fmb-1837-12-05-01
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Leipzig, 5. Dezember 1837
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.
Felix Mendelssohn Bartholdy
-
Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
tenDec. 1837
Lange wollte ich Ihnen auf Ihren ersten, sehr lieben Brief antworten, und hatte mir viel vorgenommen was ich darauf zu sagen auf dem Herzen hatte da kommt vorgestern Ihr 2ter vom 26ten v. M. und den muß ich nun zu allererst beantworten, da ich mir wohl denken kann wie sehr Ihnen die darin besprochne Angelegenheit wichtig ist. Ich thue es ganz aufrichtig, ohne Rückhalt, weil ich denke, daß das zwischen uns beiden immer so gewesen ist, und hoffentlich immer so bleiben wird. Weit entfernt in Ihren Schritten wegen der Kapellmeisterstelle in Weimar die geringste Frechheit zu sehn (Sie nennen es gar eine ungeheure) finde ich es im Gegentheil sehr recht, daß Sie es gethan, und denke Sie kennen Ihren eignen Werth im Grunde auch wohl genug, als daß Sie irgend etwas Unpassendes darin finden sollten, wenn Sie sich um eine Stelle bewerben, der Sie in jeder Beziehung vollkommen gewachsen sind, und der Sie Ehre machen würden. Aber trotz dieser meiner festen Überzeugung, und trotz dem daß ich dieselbe eben so unverhohlen (nur etwas ausführlicher) nach Weimar gleich nach Empfang Ihres Briefes geschrieben habe, halte ich es für unwahrscheinlich, daß Sie die Stelle erhalten werden, weil ich die Verhältnisse dort, wenn auch nur durch Hörensagen, kenne. Man wird dort entweder einen Klavierspieler von bedeutendem Rufe wieder haben wollen, oder (was mir noch plausibler scheint) die Stelle vorläufig gar nicht besetzen, sondern den Unter-Kapellmeistern die Geschäfte vertheilen, und die werden das ihrige thun, keine baldige Aenderung eintreten zu lassen. Es sind eine Menge junge und alte Musikdirectoren in Weimar, welche wohl glauben die Stelle gebühre ihnen (denken Sie nur an wenig Vertrauen, als möglich auf die Sache setzten, weil mir Ihr Brief bei der bloßen Aussicht darauf schon in einer gereizten Stimmung geschrieben scheint, und weil sie in eine allzu trübe Stimmung versinken würden, wenn es sich nicht realisirte oder sehr in die Länge zöge, wie mir doch fast gewiß ist. Wie von Herzen ich alles thun werde, um Ihnen zu Erreichung Ihres Wunsches behülflich zu sein, und wie es an meinen dringenden und wärmsten Empfehlungen nicht fehlen soll, wenn sich die geringste Aussicht zeigt, das brauche ich Ihnen kaum zu sagen. Ich hoffe Sie wissen, welchen Theil ich an Ihrem Wohlergehen nehme, und daß Sie auf mich rechnen können. Sollte (wider Erwarten) die Weimarsche Stelle rasch besetzt werden, und sich dadurch eine anderweitige Vakanz ergeben, so werde ich Ihnen sogleich Nachricht geben, oder wenns drängt, vielleicht zugleich dort nachfragen – überhaupt sollen Sie durch mich alles sogleich erfahren, was in dieser Ihnen so wichtigen Angelegenheit mir Neues zu Ohren kommt. Daß ich selbst zu der Stelle in Weimar ernannt wäre, hat wie ich höre in vielen Zeitungen gestanden; obwohl mir das die Leute hier oft erzählten, so war doch kein Gerücht darüber so lügenhaft detaillirt, wie dasjenige was Ihnen
Indem ich nun Ihren vorigen Brief um ihn zu beantworten wieder durchlese, sehe ich, daß der nachfolgende eigentlich schon mit darin liegt – daß das einzige Mittel eine Ihnen so lästige Stimmung, so unangenehme Verhältnisse zu erleichtern nicht in Worten liegt, sondern in einer baldigen Veränderung Ihrer Lage, wo möglich Ihres AufenthaltOrtes. Ich werde alles thun was in meinen Kräften steht, Ihnen eine solche Veränderung zu verschaffen. Da ich nun aber bestimmt glaube, daß die Weimarsche Angelegenheit sich sehr in die Länge ziehn wird, wie wäre es, wenn Sie zum Frühjahr (d. h. freilich nicht später als Mitte März) Urlaub nähmen, und eine Kunstreise hier in die Gegend machten? Es wäre auch für Weimar gut, obwohl ich Sie eigentlich bitten wollte den Gedanken daran nicht sehr fest zu halten, indeß wenn Sie dort persönlich bekannt wären, machte sich alles in jedem Fall leichter – Sie ließen sich hier hören, wo wie Sie wissen,
