fmb-1837-12-14-01
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Leipzig, 14. Dezember 1837
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
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Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
Eine Antwort, ein Dank um ein ganzes Jahr verspätet sollten wohl fürchten, ganz zurückgewiesen zu werden, und doch habe ich kaum die Furcht – nur schämen thue ich mich ein bischen. Dein Brief hat mir solche Freude damals gemacht, er war von den wenigen Wünschen (unter vielen), die mir so ganz wohl, fast wohler thaten, als wär’s gleich Erfüllung, und jetzt erst, wo auch die in so reichem Maße mir Glücklichem zu theil geworden ist, kann ich Dir den Dank für Deine damaligen Wünsche sagen. Daß ich es gleich aufs Herzlichste gethan, lieber Droysen, das hast Du nicht anders von mir gedacht, aber verzeih mir, daß ich’s erst jetzt schreibe. Dein Brief traf mich, als
Denn es ist damit ein fatales Ding. Ich könnte es an den Fingern abzählen, daß ich mit Dir und mehreren anderen Freunden in derselben Stadt leben müßte, daß wir da viel wirken und treiben könnten, das so unterbleibt, um das es Schade ist, und doch soll es nicht sein. Sogar zum Besuch wird es mir immer schwerer, nach Berlin zu kommen; so gerne wollte ich Weihnachten wieder im elterlichen Hause zubringen, aber es ist nicht möglich, und ich muß nun hoffen, daß ich im nächsten Frühjahr endlich dazu kommen werde,
Der Text oder Entwurf dazu, von dem Du mir sprachst, war auch ein Mitgrund meiner verzögerten Antwort. Ich verstand ihn nicht und glaubte damals, die Schuld läge nur an meinem Kopf, den ich gar nicht bei mir hatte. Jetzt aber nach längerer Zeit finde ich mich immer noch nicht heraus und möchte Dich wohl gar sehr bitten, mir es zu erklären und das Nähere zu sagen. Denn in Deinen Zeilen finde ich nur einzelne Charakter- oder Costümzüge, wie Du es nennst, aber nicht die Charaktere selbst oder gar, was sie handeln und thun mit einander, und das ist denn doch die Hauptsache. Ich glaubte, wie gesagt, es läge in Deinen Worten, und ich verstände es nur nicht, aber auch heute kann ich es nicht herausfinden. Das aber weißt Du doch wohl, daß bei Dir der Pegasus nie ein träger Gaul war, ist, noch wird, und daß es mir kein anderer geschickter macht, glaube mir. Im Gegentheil, wenn Du irgend etwas Musikalisches wünschest oder hast, so thust Du mir eine wahre Wohlthat, wenn Du mir davon zukommen lässest – es fehlt mir so ganz daran, und ich empfinde den Mangel so sehr. Ob’s davon kommt, daß mir die ganze jetzige Modernesmacherei zuwider ist, oder ob ich gerade was verlange, das so selten ist – ich weiß es nicht –, aber am Zusammenleben und Zusammenwirken mit Gleichgesinnten, aller Art, aller Fächer, Dichter oder Sänger oder Schauspieler, oder Grafen oder Bratschisten, daran fehlt es, wie gesagt, und darum kommen so nette Pläne, wie der von der
Leipzig, 14. December 1837. Mein lieber Freund! Eine Antwort, ein Dank um ein ganzes Jahr verspätet sollten wohl fürchten, ganz zurückgewiesen zu werden, und doch habe ich kaum die Furcht – nur schämen thue ich mich ein bischen. Dein Brief hat mir solche Freude damals gemacht, er war von den wenigen Wünschen (unter vielen), die mir so ganz wohl, fast wohler thaten, als wär’s gleich Erfüllung, und jetzt erst, wo auch die in so reichem Maße mir Glücklichem zu theil geworden ist, kann ich Dir den Dank für Deine damaligen Wünsche sagen. Daß ich es gleich aufs Herzlichste gethan, lieber Droysen, das hast Du nicht anders von mir gedacht, aber verzeih mir, daß ich’s erst jetzt schreibe. Dein Brief traf mich, als meine Cécile mich damals hier mit ihrer Mutter besuchte, wo ich von Leipziger musikalischen Geschäften gehetzt die eigentliche Lebenszeit mit meiner Braut