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fmb-1836-11-15-01

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Felix Mendelssohn Bartholdy an Julie Sophie Jeanrenaud in Frankfurt a. M., adressiert an Cornelius Carl Souchay <lb></lb>Leipzig, 15. November 1836 Eigentlich war ich seit Deinem vorigen Briefe ganz ärgerlich auf Dich, weil mir es vorkam als seist Du in Deinem vorigen Briefe wieder ganz ärgerlich auf mich. So könnte es aber dann in Ewigkeit fortgehn, Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online (FMB-C) noch nicht ermittelt noch nicht ermittelt Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Transkription: FMB-C Edition: FMB-C Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe (FMB-C). Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft. Humboldt-Universität zu Berlin
Am Kupfergraben 5 10117 Berlin Deutschland
http://www.mendelssohn-online.com Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Bd. 5, 1466

Maschinenlesbare Übertragung der vollständigen Korrespondenz Felix Mendelssohn Bartholdys (FMB-C)

Großbritannien Oxford GB-Ob Oxford, Bodleian Library Music Section M.D.M. c. 31, fol. 9-10. Autograph Felix Mendelssohn Bartholdy an Julie Sophie Jeanrenaud in Frankfurt a. M., adressiert an Cornelius Carl Souchay; Leipzig, 15. November 1836 Eigentlich war ich seit Deinem vorigen Briefe ganz ärgerlich auf Dich, weil mir es vorkam als seist Du in Deinem vorigen Briefe wieder ganz ärgerlich auf mich. So könnte es aber dann in Ewigkeit fortgehn,

4 beschr. S.; Adresse, mehrere Poststempel.

Felix Mendelssohn Bartholdy

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Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C: Digitale Edition der vollständigen Korrespondenz Hin- und Gegenbriefe Felix Mendelssohn Bartholdys auf XML-TEI-Basis.

Die Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence Online-Ausgabe FMB-C ediert die Gesamtkorrespondenz des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 in Form einer digitalen, wissenschaftlich-kritischen Online-Ausgabe. Sie bietet neben der diplomatischen Wiedergabe der rund 6.000 Briefe Mendelssohns erstmals auch eine Gesamtausgabe der über 7.200 Briefe an den Komponisten sowie einen textkritischen, inhalts- und kontexterschließenden Kommentar aller Briefe. Sie wird ergänzt durch eine Personen- und Werkdatenbank, eine Lebenschronologie Mendelssohns, zahlreicher Register der Briefe, Werke, Orte und Körperschaften sowie weitere Verzeichnisse. Philologisches Konzept, Philologische FMB-C-Editionsrichtlinien: Uta Wald, Dr. Ulrich Taschow. Digitales Konzept, Digitale FMB-C-Editionsrichtlinien: Dr. Ulrich Taschow. Technische Konzeption der Felix Mendelssohn Bartholdy Correspondence FMB-C Ausgabe und Webdesign: Dr. Ulrich Taschow.

15. November 1836 Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)counter-resetMendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847) Leipzig Deutschland Jeanrenaud, Julie Sophie (1816-1875) Frankfurt a. M. Deutschland deutsch
An Fräulein Julie Jeanrenaud adr. Herrn C. C. Souchay. frei.
Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Mendelssohn Bartholdy (bis 1816: Mendelssohn), Jacob Ludwig Felix (1809-1847)Leipzig d. 15ten Nov. 1836Liebe Julie