Nun leben Sie wohl;
Leipzig d. 5ten Dec. 1837. Lieber Rietz Lange wollte ich Ihnen auf Ihren ersten, sehr lieben Brief antworten, und hatte mir viel vorgenommen was ich darauf zu sagen auf dem Herzen hatte da kommt vorgestern Ihr 2ter vom 26ten v. M. und den muß ich nun zu allererst beantworten, da ich mir wohl denken kann wie sehr Ihnen die darin besprochne Angelegenheit wichtig ist. Ich thue es ganz aufrichtig, ohne Rückhalt, weil ich denke, daß das zwischen uns beiden immer so gewesen ist, und hoffentlich immer so bleiben wird. Weit entfernt in Ihren Schritten wegen der Kapellmeisterstelle in Weimar die geringste Frechheit zu sehn (Sie nennen es gar eine ungeheure) finde ich es im Gegentheil sehr recht, daß Sie es gethan, und denke Sie kennen Ihren eignen Werth im Grunde auch wohl genug, als daß Sie irgend etwas Unpassendes darin finden sollten, wenn Sie sich um eine Stelle bewerben, der Sie in jeder Beziehung vollkommen gewachsen sind, und der Sie Ehre machen würden. Aber trotz dieser meiner festen Überzeugung, und trotz dem daß ich dieselbe eben so unverhohlen (nur etwas ausführlicher) nach Weimar gleich nach Empfang Ihres Briefes geschrieben habe, halte ich es für unwahrscheinlich, daß Sie die Stelle erhalten werden, weil ich die Verhältnisse dort, wenn auch nur durch Hörensagen, kenne. Man wird dort entweder einen Klavierspieler von bedeutendem Rufe wieder haben wollen, oder (was mir noch plausibler scheint) die Stelle vorläufig gar nicht besetzen, sondern den Unter-Kapellmeistern die Geschäfte vertheilen, und die werden das ihrige thun, keine baldige Aenderung eintreten zu lassen. Es sind eine Menge junge und alte Musikdirectoren in Weimar, welche wohl glauben die Stelle gebühre ihnen (denken Sie nur an Lobe, Eberwein, Götz, Häser &c. ) und die sich alle nur sehr schwer einem Fremden unterordnen würden. So daß ich kaum weiß, ob ich Ihnen die Stelle wünschen sollte, weil sie Ihnen viel Kummer und Ärger sicherlich mitbrächte, in jedem Falle aber es wie gesagt für unwahrscheinlich halte, daß Sie dazu ernannt würden. Ich weiß alle die détails vom jungen Goethe, der wie Sie wissen, hier bei mir ist, dem ich aber, wie natürlich von Ihrem Briefe nichts gesagt. Seiner Mutter hingegen, die die einzige meiner Weimarschen Bekannten ist die ich genauer kenne, habe ich gleich geschrieben, und sie gebeten das was ich in dem Briefe über Sie gesagt möglichst zu verbreiten, und im rechten Augenblick und bei den rechten Leuten geltend zu machen. Antwort habe ich noch nicht von ihr, jedoch weiß ich schon im Voraus, daß sie auch in so allgemein freundlichen, aber unbestimmten Ausdrücken sein wird, wie die des Kanzler v. Müller, derer Sie erwähnen, da gewiß in diesem Augenblick keiner etwas bestimmtes davon weiß. Ich stelle Ihnen das alles vor, weil ich möchte daß Sie selbst so wenig Vertrauen, als möglich auf die Sache setzten, weil mir Ihr Brief bei der bloßen Aussicht darauf schon in einer gereizten Stimmung geschrieben scheint, und weil sie in eine allzu trübe Stimmung versinken würden, wenn es sich nicht realisirte oder sehr in die Länge zöge, wie mir doch fast gewiß ist. Wie von Herzen ich alles thun werde, um Ihnen zu Erreichung Ihres Wunsches