zubrachte und für nichts weiter sorgte und dachte, als sie so lange als möglich jeden Tag zu sehen; wir reisten zusammen nach Frankfurt, wo wir uns in wenig Tagen verheiratheten, dann nach Straßburg und Freiburg und Heidelberg, zurück nach Frankfurt, an den Rhein, doch alles das und meine bunten Fahrten des Sommers und Herbstes hast Du wohl von den Meinigen ausführlicher erzählen hören. Wirklich ist jetzt die erste ruhige Zeit des vergangenen Jahres, und ich wollte, Du verziehest mir darum das Stillschweigen. Ich wollte auch wohl, Du dächtest zuweilen an mich mit einem ähnlichen Gefühl wie das, mit dem ich wohl täglich Deiner und der frohen Zeit, die wir mit einander verlebt, gedenke und immer gedenken werde. Und dann bin ich wieder gewiß, daß Du das thust, und dann möchte ich, wir wären zusammen, und nicht einer dort, der andere da, und so schließen meine Gedanken oft. Denn es ist damit ein fatales Ding. Ich könnte es an den Fingern abzählen, daß ich mit Dir und mehreren anderen Freunden in derselben Stadt leben müßte, daß wir da viel wirken und treiben könnten, das so unterbleibt, um das es Schade ist, und doch soll es nicht sein. Sogar zum Besuch wird es mir immer schwerer, nach Berlin zu kommen; so gerne wollte ich Weihnachten wieder im elterlichen Hause zubringen, aber es ist nicht möglich, und ich muß nun hoffen, daß ich im nächsten Frühjahr endlich dazu kommen werde, meine liebe Cécile dahin zu führen, und ihr Euch alle von Angesicht zu zeigen, deren gezeichnete oder beschriebene Züge sie schon so genau kennt. Der Text oder Entwurf dazu, von dem Du mir sprachst, war auch ein Mitgrund meiner verzögerten Antwort. Ich verstand ihn nicht und glaubte damals, die Schuld läge nur an meinem Kopf, den ich gar nicht bei mir hatte. Jetzt aber nach längerer Zeit finde ich mich immer noch nicht heraus und möchte Dich wohl gar sehr bitten, mir es zu erklären und das Nähere zu sagen. Denn in Deinen Zeilen finde ich nur einzelne Charakter- oder Costümzüge, wie Du es nennst, aber nicht die Charaktere selbst oder gar, was sie handeln und thun mit einander, und das ist denn doch die Hauptsache. Ich glaubte, wie gesagt, es läge in Deinen Worten, und ich verstände es nur nicht, aber auch heute kann ich es nicht herausfinden. Das aber weißt Du doch wohl, daß bei Dir der Pegasus nie ein träger Gaul war, ist, noch wird, und daß es mir kein anderer geschickter macht, glaube mir. Im Gegentheil, wenn Du irgend etwas Musikalisches wünschest oder hast, so thust Du mir eine wahre Wohlthat, wenn Du mir davon zukommen lässest – es fehlt mir so ganz daran, und ich empfinde den Mangel so sehr. Ob’s davon kommt, daß mir die ganze jetzige Modernesmacherei zuwider ist, oder ob ich gerade was verlange, das so selten ist – ich weiß es nicht –, aber am Zusammenleben und Zusammenwirken mit Gleichgesinnten, aller Art, aller Fächer, Dichter oder Sänger oder Schauspieler, oder Grafen oder Bratschisten, daran fehlt es, wie gesagt, und darum kommen so nette Pläne, wie der von der Odyssee oder manche andere, die ich habe und hege, nicht weiter, also zurück. Und dabei ist’s sonderbar, daß mir’s an der regsten Theilnahme von den verschiedensten Seiten nicht fehlt, nur eben an ein Paar Mitarbeitern. Ich hatte vor, mich recht bitterlich darüber zu beklagen, aber die sieben Göttinger Professoren thun es auch nicht, da kann unser eins ganz still sein. Von Immermann hatte ich mir was erwartet, aber sein neuester Roman, von den Epigonen, hat mir so erbärmlich widerstanden, daß ich nun wieder weiter nichts lesen kann. So geht es uns allen mit Heine und Consorten, und von Eurer neuen Berliner Phantasie ist gar nichts zu sagen. Ich mache also Instrumentalmusik, so viel ich kann, mal wieder ein Oratorium, und werde am Ende im nächsten Jahre noch eine