Eigentlich war ich seit Deinem vorigen Briefe ganz ärgerlich auf Dich, weil mir es vorkam als seist Du in Deinem vorigen Briefe wieder ganz ärgerlich auf mich. So könnte es aber dann in Ewigkeit fortgehn, wie mit dem Wirthshaus zum Wirthshaus, drum fange ich gleich damit an, und sage, daß ichs nicht mehr bin. Gestehe nur, daß ich Ursache genug hätte, es von Dir zu glauben denn daß Du behauptest aus meinen Briefen an Dich sähest Du deutlich ich hielte Dich für leichtsinnig oder kindisch – das ist doch gar nicht freundlich von Dir. Daß ichs nicht thue, daran hast Du gewiß keinen Augenblick gezweifelt, also hast Du nur meinen schlechten Witz, oder meine dummen Briefe kritisiren wollen – eben darüber war ich wieder ärgerlich. Denn ich schreibe eben wie der Schnabel mir gewachsen ist, und drum ists ganz unmöglich daß nicht in jeder Zeile die ich Dir schreibe das gerade Gegentheil von dem stehn müßte, was Du herausgelesen hast, und drum muß ich Dir auch jetzt das alles sagen, was ich lieber verschweigen sollte, denn ich weiß nicht, ob Du mir nicht drum wieder böse wirst; (aber wie gesagt ich muß schreiben dürfen wie mirs um Herz ist, sonst gehts gar nicht, und Du fändest es gleich am ersten heraus wenn ich hinter dem Berge halten wollte.) Also will ich mir gewiß meine schlechten Witze und dgl. abzugewöhnen suchen, aber dagegen mußt Du auch nicht so etwas von mir denken (oder sagen) wie das vom Leichtsinn &c. – Ist das nicht ein förmlicher Contract? Ich will mich daran halten, und bitte Dich, thu’s auch. Zuweilen ist mirs sonderbar, wenn ich Deinen Brief ansehe, worin Du über so manches verstimmt bist und klagst; aus alle dem guckt ein gewisses Glück hervor, um das ich Dich von ganzem Herze[n] beneiden müßte, wenn ich nicht mir daran wieder zurückr[ufe], wie es auch seine Schattenseite hat; nämlich das Glück nur in seiner Familie und mit ihr und im Kreise der Seinigen zu leben. So lange ich das Glück genoß, so weiß ich noch recht gut, wie ich mir oft so beengt vorkam, wie mich das und jenes quälte und verdroß, und (curios genug) gab es eine ganze Zeit, wo ich, wie Du, behauptete man wolle mich um meine Lebhaftigkeit bringen – nun habe ich seitdem Gelegenheit genug gehabt, ohne all diese kleinen Verdrießlichkeiten zu leben, aber auch ohne all die großen Freuden, die ein solches Glück mit sich bringt, und wahrlich ich begriffe nicht, wie ich damals jene Verdrüsse nur hätte fühlen können, wenn ich nicht an Dir sähe, daß es Dir eben so geht, und daß freilich kleine Nadelstiche, wenn sie oft kommen, eben so weh thun und reizen wie ein ordentlicher Hieb. Was aber die Lebhaftigkeit betrifft, für die bin ich nicht bange, liebe Julie, die flieht nicht so geschwind, und wenn ich mir was wünschen sollte, so möcht’ ich wohl so lange leben, bis Du phlegmatisch geworden bist; es hat Zeit damit. – Gewiß soll mir Hr. von SavignySavigny, Franz Carl Georg von (1808-1852) Coralie o mon ange vorsingen, aber wo bleibt er denn? Bis jetzt ist hier noch nichts von ihm zu sehn und zu hören. Das ist ein rechter, echter Berliner mit seinen guten und bösen Eigenschaften; ich hab ihn aber noch nie singen hören, und bin ganz neugierig, soviel habe ich davon gehört. Wohl hast Du Recht mit den unmenschlich viel[en] Freunden, das kommt meistentheils noch von meinem fahre[nden] Musikerleben her, wo ich bald hier bald dort ein Paar Monate lebte und lustig war, doch schreiben sich von der Zeit auch manche umgekehrte Freunde her, die eben nicht sehr viel Lobenswerthes an mir finden können; wenn Dir so einer mal in den Wurf kommt, so erinnre Dich dann auch, daß Du den Felix nicht mehr kennen zu lernen brauchst. CécileMendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853) glaubt das sei eine Einbildung von mir, aber leider ist es das nicht. Ich wollte die ganze Zeit für Euch beiden SchwesternJeanrenaud, Julie Sophie (1816-1875)Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853) ein Paar Duetten machen, die ich im Kopfe habe, aber lassen mich denn die Leipziger zu irgend etwas kommen? heut Abend ist schon wieder ein ConcertGewandhausLeipzigDeutschland. Wenn ich nur erst wieder auf dem Sopha säße, fern von all diesen Proben, Aufführungen und Geschäften, und nahe bei dem Fahrthor zu Frankfurt. Mir klingt das jetzt so gut, und dann denke ich, daß ich heut über 3 Wochen etwa den letzten Brief vor Weihnachten schreibe und dann freue ich mich. Lebe wohl, liebe Julie, und sei mir gut, und nimmer böse für meinen vorigen Brief, oder für diesen, oder irgend einen zukünftigen sondern gedenke zuweilen freundlich an Deinen

