fmb-1837-02-14-01
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Leipzig, 14. Februar 1837
Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)
4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel.
Felix Mendelssohn Bartholdy
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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.
Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.
tenFebruar 1837
Sie können nicht glauben, welche große Freude mir Ihr Brief, ja schon beim Eröffnen desselben der Anblick Ihres Namens machte, und dieser gar zu liebenswürdige Beweis Ihrer fortgesetzten Freundlichkeit und Güte für mich. Wohl war es an mir zu denken, daß ich Ihnen bei unsrer Bekanntschaft in Frankfurt nur eine vorübergehende Erscheinung sein konnte, Sie waren von so vielen Menschen, den liebsten und fremden, umgeben, und der Eindrücke die Sie bei einer solchen Rückkehr ins Vaterland empfanden waren gewiß so viele, daß ich nur dann auf einen Platz in Ihrer Erinnerung hoffen möchte, wenn Sie an wie diese Tage vergangen sind, brauche ich Ihnen wohl nicht zu beschreiben, und kann es auch nicht. Aber pfeilschnell war es, und noch immer bin ich in ihrer Nähe so befangen und blos in einem Gedanken, daß ich alles andre drüber vergesse und eben nur glücklich bin und mich so recht meines Lebens freue. Wenn dann einige Leipziger Kritiker mir sagen, seit den letzten Wochen hätte ich nun gewiß recht viel Lieder componirt, dann möcht’ ich lachen; das ist wie bei den Franzosen die nach Italien reisen pour chercher des inspirations; gar keine Feder hab ich die ganze Zeit in die Hand genommen, und nehmen mögen, und das ist es eben, was mich bei Ihnen entschuldigen soll. Gerade so erging es mir in der Weihnachtszeit am Fahrthor; Sie wollen eine Beschreibung der glücklichen Tage, aber ich weiß wieder keine, nur daß sie glücklich waren. Mit dem
Leipzig den 14ten Februar 1837. Hochgeehrte Frau Sie können nicht glauben, welche große Freude mir Ihr Brief, ja schon beim Eröffnen desselben der Anblick Ihres Namens machte, und dieser gar zu liebenswürdige Beweis Ihrer fortgesetzten Freundlichkeit und Güte für mich. Wohl war es an mir zu denken, daß ich Ihnen bei unsrer Bekanntschaft in Frankfurt nur eine vorübergehende Erscheinung sein konnte, Sie waren von so vielen Menschen, den liebsten und fremden, umgeben, und der Eindrücke die Sie bei einer solchen Rückkehr ins Vaterland empfanden waren gewiß so viele, daß ich nur dann auf einen Platz in Ihrer Erinnerung hoffen möchte, wenn Sie an Cécile und unsre Rückfahrt von Kronthal, oder etwa an die Modehändlerinn in der Schnurgasse, oder das Trio in der Lernstube einmal wieder dächten. Und so hat es mich doppelt dankbar gemacht daß Sie mir selbst geschrieben, und so freundliche Worte gesagt haben, wie Ihr lieber Brief enthält, und daß Sie mir die frohe Ueberzeugung geben, daß unsre Annäherung damals nicht zufällig oder vorübergehend, sondern auch von Ihrer Seite dauernd und fortgesetzt bleiben würde; von der meinigen wußten Sie das wohl gewiß. In den Tagen wo Ihr Brief kam erhielt ich die bestimmte Nachricht daß Mde. Jeanrenaud mit Cécile hieher kommen würde, und noch in derselben Woche reis’te ich ihnen entgegen, traf sie in Weimar, und begleitete sie hieher, wo sie jetzt seit 14 Tagen sind. Ich habe Sie deshalb um Verzeihung zu bitten, daß sich mein Brief so verspätet hat, aber ich kann eben nichts zu meiner Entschuldigung anführen, als eben das, daß meine Cécile seit 14 Tagen hier ist; wie diese Tage vergangen sind, brauche ich Ihnen wohl nicht zu beschreiben, und kann es auch nicht. Aber pfeilschnell war es, und noch immer bin ich in ihrer Nähe so befangen und blos in einem Gedanken, daß ich alles andre drüber vergesse und eben nur glücklich bin und mich so recht meines Lebens freue. Wenn dann einige Leipziger Kritiker mir sagen, seit den letzten Wochen hätte ich nun gewiß recht viel Lieder componirt, dann möcht’ ich lachen; das ist wie bei den Franzosen die nach Italien reisen pour chercher des inspirations; gar keine Feder hab ich die ganze Zeit in die Hand genommen, und nehmen mögen, und das ist es eben, was mich bei Ihnen entschuldigen soll. Gerade so erging es mir in der Weihnachtszeit am Fahrthor; Sie wollen eine Beschreibung der glücklichen Tage, aber ich weiß wieder keine, nur daß sie glücklich waren. Mit dem Carl und der Julie habe ich mich in der Zeit gewiß besser befreundet, als ichs gehofft hatte, ich weiß nicht warum sich bei mir eine geheime Furcht vor dem ersteren eingeschlichen hatte; ich war um desto angenehmer