe">Chor „Wir preisen selig“<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_5va1l2nu-t0tj-g5qq-ys2p-0wa1dgtjxpwt"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title> schlösse; es wäre eine Reihenfolge von Musikstücken, die den heiligen Stephanus zum Gegenstand hätte. Natürlich ist das ein schlechtes Beispiel, aber vielleicht siehst Du daran, wie ich’s meine; auch könnten die Worte eben so frei und ungleichmäßig behandelt sein, nur müßten die Musikstücke immer auf der Spitze der Situation eintreten (außer dem Recitativ), und also müßten recht viel solcher Spitzen da sein. Das scheint mir das „Musikalische“ eines Stoffes zu sein, worüber Dich <persName xml:id="persName_3e2f8f76-9e42-4291-a2ed-de1a191d2bba">Bendemann<name key="PSN0109806" style="hidden">Bendemann, Eduard Julius Friedrich (1811-1889)</name></persName> fragte, daß er lieber viel oder lieber eine ununterbrochene Reihe solcher Spitzen von Situationen enthält, auf denen die Musik fußen kann. Weißt Du nun einen Stoff zu einem solchen Concertstück? Er müßte sehr populär, allgemein bekannt sein – und doch nicht theatralisch. Ich denke immer wieder an die <title xml:id="title_53b961af-51bd-4247-806b-7695c996e066">Nausikaa<name key="PSN0112080" style="hidden" type="author">Homer</name><name key="CRT0109351" style="hidden" type="literature">Odyssee</name></title>, den Sturm, das Einschlafen, das Ballwerfen, am Schluß das Geleit übers Meer – aber Dir sagt es nicht recht zu. Schlügst Du mir doch ein anderes vor und wolltest mir’s machen! – <title xml:id="title_500ada17-4b84-4171-ad03-f1f8af84c292">Mein Paulus<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_uwgruulr-k9lw-yk8k-0fdv-olzvlmoknx2s"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100114" style="hidden">Paulus / St. Paul, Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [1832] bis 18. April 1836<idno type="MWV">A 14</idno><idno type="op">36</idno></name></title> muß sich doch ganz curios in der Berliner Aufführung ausgenommen haben; obwohl mir <persName xml:id="persName_d24b9b17-d70f-4119-95fd-dff631d88d21">meine Mutter<name key="PSN0113260" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Lea Felicia Pauline (1777-1842)</name></persName> und <persName xml:id="persName_76fb0a57-b100-4e50-8217-dcbe175a0fd6">Schwester<name key="PSN0111893" style="hidden">Hensel, Fanny Cäcilia (1805-1847)</name></persName> höchst zufrieden darüber geschrieben haben, so weiß ich nicht, warum ich immer denke, es hätte nicht geklungen. Viel Mittel sind da gewiß, aber du weißt, wie ich den Sand ansehe. Nun bin ich aber wieder auf den Rand gekommen, und seit dem Anfang des Briefes sind acht Tage vergangen, in denen ich geniest, gehustet und wieder Ohrenschmerzen gehabt habe; verzeihe darum, daß mein Dank so spät zu Dir kommt. Die schönsten Grüße von <persName xml:id="persName_6ac96c25-052c-4380-a45e-7ace5591080e">meiner Frau<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> soll ich Dir sagen; die sage auch der <persName xml:id="persName_10b5f2bc-50d1-4194-a865-f60c965a3747">Deinigen<name key="PSN0110753" style="hidden">Droysen, Maria (Marie) Adelgunde Franziska (1820-1847)</name></persName> von mir und den <persName xml:id="persName_9f88ac9c-cb05-440c-944f-e684b5f737ae">Heydemann’s<name key="PSN0111960" style="hidden">Heydemann, Albert Gustav (1808-1877)</name><name key="PSN0111961" style="hidden">Heydemann, Ludwig Eduard (Louis) (1805-1874)</name></persName>, wenn Du sie siehst. <seg type="closer" xml:id="seg_2128bcf9-3011-473b-871c-44189cbc10d6">Und schreibe mir bald einmal wieder, wodurch Du mich so herzlich erfreust, und bleibe gut</seg></p><signed rend="right">Deinem</signed><signed rend="right">Felix Mendelssohn Bartholdy.</signed></div></body> </text></TEI>