Felix MB.
            Leipzig d. 15ten Nov. 1836Liebe Julie
Eigentlich war ich seit Deinem vorigen Briefe ganz ärgerlich auf Dich, weil mir es vorkam als seist Du in Deinem vorigen Briefe wieder ganz ärgerlich auf mich. So könnte es aber dann in Ewigkeit fortgehn, wie mit dem Wirthshaus zum Wirthshaus, drum fange ich gleich damit an, und sage, daß ichs nicht mehr bin. Gestehe nur, daß ich Ursache genug hätte, es von Dir zu glauben denn daß Du behauptest aus meinen Briefen an Dich sähest Du deutlich ich hielte Dich für leichtsinnig oder kindisch – das ist doch gar nicht freundlich von Dir. Daß ichs nicht thue, daran hast Du gewiß keinen Augenblick gezweifelt, also hast Du nur meinen schlechten Witz, oder meine dummen Briefe kritisiren wollen – eben darüber war ich wieder ärgerlich. Denn ich schreibe eben wie der Schnabel mir gewachsen ist, und drum ists ganz unmöglich daß nicht in jeder Zeile die ich Dir schreibe das gerade Gegentheil von dem stehn müßte, was Du herausgelesen hast, und drum muß ich Dir auch jetzt das alles sagen, was ich lieber verschweigen sollte, denn ich weiß nicht, ob Du mir nicht drum wieder böse wirst; (aber wie gesagt ich muß schreiben dürfen wie mirs um Herz ist, sonst gehts gar nicht, und Du fändest es gleich am ersten heraus wenn ich hinter dem Berge halten wollte. ) Also will ich mir gewiß meine schlechten Witze und dgl. abzugewöhnen suchen, aber dagegen mußt Du auch nicht so etwas von mir denken (oder sagen) wie das vom Leichtsinn &c. – Ist das nicht ein förmlicher Contract? Ich will mich daran halten, und bitte Dich, thu’s auch. Zuweilen ist mirs sonderbar, wenn ich Deinen Brief ansehe, worin Du über so manches verstimmt bist und klagst; aus alle dem guckt ein gewisses Glück hervor, um das ich Dich von ganzem Herzen beneiden müßte, wenn ich nicht mir daran wieder zurückrufe, wie es auch seine Schattenseite hat; nämlich das Glück nur in seiner Familie und mit ihr und im Kreise der Seinigen zu leben. So lange ich das Glück genoß, so weiß ich noch recht gut, wie ich mir oft so beengt vorkam, wie mich das und jenes quälte und verdroß, und (curios genug) gab es eine ganze Zeit, wo ich, wie Du, behauptete man wolle mich um meine Lebhaftigkeit bringen – nun habe ich seitdem Gelegenheit genug gehabt, ohne all diese kleinen Verdrießlichkeiten zu leben, aber auch ohne all die großen Freuden, die ein solches Glück mit sich bringt, und wahrlich ich begriffe nicht, wie ich damals jene Verdrüsse nur hätte fühlen können, wenn ich nicht an Dir sähe, daß es Dir eben so geht, und daß freilich kleine Nadelstiche, wenn sie oft kommen, eben so weh thun und reizen wie ein ordentlicher Hieb. Was aber die Lebhaftigkeit betrifft, für die bin ich nicht bange, liebe Julie, die flieht nicht so geschwind, und wenn ich mir was wünschen sollte, so möcht’ ich wohl so lange leben, bis Du phlegmatisch geworden bist; es hat Zeit damit. – Gewiß soll mir Hr. von Savigny Coralie o mon ange vorsingen, aber wo bleibt er denn? Bis jetzt ist hier noch nichts von ihm zu sehn und zu hören. Das ist ein rechter, echter Berliner mit seinen guten und bösen Eigenschaften; ich hab ihn aber noch nie singen hören, und bin ganz neugierig, soviel habe ich davon gehört. Wohl hast Du Recht mit den unmenschlich vielen Freunden, das kommt meistentheils noch von meinem fahrenden Musikerleben her, wo ich bald hier bald dort ein Paar Monate lebte und lustig war, doch schreiben sich von der Zeit auch manche umgekehrte Freunde her, die eben nicht sehr viel Lobenswerthes an