behülflich zu sein, und wie es an meinen dringenden und wärmsten Empfehlungen nicht fehlen soll, wenn sich die geringste Aussicht zeigt, das brauche ich Ihnen kaum zu sagen. Ich hoffe Sie wissen, welchen Theil ich an Ihrem Wohlergehen nehme, und daß Sie auf mich rechnen können. Sollte (wider Erwarten) die Weimarsche Stelle rasch besetzt werden, und sich dadurch eine anderweitige Vakanz ergeben, so werde ich Ihnen sogleich Nachricht geben, oder wenns drängt, vielleicht zugleich dort nachfragen – überhaupt sollen Sie durch mich alles sogleich erfahren, was in dieser Ihnen so wichtigen Angelegenheit mir Neues zu Ohren kommt. Daß ich selbst zu der Stelle in Weimar ernannt wäre, hat wie ich höre in vielen Zeitungen gestanden; obwohl mir das die Leute hier oft erzählten, so war doch kein Gerücht darüber so lügenhaft detaillirt, wie dasjenige was Ihnen Immermann mitgetheilt hat, wie Sie mir schreiben; sie hielten sich nur daran, das factum zu erdichten, nicht die Zahlen und Unterhandlungen. In der That ist die Zeitungsnachricht das einzige was mir über solche Besetzung der Stelle zu Ohren und Sinn gekommen ist, und die Sache eine pure Erdichtung. Das Versprechen nicht gegen mich zu cabalisiren, das Sie mir gaben, ist doch hoffentlich nur im Spas gemeint? Oder bedarf es im Ernst eines solchen? Übrigens hat mich das ganze Gerücht zum erstenmal nachdenklich gemacht und verstimmt, als ich Ihren Brief erhielt; ich hätte ohne das an den Hrn. v. Spiegel, den ich nicht kenne der aber wohl am meisten zu sagen hat geradezu in Ihrer Angelegenheit geschrieben – er ist Intendant und die Sänger und -innen wenden sich von hier aus immer nur an ihn – aber aus leicht begreiflichen Rücksichten kann ich jetzt in dieser Sache nicht mit einem mir fremden Hofmarschall (oder was er sonst für ein Thier sein mag) eine Correspondenz eröffnen. Von meinen Bekannten blieb also nur Fr. v. Goethe, und was die mir wichtiges mittheilt sollen Sie sogleich, wie gesagt, erfahren. Indem ich nun Ihren vorigen Brief um ihn zu beantworten wieder durchlese, sehe ich, daß der nachfolgende eigentlich schon mit darin liegt – daß das einzige Mittel eine Ihnen so lästige Stimmung, so unangenehme Verhältnisse zu erleichtern nicht in Worten liegt, sondern in einer baldigen Veränderung Ihrer Lage, wo möglich Ihres AufenthaltOrtes. Ich werde alles thun was in meinen Kräften steht, Ihnen eine solche Veränderung zu verschaffen. Da ich nun aber bestimmt glaube, daß die Weimarsche Angelegenheit sich sehr in die Länge ziehn wird, wie wäre es, wenn Sie zum Frühjahr (d. h. freilich nicht später als Mitte März) Urlaub nähmen, und eine Kunstreise hier in die Gegend machten? Es wäre auch für Weimar gut, obwohl ich Sie eigentlich bitten wollte den Gedanken daran nicht sehr fest zu halten, indeß wenn Sie dort persönlich bekannt wären, machte sich alles in jedem Fall leichter – Sie ließen sich hier hören, wo wie Sie wissen, die musikalischen Zeitungen sitzen und nach Kräften schmieren – (der Verleger nicht zu gedenken) und riefen sich so den Leuten mal wieder recht ordentlich ins Gedächtniß. Sie werden mir vielleicht sagen, es sei Ihnen zu kostspielig oder zu ungewiß, indeß alle oben genannten Vortheile sind gewiß, und was die Kosten betrifft, so müßten Sie hier im Abonnement-Concert spielen, was ziemlich gut honorirt wird und Ihnen die Kosten der Herreise wohl tragen würde (ich könnte die Verhandlungen dazu übernehmen) ferner brächten Sie wohl ein neues Stück für Cello mit, für das ich Ihnen auch ein ordentliches Honorar würde ausmitteln können, wohnen könnten Sie bei mir, (denn ich habe ein ordentlich Zimmer für die fremden Freunde eingerichtet) und