englische Oper anfangen müssen, so dumm das klingt. Sonst aber, bis auf diese Lücken, ist mein Leben, auch das öffentliche, hier so angenehm, als ich nur wünschen kann; regsame, theilnehmende Leute. Du hättest nur das allgemeine Interesse sehen sollen an den Unterhandlungen mit Bendemann und seiner Anstellung in Dresden, die immer noch ein Tagesgespräch ist; zu dem großartigen Kunsturtheile, das da meint, der Künstler sei so eine Art Schuldner und der Publicus ein Gläubiger, der den armen demüthigen Wicht um das Seinige mahnt, zu dem haben sie sich noch nicht erhoben, und meinen, der sei für Lebzeiten ein gemachter Mann, der den Jeremias und die trauernden Juden gemalt hat, auch ohne Anstellung auf Lebenszeit oder Pension. Von der großen neunten Symphonie mit Chören soll ich Dir sprechen? Es ist schwer, überhaupt über Musik zu sprechen. – Du müßtest sie vor allem hören. Die Instrumentalsätze gehören zum Größten, was ich in der Kunst kenne; von da an, wo die Stimmen eintreten, verstehe auch ich es nicht, d. h. ich finde nur Einzelnes vollkommen, und wenn das bei solch einem Meister der Fall ist, so liegt die Schuld wahrscheinlich an uns. Oder der Ausführung. Und darum sage ich, Du müßtest auch die ersten Stücke hören – ich zweifle, daß es in Berlin leicht der Fall sein kann. Im Gesangsatz aber sind die Singstimmen so gelegt, daß ich keinen Ort kenne, wo er gut gehen könnte, und daher kommt vielleicht bis jetzt die Unverständlichkeit. Alles das aber müßte man wenigstens besprechen – nicht beschreiben. Als ich diesen Sommer in Coblenz in einer Gesellschaft war und zwei Consistorialräthe sich so ernsthaft über den Droysen streiten hörte und die oder die Stelle seines Aristophanes und seines Alexander wörtlich anführen und sagen „Droysen sagt“, da sagte ich, ich kenne den Mann näher, und man frug mich über alles aus – wie groß und klein Du wärest und was Du gern äßest. Damals wollte ich Dir denselben Abend schreiben und die Geschichte lustig erzählen, nun bin ich aber erst in England und Frankreich und Belgien und Gott weiß wo gewesen. Und Du bist mir am Ende bös geworden und magst es nicht mehr lesen. Dies war aber am Anfang des Briefes schon dumm und ist’s am Schluß auch. Wenn Du mal Reisen machst und kommst über Leipzig, so hoffe ich, Du bleibst da ein paar Tage und wohnst in Lurgenstein’s Garten, bei mir. Und nun leb wohl, grüße Deine liebe Frau fast unbekannter Weise und doch sehr vielmal, und bleib mir gut Deinem Felix Mendelssohn Bartholdy.
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Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1837-12-14" xml:id="date_acf880cb-af20-49e8-a3fa-0e380a802a00">14. 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Wirklich ist jetzt die erste ruhige Zeit des vergangenen Jahres, und ich wollte, Du verziehest mir darum das Stillschweigen. Ich wollte auch wohl, Du dächtest zuweilen an mich mit einem ähnlichen Gefühl wie das, mit dem ich wohl täglich Deiner und der frohen Zeit, die wir mit einander verlebt, gedenke und immer gedenken werde. Und dann bin ich wieder gewiß, daß Du das thust, und dann möchte ich, wir wären zusammen, und nicht einer dort, der andere da, und so schließen meine Gedanken oft.</p><p>Denn es ist damit ein fatales Ding. Ich könnte es an den Fingern abzählen, daß ich mit Dir und mehreren anderen Freunden in derselben Stadt leben müßte, daß wir da viel wirken und treiben könnten, das so unterbleibt, um das es Schade ist, und doch soll es nicht sein. Sogar zum Besuch wird es mir immer schwerer, nach Berlin zu kommen; so gerne wollte ich Weihnachten wieder im elterlichen Hause zubringen, aber es ist nicht möglich, und ich muß nun hoffen, daß ich im nächsten Frühjahr endlich dazu kommen werde, <persName xml:id="persName_e017ebf5-e582-4141-b37d-b8d13ad9b72a">meine liebe Cécile<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> dahin zu führen, und ihr Euch alle von Angesicht zu zeigen, deren gezeichnete oder beschriebene Züge sie schon so genau kennt.