mir finden können; wenn Dir so einer mal in den Wurf kommt, so erinnre Dich dann auch, daß Du den Felix nicht mehr kennen zu lernen brauchst. Cécile glaubt das sei eine Einbildung von mir, aber leider ist es das nicht. Ich wollte die ganze Zeit für Euch beiden Schwestern ein Paar Duetten machen, die ich im Kopfe habe, aber lassen mich denn die Leipziger zu irgend etwas kommen? heut Abend ist schon wieder ein Concert. Wenn ich nur erst wieder auf dem Sopha säße, fern von all diesen Proben, Aufführungen und Geschäften, und nahe bei dem Fahrthor zu Frankfurt. Mir klingt das jetzt so gut, und dann denke ich, daß ich heut über 3 Wochen etwa den letzten Brief vor Weihnachten schreibe und dann freue ich mich. Lebe wohl, liebe Julie, und sei mir gut, und nimmer böse für meinen vorigen Brief, oder für diesen, oder irgend einen zukünftigen sondern gedenke zuweilen freundlich an Deinen
Felix MB.          
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Zuweilen ist mirs sonderbar, wenn ich Deinen Brief ansehe, worin Du über so manches verstimmt bist und klagst; aus alle dem guckt ein gewisses Glück hervor, um das ich Dich von ganzem Herze[n] beneiden müßte, wenn ich nicht mir daran wieder zurückr[ufe], wie es auch seine Schattenseite hat; nämlich das Glück nur in seiner Familie und mit ihr und im Kreise der Seinigen zu leben. So lange ich das Glück genoß, so weiß ich noch recht gut, wie ich mir oft so beengt vorkam, wie mich das und jenes quälte und verdroß, und (curios genug) gab es eine ganze Zeit, wo ich, wie Du, behauptete man wolle mich um meine Lebhaftigkeit bringen – nun habe ich seitdem Gelegenheit genug gehabt, ohne all diese kleinen Verdrießlichkeiten zu leben, aber auch ohne all die großen Freuden, die ein solches Glück mit sich bringt, und wahrlich ich begriffe nicht, wie ich damals jene Verdrüsse nur hätte fühlen können, wenn ich nicht an Dir sähe, daß es Dir eben so geht, und daß freilich kleine Nadelstiche, wenn sie oft kommen, eben so weh thun und reizen wie ein ordentlicher Hieb. Was aber die Lebhaftigkeit betrifft, für die bin ich nicht bange, liebe Julie, die flieht nicht so geschwind, und wenn ich mir was wünschen sollte, so möcht’ ich wohl so lange leben, bis Du phlegmatisch geworden bist; es hat Zeit damit. – Gewiß soll mir Hr. von <persName xml:id="persName_ab822f61-df4b-433b-91f1-ef671eb964c2">Savigny<name key="PSN0114480" style="hidden">Savigny, Franz Carl Georg von (1808-1852)</name></persName> Coralie o mon ange vorsingen, aber wo bleibt er denn? Bis jetzt ist hier noch nichts von ihm zu sehn und zu hören. Das ist ein rechter, echter Berliner mit seinen guten und bösen Eigenschaften; ich hab ihn aber noch nie singen hören, und bin ganz neugierig, soviel habe ich davon gehört. Wohl hast Du Recht mit den unmenschlich viel[en] Freunden, das kommt meistentheils noch von meinem fahre[nden] Musikerleben her, wo ich bald hier bald dort ein Paar Monate lebte und lustig war, doch schreiben sich von der Zeit auch manche umgekehrte Freunde her, die eben nicht sehr viel Lobenswerthes an mir finden können; wenn Dir so einer mal in den Wurf kommt, so erinnre Dich dann auch, daß Du den Felix nicht mehr kennen zu lernen brauchst. <persName xml:id="persName_b1ffb52e-aaef-44a5-a718-36abf767ce4e">Cécile<name key="PSN0113252" style="hidden">Mendelssohn Bartholdy, Cécile Sophie Charlotte (1817-1853)</name></persName> glaubt das sei eine Einbildung von mir, aber leider ist es das nicht. 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