wollen Sie auf alles das nicht eingehen, und nur nach Weimar reisen vielleicht, so erinnre ich Sie an den Anfang meines vorigen Briefes, den Sie hoffentlich nicht blos für eine Redensart genommen haben. Ich meine die Reise in die Gegend hier sei in jedem Falle recht nützlich, fast nothwendig für Sie, und bitte Sie daher überlegen Sie sich doch meinen Vorschlag. Es würde mich herzlich freuen wenn Sie darauf eingingen. Nun leben Sie wohl; meine Frau grüßt sie vielmal und ich bitte Sie der Ihrigen unsern freundlichen Gruß zu sagen. Immer Ihr Felix Mendelssohn Bartholdy
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Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1837-12-05" xml:id="date_6f7cb01f-ecc3-4e9a-8105-1b1fed84f477">5. 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M. und den muß ich nun zu allererst beantworten, da ich mir wohl denken kann wie sehr Ihnen die darin besprochne Angelegenheit wichtig ist. Ich thue es ganz aufrichtig, ohne Rückhalt, weil ich denke, daß das zwischen uns beiden immer so gewesen ist, und hoffentlich immer so bleiben wird. Weit entfernt in Ihren Schritten wegen der Kapellmeisterstelle in Weimar die geringste Frechheit zu sehn (Sie nennen es gar eine ungeheure) finde ich es im Gegentheil sehr recht, daß Sie es gethan, und denke Sie kennen Ihren eignen Werth im Grunde auch wohl genug, als daß Sie irgend etwas Unpassendes darin finden sollten, wenn Sie sich um eine Stelle bewerben, der Sie in jeder Beziehung vollkommen gewachsen sind, und der Sie Ehre machen würden. Aber trotz dieser meiner festen Überzeugung, und trotz dem daß ich dieselbe eben so unverhohlen (nur etwas ausführlicher) nach Weimar gleich nach Empfang Ihres Briefes geschrieben habe, halte ich es für unwahrscheinlich, daß Sie die Stelle erhalten werden, weil ich die Verhältnisse dort, wenn auch nur durch Hörensagen, kenne. Man wird dort entweder einen Klavierspieler von bedeutendem Rufe wieder haben wollen, oder (was mir noch plausibler scheint) die Stelle vorläufig gar nicht besetzen, sondern den Unter-Kapellmeistern die Geschäfte vertheilen, und die werden das ihrige thun, keine baldige Aenderung eintreten zu lassen. Es sind eine Menge junge und alte Musikdirectoren in Weimar, welche wohl glauben die Stelle gebühre ihnen (denken Sie nur an <persName xml:id="persName_44cb1f78-35e7-4b33-a2f4-3580519eaeac">Lobe<name key="PSN0112899" style="hidden">Lobe, Johann Christian (1797-1881)</name></persName>, <persName xml:id="persName_0eb10543-cd50-45f7-9194-7f3107bbd26d">Eberwein<name key="PSN0110816" style="hidden">Eberwein, Franz Carl Adelbert (1786-1868)</name></persName>, <persName xml:id="persName_009bed18-3c5e-4b75-91ff-d54b19b72030">Götz<name key="PSN0111489" style="hidden">Götze, Johann Nikolaus Conrad (1791-1861)</name></persName>, <persName xml:id="persName_adcf3efd-b843-4b7c-b0b6-5a7a421c8a7b">Häser<name key="PSN0111750" style="hidden">Häser, August Ferdinand (1779-1844)</name></persName> &c.) und die sich alle nur sehr schwer einem Fremden unterordnen würden. So daß ich kaum weiß, ob ich Ihnen die Stelle wünschen sollte, weil sie Ihnen viel Kummer und Ärger sicherlich mitbrächte, in jedem Falle aber es wie gesagt für unwahrscheinlich halte, daß Sie dazu ernannt würden. Ich weiß alle die détails <persName xml:id="persName_ddaa23d7-ae7c-495f-a2cd-abca60b5778d">vom jungen Goethe<name key="PSN0111426" style="hidden">Goethe, Wolfgang Walther von (seit 1859) Freiherr von (1818-1885)</name></persName>, der wie Sie wissen, hier bei mir ist, dem ich aber, wie natürlich von Ihrem Briefe nichts gesagt. <persName xml:id="persName_5842926a-b685-4d9d-9e4d-8487637f6bbe">Seiner Mutter<name