überrascht, wie ich ihn so offen und liebenswürdig fand, und es wurde uns gleich in den ersten Tagen wohl mit einander. Aber die Visiten! Freilich waren die unendlich, und bei einigen schimpfte ich innerlich so laut, daß der Cécile ganz bang wurde, und sie dachte ich könne doch trotz des Fracks, und der Handschuhe und des schönen Wagens und des Bedienten mit einem mal sehr ungebärdig werden, und den Leuten große Grobheiten sagen. Nahe genug daran wars zuweilen. Aber dennoch steuerte sie mich glücklich durch, und freilich wurde es mir auch wieder versüßt, durch die lange Zeit die ich mit der Cécile allein sein und plaudern konnte, um so mehr da sich die Visiten nicht nur über Frankfurt sondern auch bis Sachsenhausen, Bockenheim, Offenbach u. s. w. erstreckten. – Und wissen Sie wohl, daß Sie gar nicht sicher sind, ob wir nicht Ihre freundliche Einladung nach Manchester annehmen? Es ist sehr stark die Rede davon daß wir im August nach England gehn, da ich zum Musikfest im Sept. nach Birmingham eingeladen bin, und ich habe die größte Lust es anzunehmen, der Cécile das herrliche Land zu zeigen, Sie und Beneckes auf eine Woche heimzusuchen, und tüchtig Musik zu machen; es wäre wohl schön. – Aber freilich ists noch unbestimmt und im weiten Felde; doch hoffe ich es, und dann werden Sie beim Wort gehalten – sie mögen es wollen oder nicht. Ihre Grüße an alle Schuncks habe ich gleich bestellt, und Sie können sich denken, wie herzlich sie alle sie erwiedern. Auch Mde. Jeanrenaud und Cécile tragen mir die besten, freundlichsten Grüße auf; heut aber sind sie alle in großer Agitation und Spannung, denn heut Abend ist ein gewaltiger Ball bei Hrn Schunck, und schon seit gestern werden Epheukränze um die Gardinen gewunden, und frische Blumen von den Gärtnern geholt, und die Stuben umgekehrt, und ich habe noch zu den gewöhnlichen Ballinstrumenten eine Flöte hinzubestellen müssen auf Befehl der Julie Schunck, und eine Trompete auf Befehl der Cécile. Ich meines Theils finde es nun viel brillanter, wenn gar kein Mensch Abends da ist, und keine Blumen und Trompeten, und wir ganz allein um den runden Tisch sitzen, aber dem Herrn Schunck macht es zu viel Freude, wenn die Leipziger allesammt die Cécile so recht bewundern und liebenswürdig finden, und das thun sie sehr. Nun sollte ich eigentlich wohl wegen all dieser Plauderei um Verzeihung bitten, und wegen meines Schreibens an den Rand – aber dann werden beide Fehler immer ärger. Drum schließe ich plötzlich und bitte Sie nur noch mich Ihrem Hrn Gemahl sehr vielmal und sehr angelegentlich zu empfehlen, wenn er sich noch meiner erinnern mag und die freundschaftlichste Hochachtung zu genehmigen mit der ich immer sein werde Ihr ergebner Felix Mendelssohn Bartholdy
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Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.</p></editorialDecl></encodingDesc> <profileDesc> <creation> <date cert="high" when="1837-02-14" xml:id="date_dcc658db-195a-4203-a7be-d166fbe775dc">14. 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Wohl war es an mir zu denken, daß ich Ihnen bei unsrer Bekanntschaft in Frankfurt nur eine vorübergehende Erscheinung sein konnte, Sie waren von so vielen Menschen, den liebsten und fremden, umgeben, und der Eindrücke die Sie bei einer solchen Rückkehr ins Vaterland empfanden waren gewiß so viele, daß ich nur dann auf einen Platz in Ihrer Erinnerung hoffen möchte, wenn Sie an <persName xml:id="persName_3d09f882-079b-4ff1-a304-6a84f5e4f5bd">Cécile<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> und unsre Rückfahrt von Kronthal, oder etwa an die Modehändlerinn in der Schnurgasse, oder das Trio in der Lernstube einmal wieder dächten. Und so hat es mich doppelt dankbar gemacht daß Sie mir selbst geschrieben, und so freundliche Worte gesagt haben, wie Ihr lieber Brief enthält, und daß Sie mir die frohe Ueberzeugung geben, daß unsre Annäherung damals nicht zufällig oder vorübergehend, sondern auch von Ihrer Seite dauernd und fortgesetzt bleiben würde; von der meinigen wußten Sie das wohl gewiß. In den Tagen wo Ihr Brief kam erhielt ich die bestimmte Nachricht daß <persName xml:id="persName_dbb95539-429e-4e67-9502-840940a2b9dd">Mde. Jeanrenaud<name key="PSN0112228" style="hidden">Jeanrenaud, Elisabeth (Lilly) Wilhelmine (1796-1871)</name></persName> mit <persName xml:id="persName_8146e701-2902-4560-aa7e-b53443bc675f">Cécile<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> hieher kommen würde, und noch in derselben Woche reis’te ich ihnen entgegen, traf sie in Weimar, und