</p><p>Der Text oder Entwurf dazu, von dem Du mir sprachst, war auch ein Mitgrund meiner verzögerten Antwort. Ich verstand ihn nicht und glaubte damals, die Schuld läge nur an meinem Kopf, den ich gar nicht bei mir hatte. Jetzt aber nach längerer Zeit finde ich mich immer noch nicht heraus und möchte Dich wohl gar sehr bitten, mir es zu erklären und das Nähere zu sagen. Denn in Deinen Zeilen finde ich nur einzelne Charakter- oder Costümzüge, wie Du es nennst, aber nicht die Charaktere selbst oder gar, was sie handeln und thun mit einander, und das ist denn doch die Hauptsache. Ich glaubte, wie gesagt, es läge in Deinen Worten, und ich verstände es nur nicht, aber auch heute kann ich es nicht herausfinden. Das aber weißt Du doch wohl, daß bei Dir der Pegasus nie ein träger Gaul war, ist, noch wird, und daß es mir kein anderer geschickter macht, glaube mir. Im Gegentheil, wenn Du irgend etwas Musikalisches wünschest oder hast, so thust Du mir eine wahre Wohlthat, wenn Du mir davon zukommen lässest – es fehlt mir so ganz daran, und ich empfinde den Mangel so sehr. 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Ich mache also Instrumentalmusik, so viel ich kann, mal wieder ein <title xml:id="title_72ba23b4-b412-4ca2-a8dd-16403e48aa2a">Oratorium<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_qgj9khyu-52bz-ix57-alaq-opobkjuo9w0g"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="vocal_music" style="hidden"></item> <item n="3" sortKey="sacred_vocal_music" style="hidden"></item> <item n="4" sortKey="large-scale_sacred_vocal_works" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100125" style="hidden">Elias / Elijah, Ein Oratorium nach Worten des Alten Testaments für Solostimmen, gemischten Chor, Orchester und Orgel, [hauptsächlich 1845] bis 11. August 1846; Revision bis April 1847<idno type="MWV">A 25</idno><idno type="op">70</idno></name></title>, und werde am Ende im nächsten Jahre noch eine <title xml:id="title_17e6ca99-a670-4ac3-ba5e-475185dcdda8">englische Oper<list style="hidden" type="fmb_works_directory" xml:id="title_oyscvsjg-gjuo-pow1-ovrm-ickfafxbmdaz"> <item n="1" sortKey="musical_works" style="hidden"></item> <item n="2" sortKey="works_not_executed" style="hidden"></item></list><name key="PSN0000001" style="hidden" type="author">Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)</name><name key="PRC0100703" style="hidden">The Brothers (auch: Edward III and the Siege of Calais / Eduard III. und die Belagerung von Calais)<idno type="MWV"></idno><idno type="op"></idno></name></title> anfangen müssen, so dumm das klingt. Sonst aber, bis auf diese Lücken, ist mein Leben, auch das öffentliche, hier so angenehm, als ich nur wünschen kann; regsame, theilnehmende Leute. Du hättest nur das allgemeine Interesse sehen sollen an den Unterhandlungen mit <persName xml:id="persName_cda27c2d-1bc2-4485-ae6d-3208064fcde8">Bendemann<name key="PSN0109806" style="hidden">Bendemann, Eduard Julius Friedrich (1811-1889)</name></persName> und seiner Anstellung in Dresden, die immer noch ein Tagesgespräch ist; zu dem großartigen Kunsturtheile, das da meint, der Künstler sei so eine Art Schuldner und der Publicus ein Gläubiger, der den armen demüthigen Wicht um das Seinige mahnt, zu dem haben sie sich noch nicht erhoben, und meinen, der sei für Lebzeiten ein gemachter Mann, der den <title xml:id="title_7045143b-fc06-4c01-9326-40c714166082">Jeremias<name key="PSN0109806" style="hidden" type="author">Bendemann, Eduard Julius Friedrich (1811-1889)</name><name