key="PSN0111425" style="hidden">Goethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872)</name></persName> hingegen, die die einzige meiner Weimarschen Bekannten ist die ich genauer kenne, habe ich gleich geschrieben, und sie gebeten das was ich in dem Briefe über Sie gesagt möglichst zu verbreiten, und im rechten Augenblick und bei den rechten Leuten geltend zu machen. Antwort habe ich noch nicht von ihr, jedoch weiß ich schon im Voraus, daß sie auch in so allgemein freundlichen, aber unbestimmten Ausdrücken sein wird, wie die des <persName xml:id="persName_0d562406-f96d-47a4-94c7-32f37892150c">Kanzler v. Müller<name key="PSN0113495" style="hidden">Müller, Friedrich Theodor Adam Heinrich (seit 1806/07) von (1779-1849)</name></persName>, derer Sie erwähnen, da gewiß in diesem Augenblick keiner etwas bestimmtes davon weiß. Ich stelle Ihnen das alles vor, weil ich möchte daß Sie selbst so <hi rend="underline">wenig</hi> Vertrauen, als möglich auf die Sache setzten, weil mir Ihr Brief bei der bloßen Aussicht darauf schon in einer gereizten Stimmung geschrieben scheint, und weil sie in eine allzu trübe Stimmung versinken würden, wenn es sich nicht realisirte oder sehr in die Länge zöge, wie mir doch fast gewiß ist. Wie von Herzen ich alles thun werde, um Ihnen zu Erreichung Ihres Wunsches behülflich zu sein, und wie es an meinen dringenden und wärmsten Empfehlungen nicht fehlen soll, wenn sich die geringste Aussicht zeigt, das brauche ich Ihnen kaum zu sagen. Ich hoffe Sie wissen, welchen Theil ich an Ihrem Wohlergehen nehme, und daß Sie auf mich rechnen können. Sollte (wider Erwarten) die Weimarsche Stelle rasch besetzt werden, und sich dadurch eine anderweitige Vakanz ergeben, so werde ich Ihnen sogleich Nachricht geben, oder wenns drängt, vielleicht zugleich dort nachfragen – überhaupt sollen Sie durch mich alles sogleich erfahren, was in dieser Ihnen so wichtigen Angelegenheit mir Neues zu Ohren kommt. Daß ich selbst zu der Stelle in Weimar ernannt wäre, hat wie ich höre in vielen Zeitungen gestanden; obwohl mir das die Leute hier oft erzählten, so war doch kein Gerücht darüber so lügenhaft detaillirt, wie dasjenige was Ihnen <persName xml:id="persName_341b3bae-8d65-472d-b477-beab1c8295c6">Immermann<name key="PSN0112169" style="hidden">Immermann, Karl Leberecht (1796-1840)</name></persName> mitgetheilt hat, wie Sie mir schreiben; sie hielten sich nur daran, das factum zu erdichten, nicht die Zahlen und Unterhandlungen. In der That ist die Zeitungsnachricht das einzige was mir über solche Besetzung der Stelle zu Ohren und Sinn gekommen ist, und die Sache eine pure Erdichtung. Das Versprechen nicht gegen mich zu cabalisiren, das Sie mir gaben, ist doch hoffentlich nur im Spas gemeint? Oder bedarf es im Ernst eines solchen? Übrigens hat mich das ganze Gerücht zum erstenmal nachdenklich gemacht und verstimmt, als ich Ihren Brief erhielt; ich hätte ohne das an den <persName xml:id="persName_b1bcfbe0-4b46-4994-b48c-e2b9ac081f8a">Hrn. v. Spiegel<name key="PSN0115016" style="hidden">Spiegel von und zu Pickelsheim (Peckelsheim), Carl Emil Freiherr (1782-1849)</name></persName>, den ich nicht kenne der aber wohl am meisten zu sagen hat geradezu in Ihrer Angelegenheit geschrieben – er ist Intendant und die Sänger und -innen wenden sich von hier aus immer nur an ihn – aber aus leicht begreiflichen Rücksichten kann ich jetzt in dieser Sache nicht mit einem mir fremden Hofmarschall (oder was er sonst für ein Thier sein mag) eine Correspondenz eröffnen. Von meinen Bekannten blieb also nur <persName xml:id="persName_9a2e4160-d741-4c3a-8b4d-82f4305cd772">Fr. v. Goethe<name key="PSN0111425" style="hidden">Goethe, Ottilie Wilhelmine Ernestine Henriette von (1796-1872)</name></persName>, und was die mir wichtiges mittheilt sollen Sie sogleich, wie gesagt, erfahren.