begleitete sie hieher, wo sie jetzt seit 14 Tagen sind. Ich habe Sie deshalb um Verzeihung zu bitten, daß sich mein Brief so verspätet hat, aber ich kann eben nichts zu meiner Entschuldigung anführen, als eben das, daß <persName xml:id="persName_3ca174b3-4351-46ac-ad0a-1104ca8e15ca">meine Cécile<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> seit 14 Tagen hier ist; <hi rend="underline">wie</hi> diese Tage vergangen sind, brauche ich Ihnen wohl nicht zu beschreiben, und kann es auch nicht. Aber pfeilschnell war es, und noch immer bin ich in ihrer Nähe so befangen und blos in einem Gedanken, daß ich alles andre drüber vergesse und eben nur glücklich bin und mich so recht meines Lebens freue. Wenn dann einige Leipziger Kritiker mir sagen, seit den letzten Wochen hätte ich nun gewiß recht viel Lieder componirt, dann möcht’ ich lachen; das ist wie bei den Franzosen die nach Italien reisen pour chercher des inspirations; gar keine Feder hab ich die ganze Zeit in die Hand genommen, und nehmen mögen, und das ist es eben, was mich bei Ihnen entschuldigen soll. Gerade so erging es mir in der Weihnachtszeit am Fahrthor; Sie wollen eine Beschreibung der glücklichen Tage, aber ich weiß wieder keine, nur daß sie glücklich waren. 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Aber dennoch steuerte sie mich glücklich durch, und freilich wurde es mir auch wieder versüßt, durch die lange Zeit die ich mit der <persName xml:id="persName_eabc059c-8f5a-4d27-a8b6-cec4766a1bf1">Cécile<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> allein sein und plaudern konnte, um so mehr da sich die Visiten nicht nur über Frankfurt sondern auch bis Sachsenhausen, Bockenheim, Offenbach u. s. w. erstreckten. – Und wissen Sie wohl, daß Sie gar nicht sicher sind, ob wir nicht Ihre freundliche Einladung nach Manchester annehmen? Es ist sehr stark die Rede davon daß wir im August nach England gehn, da ich zum <placeName xml:id="placeName_bf20411e-c71c-49cf-b098-ac06e95518d3">Musikfest<name key="NST0100324" style="hidden" subtype="" type="institution">The Birmingham Triennial Music Festival</name><settlement key="STM0100323" style="hidden" type="">Birmingham</settlement><country style="hidden">Großbritannien</country></placeName> im Sept. nach Birmingham eingeladen bin, und ich habe die größte Lust es anzunehmen, der <persName xml:id="persName_9f99cf8f-7c0e-4b7c-a653-7335d4a542f4">Cécile<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> das herrliche Land zu zeigen, Sie und <persName xml:id="persName_2e16923e-be64-4c1e-a376-08ae416e96f7">Beneckes<name key="PSN0109821" style="hidden">Benecke, Elisabetha Henrietta (1807-1893)</name><name key="PSN0109825" style="hidden">Benecke, Friedrich Wilhelm (1802-1865)</name></persName> auf eine Woche heimzusuchen, und tüchtig Musik zu machen; es wäre wohl schön. – Aber freilich ists noch unbestimmt und im weiten Felde; doch hoffe ich es, und dann werden Sie beim Wort gehalten – sie mögen es wollen oder nicht. Ihre Grüße an alle <persName xml:id="persName_1ad0da60-7be0-4be9-8104-86344c6131cd">Schuncks<name key="PSN0114759" style="hidden">Schunck, Familie von → Friedrich Philipp Daniel S.</name></persName> habe ich gleich bestellt, und Sie können sich denken, wie herzlich sie alle sie erwiedern. Auch <persName xml:id="persName_9ef24319-3ded-49e7-9b49-f77a2dc23920">Mde. Jeanrenaud<name key="PSN0112228" style="hidden">Jeanrenaud, Elisabeth (Lilly) Wilhelmine (1796-1871)</name></persName> und <persName xml:id="persName_c3b87593-7edc-42d7-beac-6aa9e25d0490">Cécile<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> tragen mir die besten, freundlichsten Grüße auf; heut aber sind sie alle in großer Agitation und Spannung, denn heut Abend ist ein gewaltiger Ball bei <persName xml:id="persName_4080644e-fe92-4e5e-8ea4-6919c85fcc7b">Hrn Schunck<name key="PSN0114765" style="hidden">Schunck, Friedrich Philipp Daniel (1776-1843)</name></persName>, und schon seit gestern werden Epheukränze um die Gardinen gewunden, und frische Blumen von den Gärtnern geholt, und die Stuben umgekehrt, und ich habe noch zu den gewöhnlichen Ballinstrumenten eine Flöte hinzubestellen müssen auf Befehl der <persName xml:id="persName_d875a45d-c795-46c6-af06-b81fa4889c2e">Julie Schunck<name key="PSN0114770" style="hidden">Schunck, Julie (1819-1899)</name></persName>, und eine Trompete auf Befehl der <persName xml:id="persName_81bdd700-1bad-4e59-9820-860c20c936fe">Cécile<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName>. 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