key="CRT0108131" style="hidden" type="art">Jeremias auf den Trümmern von Jerusalem</name></title> und <title xml:id="title_54dad7ad-aa3a-4d6d-8686-f62057508755">die trauernden Juden<name key="PSN0109806" style="hidden" type="author">Bendemann, Eduard Julius Friedrich (1811-1889)</name><name key="CRT0108136" style="hidden" type="art">Die trauernden Juden im Exil</name></title> gemalt hat, auch ohne Anstellung auf Lebenszeit oder Pension. Von der <title xml:id="title_f198f850-94a7-481e-9af4-f49d13c0fe34">großen neunten Symphonie<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108070" style="hidden" type="music">9. Sinfonie d-Moll, op. 125</name></title> mit Chören soll ich Dir sprechen? Es ist schwer, überhaupt über Musik zu sprechen. – Du müßtest sie vor allem hören. Die Instrumentalsätze gehören zum Größten, was ich in der Kunst kenne; von da an, wo die Stimmen eintreten, verstehe auch ich es nicht, d. h. ich finde nur Einzelnes vollkommen, und wenn das bei solch einem Meister der Fall ist, so liegt die Schuld wahrscheinlich an uns. Oder der Ausführung. Und darum sage ich, Du müßtest auch die ersten Stücke hören – ich zweifle, daß es in Berlin leicht der Fall sein kann. Im Gesangsatz aber sind die Singstimmen so gelegt, daß ich keinen Ort kenne, wo er gut gehen könnte, und daher kommt vielleicht bis jetzt die <title xml:id="title_37879738-5663-4885-b7a8-40f170bfb701">Unverständlichkeit<name key="PSN0109771" style="hidden" type="author">Beethoven, Ludwig van (1770-1827)</name><name key="CRT0108070" style="hidden" type="music">9. Sinfonie d-Moll, op. 125</name></title>. Alles das aber müßte man wenigstens besprechen – nicht beschreiben. Als ich diesen Sommer in Coblenz in einer Gesellschaft war und zwei Consistorialräthe sich so ernsthaft über den Droysen streiten hörte und die oder <title xml:id="title_65d80c4e-6568-4132-b8e2-bf452747e385">die Stelle seines Aristophanes<name key="PSN0110751" style="hidden" type="author">Droysen, Johann Gustav Bernhard (Pseud.: Voß) (1808-1884)</name><name key="CRT0108612" style="hidden" type="science">Des Aristophanes Werke</name></title> und <title xml:id="title_3e1c3b6a-8abb-42d8-9889-4c5f46a0205e">seines Alexander<name key="PSN0110751" style="hidden" type="author">Droysen, Johann Gustav Bernhard (Pseud.: Voß) (1808-1884)</name><name key="CRT0108616" style="hidden" type="science">Geschichte Alexanders des Großen</name></title> wörtlich anführen und sagen „Droysen sagt“, da sagte ich, ich kenne den Mann näher, und man frug mich über alles aus – wie groß und klein Du wärest und was Du gern äßest. Damals wollte ich Dir denselben Abend schreiben und die Geschichte lustig erzählen, nun bin ich aber erst in England und Frankreich und Belgien und Gott weiß wo gewesen. Und Du bist mir am Ende bös geworden und magst es nicht mehr lesen. Dies war aber am Anfang des Briefes schon dumm und ist’s am Schluß auch. Wenn Du mal Reisen machst und kommst über Leipzig, so hoffe ich, Du bleibst da ein paar Tage und wohnst in <placeName xml:id="placeName_eeef84c4-ab88-4691-846a-32b9e4093571">Lurgenstein’s Garten<name key="NST0100540" style="hidden" subtype="" type="institution">Lurgensteins Garten</name><settlement key="STM0100116" style="hidden" type="">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName>, bei mir. Und nun leb wohl, grüße <persName xml:id="persName_e977c947-ed4f-467f-9c4d-1b77f6463d04">Deine liebe Frau<name key="PSN0110753" style="hidden">Droysen, Maria (Marie) Adelgunde Franziska (1820-1847)</name></persName> fast unbekannter Weise und doch sehr vielmal, <seg type="closer" xml:id="seg_06186650-3130-499d-a0b6-c5c7068d401a">und bleib mir gut</seg></p><signed rend="right">Deinem</signed><signed rend="right">Felix Mendelssohn Bartholdy.</signed></div></body> </text></TEI>