</p><p>Indem ich nun Ihren vorigen Brief um ihn zu beantworten wieder durchlese, sehe ich, daß der nachfolgende eigentlich schon mit darin liegt – daß das einzige Mittel eine Ihnen so lästige Stimmung, so unangenehme Verhältnisse zu erleichtern nicht in Worten liegt, sondern in einer baldigen Veränderung Ihrer Lage, wo möglich Ihres AufenthaltOrtes. Ich werde alles thun was in meinen Kräften steht, Ihnen eine solche Veränderung zu verschaffen. Da ich nun aber bestimmt glaube, daß die Weimarsche Angelegenheit sich sehr in die Länge ziehn wird, wie wäre es, wenn Sie zum Frühjahr (d. h. freilich nicht später als Mitte März) Urlaub nähmen, und eine Kunstreise hier in die Gegend machten? Es wäre auch für Weimar gut, obwohl ich Sie eigentlich bitten wollte den Gedanken daran nicht sehr fest zu halten, indeß wenn Sie dort persönlich bekannt wären, machte sich alles in jedem Fall leichter – Sie ließen sich hier hören, wo wie Sie wissen, <title xml:id="title_4cd5648b-d9f6-47d5-bf4b-ed45485ed8e7">die musikalischen Zeitungen<name key="PSN0110112" style="hidden" type="author">Breitkopf & Härtel (bis 1786: Breitkopf), Verlag und Musikalienhandlung in Leipzig</name><name key="CRT0108283" style="hidden" type="periodical">Allgemeine Musikalische Zeitung</name><name key="PSN0114758" style="hidden" type="author">Schumann, Robert Alexander (1810-1856)</name><name key="CRT0110790" style="hidden" type="science">Neue Zeitschrift für Musik</name></title> sitzen und nach Kräften schmieren – (der Verleger nicht zu gedenken) und riefen sich so den Leuten mal wieder recht ordentlich ins Gedächtniß. Sie werden mir vielleicht sagen, es sei Ihnen zu kostspielig oder zu ungewiß, indeß alle oben genannten Vortheile sind gewiß, und was die Kosten betrifft, so müßten Sie hier im <placeName xml:id="placeName_becc9f84-5449-4bc6-a8f1-fadd3a6d4ac7">Abonnement-Concert<name key="NST0100117" style="hidden" subtype="" type="institution">Gewandhaus</name><settlement key="STM0100116" style="hidden" type="">Leipzig</settlement><country style="hidden">Deutschland</country></placeName> spielen, was ziemlich gut honorirt wird und Ihnen die Kosten der Herreise wohl tragen würde (ich könnte die Verhandlungen dazu übernehmen) ferner brächten Sie wohl ein neues Stück für Cello mit, für das ich Ihnen auch ein ordentliches Honorar würde ausmitteln können, wohnen könnten Sie bei mir, (denn ich habe ein ordentlich Zimmer für die fremden Freunde eingerichtet) und wollen Sie auf alles das nicht eingehen, und nur nach Weimar reisen vielleicht, so erinnre ich Sie an den Anfang meines vorigen Briefes, den Sie hoffentlich nicht blos für eine Redensart genommen haben. Ich meine die Reise in die Gegend hier sei in jedem Falle recht nützlich, fast nothwendig für Sie, und bitte Sie daher überlegen Sie sich doch meinen Vorschlag. Es würde mich herzlich freuen wenn Sie darauf eingingen.</p><p>Nun leben Sie wohl; <persName xml:id="persName_7bb80d99-8f6a-4ad7-90d9-9767bf8470ee">meine Frau<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> grüßt sie vielmal und ich bitte Sie der <persName xml:id="persName_ba6f0552-53bb-4ac3-bdef-e4db652daa60">Ihrigen<name key="PSN0114207" style="hidden">Rietz, Maria Therese (1812-1861)</name></persName> unsern freundlichen Gruß zu sagen.</p><closer rend="left" xml:id="closer_1bfa05d2-ef50-4a77-a708-e864511963d5">Immer </closer><signed rend="right">Ihr</signed><signed rend="right">Felix Mendelssohn Bartholdy</signed></div></body> </text></TEI>